Spontis Wochenschau #07/2014

Wie sagt man so schön? „Wir üben uns in Toleranz!“ Manchmal scheint mir, wir brauchen noch ganz viel Übung. Was wir ganz prima können, ist fremdschämen, ergötzen und herabsetzen. Kurz um: Wir lieben es, uns über andere zu stellen. Auch – oder vor allem – in der Szene. Es gibt sie überall, die Gothic-Proleten – gröhlend schwanken sie über das Festival-Gelände, sie quatschen permanent während des Konzerts, quetschen ihre übergewichtigen Körper in völlig unpassende Outfits oder stellen wahlweise ihre grotesken und braungebrannte Muskelberge in möglichst knappen Oberteilen zur Schau. Und wenn es auf irgendeinem privaten Fernsehsender eine Scripted-Reality-Soap mit Gothics gibt, dann kann man sich sicher sein, genau solche Gestalten dort vorzufinden – sie wissen nichts über die Szene, finden das alles eigentlich nur geil und meinen, ihren Partner mit einem Halsband über das Festival-Gelände zu führen wäre cool. Man selbst ist dann erleichtert und ein bisschen stolz: So schlimm bin ich nicht. So würde ich niemals benehmen. Meine Szene ist völlig anders. Das Prinzip erscheint immer gleich: Ich mache mich selbst besser, indem ich andere herabsetze. Habe ich das denn wirklich nötig? Ist mein Leben verpfuscht, mein Kindheit eine Katastrophe, hatte ich nie Zugang zu Bildung und muss ich 3 Putz-Jobs machen um mich über Wasser zu halten? Wir sind wohl chronisch unzufrieden und schlecht gelaunt und wir denken unsere Situation ist im Vergleich mit anderen immer ein bisschen schlechter. Das schlägt dann wohl auf die Toleranz, wie mir scheint. Beim Betrachten der vielen Bilder vom Amphi-Wochenende ist mir aufgefallen, dass ich wohl auch noch ein wenig Übung brauche mit dieser Toleranz. Andere können es nicht besser. Ich kann.

  • Die Gothic-Kultur: Einblick in die Schwarze Szene | Extremnews
    „Die etwas anderen Nachrichten“ haben es sich einem jüngst erschienen Artikel zur Aufgabe gemacht, einer Überblick über die schwarze Szene zu geben und aufzuklären: „Gruftis” werden sie manchmal genannt und oft negativ kritisiert. Dabei sind die Anhänger der Gothic-Szene keineswegs furchteinflößend. Sie gelten als sehr friedlich, unnahbar und wirklichkeitsfremd. Ein interessantes Merkmal der Kultur ist, dass sie keine gemeinsame Ideologie besitzt und auch keine politischen Ziele verfolgt. Die Jugendlichen beschäftigen sich eher mit sich selbst und suchen Ruhe und Orte der Einsamkeit, weswegen sie öfter auf Friedhöfen anzutreffen sind. Trotzdem ist die Bewegung keine Trauerkultur. Gothics sind historisch interessiert und begeistern sich für Epochen des Mittelalters, der Romantik, des viktorianische Zeitalters und der Gründerzeit. Außerdem beschäftigen sie sich viel mit Musik, Mode, Poesie und Malerei.“  Da steckt viel drin und es ist für jeden etwas dabei. Der Abschnitt liest sich so ein bisschen wie ein Horoskop. Obwohl man nicht dran glaubt, findet man sich doch wieder, egal welches Sternzeichen man nun wirklich hat.
  • Königin der Gothic Novel | Deutschlandradio
    Vor 250 Jahren wurde sie geboren, mit 23 heiratete sie den Herausgeber William Radcliffe, der sich zum Schreibe aninmierte. 1794 erschien das Werk „The Mysteries of Udolpho“, das sie berühmt machte. „Das Spiel mit der Angstlust. Dem modischen Genre des Schauerromans gab die „mächtige Zauberin“, wie sie der Kollege Walter Scott nannte, ihre ganz eigene Richtung. Nicht nur mit ihren stimmungsvollen und detaillierten Landschaftsschilderungen. Mit dem Schrecken geht sie – anders als viele Kollegen – recht sparsam um und überlässt vieles ganz bewusst der Fantasie: „Der bereitwilligen Vorstellungskraft verschaffen halb ins Dunkel gehüllte Formen ein größeres Vergnügen als die deutlichste Szenerie im Sonnenlicht.“ Lange wurde Ann Radcliffe als Vertreterin der Empfindsamkeit gesehen. Dabei müssen alle ihre Heldinnen lernen, ihre Gefühle zu kontrollieren – und am Ende triumphiert immer die Vernunft.“
  • Dark Portraits | Dino Ignani
    In den frühen 80er verbreitete sich „Gothic“ wie ein Lauffeuer – oder passender: wie die schwarze Pest. England, USA, Deutschland, Frankreich und selbst in das sonnige Italien schwappte die düstere Bewegung. Zwischen 1982 und 1985 macht sich Fotograf Dino Ignani auf, um in Rom schwarze Veranstaltungen, Konzerte und Discotheken aufzusuchen um dort diese „Goths“ zu finden, die mich dann doch mehr an die New Romantics oder Popper erinnern als an das, was wir hierzulande aus „Gothic“ machten. Trotzdem, sehenswert.
  • Gothic-Treffen: Tanz, Tod und Teufel | Kölner Stadt-Anzeiger
    Die Festival-Saison ist in vollem Gange. 16.000 Besucher sollen sich das Amphi-Festival in Köln angesehen haben, auch Katja Diepenbruck vom Kölner Stadt-Anzeiger war dabei: „Das Amphi-Festival am Tanzbrunnen ist eine verkehrte Welt. Wer hier in Jeans und T-Shirt auftaucht, fühlt sich nicht, wie überall sonst auf der Welt, ziemlich normal. Sondern als Exot. Normkonform ist auf dem Gothic-Festival, wer sich möglichst furchterregend in Schwarz hüllen kann.“ Ein Sammelbecken, oder besser: Ein Tanzbrunnen voller Individualisten. Alles scheint erlaubt, hautpsache „anders“: „Es ist das Gesamtkonzept der Veranstaltung, dass uns aus Nordhorn ins Rheinland führt“, sagt Cornelia Hertwald, die nur ein schwarzes Netz am Körper trägt und sich schon den zweiten Becher des Trunks gönnt. Auf ihren Stil angesprochen, muss sie grinsen. „Na ist doch klar – die Gothic-Szene ist ganz eng mit der Fetisch-Szene verbunden. Deshalb laufen hier auch Paare herum, bei der einer den anderen am Halsband führt. Alles harmlos. Es ist einfach eine Art Hobby.“ In diesem Zusammenhang auch Lesenswert: Schwarze Szene feierte im grellen Sonnenlicht (koeln.de) – Alternativ dazu gibt es eine Sichtweise von „Innen“, denn die Gothmum ist ebenfalls auf dem Amphi gewesen.
  • „Habe alles erreicht“ Satan erklärt Rücktritt | Welt
    Endlich! Satan hat ausgedient und gesellt sich zu Gott in den wohlverdienten Ruhestand. „Damit hätte nun wirklich keiner gerechnet: Satan will künftig nicht mehr für das Böse auf der Welt zuständig sein. „Meine Rolle, mein Wirken sind ausgereizt“, erklärte der Höllenfürst dem Fachmagazin „Black Metal Hammer“. Die jüngsten Vorkommnisse in der Ukraine, das Wiederaufflammen der Gewalt im Nahen Osten sowie unzählige weitere mörderische Konflikte, über die wegen Platzmangels in den Medien nicht berichtet werde, hätten in ihm den Entschluss reifen lassen, die Kapitänsbinde niederzulegen, gab Satan zu Protokoll: „Ich glaube, die Menschheit braucht mich nicht mehr, es geht auch ohne mich.“ Satan, ruh Dich aus, du hast es Dir verdient. Wir Menschen haben viel gelernt.
  • Ein Review, das keins sein möchte | Otranto-Archive
    Karnstein hat eine Nachricht erhalten. Ein „Industrial-Metal“ Band bittet um die Rezension ihres Albums, hängt ein Pressepaket mit dran und wartet. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie diese Nachricht dann doch bereuen, denn Karnstein rezensiert tatsächlich: „Was soll ich also davon halten, wenn mich eine “Industrial-Metal”-Band anschreibt und um ein Review ihres neuen Albums bittet? Vll. ist ihr Schaffen durchzogen von geschickten Anleihen aus der Art von düsterer Literatur für die die Otranto-Archive ebenfalls stehen? Oder man zeichnet sich durch sprachliche Finesse aus? […] Plötzlich aber springt der kleine Englischlehrer in mir auf und markiert mit seinem Rotstift eilig Textstellen wie: “for many childs”, “felt down from the stars”, “these glory”, “we should connecting” und fragt sich, warum Menschen, die in ihren Pressetexten sogar Probleme mit ihrer eigenen Muttersprache offenkundig werden lassen sich auch noch an einer Fremdsprache vergehen müssen.Mir bleibt nichts anderes übrig: Ich muss mir die Musik mal anhören um vll. wenigstens etwas finden zu können, was mir zeigen könnte, warum sich ausgerechnet solche Leute die Otranto-Archive aussuchen um beworben werden zu wollen.“ Karnstein, ich bin bei Dir. Im Geiste jedenfalls. Ich verkneife mir solche Rezensionen dann doch irgendwie, du machst das sowieso viel lesenswerter ;-)
  • Eating lunch with the Dead | Dangerous Minds
    Für zwei Tage im Jahr, eine Woche nach dem orthodoxen Oster-Fest versammeln sich Familien in Moldawien an den Gräbern ihrer geliebten, um mit ihnen ein Festmahl zu veranstalten. „Often wearing their best clothes, the families bring food, drink and favorite treats to share together as they celebrate the life of their dead relative. Prayers are said, candles are lit, a glass of wine poured for the deceased and placed on their tombstone, symbolically keeping the dead part of living family life.“ Bizarr?
    Eating lunch with the Dead
  • Festivals und das auferlegte Rad des ewigen Leidens | Cryptic Trails
    Die spitzeste Feder des Westens, Robin Wilke vom Cryptic Trails Webzine, hat wieder zugeschlagen. Das Thema gewinnt durch die aktuellen Ereignisse auf diverse Festivals wieder an Bedeutung und hätte nicht besser (wenn auch etwas langatmig) auf den Punkt gebracht werden können: „Und das wir alle irgendwie schuld sind, liegt auf der Hand. Also, wenn ihr euch das nächste Mal via Facebook, in Foren oder im Freundeskreis darüber lauthals beschwert, wie gleichförmig, langweilig und BWLmäßig die Konzertlandschaft geworden ist, dann packt euch an die eigene Nase. Geht nächstes Jahr nicht zu dem Festival, über das ihr euch schon in den Vorjahren aufgeregt habt. Laßt das Hochglanzmagazin im Regal stehen, anstatt euch darüber zu beschweren, daß diese Zeitschriften Scheiße zu Gold hochjubeln. Kauft keine CDs mehr von satten, sich ewig wiederholenden Bands, mit denen ihr zwar aufgewachsen seid, aber die heute nur noch ein Schatten ihrer selbst sind […] Wer den Euro im Geldbeutel hat, der hat auch die Macht, etwas zu verändern, oder glaubt ihr wirklich noch, es geht bei all dem um irgendwas anderes?“ Natürlich könnten wir das jetzt auseinander nehmen und wie Trolle einzelnen Fakten widersprechen, für den Moment lassen wir Robins Text aber einfach mal so im Raum stehen.
  • The Stranglers about the color Black (1982) | BBC
    Zwei Bandmitglieder der Stranglers wurden seinerzeit gefragt, ob sie nicht einmal eine Dokumentation über die Farbe Schwarz machen möchten. Haben sie dann auch gemacht. Herausgekommen ist das ultimative und argumentative Quellen für den geneigten Goth. Sollte man jedenfalls meinen.
  • Comic Con 2014 | Nerdcore
    Und hier mein Beitrag zur Szene-Differenzierung. Es gibt nämlich auch Szenen, in denen man sich prima verkleiden kann. Die sind für sich genommen auch ziemlich großartig und gibt nicht nur in San Diege sondern auch in Deutschland.
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Anna
Anna (@guest_49886)
Vor 10 Jahre

Bzgl.der Wochenshow möchte ich anmerken,daß es sehr hämisch ist,sich über Personen lustig zu machen,die kein Studium absolvierten u.im Niedriglohnbereich arbeiten.Ich habe in der sogenannten schwarzen Szene keinerlei Zusammenhalt erkennen können,weder in den 80,s noch jetzt.Außerdem finde ich es ätzend,wenn sich sogenannte Gothicladys ,um ihre Bulemiestörungen zu befriedigen,jedem an den Hals oder sonstwo werfen,billiger als jede Prostituierte!

Anna
Anna (@guest_49888)
Vor 10 Jahre

Na,dann will ich nicht mehr meckern,man hat ja nur mehr in sogenannten Reservaten für Alternative,die Chance,so rumzurennen,wie man will,im normalen Alltag ist das fast überhaupt nicht mehr machbar,sonst bekommt man nicht mal einen Putzjob. Ist alles nur mehr eine Geschäftemacherei.

Johanna
Johanna (@guest_49979)
Vor 10 Jahre

Ich will hier nur mal kurz auf ein kleines Festival aufmerksam machen, das gestern gewesen ist. „Gothic Castle Satzvey“ war ein Testlauf, um zu sehen, ob sich genug interessierte im Rheinland für ein Gothic Festival finden. Die Location ist die mittelalterliche Burg Satzvey und das ganze fand im Rahmen des Funkelglanz Dunkelbunten Markts statt. Bands aus den Niederlanden, Italien, Österreich und der Schweiz waren da, wobei mein persönlicher Favorit ganz klar Stoneman war. Es war ein kleines, persönliches Festival, und ich kann nur hoffen, dass es den Test bestanden hat und bald wieder an den Start geht (:

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