Spontis Wochenschau #11/2012

Sommer, Palmen, Sonnenschein. Deutschland ächzt unter der anhaltenden Hitze. Bevor ich jetzt aber anfange über das merkwürdige Wetter zu schreiben und vom Mittelalterwochenende berichte, das sowas von ins Wasser gefallen ist, wende ich mich lieber meinem Nachrichtenstrom zu. In dem ist übrigens noch Sommer, gähnende Leere auf vielen schwarzen Kanälen. Schauen wir ins tagesaktuelle Weltgeschehen. In London findet die Olympiade statt, die offenbar kaum jemanden interessiert und in Syrien ist Krieg, was auch niemanden interessiert. Dafür bekommen deutsche Kinder soviel Taschengeld wie nie zuvor. Laut einer Studie sind es 27,18€, die Kinder zwischen 6 und 13 Jahren im Monat erhalten. Interessant! Rechnen wir das ganz Pauschal in DM um, so hätte ich damals über 50 Mark im Monat bekommen. Wow! Unsere Familienministerin spricht sich zudem für die steuerliche Gleichstellung von „Homo-Ehen“ aus. Die fackeln nicht lange in Berlin. Nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 könnte man ja fast schon von einer übereilten Reaktion sprechen! Dann lieber doch eine Wochenschau, die zugegebenermaßen etwas regnerisch daherkommt. Aber das könnte am verdammten (eigentlich wollte ich nicht meckern) Wetter liegen.

  • Der unterirdische Friedhof von Palermo | Der schwarze Planet
    In einem fesselnden Reisebericht aus Palermo, der Hauptstadt Siziliens, erzählt die schwärzeste Reiseführerin von ihrer Suche nach dem unterirdische Friedhof der Stadt, den „Catacombe dei Cappucini“. Begleitet Shan Dark auf ihren Pfaden. „Und dann hängen sie neben mir – schlaff an Haken an der Wand. Schädel mit verzerrt geöffneten Mündern scheinen stumm zu stöhnen oder zu schreien. Augenhöhlen lugen unter Kapuzen hervor. Sie tragen viel zu große Kleider, Mäntel, Kutten oder mit Gold und Staub besetzte Talare. Fast alle haben Handschuhe an. (…) Nach ein paar Minuten erfasse ich erst die schiere Masse an Leichnamen. Es sind ca. 2.000 Menschen, die sich hier post mortem versammelt haben. Es ist so unwirklich – bin ich noch in der Gegenwart oder schon auf Zeitreise in die Vergangenheit? Unmengen von Leichen – nicht weggesperrt, vergraben oder verbrannt. Sie sind zwar tot, aber irgendwie doch nicht, sondern hängen wie in einer morbiden Ahnengalerie an der Wand – statt Öl auf Leinwand Mumien in Nischen. Ein Keller der Erinnerung an vergangene Jahrhunderte und Menschen.
  • Wo hört’s auf? Gedanken über ein uniformiertes Tabu | Nora Schwarz
    Sind Leute, die in nachgemachten SS-Uniformen auf SM- und Fetischpartys gehen Ignoranten, Hohlköpfe oder Faschisten?“ Offenbar stoßen Nazi-Uniformen nicht nur in der Gothic-Szene auf Ablehnung, sondern sind auch innerhalb der BDSM-Szene nicht unbedingt ein gern gesehenes Spiel mit der Verkleidung. So schreibt Nora Schwarz, Autorin des Buches „Lessons in Lack“ in ihrem Blog: „Auf Hochglanz poliert mit Reichsadler und Totenkopf auf den Mützen, Eichenlaub, Hakenkreuz-Revers-Nadeln, Kragenspiegel und Rangabzeichen an den Uniformjacken.Super, denke ich und frage mich, ob ich mir – obwohl Nichtraucherin – mal eben eine Zigarette schnorren soll, um zumindest der Frau aus dem Trio ein schönes Loch in die sicherlich teuren Kostüme zu brennen. Ich starre zu der Trilogie der Geschmacklosigkeit rüber und frage mich, warum kein Aufschrei durch die Menge geht, warum niemand den Veranstalter informiert oder die drei dreist grinsenden Freunde historischer Gewandung rausschmeißt.
  • Wer kein Facebook-Profil hat, ist psychisch krank und kriegt keinen Job | Netzpolitik
    Schwein gehabt. Ich verfüge über ein Facebook-Profil und bin im Netz nicht allzu zurückhaltend. Wie der Tagesspiegel berichtet, haben „die Psychologen herausgefunden, dass junge Menschen, die sich mit ihren Online-Aktivitäten sehr zurückhalten oder das Netz gar nicht nutzen, ähnlich häufig zu Depressionen und anderen psychischen Leiden neigen wie jene, die das Netz exzessiv nutzen. Bei Jugendlichen, die regelmäßig, maximal zwei Stunden täglich, online gehen, sei dies nicht der Fall.“ Anlass zur Spekulation sind die Attentate von Denver und Oslo, die in den Medien ausgebreitet wurden. Zum Glück hatte ich schon im zarten Alter von 16 ein Modem.
  • Dunkle Geschäfte | Tagesspiegel
    In einem Artikel beim Tagesspiegel berichtet Anika Kreller über die Millionenverdienste der „schwarzen Händler“ von Aderlass bis XtraX. „Mehr als in anderen Subkulturen ist das Outfit ein zentraler Bestandteil der Schwarzen Szene. Es signalisiert Zugehörigkeit und stiftet Identität. Vor allem dient es dazu, sich von der Umwelt abzugrenzen. Viele Anhänger investieren viel Zeit in ihre Kleidung – und Geld. Die Szene entstand Anfang der 80er Jahre aus der Punk-Bewegung. Der Begriff „Gothic“ wurde erst für eine Musikrichtung verwendet, später für die Subkultur, die sich durch eine introvertierte, nachdenkliche Art und vornehmeres Auftreten von den Punks unterschied.“ Der neuste Clou  ist Gothmetic, eine Kosemtik-Serie für die schwarze Szene. Und da soll man nicht resignieren. Spontis wird berichten.
  • Dokumentarfilm: The United States of Hoodoo | Popkontext
    Das schwarze Kultur nicht unbedingt etwas mit der Gothic-Szene zu tun hat, dürfte nichts neues sein. Der Dokumentarfilm „The United States of Hoodoo“ geht den spirituellen Grundlagen der afroamerikanischen Kultur auf den Grund.  „Ausgangspunkt ist die Rückkehr des in Berlin lebenden afroamerikanischen Autors Darius James in seine alte Heimat, um seinen verstorbenen Vater zu beerdigen. Dieser war Bildhauer und tief in der spirituellen Kultur seiner Vorfahren verwurzelt. Gemeinsam mit dem deutschen Regisseur Oliver Hardt macht er sich auf die Suche danach, wie sich die afrikanische Spiritualität in Nordamerika über Zeit und Raum entfaltet hat und bereist das Land von New York über New Orleans bis nach Seattle, um mit Künstler/innen, Glaubensführer/innen und Gelehrten zu sprechen und sich selber zu finden.“ Neugierig? Hier gibt es noch mehr Infos.
  • Doku: Yangon Calling – Punk in Myanmar | Nerdcore
    Noch eine Doku, diesmal über den Punk in Burma. Nach 1976 (geschätzt) hat die kleine Revolution der Musik den ganzen Erdball erfasst. „Knapp sechs Wochen haben wir undercover in Myanmar gedreht. In einem Land, das ausländische Journalisten für gewöhnlich mit einem kräftigen Tritt in den Hintern zurück nach Bangkok befördert. Von den burmesischen Kollegen ganz zu schweigen. Es war manchmal etwas gruselig, ist aber alles gut gegangen. Es ist ein ausgesprochen angenehmes Gefühl, wenn das Flugzeug vom Boden einer Diktatur abhebt und im Rucksack zwischen schmutzigen Socken haufenweise Tapes und Speicherkarten liegen. „Yangon Calling“ portraitiert eine Musik-Szene, deren Existenz wohl kaum jemand für möglich gehalten hätte: den burmesischen Punk-Underground. Punk ist in Myanmar weit mehr als nur die oberflächliche Kopie einer westlichen Jugendszene. Schließlich trifft die wohl rebellischste aller Subkulturen in der ehemaligen Militärdiktatur auf eines der autoritärsten Regime der Welt. Für junge Burmesen ist Punk die Möglichkeit, der verhassten Regierung etwas entgegenzusetzen. Sie kritisieren in ihren Songs die soziale Ungerechtigkeit in Myanmar und fordern Freiheit und Menschenrechte.
  • Save the Arctic: A Homeless Polar Bear in London | Greenpeace
    Sie ist weit weg, kommt kaum in den Nachrichten und ist auch nicht bei Twitter angemeldet. Die Arktis. In Zusammenarbeit mit der Band Radiohead und dem Schauspieler Jude Law entstand dieser bewegende Spot. Der GEMA und YouTube ist es offenbar egal, das offizielle Video ist in Deutschland nicht zu sehen. Irgendwie bezeichnend.
  • Warschau steht still | KFMW
    Jedes Jahr am 1. August steht ganz Warschau für eine Minute wortwörtlich still. Die Stadt gedenkt damit demWarschauer Aufstand, der am 1. August 1944 augehend von der Polnischen Heimatarmee gegen die Deutschen Besatzer stattfand. 63 Tage lang hielten sie ihren Widerstand aufrecht und kapitulierten dann auf Grund der militärischen Übermacht der Deutschen.“ Und manche laufe in Nazi-Uniformen über ein Musikfestival. Komische Welt.
  • Batcavers: Specimen Interview and Lunchtime | Gothic Style and Dark Glam
    Und bevor es droht, ins Politische abzukippen, erfüllen wir lieber ein paar Klischees.  Ein bisschen Style, Glam und andere Ekligkeiten.
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Irmin
Irmin (@guest_28086)
Vor 12 Jahre

Zum Tagesspiegel-Artikel:

In einem Artikel beim Tagesspiegel berichtet Anika Kreller über die Millionenverdienste der “schwarzen Händler” von Aderlass bis XtraX. […] Der neuste Clou ist Gothmetic, eine Kosemtik-Serie für die schwarze Szene. Und da soll man nicht resignieren.

Nein, sollte man wirklich nicht. So etwas ist im Prinzip unvermeidlich, zumindest zu einem gewissen Grad. Mir hat da eine Dokumentation auf Arte die Augen geöffnet, auch, wenn es eigentlich um Apple ging: Da wurde gefragt, wie es denn sein könne, dass Apple, als eine Firma, die ihre Produkte verkaufen will, sich gleichzeitig recht erfolgreich als Vorreiter einer „Alternativkultur“ präsentieren kann (mal davon abgesehen, ob das wirklich „alternativ“ oder nicht nur die zweitgrößte Gruppe nach dem Mainstream ist).

Die Antwort war verblüffend einfach: Alternativkulturen sind aus „Sicht“ des Kapitalismus ja keine Gegner, auch wenn sie sich selbst so sehen. Ganz im Gegenteil: Sie sind ein neuer Markt, den es zu erschließen gilt. Sie verbreitern den Bedarf an Produkten, sorgen also für Differenzierung, etwas, das ganz wesentlich für den Kapitalismus ist.

Diese Erkenntnis kann jetzt, je nach Einstellung zur Kommerzialisierung, relativ deprimierend klingen, aber es gibt durchaus einen Ausweg: Man muss selbst immer in Bewegung bleiben, sonst holt einen die Vermarktungswelle ein. Und, Robert, das ist im Prinzip ja genau das, was du in deinem Blog hier machst. Also kein Grund zur Verzweiflung oder Resignation ;)

(Kann auch sein, dass ich die Geschichte schon mal aufgeschrieben habe, aber sie gefällt mir einfach so sehr, da schadet auch ein zweites Mal nicht.)

Alsuna
Alsuna (@guest_28093)
Vor 12 Jahre

Der Greenpeace Spot ist gut gemacht, aber ich mich spricht er überhaupt nicht an. Klar, der Bär hat seinen Lebensraum und seine Nahrungsgrundlage verloren….und verendet elendig an einem Baum.
Ein richtiger Eisbär würde sich einfach den nächsten leckeren Affen..sprich Menschen..der ihm vor sein Maul läuft krallen und fressen.
Außerdem mag ich keine Eisbären…ich mag Polarfüchse, Rentiere, Wölfe oder Schwertwale…aber keine Eisbären.

Der Schutz der Arktis ist wichtig, aber mich hätten weder das Bärchen oder Greenpeace dazu gebracht.

Piet Noir
Piet Noir (@guest_28105)
Vor 12 Jahre

Wieso wird von Greenpeace und Co nie erwähnt, dass die Eisbären Population seit Jahren immer weiter steigt und dass es bis heute keinen Beweis für einen menschengemachten Klimawandel gibt? Aber bestimmt alles Verschwörungstheorien…

Irmin
Irmin (@guest_28106)
Vor 12 Jahre

[…]und dass es bis heute keinen Beweis für einen menschengemachten Klimawandel gibt? Aber bestimmt alles Verschwörungstheorien…

Es gibt auch bis heute keinen Beweis dafür, dass die Gravitation so funktioniert, wie sie funktioniert, trotzdem gehen die meisten Menschen davon aus, dass es sie gibt und schweben nicht einfach davon.

Entschuldige, wenn das nicht so freundlich klingt, aber wenn mich eines nervt, dann ist es ein falsches Verständnis von Beweisen in den Naturwissenschaften. Naturwissenschaftliche Theorien sind nicht die Realität, sondern vereinfachte Modelle dieser, da die Realität viel zu komplex ist, um sie exakt abzubilden. Also nimmt man diese Modelle und überprüft durch Beobachtungen, inwiefern sie der Realität nahekommen. „Nahekommen“ ist wichtig, denn da sie ja Vereinfachungen der Realität sind, können sie nie die Realität sein. Und das ist der Grund, warum man naturwissenschaftliche Theorien nicht beweist, auch, wenn man das gerne so nennt. Eine „bewiesene“ Theorie kommt nur der Realität sehr nahe und es gibt keine bekannte Falsifizierung, d. h. keine Beobachtung, die der Theorie direkt widerspricht.

Die jeweils „gültige“ Theorie eines Fachbereichs ist dann auch nicht die „richtige“ Theorie, sondern das aktuell beste, was wir haben und in vielen Fällen schon ziemlich genau. Das heißt nicht, dass es nicht eine bessere Theorie gibt, die eventuell komplett andere Voraussetzungen hat. Es ist nur praktisch, diese Theorie als die gültige anzusehen, weil sie die Realität am besten erklärt und aus ihr Prognosen für die Zukunft erstellt werden können, die recht zutreffend sind.

Warum schreibe ich diesen ganzen Kram über dieses kleine Wörtchen „Beweis“? Ganz einfach, weil das auch auf den menschengemachten Klimawandel anwendbar ist. Die Theorie ist aus den gerade beschriebenen Gründen nicht bewiesen, aber eben aktuell die beste Theorie, die wir bezüglich der Entwicklung des Klimas haben, was durch Beobachtungen überprüfbar ist. Deshalb unterstützen ja auch ~90-95% der Wissenschaftler dieses Bereichs diese Theorie – wie es jeder gute Wissenschaftler macht, der sich nicht durch Ideologie, sondern Beobachtungen leiten lässt. Du kannst natürlich der Ansicht sein, dass es keinen menschengemachten Klimawandel gibt. Genauso, wie du der Ansicht sein kannst, dass die Sonne um die Erde kreist. Beide Theorien sind nicht falsch, weil du z. B. durchaus einige Beobachtungen (die Sonne geht auf und unter) durch ein geozentrisches Weltbild erklären kannst. Sie sind halt nur nicht besonders genau, wenn man andere Dinge mit berücksichtigt.

Also sind das nicht alles Verschwörungstheorien, es gibt eben nur bessere.

Ja, wie man sieht, bei dem Thema bin ich ein wenig empfindlich ;)

Nachtrag: Meine Erklärungen bedeuten nicht, dass ich nicht innerlich immer wieder aufschreie, wenn es in Deutschland mal ein bisschen stärker gewittert und gleich „Das ist der Klimawandel!“-Rufe erschallen. Genausowenig mag ich Propaganda zu diesem Thema, in beide Richtungen. Da sehe ich den wissenschaftlichen Ansatz deutlich lieber.

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