Der Winter hatte noch gar nicht richtig angefangen, da steht auch schon der Frühling vor der Tür und dennoch fühlt sich die Welt immer noch wie Winter an. Eisig, stürmisch und leblos. Krieg in der Ukraine, eine Pandemie, die immer noch nicht vorbei zu sein scheint und Menschen, die nach 2 traurigen Jahren die Wände hochgehen. Das alles endet in einer toxischen Internetkultur, weil ein echter Austausch mit den Menschen Mangelware geworden ist. Auch mir geht nach einer langen Zeit ohne einige spärliche Sozialkontakte und ohne Urlaub und Zeitvertreib auch manchmal die Hutschnur hoch und ich verliere mich in Meinung statt in Fakten. Allerdings tun mir die wenigen unvermeidlichen Sozialkontakte auch nicht wirklich gut. In meinem Umfeld regt man sich mehr über Spritpreise auf, als mit der Angst vor einer neuen russischen Bedrohung umzugehen. Vielleicht bin ich aber auch der Dumme in dieser Gleichung. Alles bleibt ungerecht.
Ermordung von Sophie Lancaster: Täter Ryan Herbert soll aus der Haft entlassen werden | BBC
2008 wurde Sophie Lancaster zu Tode geprügelt, weil sie ein Goth war. Einer der Haupttäter, Ryan Herbert, der seinerzeit zu lebenslanger Haft verurteilt wurde konnte jüngst vor dem Bewährungsausschuss seine Rehabilitierung glaubhaft machen und scheint jetzt aus der Haft entlassen zu werden. Ein Statement von Sophie Lancasters Mutter macht deutlich, dass sie diese Entscheidung empörend findet: „Wieder einmal haben wir ein Justizsystem, das keine Gerechtigkeit schafft.“ Der Bewährungsausschuss und der vorsitzende Richter sind zu dem Schluss gekommen, Herbert hätte „große Fortschritte gemacht“ und sein für eine Bewährung geeignet. Sophie Lancasters Ermordung stand immer wieder im Focus der Berichterstattung nicht zuletzt, weil Sylvia, die Mutter des getöteten Teenagers sich mit ihrer „Sophie Lancaster Foundation“ gegen das Vergessen stark gemacht hatte. Die Frage, die sich nun stellt, ist schwierig. Wann ist der Gerechtigkeit Genüge getan? Hat ein Mörder, der bei seiner Tat 16 Jahre alt war, nach rund 14 Jahre Haft und Rehabilitierung genug gebüßt?
Musik, Jugendkulturen und Beteiligung | Journal für politische Bildung
„Die Jugend muss geschützt werden, ob sie will oder nicht!“ Aber wovor eigentlich? Im breiten Angebot der Musik gibt es unzähligen Bands und Songs, vor denen man „warnen“ möchte, die eine Gefahr für die Jugend darstellen. Eine Lösung ist das allerdings nicht: „Sexismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit befriedigen Bedürfnisse. Sie bieten vor allem selbst marginalisierten, gesellschaftlich nicht mächtigen, persönlich wenig selbstbewussten und bildungsfernen (jungen) Männern die Chance, sich selbst zu erhöhen, indem sie andere weiter erniedrigen, die auf der Leiter der gesellschaftlichen Hierarchie (vermeintlich) noch unter ihnen stehen (noch „Schwächere“). Niemand wird zum Schwulenhasser, weil er homophobe Musik hört, oder zum Nazi, weil er Rechtsrock hört, sondern er hört diese Musik, weil sie seine Bedürfnisse befriedigt, seine Lebenseinstellung widerspiegelt.“
Sie will einen Geist heiraten. Noch streitet man über das Datum | Metro
Sie möchte nämlich eher im Sommer heiraten, obwohl Eduardo, der Geist eines viktorianischen Soldaten, die Hitze überhaupt nicht mag. „Brocarde, 38, is a singer songwriter from Oxfordshire and fell in love with Edwardo – who she says is the ghost of a Victorian soldier – last year. Edwardo appeared in her home and they have been together since. ‘Edwardo and I are currently arguing over the wedding date,’ Brocarde says. ‘I want a summer wedding but he hates the heat and I’d secretly love to make him melt, but he disappears often enough as it is.“ Auch die Moderatoren im Frühstücksfernsehen versuchen, ihr angemessen zu lauschen.
Italien: Frau sitzt mehr als zwei Jahre tot an ihrem Küchentisch | Spiegel
Niemand hatte sie vermisst, es gab keine lebenden Verwandten und die Nachbarn dachte, die 70-jährige Frau sei mit Beginn der Pandemie weggezogen. Was sie aber nicht. Die Frau, die keine Miete zahlen musste, weil sie im Haus lebenslanges Wohnrecht genoss, wurde zufällig entdeckt, als man einen umgestürzten Baum vor ihrem Fenster entfernte. „In Italien löste der Fund Bestürzung aus. Familienministerin Elena Bonetti schrieb auf Facebook: »Was in Como passiert ist, die vergessene Einsamkeit, verletzt unser Gewissen. Wir haben die Pflicht, uns als Gemeinschaft, die vereint bleiben will, an ihr Leben zu erinnern.« Niemand dürfe alleingelassen werden.“
Neu ab April: „Our Darkness. Gruftis und Waver in der DDR“ | Dennis Burmeister und Sascha Lange
Am 1. April erscheint das neue Buch von Sascha Lange und Dennis Burmeister, die sich schon mit „Depeche Mode: Monument“ und „Behind the Wall“ einen Namen gemacht haben. Diesmal geht es weniger um Depeche Mode, sondern vielmehr um die „Schwarze Szene“ der 80er in der DDR. In der Beschreibung zum Buch heißt es: „Aus geschmuggelten Bravos und dem Jugendradio DT64 suchten sich Jugendliche in der DDR ab Mitte der Achtziger ihre Informationen zur Waver- und Grufti-Jugendkultur zusammen, bastelten sich in vielen Stunden ihre eigenen Interpretationen des Outfits und schufen sich eine eigene, selbst geschaffene kulturelle Heimat. Auch die zahlreichen Anfeindungen durch Faschos und den DDR-Sicherheitsapparat konnten die Ausbreitung dieser Jugendkultur nicht stoppen. Legendärer Höhepunkt war am 4. August 1990 das erste Konzert von The Cure in der DDR.“
Aus den Trümmern zu den Sternen | Deutschlandfunk Kultur
Zu feige, um Steine auf die Polizei zu schmeißen, zu revolutionär, um in Starre zu verharren. „Wir haben akustische Steine geschmissen, also kulturell zersetzt, das System aufgelöst.“ Deutschlandfunk Kultur hat ein Feature über die elektronisch-musikalisch Pioniere von Kraftwerk und Tangerine Dream gemacht. „Konzeptionell tritt die Band hinter ihre Musik zurück. Dazu passt, dass Kraftwerk uniform auftreten: Stoffhose, Hemd, Krawatte, die Haare kurz und geschniegelt. Die vier Musiker sehen aus wie Buchhalter, die an Stehpulten auf der Bühne ihrer Arbeit nachgehen: emotionslos, kühl. Ohne einen Tropfen Schweiß zu vergießen. Popjournalist Max Dax fasst das so zusammen: „Kraftwerk haben Musik nicht nur als Jam oder Musikmachen begriffen, sondern sie haben versucht, die Welt zu erfassen und das in Musik und Texte zu fassen.“
(Danke an Wiener Blut)
Wiederbelebung einer totgeglaubten Subkultur? „Emo Girl“ von Machine Gun Kelly | Musikexpress
Machine Gun Kelly ist nicht nur der medienwirksame Schwarm von Transformers-Star Megan Fox, sondern auch Musiker. Zusammen mit der 22-jährigen Tochter von Will Smith, Willow, hat er jetzt die Single „Emo Girl“ veröffentlicht. Manche erkennen bereits darin einer Wiedergeburt einer Subkultur, ich würde es als aufwärmen eines Styling-Konzeptes werten. Allerdings ist das Stück musikalisch so belanglos, dass ich es mal in Wochenschau verbanne. Die Formel Goth werde ich mir mit der musikalischen Seuche jedenfalls nicht zukleistern.
Dance Like a 90’s Goth With Me | Angela Benedict
Weil ja am 20. März sowas ähnliches wie ein „Freedom Day“ in Sachen Corona Pandemie war, und viele Discotheken der schwarzen Szene wieder knirschend ihre Pforten öffnen, kommt ein Tanz-Video genau richtig. Nur für die Gefahr, dass man nach 2 Jahren einige Moves vergessen hat.
Lieber Robert,
ich danke Dir für Deinen Eintrag!
Gerade dem ersten Abschnitt kann ich nur völlig zustimmen und fragen: In was für einer Zeit leben n wir?
Ich denke, daß diese Frage sehr einfach beantwortet werden kann. Die Zeiten waren nie wirklich anders! Wir hatten auf unserem Fleckchen Erde nur das Glück, für eine fast unglaublich lange Zeit in Frieden und Wohlstand leben zu dürfen. Der Normalzustand ist das (leider) nicht… 😢
Was meinst Du mir „Wir“?
Nun ja, erst einmal ganz pauschal gesagt meine ich damit uns Nachkriegsdeutsche. Aber mit gewissen Einschränkungen kann man diese lange Friedensperiode und den relativen Wohlstand auch auf große Teile von Europa projezieren.
Da gibt es Länder und Regionen, die nicht dieses Glück hatten.
Ja Robert, es bleibt ungerecht…. und nu?! Letzten Donnerstag haben wir mal unter Bekannten im Wintergarten gesessen, mit Kardamom gewürzten Kaffee, Chai Tee und Bier getrunken, und hatten mal wirklich viele Themen… vor allem viele lokale und langjährige Themen, ABER kein Gejammer oder Geschimpfe. Bedenken ja, Kritik ja, aber immer mit gestalterischen Ansatz. Viel auf einer Linie, sehr rund gelaufen. Meine Frau war so zufrieden, dass sie hinterher sagte „endlich mal normale Menschen“. Was hat uns diese Zeit mit Pandemie und Krieg gelehrt: Wir suchen uns unsere Kontakte in der Freizeit noch genauer aus. Und irgendwie überschneiden sich diese Gruppen dann zwar, aber gut. Auf die plumpen Nörgler oder schlimmer haben wir keinen Bock mehr, mit denen wird auch nicht mehr diskutiert. Liest sich komisch, sorgt aber gerade in dieser Zeit für Entlastung. Einige …. kann man sich ja eh nicht aussuchen.
Ja, du hast schon recht, eine große Erkenntnis wächst daraus nicht. Allerdings meine ich, eine Entwicklung erkannt zu haben. Oder ich werde einfach alt. Das Netz macht uns Meinungsstark aber Diskussionsarm. Das spiegelt sich auch im Umgang mit den Menschen. Meinung ja, Fakten nein und Diskussion eher weniger. Mir geht es ja oft nicht besser.
Suchen wir uns deswegen unsere Freunde noch besser aus? Das ist kritisch, wie ich finde, weil man doch Gefahr läuft, in einer Bubble aus Menschen zu schweben, die so denken, so fühlen und so sind wie wir selbst. Fällt dann da nicht die Bereicherung flach?
P.S.: Deine E-Mail Adresse scheint nicht zu funktionieren, ich würde Dir gerne für deine Einsendung danken, bekomme aber nur einen Autoresponder zurück.
Ouh, dann mach ich mal Platz im Postfach… so ist das mittlerweile mit mehreren. ;-)
Was hab ich heute erst gehört: Ich wäre wieder voll im Dorf Muckelmuff angekommen. und gestern „genauso wirst du auch im Alter“ *lach* Ne, mal im Ernst. Die Gruppen sind schon unterschiedlich. Sowohl vom Alter… teilweise fast ein halbes Jahrhundert…, Geschlecht, Beruf…. und es sind neue und langjährige Begegnungen dabei, aber eine Schnittmenge muss schon da sein. Ich würde das mal als positive Schublade bezeichnen. Und oft ist die Sortierung ja garnicht so falsch. Da kann dann aber trotzdem leidenschaftlich Diskutiert werden. Das mit den Fakten ist übrigens ein gutes Argument, weil bei der Diskussion dann ja auch Wissen getauscht wird. Wohlgemerkt Wissen, möglichst wenig Tratsch. Es geht auch nicht um eine „feel good Blase“, es geht darum positiv selbst aus verschiedenen Standpunkten raus zu gehen danach und konstruktiv zu diskutieren. Und ja, man wird einfach Älter… von mir aus auch gelassener.
Dein Kommentar empfinde ich etwas herablassend. Schön, das ihr bei Kardamomgewürzten Kaffee so viele gestalterische Ansätze gefunden habt. Aber ich finde man darf auch mal trauern und resigniert und wütend sein, über das Leben und das Weltgeschehen, ohne Lösungsansätze parat zu haben. Mir persönlich gehen die Ideen und der Handlungsspielraum gegen Ungerechtigkeiten nämlich langsam aus, da möchte ich ganz ehrlich sein.
Sich nur mit Gleichgesinnten zu umgeben, soweit es überhaupt möglich ist, halte ich auch für kritisch. Da gebe ich Robert zu 100% recht, wenn er von der Bubble schreibt. Das heißt doch nicht automatisch non Stopp Diskussionen zu führen, klar das geht an die Nerven. Aber man kann auch ne schöne Zeit mit Menschen verbringen, die eine andere Sicht auf die Welt haben als man selbst, ganz ohne Konflikt. Das kann auch rund laufen, kann sogar den Horizont erweitern.
Klar gibt es Grenzen, aber ich lasse die Extremfälle jetzt einfach mal außen vor.
Es geht ja gerade darum aus Trauer, Kritik, vielleicht auch Galgenhumor etwas zu machen… aber nicht darin stecken zu bleiben. Lies ruhig meine Antwort an Robert noch ergänzend dazu. Grüße.
Vielleicht muß unsere Jugend inzwischen vor allem vor sich selbst geschützt werden? Ich vermute mal, auch die Fridays For Future-Bewegung wurde inzwischen AfD-positiv getestet, sprich von Rechts unterwandert. Nur so kann ich mir deren kürzliche Entgleisung durch Ausschluß einer Dreadlocks tragenden Musikerin von einem geplanten, öffentlichen Auftritt während einer FFF-Kundgebung erklären. Optional könne sich Frau Maltzahn vorher noch die mühsam verfilzte Haarpracht abschneiden lassen, das würde ihr die Teilnahme sichern, so FFF.
Da fragt man sich doch, welches Outfit den FFF-Jüngern denn angemessen und salonfähig gewesen wäre – vielleicht ein strammer Seitenscheitel mit kleinem Oberlippenbärtchen?
Du hast so recht, Robert – gruseliger als im Winter 2021/22 geht es kaum noch. Sind plötzlich um sich greifende Dummheit und Wahnvorstellungen vielleicht eine Long-Covid-Folge? Langsam gehen mir Erklärungsversuche und Verständnis aus.
Mir liegt es jetzt fern, eine politische Diskussion lostreten zu wollen, da ich selbst relativ unpolitisch bin und mich vor niemandes Karren spannen lasse. Aber glaubst du tatsächlich ernsthaft, daß Intoleranz, Dogmatismus und Ungerechtigkeit nur von rechts gekommen sein können?
Das können linke und religiöse Eiferer genau so gut, in ihren Methoden unterscheiden sie sich, wenn überhaupt, nur marginal.
Mir sind alle Extreme gleichermaßen zuwider.
Der moralische Maßtab für mein Leben ist ausschließlich der kategorische Imperativ nach Kant, damit bin ich bisher ziemlich gut gefahren.
Also ich möchte jetzt nichts falsches sagen und hab davon nichts mitbekommen.
Aber ich könnte mir eher vorstellen das es hierbei vielleicht um kulturelle Aneignung geht. Ist ja ein großes Thema gewesen in letzter Zeit. Aber ich recherchier das mal…
Edit: nach kurzer Recherche hab ich dazu was gefunden. Es deckt sich mit meiner Vermutung. Einfach mal googeln wer mehr wissen möchte, ich mag jetzt kein Fass hier aufmachen.
Die Geschichte mit der Musikerin, die sich ihre Dreadlocks abschneiden sollte… ja, hab davon in der Zeitung gelesen.
Das hat für mich offen gesagt aber nicht wirklich etwas mit rechter Unterwanderung zu tun. Das ist in meinen Augen eher quasireligiöser Fanatismus, der soweit in eine vermeintlich linke Richtung abgerutscht ist, dass er von da aus eigentlich schon wieder bequem dem politisch rechten Sektor die Hand schütteln kann.
Ich würde das eher einen Paradigmenwechsel in der Gesellschaft nennen, der erstmal ins Extrem ausschlägt bevor es sich einpendelt.
Paradigmenwechsel gut und schön, doch das Gegenteil von gut ist manchmal eben auch einfach nur gut gemeint und kann dazu beitragen, dass eigentlich wichtige Themen unnötig untergraben werden.
Extreme sind darüber hinaus auch mir zuwider und wenn das an manchen Stellen derart fanatische Züge annimmt, so wie in diesem Beispiel, dann distanziere ich mich als normalerweise eher linksgrün orientierter Mensch von diesen ebenso deutlich wie von jedem Fascho aus dem dem rechten Lager. Mit quasireligiösen Fanatikern würde auch ich nichts zu tun haben wollen, denn wie gesagt untergraben diese mit ihren Methoden durchaus wichtige Themen und ziehen damit die Aufmerksamkeit der Mehrheit ab. Das zu ignorieren und darauf zu setzen, dass es sich schon irgendwann einpendelt halte ich für höchst fahrlässig, wenn einem denn wirklich solche Themen am Herzen liegen.
Ja mir liegen solche Themen am Herzen. Deswegen halte ich es für wichtig faktisch richtig darüber zu reden. Kulturelle Aneignung ist ein wichtiges Thema, das zumindest mir viel zu lange nicht bewusst war.
Ich finde doch auch das es bei dem Thema Dreadlocks über das Ziel hinausschießt. Das kritisiere ich doch. Daran ist mitnichten etwas fahrlässiges. Ebenso finde ich Extreme abstoßend. Ich bin ein Mensch der versucht immer besonnen Dinge abzuwägen und mich an Fakten zu halten. Hier ist nunmal Fakt das es nicht mit rechter Unterwanderung zu tun hatte sondern mit kultureller Aneignung. wichtig ist mir hierbei das wertfrei festzustellen sodass sich jeder selbst ein Bild dazu machen kann.
Aber das ist ja eben ein tolles Beispiel dafür was passiert wenn die Sichtweise auch nur eine Nuance weit auseinander liegen. Finds schade, echt. Hab das Gefühl man möchte sich absichtlich falsch verstehen nur um stänkern zu können. Also so generell. Daum geht es ja auch ein Bisschen im Prolog der Wochenschau.
Ich bin halt jemand die den Dialog und das Miteinander sucht.
Ps: ein großes Manko von geschriebenen Dialog ist leider das fehlen des subtextes durch Tonfall und Mimik. Damit gehen viele verbindene Elemente leider auch unter…
Zum Thema „Kulturelle Aneignung“ erscheint bald ein eigener Artikel, den ich übrigens schon vor Eurem aufgreifen dieses Themas fast fertig hatte :) Wir liegen eben doch auf einer Wellenlänge.
Das ist ein wichtiger Punkt, den ich durchaus so unterschreiben kann. Wir leben scheinbar in einer Zeit (so mein Eindruck) in der sich viele offenbar erst gar nicht mehr verstehen wollen. Da wird dann gerne mal jede Aussage auf die Goldwaage gelegt und durchseziert, weil man damit die Welt so spielend einfach in schwarz/weiß, gut/böse unterteilen kann. So einfach ist es nur eben nicht. Manchmal glaube ich (man möge mich da gern korrigieren) uns fliegen da inzwischen bereits die Nachteile der elektronischen Kommunikationswege bzw. der sozialen Medien um die Ohren. Die Diskussionskultur empfinde ich inzwischen jedenfalls als absolute Katastrophe.
Was die kulturelle Aneignung angeht, so spare ich mir an dieser Stelle mal eine ausführliche Antwort. Robert wollte dazu ja noch einen eigenen Artikel veröffentlichen, da werde ich das dann ggfs nachholen. Im großen und ganzen würde ich aber schon den Ausführungen von @markus zustimmen. Wo wollen wir denn bei modischen Errungenschaften die ethisch-moralische Grenze kultureller Aneignung ziehen? Ich finde das nämlich auch gar nicht so einfach zu beantworten. Schließlich geht es hier ja nicht um irgendwelche kunst- und kulturgeschichtlichen Objekte, deren Herkunft man eindeutig bestimmen kann. Wie beispielsweise antike Artefakte aus Afrika, die während der Kolonialzeit von dort gestohlen wurden und bis heute in irgendwelchen, garantiert nicht afrikanischen Ecken lagern. Wenn man sowas als kulturelle Aneignung betiteln will, so läuft man bei mir offene Türen ein. ;)
Ganz genau. Es ist alles sehr komplex (geworden). Mir persönlich fällt es, manches mal und bei bestimmten Themen, wahnsinnig schwer mich zurechtzufinden. Herrauszufinden was richtig und falsch ist. Oder was ich als solches betrachte, eben weil es nicht einfach gut und böse gibt. Deshalb schätze ich den Austausch, zur persönlichen Weiterbildung und zum besseren Verständnis der Welt.
Wenn der Ton allerdings zu bissig wird und Fronten seh verhärtet sind, dann fällt es mir noch schwerer inhaltlich zu folgen oder zu partizipieren.
Bin auch sehr gespannt auf den Artikel. Ich denke der wird bestimmt für einige temperamentvolle Kommentare sorgen, was auch gut ist, solange es sich in einem gewissen Rahmen bewegt.
Als ich die Meldung über den Vorwurf der FFF-Bewegung über „kulturelle Aneignung“ zum ersten Mal gelesen habe, kam mir unmittelbar Verbot und Zensur der Nationalsozialisten von Kunst und Literatur als „entartet“ in den Sinn, deswegen meine Assoziation mit rechter Unterwanderung der FFF-Verantworlichen. Und Nein, ich bin nicht so naiv zu glauben, Repression, öffentliche Diffamierung und Verfolgung seien einzig Instrumente rechtsgerichteter Politik – man weiß längst, daß Stalins kommunistisches Regime nicht weniger antisemitisch war als Hitlers NSDAP, sich trotzdem weiterhin als Alliierter und Befreier vom Dritten Reich feiern läßt.
Für mich ist das Tragen von Dreadlocks keine kulturelle Aneignung, wer immer diesen absurden Begriff nun wieder erfunden hat. Ich kann mir kaum vorstellen, daß ursprünglich für den Klimaschutz protestierende Minderjährige sich mit einer vermeintlichen „kulturellen Aneignung“ je auseinandergesetzt haben. Aus meiner Sicht wird die FFF-Bewegung von irgendjemand mit politischem Hintergrund im Hintergrund massiv instrumentalisiert und pervertiert. Und ist sich offenbar nicht zu schade, das mit sich machen zu lassen. Was für mich die nächste Stufe erfolgreicher gesellschaftlicher Spaltung darstellt. Passiert dies durch ein öffentliches Sprachrohr wie die FFF-Bewegung mit ihrem unmittelbaren Einfluß auf hunderttausende junge Menschen wird es brandgefährlich.
Wenn FFF so sehr auf political correctness bedacht ist, hätte man sich zudem vielleicht vor eigenem, blindem Aktionismus einmal mit dem Ursprung der Dreadlocks innerhalb der jamaikanischen Reggea-Kultur und deren eigenen, repressiven, kirchlich und biblisch bezogenen und motivierten Kultur der Unterdrückung von z.B. sexuellen Minderheiten – bis hin zum gesellschaftlich gebilligten Mord an einem schwulen Aktivisten – auseinander gesetzt. Gleiches gilt auch für Träger dieser Haarpracht, so daß man der Betroffenen Ronja Maltzahn bestenfalls dies zum Vorwurf hätte machen können – nicht aber, daß sie sich einen „fremden“ Frisurenstil „kulturell aneignet“.
Dreadlocks als „kulturelle Aneignung“ – mit solchen Aussagen müssen sich die selbsternannten Vertreter der Generation FFF die Frage gefallen lassen, wo sie zukünftig die Grenzen des moralisch-ethischen Vertretbaren ziehen will? Wer so argumentiert, so etwas im Sinne des Wortes an den Haaren herbeizerrt und öffentlich publiziert, muß konsequent auch Millionen von Tattoo- und Piercing-Trägern öffentlich dissen, weil diese Form von heutigem Körperschmuck vor Jahrtausenden einen kulturell völlig anderen Ursprung hatte. Dieser Logik folgend, wären auch westliche Bräute kulturell aneignend und politisch unkorrekt, weil die übliche Brautkleidfarbe weiß in Japan zum Beispiel als Farbe der Trauer gilt, in der westlichen Welt aber als Symbol für Unschuld und Reinheit der Braut herhalten soll. Teilnehmer am viktorianischen Picknick des WGT wären „kulturell aneignend“, weil sie sich den Stil früherer und frühester Goths sowie sämtlicher kunsthistorischer Epochen zum Zweck von Schaulaufen, Fotoposing und Freizeitvergnügen „aneignen“. Die im Artikel erwähnte Dame, die sich mit einem Geist vermählen will, wäre ebenfalls „kulturell aneignend“, weil sie sich die alte, ausgestorbene Kultur der Totenhochzeit des Katholizismus „aneignet“ und für ihre persönlichen Zwecke pervertiert. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, könnte die Nutzbarmachung und der Gebrauch von Feuer – durch den sich unsere Spezies überhaupt erst entwickeln konnte – „kulturell aneignend“ sein, schließlich wurde dieser Fortschritt von anderen Evolutionsstufen als dem Homo Sapiens entwickelt und etabliert, wird von unserer Spezies aber nun für sich beansprucht. Wollen wir zukünftig so leben? Jede Entwicklung, jeden Fortschritt, jede Individualität zunächst einem ethisch-moralischen Frageraster und dem öffentlichen Urteil einer selbsternannten Ethikkommission unterwerfen, die sich aufgrund der vermeintlichen eigenen Integrität noch anmaßt, damit das vermeintlich legitime, öffentliche Interesse einer Mehrheit zu vertreten?
Übrigens versucht gerade ein gewisser Vladimir Putin mit gleicher, kruder Logik, Rhetorik und Rechtfertigung und bislang unvorstellbarer, undenkbarer kriegerischer Handlung eine friedliche Demokratie zu unterwerfen: Unter dem Vorwand, die Ukraine werde von Nazis regiert und man müsse die historisch ursprünglich russische und nun eine durch westliche Einflüsse und „Aneignung“ unterdrückte Bevölkerung und Land „befreien“. Wenn man nur lange genug mit dem Finger auf andere zeigt, lenkt das hoffentlich ausreichend von eigener Unvollkommenheit und eigenem, ethisch nicht vertretbaren Handeln ab…
Erst einmal Danke für die aktuelle Ausgabe :)
Ja, wir leben schon in ziemlich verrückten Zeiten. Meine Angst vor einer russischen Bedrohung hält sich aktuell allerdings noch in Grenzen (oder bin ich inzwischen einfach nur abgestumpft?). Dass wir uns im Angesicht von globalen Katastrophen wie dem Klimawandel jedoch selbst auf unserem Kontinent noch immer um so alte Hüte wie Krieg sorgen müssen, während einige von uns nichts besseres im Sinn haben als sich über gestiegene Energiekosten aufzuregen oder schon wieder!! Mehl und Klopapier zu hamstern lässt mich langsam auch verzweifeln. Da kommt mir ab und zu doch wieder der liebste Spruch meines damaligen Berufschulkollegen in den Sinn: „Lieber Gott lass Hirn vom Himmel regnen. Oder Steine. Hauptsache du triffst.“ ;)
Zur Ausgabe selbst:
Ich freue mich schon sehr auf das angekündigte Buch über die Grufties und Waver in der DDR. Da ich ja immer sehr an Lesestoff aus den alten schwarzen Zeiten interessiert bin, wird dieses Buch sicherlich auch in meiner Sammlung landen. Danke für den Hinweis.
Die Frau, die einen Geist heiraten will:
Ich stehe ja dazu, dass ich nicht daran glaube dass je ein Mensch echten Kontakt zu einem wie auch immer gearteten Jenseits erhalten hat. Aus diesem Grund bewundere ich an dieser Stelle (echt nicht abwertend gemeint) einfach mal die Dame für ihre Fähigkeit, mit ihrer augenscheinlichen Schizophrenie offensichtlich ganz wunderbar zurecht zu kommen. Zumindest wenn das von ihr nun keine blöde PR Aktion sein soll, um ins Fernsehen zu kommen. ;)
Ich fand die Geschichte mit der „Geisterbraut“ sehr amüsant. Is mir voll Schnuppe ob sie das erfunden hat um Aufmerksamkeit zu bekommen oder wirklich daran glaubt. Am meisten hat mich allerdings die Moderatorin mit ihrer echten (oder gespielten??) Be-“geisterung“ zum Lachen gebracht: „Love is love“… süß.
Allerings scheint mir die Beziehung mit
Eduardo etwas toxisch zu sein, da waren einige red flags :D
Na klar, leben und leben lassen. Sie tut ja niemandem damit weh, nech? ;)
Die Moderatorin empfand ich auch als ulkig, aber was hätte sie auch anderes machen sollen? Die zukünftige Braut auszulachen wäre doch auch arg unhöflich gewesen.
Ich danke auch für den Buchtipp. Ich bestelle viel zu viel im Ventil Verlag, aber ich kann nicht anders. ;-)