Wochenschau #5/2017: Wenn der Bart im Sonnenlicht funkelt

Nach jahrelangem Terror der Randgruppen scheint der Mainstream zur Gegenoffensive auszuholen! In den 80ern pressten sich immer mehr alternative Lebensentwürfe in das mediale gesellschaftliche Leben. Es fühlte sich so an, als würde die Homosexuellen, die Atheisten oder Satanisten und die Feministinnen aus ihren Poren kriechen, in denen sie jahrelang ein Dasein als Mitesser fristeten. Für den Mainstream war klar, das ist eine Gefahr für die etablierte Weltordnung, für die kleine überschaubare Welt zwischen Vorgarten und Terrasse. Immer mehr von denen, die sich immer verstecken mussten, spürten die frische Morgenluft und begannen, um ihr Dasein zu kämpfen. Sie wollten die Welt verändern, zum Umdenken animieren und endlich in einer Welt leben, in der es um den Menschen geht, nicht um sein Geschlecht oder Aussehen. Und irgendwie haben sie es geschafft. Die Welt hat sich verändert, der Mainstream ist eingeknickt und muss zähneknirschend hinnehmen, dass es mehr gibt als ihre binäre Weltanschauung. So wurden beispielsweise die „echten“ Männer selbst zur Randgruppe, denn alles, was sie eins ausmachte, war weichgespült, infiltriert und glattgebügelt. Der Macho, der Macher, der Checker und all die anderen Illusionisten wurden ausgemustert. Doch der Mann wehrt sich! 2017 lässt er sich Bärte wachsen, raucht Zigarre und trinkt möglichst teuren Whiskey und hat von all dem furchtbar viel Ahnung. Er bildet Männerclubs, schließt sich alten Geheimbünden an, organisiert Männerabende und schart Frauen um sich, die dieses Weltbild mittragen. „Männer im Beautysalon sind keine Männer„, sagt der Archetyp, während er sanft das Bartöl in seiner Gesichtmähne verteilt, das diesen „im Sonnenlicht funkeln lässt, als wäre er mit 1000 Diamanten besetzt„.

  • Meeting the Subcultures of Camden | Londonist

    Auf der Suche nach der Subkultur. Selbst die Londoner suchen das, was beispielsweise Camden einst ausmachte. Vergeblich: „„It’s just like any other high street.“ Gary’s been standing on Camden High Street for roughly a month, holding a sign advertising a local piercing and tattoo parlour. He’s an American and got offered this job while he was travelling. Camden has left him thoroughly unimpressed: „I’d liked to have been here in the ’70s. But now it’s a tourist trap.““ Mal ist das Internet schuld, mal die Spekulanten und dann wieder die Touristen selbst. Das Cyberdog, das wir früher gemieden haben, wird zum letzten subkulturellen Erbe einer fast vergessenen Oase.

  • Schwarze Gewänder, Piercing und farbige Frisuren: Schloss Lenzburg wird zur Gothic-Hochburg | Aargauer Zeitung

    Gefällt ihnen die Gothic-Szene?“ So lautet die Umfrage innerhalb des Artikels und noch bevor wir antworten, sacken wir wieder zusammen. „Ja, die Szene ist mit ihren Kostümen sehr attraktiv – Nein, das ist mir zu düster – Ich bin Punk!“ Stell Dir vor da passiert was in Deiner Umgebung, was möglicherweise mit Liebe, Hinhabe und Leidenschaft ins Leben gerufen wurde und dann kommt die lokale Presse vorbei und berichtet die Veranstaltung auf den inhaltlichen Rang eines Schützenfestes. Dann doch lieber gar keine Berichterstattung.

  • 25 Jahre Positive Records: „Diese ganze Intoleranz geht mir auf den Keks“ | Get Addicted

    Positive Records feiert 25jähriges Jubiläum. Backs, die One-Man-Show hinter dem Konzertveranstalter aus dem Ruhrpott, blickt mit uns zurück auf seine Anfänge in Dorsten, erzählt was eigentlich hinter dem Namen Positive Records steckt und warum es nie zum Plattenlabel gereicht hat.“ Backs ist ein Urgestein der Ruhrpott-Szene. Ich schätze, das so ziemlich jeder aus NRW schon mal ein Konzert besucht hat, bei dem der böse dreinschauende Glatzkopf mit dem weichen Kern seine Finger im Spiel gehabt hat. Das Magazin „Get Addicted“ führt mit dem Dorstener ein interessantes und vielseitiges Interview. Er spricht über die Höhen und  Tiefen seines Geschäfts, über Tattoos und warum er seit rund 17 Jahren keinen Urlaub mehr gemacht hat. Tipps von Backs gibt es gratis: „Hast du Tipps für Leute, die heute Konzerte organisieren wollen? Backs: Achso, ja. Ganz wichtig: Nicht so viel Geld reinstecken. Wenn die Leute das als Hobby machen wollen, dann sollen sie das gerne tun. Ich habe da auch früher meinen Lohn reingesteckt, aber da ist natürlich einfach auch immer viel Risiko bei – gerade bei den kleinen Shows. Wenn bei den kleinen Shows mal was hängen bleibt, dann ist das schön, aber du bezahlst davon keine Miete, keine Versicherung, kein Garnix.

  • Why Generation Z are deleting their Social Media Accounts and going Offline | I-D

    Bevor jemand fragt, mit Generation Z sind die unter 20-jährigen gemeint. Und genau die löschen angeblich ihre Facebook-Profile und Twitter-Accounts: „…one big reason is an increased desire for privacy. According to The New York Times, Gen Z-ers are more aware of their digital footprint, and don’t want to get photographed in compromising positions without their knowledge or permission. They’re not the only ones craving a bit of anonymity in the era of overexposure. Céline designer Phoebe Philo was quoted as saying, „The chicest thing is when you don’t exist on Google. God, I would love to be that person!“ Nun, ganz so einfach ist die Sache dann doch wieder nicht, denn der gleichzeitige Wunsch nach Anerkennung, Aufmerksamkeit und Beachtung zieht immer noch unzählige Jugendliche in die sozialen Netzwerke. Je aktiver, offener und emotionaler du bist, umso beliebter scheinst du zu werden. Blöd nur, dass in den Schulen Medienkompetenz immer noch kein Unterrichtsfach ist und labile Charakter durchaus am selbst auferlegten Druck zerbrechen können. Also doch kein Facebook mehr? Mir soll es recht sein. Ihr wisst ja, wie ihr Spontis findet.

  • Bestseller wird TV-Serie: „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ | Tagesspiegel

    Der Artikel über Christiane F. und ihre zweifelhafte Karriere als Deutschlands berühmteste Drogensüchtige ist seit Jahren einer der beliebtesten Artikel bei Spontis. Ich verfolge das Schicksal der mittlerweile 55-jährigen schon seit den 80ern, seit das Buch meinen Dunstkreis erreichte und mich nachhaltig beeinflusste. So wurde ich natürlich hellhörig, als man ankündigte, eine Serie über das Leben und Schicksal der Christian F. zu drehen. „Aus dem Bestseller „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ wird eine Fernsehserie. […] Die Arbeit am Drehbuch hat bereits begonnen, wie die Filmproduktionsfirma am Sonntag mitteilte. In dem Buch geht es um die authentische Geschichte einer 14-Jährigen, die mit zwölf Jahren Haschisch rauchte und später auf den Kinderstrich ging, um das Heroin zu finanzieren, von dem sie abhängig war.“ Ich bleibe natürlich skeptisch. Zum einen finde ich es fraglich, das Buch und seine spezielle Inhalte in dieses Jahrzehnt zu transportieren, ohne lächerlich oder altbacken zu wirken. Wir bleiben am Ball.

  • We Asked Goths What the Hell They Do in the Summer | VICE

    Da hatte man ja mal eine aufregend neue Idee: „But every summer, I spare a thought for goths—a community that, in my mind, doesn’t seem equipped to deal with high temperatures. This year, I decided to contact a few goths to ask how they manage to stay black-clad and corseted when the heat is on.“ Schnell waren ein paar Gruftis gefunden, die Rede und Antwort standen. „„If it’s over 80 degrees outside, I’ll call in sick at work.“ Plörk! Das ist schon so furchtbar triefend schlecht, dass es schon wieder fast gut ist.

  • Amphi-Festival 2017 | Kölner Stadtanzeiger, Express, Koeln.de

    Der Kölner Stadtanzeiger berichtet interessiert oberflächlich, wahlweise aber auch neugierig und investigativ, wie zum Beispiel von der Nebenveranstaltung vor dem eigentlichen Festival, dem „Jardin de Belle Epoque“, einem historisch geprägten Picknick im Friedenspark: „Bereits im sechsten Jahr veranstalten die Kölner Designerinnen Marina Minkler, die sich selber Lady Marisha nennt, und Natalia Le Fay das historische und dunkel-romantische Picknick „Jardin de Belle Epoque“. Der gewünschte Dresscode: Eine Mischung aus Barock, Gothic, Steampunk oder Märchen. Und so bot sich dem Betrachter eine Vielfalt an liebevoll und authentisch designten historischen Kostümen.“ Immerhin gibt der Kölner Express Entwarnung: „Keine Angst, die beißen nicht!“ Na dann ist ja alles gut! Immerhin glänzt die offizielle Internetpräsenz der Stadt Köln mit einem besseren Einblick: „Bunte, schrille und ausgefallene Outfits lassen allerdings lang auf sich warten. Der Nachmittag ist klassisch schwarz, wallende Kleider, aufwändige Frisuren, Masken und Hörner verstreuen sich wie kleine Juwelen auf dem Gelände. Erst am frühen Abend als die Sonne weicher wird, trauen sie sich endlich heraus und aus dem Publikum wird die vertraute bunte Melange.“

  • „Die Zwerge“-Autor: „Auf Grufti-Festivals wird viel gelacht“ | Osnabrücker Zeitung

    Der Heitz, der weiß Bescheid! Der Osnabrücker Zeitung steht der schreibende Grufti, der am Freitag vor dem M’era Luna immer eine Lesung in Hildesheim veranstaltet (zusammen mit Christian von Aster), in einem Interview Rede und Antwort: „Viele Eltern reagieren besorgt, wenn ihre Teenie-Kinder plötzlich nur noch Schwarz tragen, komische Bücher lesen und noch seltsamere Musik hören. Wie nimmst Du ihnen die Sorgen? Markus Heitz: Die Beschreibung könnte auch auf Priester zutreffen, fällt mir wieder auf. Sollten die Kinder Priester werden wollen, ach, sollen sie doch. Geht die Tendenz zum Nachwuchs-Gothic, auch da ist Entwarnung angesagt, denn: Abgesehen davon, dass man sich viel mehr mit Tod und Dasein auseinandersetzt, was recht philosophisch sein kann, verbindet uns Gruftis, dass wir das Leben sehr gerne haben und es feiern. Und wahrlich, ich sage euch: Es wird auf Festivals viel gelacht. Sehr viel.

  • Lolitas sind kein Fetisch | Tillate

    In der Schweiz erkundet man derweil die Lolitas, die so betont eine der Protagonisten, nicht mit einem Fetisch zu tun haben: „Sara führt aus: «Lolitas sind kein Fetisch! Es geht wirklich nicht um Sexualität, sondern nur um die Mode und das Lebensgefühl. Manche scheinen das nicht zu begreifen.» Auch mit dem berühmten namensgleichen Charakter von Vladimir Nabokov hat der Style nichts zu tun. Hier könnte es eventuell auf ein sprachliches Missverständnis zurückzuführen sein. Wobei unsere Lolitas zwar auch schöne, junge Frauen sind – jedoch prinzipiell reichlich wenig mit dem sexuellen Innuendo der russischen Romanfigur gleichhaben.“ Ich glaube es wird Zeit für den Artikel über japanische Subkulturen, die mir zwar oberflächlich aber dennoch sehr spannend erscheinen.

  • Why Trips To The Cemetery Aren’t Just For ‘Big Fat Goths’ | Huffpost

    In der englischen Presse findet zur Zeit ein kleiner Kolumnisten-Krieg statt, denn während Barbara Ellen den zunehmenden „Grabstein-Tourismus“ für eine Aktivität hält, die ausschließlich „großen und fetten Gothics“ vorbehalten ist, springt Jessica Hanson von der Huffpost in die Bresche: „A couple of weeks ago, Guardian columnist Barbara Ellen caused a bit of a stir by calling the pastime of tomb tourism an activity for “Big Fat Goths”. The short opinion piece is a joke – I hope. I don’t suppose Ms Ellen is really dismissing all taphophiles as morbid and morbidly obese. But the punchline fell rather flat with those commenting on the Guardian‘s website. Confidence wasn’t high, starting with the repeated use of the misspelt ‘tapophile’ (someone who likes plumbing?) and ending with the article’s supposedly affectionate labelling of graveyard enthusiasts as obese. “How about calling them historians, social investigators and academics – even people just interested in the past?” said one commenter.

  • Things Not To Say To… |BBC Three

    Der BBC hat eine sehr spannende Webserie gestartet, die sich mit der Neugier der Menschen beschäftigt. Denn immer dann, wenn die etwas sehen, was sie nicht verstehen, nicht einsortieren können oder was einfach für einen Wirbel in deren Weltordnung sorgt, beginnen sie Fragen zu stellen. Das ist grundsätzlich löblich, denn in anderen Ländern lässt man häufig genug Fäuste oder Steine sprechen. Im Grunde geht es eben um diese gesellschaftliche Grundordnung, die niemand braucht, aber jeder benutzt. Frauen, die Fußball spielen, Männer die Frauen werden, Frauen die Männer werden, Leute mit tätowierten Augäpfeln, oder auch Frauen, die freiwillig ein Burka tragen. Sucht es Euch aus. Irgendwo kratzt alles an der ungeschriebenen Weltordnung, dass Dinge so sein sollen, wie sie sein sollen. „Weil das eben so ist, immer schon so war und DU auch nicht ändern wirst.“ Häufig im Fokus: Das Geschlecht – Logisch, denn das ist die letzte Bastion vorgefertigter Lebensentwürfe, Weisheiten und Weltanschauungen, die wir so haben.

 

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