Obwohl es der ein oder andere nicht hören möchte, Gothic ist nicht nur eine Subkultur, sondern auch längst eine Mode und Stylingbegriff geworden. Im Internet ist man nur 10 Minuten davon entfernt, sich sein individuelles Gothic-Styling zusammenzuklicken, um dann bei nächst bester Gelegenheit, im Goth-Style die Straßen unsicher zu machen. Dabei ist das, was wir heute in Katalogen und Online-Shops finden, von unzähligen Stil-Entwicklungen und Jahrzehnten der Subkultur geprägt, die sich immer versuchte abzugrenzen, in dem sie völlig neue und extreme Outfits kreierte. Immer ein bisschen provozieren, immer ein bisschen inszenieren und immer ein bisschen kreieren. Das ist bis heute so geblieben. Die neusten Ableger der Szene sind die sogenannten „Pastel-Goths“ und „Nu-Goths“, die das Styling der Szene jetzt nicht neu erfinden, sondern vielmehr als Patchwork-Derivate aus längst dagewesenem und Szene-Fremden bestehen. Aber anstatt mich seitenlang in Worthülsen zu verlieren, zeige ich lieber den kurzen Film von Liisa Ladouceur, Filmemacherin und Autorin aus dem exotischen Kanada, die sich der letzten 40 Jahre Szene-Styling annimmt, um einen Versuch zu starten, die Stile in Schubladen zu packen, sie chronologisch zu sortieren und anhand eines einzigen Models darzustellen. Ein unlösbare Aufgabe?
Definitiv. Das Rätsel und Durcheinander der Stile, deren zeitlicher Einordnung und Definition klappt nicht. Daran haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen. Ich versuche es daher gar nicht erst. Ich überlasse aber dem Zuschauer die Wertung und gestehe der Filmemacherin zu, das jeder Versuch den Horizont zu erweitern, erlaubt ist. Schauen wir mal:
(Danke an Carmen und Anna fürs mit der Nase drauf stoßen.)
- 1976 – Punk (0:08)
Wer kann die Wurzeln allen „Übels“ leugnen? Ziel war es, dem Establishment vor den Kopf zu hauen, zu provozieren und sich abzugrenzen. DAS haben sie damals geschafft. Und ganz nebenbei eine kulturelle und musikalische Revolution gestartet. - Early 1980s – Batcave (0:27)
Ein bisschen an Siouxsie Sioux typischen Stil angelehnt, vergibt Ladouceur den Namen „Batcave“ für diesen Stil, der aber wohl eher mit dem damals gegründeten Club in London zusammenhängt, als mit einem zu nennenden Stil. - Mid 1980s – Deathrock (0:41)
Hier wird es dann tatsächlich ein bisschen dünn. Weder würde ich Deathrock als Stil bezeichnen oder ihn in dieser Weise darstellen wollen, geschweige denn ihn zeitlich so einsortieren. Sieht eher aus wie… Nun ja… Ach ich weiß es doch auch nicht! - Mid 1990s – Romantic (0:59)
Joar, warum nicht? Hat der Stil zwar nichts gemeinsam mit den „New Romantics“ der frühen 80er, zielt er eher auf weite wallende Kleider aus Spitze und Samt, Corsagen und breiten Schmuck, der ersten Anzeichen viktorianischer und filmischer Einflüsse zeigt. (Hexen von Eastwick, Adams Family) Sag ich jetzt mal so. - Late 1990s – Cyber (1:20)
Müssen wir drüber reden. Hilft alles nix. Die Cyber-Gothics strömten tatsächlich zu genau der Zeit in die Szene, als Rave und Techno in Form von Loverparade und Mayday ihren Zenit erreichten. Sie fühlten sich wegen der musikalischen Bandbreite elektronischer Musik angezogen und verwursteten später auch die ursprünglich Kunstform Industrial in einen Tanzstil. - Early 2000s – Lolita (1:45)
Ja, irgendwann bekamen die Japaner die Sache mit der Szene auch auf die Reihe und würzten ihre eigene Subkultur hinzu. Heraus gekommen sind die Gothic-Lolitas, die so ein bisschen zwischen Horrorfilm und Schulmädchenreport dümpeln, möglichst unschuldig und sexy wirken wollen und (nach den Cybern) tatsächlich ein reiner Mode-Stil ist. Für mich jedenfalls. - Mid 2000s – Steampunk (2:04)
Wäh? Steampunk soll aus Gothic entstanden sein? Okay, es gibt an den Haaren heraufbeschworene Parallelen, aber wäh? Definitiv kein Goth-Style. Noch nicht mal als Derivat. Basta! Der Steampunk bietet genug Kreativität für eine eigene Subkultur, die müssen sich nicht unter dem schwarzen Schirm verstecken. Ehrlich nicht. - Late 2000s – Pin Up (2:26)
Wus? Jetzt kriegen wir auch noch die 50er und 60er auf das schwarze Butterbrot geschmiert. Rockabillys und Psychobillys liebstes Schmuckstück sind die Pin-Up Girls, die weder musikalisch noch visuell kompatibel zur Szene sind. Coole Musik ist dabei, keine Frage, aber mit Gothic hat das nichts zu tun. Auch nicht auf dem WGT, falls jemand meine Meinung wissen will. - Early 2010s – Pastel (2:48)
Irgendwann dachten sich diese rebellischen Jugendlichen, dass sie den Style ihrer Grufti-Eltern mal interpretieren und mischten einfach Farben in die schwarze Welt. Schamlos! Eine der ersten Patchwork-Kulturen aus vorhergegangenen Stile der Szene. Ist so ein bisschen Emo mit drin, ein bisschen Punk, ein bisschen Lolita, ein Hauch Cosplay und ja, auch eine Priese Goth. - 2016 – Nu Goth (3:05)
Ja, da sind wir angekommen im Jetzt. Nu-Goth heißt offenbar der neue Stil der nachwachsenden Gruftis. Schwerste filmischen Einflüsse aus allen möglichen Horror, Hexen und Vampir- Filmen und irgendwie stark Markenorientiert – wie ich finde. Ohne ein Teil vom Trend-Label „Killstar“ geht nichts. Markenzeichen: Übergrößen (lange Shirts im Basketball-Style und großflächige Drucke mit obskuren Symbolik-Collagen, markigen Sprüchen („Hex your Ex“) und einem Hauch Science Fiction. Wirkt stellenweise schon fast wie eine Persiflage der geliebten Szene-Symbol.
Ich persönlich fand das Video nicht sehr gut gemacht. Die Looks wirkten alle recht billig–sehr kostümhaft. Man braucht definitiv viel mehr Zeit und mehr Liebe um sowas wirklich authentisch darzustellen. Und die Inklusion einiger Stilarten finde ich auch sehr seltsam und zeugt wohl wieder davon, wie sehr Leute missverstehen, dass nicht alles Goth ist, nur weils scheinbar alternativ und „düster“ wirkt.
Was mich am meisten stört ist das Lolita Outfit. Und ich muss dazu sagen, dass Lolitas absolut gar nichts mit Goth zu tun haben. Noch hätten die Japaner damit versucht, Gothic irgendwie nachzuahmen. Ich denke das Problem ist, dass die meisten nicht-Japaner keine Ahnung von dem Kleidungsstil und seiner Geschichte haben und daher ständig entweder behaupten es sei eine japanische Version von Goth, oder es wäre eine Nachahmung dessen.
Der Gothic Lolita Stil entstand nahezu parallel mit der Gothic, aber auch Visual kei Szene im Japan der 80er und ist viel mehr als eine Unterart der damals schon sehr beliebten generellen Lolita Mode zu sehen, welche als Streetfashion z.b. in japans Shoppingmeile Harajuku getragen wurde. Der Lolita Stil ist in der Tat ein reiner Modestil, der sich teils an sehr strikte Kleidungsregeln hält und von der europäischen Mädchenmode des 18en Jahrhunderts beeinflusst wurde. Gothic Lolita heißen nur so, weil dieser Substil deutlich dünklere Farben und manchmal auch viktorianische Elemente nutzt. Im Kontrast dazu ist der klassische Lolita Stil nämlich deutlich heller und manchmal auch gar niedlich. Es gibt in der Lolita Szene selbst hunderte von verschiedenen Stilen, die sich oft von bestimmten Themen ableiten, z.b. Märchen, Wälder, Fetisch usw. Es ist eine komplett eigene Modewelt und Szene.
Aber wie gesagt, Lolita ist älter als man denkt, aber eben unabhängig von Gothic entstanden. Leute, die den Lolita Stil in diese Ecke drängen haben weder eine Ahnung von Goth, noch von Lolita. Zudem sieht das Beispiel für Lolita in diesem Video einfach nur scheußlich aus. Niemand würde so jemals inJjapan herumrennen. Es ist halt auch so eine seltsame Eigenkreation, die Leute außerhalb japans für sich kreieren, damit sie Lolita in die Gothic Szene schieben können…
Die sehen irgendwie alle nicht so aus, wie die Begriffe in meinem Kopf belegt sind… außerdem vermisse ich Lackpraline, Geisterpirat, kindliche Kaiserin und alle anderen über deren korrekte Bezeichnung ich mir noch nie Gedanken gemacht habe. ?
@Avensis: Ich verstehe vollkommen, was du meinst. Man merkt dann doch irgendwie sehr deutlich, das nichts von dem, was das Model verkörpert, in ihr steckt. Gestellt, verkleidet, maskiert. Das sind die Begriffe, die mir beim ersten schauen des Videos in den Sinn gekommen sind. Gothic ist jedoch auch als Mode wahrzunehmen, ob wir wollen oder nicht. Ich finde es daher wichtig, eine Abgrenzung durch Inhalt zu vollziehen.
Gothic Lolita – und die japanische Szene im allgemeinen – ist sowieso sehr Manga und Cosplay-Lastig. Ich halte Cosplay oder auch die Manga-Szene tatsächlich für eigenständige Szenen, Gothic-Lolita aber nur für eine Stilrichtung, die sich allein auf den Stil konzentriert und vom Inhalt nichts übernimmt. Tatsächlich bin ich sogar ein wenig skeptisch, ob es überhaupt eine existente Gothic-Szene nach „Europäischem Vorbild“ in Japan gibt. Irgendwann flieg ich mal nach Japan. Echt jetzt.
Mone vom Rabenhorst : Lackpraline *lol* Ich hau mich schon seit heute Mittag gepflegt in die Ecke, seit ich den Begriff auf meinem Handy gelesen habe. Made my Day!
Ähm, ja. Es beginnt ja noch recht ansehnlich und nachvollziehbar, aber ab dem 3. Part („Deathrock“), habe ich auch etwas verwirrt aus der Wäsche geguckt.
Die Dame schaut mit der blonden Pferdeschwanzfrisur aus wie eine der Mädels, die damals von Apokalyptika als „Blickfang“ überall mitwirkten.
Definitiv kein Deathrock-Look.
Ich vermisse den guten alten Waver-Grufti-Look mit hochgestellten Haaren, Pluderhosen, Rüschenhemd und Pikes!!!
Gothic Lolita und Pin-ups in der Gothic-Historie? Da muss ich wohl was verschlafen haben. Und Pastel(l)-Goths hab ich bislang auch nicht zu Gesicht bekommen.
Die Idee an und für sich ist ja ganz witzig, aber meiner Meinung nach grottig umgesetzt und schlecht recherchiert.
Dann besser alles nicht ganz so ratz-fatz abwickeln und dafür auf die wesentlichen Stile konzentrieren, damit man jeden Look in Ruhe betrachten kann.
Es wäre auch interesannt gewesen, ein Pärchen zu zeigen, also parallel auch einen männlichen Look.
Was die Vorredner berichten sehe ich ähnlich: Bis Nr. 2 ist alles noch okay, driftet dann jedoch in Lächerlichkeit ab…
Die Verantwortlichen (mutmaßlich Kanadier, anhand des Instagram-Links) hatten offenbar keinen Plan von dem, was sie dort darstellen wollten. Deathrock sah/sieht also so aus. Aha, wieder was gelernt. Komisch nur, dass zahlreiche Bilder und Videos vom selben Kontinent das irgendwie anders sehen. Dazu reicht nur eine einzige Anfrage einer Suchmaschine.
Über die anderen Stile rege ich mich mal gar nicht erst auf, es lohnt sich nicht und ist nur emotionale Sisyphosarbeit. Die haben für mich alle nichts mit Goth zu tun. Pinup-Goth, alles klar…und der Nu-Goth als Rotkäppchen in schwarzen (Marken)klamotten… echt jetzt?
Was die Waver angeht, frage ich mich: Gabs sowas drüben überhaupt? Meines unvollkommenen Wissens nach nicht. Und wurde die deutsche Wave-Szene dort eigentlich irgendwie wahrgenommen? Pauschal wundert es mich nicht, dass diese keine Erwähnung finden.
Die Sache mit den Kerlen, von der Tanzfledermaus angesprochen, finde ich schon seit langem seltsam: Warum werden eigentlich so gut wie nie Kerle in Szene gesetzt, sondern immer nur Frauen? Und komme mir jetzt keiner, es gäbe keine gutaussehenden Männer.
Ich habe mich immer schon gefragt, ob im amerikanischen Raum eventuell die Vorstellung von Goth eine überwiegend andere ist/war, als im europäischen und sich dadurch beispielsweise auch die Abwesenheit des Pluderhosen & Pike – Gruftis und das Dazuzählen der Pin-up Mode sowie die allgemein etwas dünne Bandbreite des Videos erklärt.
Mir kommt der amerikanische Beitrag zur Szene immer sehr viel „trashiger“ vor, näher am Rock ’n Roll und dessen Symbolik und Habitus, sehr viel plakativer in allem, immer näher an Halloween als wirklich an „Grufti“. Könnte mir außerdem vorstellen, dass das Pin-up eine Missinterpretation von Horrorpunk ist oder eventuell tatsächlich regional in dem Umfeld so existiert, z.B durch Rockabilly, Punkabilly, Psychobilly, Gothabilly, Hellbilly, Ikea Billy….
Die einzelne Umsetzung der Stile macht das zwar auch nicht besser aber womöglich kennen die Macher das aus ihrer Perspektive nicht anders?
Die ganze japanische Kiste zähle ich auch nicht dazu. Wie das im Einzelfall so praktiziert wird, weiß ich nicht, ich bekam allerdings mal japanische Gothiclolita Magazine zu Gesicht und da ich vom Text nichts lesen konnte, kann ich nur nach den Bildern urteilen und das war nicht alles gänzlich uninteressant, solange es halt nichts mit den Klamotten zu tun hatte, denn die find ich doof. Insgesamt wirken die japanischen „Subkulturen“ auf mich immer eine Nummer zu glattgebügelt.
Bestimmt tu ich damit jemandem schwer unrecht, sind halt nur meine Eindrücke und für die kann ich nix.
Pastel Goth und Nu Goth hab ich wirklich noch niemals gehört oder gesehen, ist aber auch nicht meins. Ich war nun annähernd 10 Jahre aus der Szene raus und umkreise die Gefilde erst in jüngerer Zeit wieder großräumig aus sicherer Entfernung (so fand ich auch Spontis) aber schon hab ich was dazu gelernt. Sauber. :)
@Robert Japan hatte sogar eine recht rege, wenn auch kleine Goth Szene. In der Tat traten die ersten Deathrock und Goth bands In Japan relativ früh in den 80ern auf. Ich glaube Phaidia, eine der bekanntesten Deathrock Bands Japans, wurden 1984 gegründet und sind seit kuzem wiedervereint. Dann gab es da noch einige andere Bands wie zum Beispiel Madame Edwarda (dessen Sänger Zin auch im Londoner Batcave als Zuseher herumgegeistert ist), G-Schmitt, Sadie Sads und viele mehr. Falls es dich interessiert, was es dort musikalisch noch gab, lege ich wärmstens diese gelungene Facebook Seite ans Herz: https://www.facebook.com/JapaneseGoth/ Da gibts auch einige Video Links und Bilder.
Ich habe aber leider keine Ahnung wie groß die Szene heut ist. Ich weiß nur, dass es durchaus auch wenige Goth Clubs dort gibt, die sich sogar teilweise an europäische „Vorbilder“ orientieren. Tatsächlich sieht man in Japan viel mehr Cosplayer, lolitas, Gals (und viele andere Street Fashion Styles).
Ich habe mir das Video angesehen und kann mir ehrlich gesagt gar keine richtige Meinung dazu bilden, da es ja im Grunde Leute sind, die – mehr oder weniger – als Gruftis gestyled werden. Ob oder wie überzeugend sie wirken, hängt m.M. nach davon ab, ob der jeweilige Stil zu ihnen passt, denn da spielt besonders die Ausstrahlung eine Rolle. Ich persönlich mag ja diesen „Nu Goth“-Stil ganz gerne, allerdings nicht hier in diesem Beitrag, das ist eher ein Negativ-Beispiel.
Zum Lolita-Stil: Nun, mit Gothic hat das nichts zu tun, allerdings sind Künstler der frühen Visual-Kei-Szene sehr von New Romantic beeinflusst worden, beispielsweise die Band X Japan.
Musikalisch lässt sich natürlich nicht darüber streiten, dass es Metal ist.
Anders sieht es da mit frühen Alben von Buck-Tick aus, „Hurry Up Mode“ ist sehr postpunkig für japanische Verhältnisse.
Aber ich schweife ab und überlasse das Feld den anderen Kommentatoren :)
Ich mag die Kleidung im Nu goth Stil auch :D allerdings wusste ich nicht, dass es dafür eine spezielle Bezeichnung gibt – warum muss eigentlich immer alles irgendwo einsortiert werden. Insgesamt wirkt der Kurzfilm bissel wie ein Werbespot eines Gothic-Shops :D
Ich bin froh, dass sich jemand zum Lolita-Unterpunkt geäußert hat, denn ich hatte ein bisschen was zu meckern. :D Tatsächlich hat Lolita nix mit Gothic zu tun, soll es aber auch nicht. Lolita ist lediglich eine Mode und Gothic Lolita eine Unterart davon. Auch dass es „sexy“ sein soll, stimmt so nicht, da der Lolita-Look sehr strengen Regeln unterliegt und so wenig Haut wie möglich gezeigt werden soll (Rock bis zum Knie, Bluse bis oben zugeknöpft,Bloomers unter dem Rock als Sichtschutz, etc.). Hat rein gar nichts mit Nabokovs Lolita zu tun.
Und auch wie schon erwähnt wurde, hatte Japan (im Gegensatz zu den Schnarchnasen in China und Taiwan) wohl seit den 80ern eine ähnliche Entwicklung wie im Westen, was Post-Punk betrifft. Phaida wurden genannt, Mother Goose, oder auch aktuell 13th Moon gäbe es als Beispiel. Es gibt genug japanische Deathrock- und Goth-Bands, die sich regelmäßig aufregen, wenn sie mit den kostümierten Visual Kei-Kaspern in einen Top geworfen werden, was ich auch gut verstehen kann. Aber leider nimmt der uninformierte Westler das gerne mal so wahr.
Tut mir leid, aber das waren ein paar Punkte, die mich sehr an diesem Artikel gestört haben und ich danke Avenis, dass ich nicht die Erste sein musste, die den Buhmann spielt. :D Sorry, Robert.
Was die anderen Stile betrifft: SHAME, SHAME, SHAME! Batcave und Romantic lasse ich ja noch durchgehen,aber die Deathrock-Triene hat nicht mal einen Deathhawk! Zu den anderen „Subgenres“ sage ich mal nichts, da ich die nicht wirklich als szenezugehörig betrachte. Man musst nicht auf Teufel komm raus alles „vergothen“, nur weil’s alternativ erscheint und „alternativ“ heutzutage trendy ist.
Was die Waver betrifft, so interessiert es mich auch, ob das ein rein deutsches Phänomen war. Zumindest wirkt es auf mich und die meisten Kommentatoren so.
Insgesamt erinnerte mich das Video sehr an das von Buzzfeed, in dem Stinos zu „Goths“ (oder so etwas in der Art) umgestylt wurden. Wenn kein Gruftie drunter steckt, wird es nie nach Gruftie aussehen.
Waver und „klassische“ Gruftis sind kein deutsches Phänomen, England (vor allem London) war da der Vorreiter.
Hier ein Beispiel früherer Goths in England:
https://www.spontis.de/schwarze-szene/dunkle-vergangenheit/schwarze-zeitzeugen-melissa-aus-london/
Und hier ein Modekatalog aus England in den 80ern:
https://www.spontis.de/schwarze-szene/styling-mode/schwarzer-modeguide-80er-bogey-und-der-realitat/
@Tanzfledermaus: „Die Idee an und für sich ist ja ganz witzig, aber meiner Meinung nach grottig umgesetzt und schlecht recherchiert.“ Ganz ehrlich? So witzig finde ich die Idee dann auch wieder nicht. Mit ein bisschen Abstand sogar fast etwas traurig, denn „Bewegungen“ so ungekonnt auf das Äußerlich zu reduzieren. Ich weiß nicht.
@Svartur: Ich glaub „Waver“ waren dann doch ein sehr deutsche Phänomen. Vielleicht noch ein bisschen in Frankreich und Belgien. In England ist der Stil meines Wissens nach auch recht unbekannt und wurde auch damals hauptsächlich durch deutsche Jugendmagazine verbreitet. „New Waver“ gab es dann schon eher, so im Sinne von „New Romantic“ nicht so, wie es hier umgesetzt wurde.
@Julius: „Mir kommt der amerikanische Beitrag zur Szene immer sehr viel “trashiger” vor, näher am Rock ‘n Roll und dessen Symbolik und Habitus, sehr viel plakativer in allem, immer näher an Halloween als wirklich an “Grufti”. 100% Zustimmung. Ist alles mit Zuckerguss drauf, Popcorn als Beilage und Candy in den Taschen. Ich glaube – Achtung Mutmaßung! – die Amerikaner sind durch ihre Art zu leben einfach ungeeignet für „Gothic“. Martin Gore sagte mal in einem Interview, dass das, was er von Europa am meisten vermissen würde, der Pessimismus und die Traurigkeit sei. Die Japaner haben wenigstens noch lebendige Subkulturen, auch wenn die meist nichts mit Gothic zu tun haben :-)
@Avensis: Danke für den Link, ich werde mich da mal umschauen!
@Ian: Wie würdest Du denn ganz persönlich den „Nu-Goth“ Stil beschreiben? Ich weiß was du meinst, kann jedoch nicht ganz in Worte fassen, was dieser Stil vereint.
@Scarlett: Auch dass es “sexy” sein soll, stimmt so nicht, da der Lolita-Look sehr strengen Regeln unterliegt und so wenig Haut wie möglich gezeigt werden soll
Das bezog sich auch durchaus darauf, dass genau dieser Schulmädchen und Unschulds-Lamm-Look ein sexueller Fetisch in Japan ist. Haut ist nicht gleich sexy, schon gar nicht in Asien. Meine Kritik bezog sich dann auch darauf, dass die Filmemacher diesen Stil zur Entwicklung der Szene hinzuzählen. Und wieso spielst du einen „Buhmann“? Ich fühle mich nicht ausgebuht, sondern aufgeklärt. Denn – wie bereits erwähnt – habe ich von der japanischen Szene nicht wirklich eine Vorstellung, nur ein paar Eckdaten, bei denen die visuellen Stile im Vordergrund stehen. Deshalb: Immer her mit den Informationen! :)
Ob es hier wirklich darum ging, die Szene auf Äußerlichkeiten zu reduzieren? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.
Eine chronologische Zeitleiste visuell darzustellen ist an und für sich nichts Schlimmes sondern nur eine von vielen Möglichkeiten, etwas zu präsentieren.
Bei früheren Modestilen (Barock, Rokoko etc.) werden ja oft auch erstmal nur Abbildungen gezeigt, ohne viel Info, warum ein Stil sich so entwickelte.
Wer daran interssiert ist, findet sicher genug Quellen, die mehr bieten. Insofern würde ich das Video von der Idee allein nicht allzu hart verurteilen.
Solange nicht etwa behauptet wird, dass hinter den Äußerlichkeiten kein weiterer Background existiert, sehe ich es nicht so eng.
Noch ein Zusatz am Rande zum Thema Lolitamode und Sexiness: Es ist nicht nur so, dass die Zugeknöpftheit unschuldig und auf diese Art doch wieder erotisch wirken soll – der Stil ist in seiner ganzen Intention wirklich bewusst und absichtlich sehr asexuell. Auch wenn Lolita größtenteils oberflächliche Mode und nicht so sehr Weltanschauung/Lifestyle ist, gibt es doch eine gewisse Philosophie dahinter. Darunter auch so ein gewisser zelebrierter Narzissmus und eine Ablehnung des Erwachsenwerdens und der Pflichten und Stressfaktoren, die damit einhergehen. In den üblichen Lolitazeitschriften spielen Jungs und Freunde fast gar keine Rolle, geträumt wird eher von Picknicks und Teeparties mit Freundinnen, einsame Stunden mit klassischer Literatur…
Die meisten männlichen Mainstream-Japaner finden den Stil äußerst unattraktiv – teilweise auch wegen des Unreife-Stereotyps (allein der Gedanke, dass ein einzelnes Outfit locker mal 500-700 € kosten kann). Ein anderes Klischee in Japan ist, dass Lolitas für japanische Verhältnisse tendenziell eher pummelig sind und die Kleidung das noch unterstreicht.
Die Sexualisierung von Schulmädchen und minderjährigen Charakter in den Medien ist wieder ein eigenes Ding, aber die sind dann auch gerne mal kurviger und leichter bekleidet dargestellt.
Ich finde es überaus spannend, wie man so wenig Gefühl für Detail und zu vermittelnde Ausstrahlung haben kann…
…das Gezeigte erinnert mich an mittpreisge Karnevalskostüme…
…da waren ja die gefühlten zigtausend Neobatcaves/deathrocker der Nullerjahre noch bessere Kopisten^^
Es gibt übrigens – leider – tatsächlich sogar Gothic-Faschingklamotten zu kaufen:
Dazu fällt mir nicht mehr viel ein, außer dass ich es traurig finde, welchen Stellenwert unsere Szene mittlerweile bekommen hat.