Spontis Wochenschau #9/2012

Heute habe ich mir selbst nicht geglaubt. Ich erinnere mich an Zeiten in meiner späten Jugend, da war mir langweilig. Ich wusste nicht wohin mit mir, wusste nicht, was ich tun könnte und hatte keine Lust auf irgendwas. Langeweile, das war ein negatives Wort. Ich schwor mir, wenn ich mal auf eigenen Beinen stehe, wird mir nie wieder langweilig sein. Jetzt ist es soweit, ich stehe (oder besser gesagt sitze) auf eigenen Beinen (oder besser gesagt auf meinem Hintern) und mir ist nie langweilig. Immer habe ich etwas zu tun, ich weiß immer wohin mit mir und zu allem Überfluss habe ich auch noch ständig Lust auf irgendwas. Heute dachte ich mir: wie schön wäre es, mal wieder Langeweile zu haben! Eine kurze Gedankenpause später war ich dann schockiert. Habe ich das gerade gedacht? Nun bin ich verwirrt. Ist Langeweile doch nicht negativ? Ich glaube, manchmal ist es gut nichts mit anfangen zu können oder keine Lust auf irgendwas zu haben. Wir müssen uns nur von dem Gefühl befreien, etwas tun zu müssen.
Falls euch trotzdem langweilig ist, hier die Wochenschau. Dieses mal mit einem kleinen WGT-Special, denn erfreulich viele Mit-Blogger haben sich zu Berichten über ihren Besuch in Leipzig hinreißen lassen.

  • Ohne Gema: Wie ich meine Musik befreite | FAZ
    Bruno Kramm bekommt einen Platz im Feuilleton der FAZ – wenn man so möchte, ist das der Ritterschlag der Zeitungsbranche. Seit dem 1. Juni präsentiert er dort im 14-tägigen Rhytmus „Kramms Hits“ und stellt 5 legal erhältliche Musiktitel aus dem Internet vor. Untertitel: Es geht auch ohne Gema. „Das Dilemma unseres Lebens als Musiker lag schon immer zwischen unseren Ideen und ihrer Vermarktbarkeit. Wenn wir heute von der Freiheit der Kunst sprechen, haben wir gegenüber den dunklen Achtzigern einen Grad erreicht, der nicht nur das Urheberrecht der Vergangenheit in Widersprüche verstrickt, sondern diese grundlegende Neudefinition der Beziehung zwischen Schöpfer und Rezipient fordert. Wer dies nur rechtlich und monetaristisch lösen möchte, übersieht die Schönheit und Vielfalt neuer Schöpfungen und das Modell der Zukunft: Creative Commons.“ Und damit ihr nicht lange suchen müsst: Bruno Kramm – Meine Charts vom 1.6. bis zum 15.6. Ob er damit so berühmt wird wie der Graf, bleibt fraglich. Aber vielleicht will er das auch gar nicht.
  • Die Alte Schule – Jörg Augsburg über das natürliche Schwarz | LVZ-Online
    Und es gibt sie doch. Die guten Artikel. Man findet sie in Nischen und Ritzen, aber sie sind da. Jörg Augsburg hat sich zum diesjährigen WGT  mit den „echten“ Grufties auseinandergesetzt. Er hat sie gesucht und wurde fündig, als er Freitag im Felsenkeller gastierte: „Als dann noch die Althelden Red Lorry Yellow Lorry – keiner der gediegen schmuddeligen Herren trägt irgend ein anbiederndes Szene-Accessoire – zeigen, wo all die hibbeligen Post-Postpunker von heute abgeguckt haben, fühlt man sich fast schon daheim, wie zu Frühzeiten des WGT, als es nur 1.500 Gäste waren, weil es schlicht und einfach noch keinen Gruftie-Karneval gab. Hier braucht so gut wie niemand ein Schminktäschchen, das zerschwitzte Outfit wird mit der unprätentiösen Selbstverständlichkeit der Alltagskleidung getragen und Ohrstöpsel benutzt hier sowieso keiner. Es ist das natürliche Schwarz.“ Lesebefehl!
  • Goth-Tag in Disneyland! | VICE
    Wer Trends erkennen möchte, blickt idealerweise in die USA. Da wird das schon gelebt, was hier noch auf schwarze Festivals beschränkt scheint. „Gothic“ im Rausch der Selbstdarstellung. Denn anstatt sich auf Friedhöfen die ersehnte Ruhe zu suchen, fährt man dort nach Disneyland und zwar gemeinsam. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir auf, dass das gar kein Ausflug war, sondern die Fahrt in die Heimat. Seien wir doch mal ehrlich, Disneyland ist doch prinzipiell das genaue Gegenteil von dem, was man unter Gothic verstehen könnte. Oder nicht? Walt Disney würde sich bestimmt im Grabe umdrehen. Aber vielleicht ist das ja gewollt, wäre dann wenigstens ein bisschen so wie das Klischee es vorschreibt.
  • Die Tarifabzocke: Initiative GEMA 2013 | DEHOGA
    Überall versammeln sich Clubbetreiber, Partyveranstalter, DJs und Musiker um erneut zu protestieren. Nicht etwa, weil es um Urheberrechte geht, sondern um die geplante Tariferhöhung der GEMA. Die möchte nämlich nächstes Jahr ein neues Tarifmodell etablieren, bei dem Betreiber von Discotheken kräftig zur Kasse gebeten werden. Zur Information: Jeder Veranstalter, der eine musikalisch untermalte Party veranstaltet, muss Gebühren an die GEMA entrichten. Das ist schon eine ganze Weile so. Bisher wurde das über einen überschaubaren Pauschaltarif abgerechnet, ab nächstem Jahr zählt jeder Tag und darüber hinaus auch die Höhe des Eintrittsgeldes. Je nach Eintrittspreis drohen Erhöhungen von 400-800% was dazu führen könnte, dass viele Betreiber ihren Club schließen müssten, weil sie nicht mehr kostendeckend arbeiten.

WGT-Special: Aus der Sicht der Anderen

  • Wave-Gotik-Treffen für Anverwandte | Mattensan
    Die ein oder andere Stunde habe ich so einfach mit gucken verbracht, es sei mir verziehen, wobei, viele sind sicher auch da, um gesehen zu werden.Positiv beeindruckt hat mich außerdem, dass nur sehr vereinzelt “laute” Leute da waren, kein Gegröhle, kein Gerempel, kein Kampf um ein Bier, keine Müllinseln und -berge, da kann sich jedes Schützenfest mal eine ordentliche Portion gutes Benehmen abschauen.
  • Ship of Ghouls – Mein WGT 2012 | Der schwarze Planet
    Jedes Jahr brenne ich eine WGT-CD für die Autofahrt. Diesmal war auch „Ship of Fools“ von Erasure mit drauf. Ich liebe diese 80er-Schnulze! Ab und zu sang ich das in den WGTagen so schwül vor mich hin und eines verklärten Morgens nach einer langen Partynacht machte der r@zorbla.de daraus „Ship of Ghouls“. Sehr treffend für uns drei wankende Zombie-Gestalten…
  • Zwischen todbringendem Federvieh und der Erkenntnis, dass schwarz manchmal nicht dunkel genug ist | Gedankensplitter hinter Glas
    Pfingsten. Leipzig. Wave-Gotik-Treffen. Wie so oft im Leben gibt es auch hier zwei Seiten. Scheinbar oberflächliche Menschen, die das WGT einzig besuchen, um sich außerhalb der offiziellen Karnevalszeit verkleiden zu können. Die den Bereich vor der Agra – dem „Zentrum“ der auf die ganze Stadt verteilten Veranstaltung – als Laufsteg nutzen. Menschen, mit denen man keine drei Worte wechseln möchte und die das mediale Bild als falsches Zerrbild prägen. Dem gegenüber steht an vielen Orten in Leipzig eine besondere Atmosphäre. Magisch, zauberhaft, ursprünglich, hin und wieder auch ein wenig rebellisch und: schwarz.
  • Wave Gotik Treffen 2012. Die Nachlese. | Frl. Fridur
    In schlichter Glückseligkeit flattern dafür Erinnerungen durch den Schädel, fluten Gedanken ineinander, ganze Bildbände im Inneren. Das ist übrigens auch die Perspektive, die ich mit diesem WGT verbinde und in diesem Eintrag beibehalten möchte: die in mich gerichtete. Keine Diagnosen zu der möglichen Entwicklung der Szene, keine ohnehin überflüssigen Kommentare zum Schaulaufen und der Verlotterung der Subkultur. Vielmehr schickt sich die Nachlese thematisch gesehen dazu an, der eigenen Entwicklung, Einstellung und Neigung Ausdruck zu verleihen.
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Karnstein
Karnstein(@karnstein)
Vor 12 Jahre

Da freue ich mich noch über etwas neues von der Kramm-Front, und da entdecke ich auf seinem zweiten Platz eine Band die ich im Prinzip seit einigen Jahren verfolge, aber jüngst schon fast wieder vergessen hatte: Pornophonique. Wer das Konzept „Lagerfeuer meets Gameboy“ interessant findet und noch nicht reingehört hat: Unbedingt mal versuchen :)

Und vielen Dank für ein erneutes Erwähnen meiner eigenen Mucke ;)

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