Du sollst Skinheads nicht mit Nazis verwechseln

Du sollst Skinheads nicht mit Nazis verwechseln“ ist nicht nur der Titel einer aufklärenden Internetseite, sondern auch Motto mit erhobenem Zeigefinger. Aufmerksame Leser wissen bereits: Eine Glatze und ein Paar Dr. Martens reichen noch lange nicht für die Identifizierung eines Neonazis. Viel schlimmer noch: Heute scheint es praktisch unmöglich typische Erkennungsmerkmale zu definieren, die dem Bürger bei seinem Schubladendenken unter die Arme greifen. Auf sehr anschauliche Art und Weise haben sich die Filmemacher und Edina MedraStefan Berenthal mit Kindern und Jugendlichen zweier Schulen in Bremen zusammengetan  und das Video Vorsicht Nazi gedreht, das im leicht verständlichen Stil die Sache noch einmal in 6:55 auseinanderklamüsert und damit den Versuch gestartet, das Vorurteil, das sich untrennbar mit dem Denken vieler Bürger verknotet hat, zu entwirren.

Neonazis leben heute davon, alte Symbolik aufzugeben und sich ständig neue Bezüge herzustellen.  Die meisten sind nicht mehr durch ihr äußeres zu unterscheiden, sondern nur durch ihre Ideen und die immer gleichen Argumente. Die Beliebigkeit in der man in der rechten Szene Symbole für sich vereinnahmt ist erschreckend und verleiten uninformierte immer wieder zu falschen Assoziationen. Gothics wurden in den 90ern ebenfalls als Weg der Infiltration entdeckt, ihr politisches Desinteresse, Bezüge zu Mythen und Legenden sowie die Erforschung musikalischer Grenzbereichen musste auf die braune Brut wie ein Magnet gewirkt haben. Und trotzdem fanden sie auch hier keinen fruchtbaren Boden, sondern stießen auf breite Ablehnung. Bis heute ist das Thema jedoch sensibel geblieben und sorgt immer wieder für Diskussionsstoff, der manchmal nur auf Verfehlungen einzelner zurück zu führen ist.

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tobi
tobi (@guest_10243)
Vor 14 Jahre

das mit den langen und kurzen haaren und fred perry ist mal wieder schade, aber im großen und ganzen ein cooles video – und das lied am ende rockt! (welches im abspann leider nicht genannt wird)

Schatten
Schatten (@guest_10246)
Vor 14 Jahre

Mich ärgert das immer wenn ich sowas les wie in meinem Sozialkundebuch, da wird das so dargestellt als wäre ein junger Nazi automatisch ein Skinhead bzw- die Skinheadszene so eine Art Auffangbecken für den braunen Nachwuchs.

Mister Martinito
Mister Martinito (@guest_10251)
Vor 14 Jahre

Politisches Desinteresse in der schwarzen Szene ist für mich DAS Stichwort in diesem Zusammenhang.

In einer Zeit, in der die Ideen der extremistischen Rechten innerhalb des politischen und gesellschaftlichen Mainstreams nicht mehr punkten können (zumindest nicht offen) sind Duldung und Pseudotoleranz durch politisch naive und desinteressierte Menschen die beste Überlebensstrategie für Antidemokraten und Radikale.

Allerbestes Beispiel dafür ist die Neuheidenszene, die für die Problematik der rechtsextremen Vereinnahmung ja vermutlich noch anfälliger ist, als jede andere Subkultur.

Aber um beim Thema „Neonazis und Äußerlichkeiten zu bleiben“…ich glaube nicht, dass das bürgerliche Lager allzu sehr an dieser Form von Aufklärung interessiert ist. Das Projizieren extremistischer Inhalte auf äußerlich gut erkennbare Glatzen- und Stiefelträger (und sonstige Randgestalten) ist eine vielzu bequeme, gefällige und effiziente Strategie, sich selbst von dem Sachverhalt abzulenken, dass gruppenbezogene Menschenverachtung auch und gerade ein Problem der bürgerlichen Mitte ist.

Guldhan
Guldhan(@guldhan)
Vor 13 Jahre

Immerhin bewegten sich dabei die Schlägertruppen der Neonazis in alter Tradition. Stahlen doch ihre Väter oder besser gesagt Großväter optische wirkungsvolle Schnittmuster für Kleidung sowie Symbole und kontaminierten diese durch ihrer Ideologie, so machte es die Springerstiefel-Kahlkopf-B-Jacken-Generation ebenso. Wobei ich deren Liebe zur Bomberjacke recht ironisch finde. Es war immer schön anzusehen, wenn solche Treudeutschen ihre Parolen gegen die alliierten Bombardementverbrechen in eben solchen Jacken grölten, welche die beschimpften Piloten damals trugen.

Nichtsdestotrotz sollte (gerade in Schulbüchern mit Hang zur sozialen Aufklärung) endlich einmal dasselbe Umdenken stattfinden, das sich allmählich in der braunen Szene breit macht. Denn dort ist die Standardversion des martialischen Kameraden kein gern gesehener Gast mehr. Stellenweise darf sich für das Betreten von Kundgebungsgeländen sogar umgezogen werden, da nur der Saubermann in gesellschaftstauglichen Turnschuh und Anstandsjacke an der Gesichtskontrolle vorbeikommt.

Politisch ist man nur im Kopf. Und in diesen kann niemand blicken. Da diese Form des Datenschutzes aber zuwider ist, sucht man noch immer nach der Klassifizierung anhand von einsehbaren Äußerlichkeiten. Eigentlich schon putzig, wie sich manche abmühen, einen aufgrund des Kleidungsstiles eingliedern zu wollen. Obwohl man hierzulande im Privaten wirklich so gut wie alles tragen kann, alles bekommt und demnach auch ganz nüchtern nach allem aussehen kann.
Aber andererseits wäre es sonst auch langweilig. So hatte ich unlängst wieder das Vergnügen von einem Bürger als „Scheiß Nazisau“ tituliert zu werden, nachdem als Geste der männlichen Selbstbehauptung auf den Gehweg gerotzt worden war. Leider verstand ich das restliche Genuschel nicht, war aber auch zu desinteressiert, um hinterherufend nachzufragen. All die kleinen Anekdoten des Lebens blieben doch aus, wenn der Mensch den anderen anhand seiner Worte, seines Auftretens und nicht anhand seiner Kleidung beurteilen würde.

Zum Thema der politischen Desinteresse. Was nützt mir denn die politische Interesse?
Ich gehe wählen, informiere mich dahingehend. Schaue mir an, was die Krawatten hinter den Redepulten so von sich geben. Ich denke: „Nun gut, passt schon. Besser als die anderen.“. Mache dort ein Kreuz und erlebe dann wie der Rest Deutschlands dumm genug ist, die anderen Schwachmaten zur Führung zu erheben. Ist das ein motivierendes Ergebnis für politisches Interesse? Wenn man sich abmüht aber dennoch die Mehrheit von Naivität bestimmt wird. Oder wenn man sich gegen Rechts mobilisiert, während das eigene Fahrzeug inmitten einer linksradikalen Spaßbranntnacht in Flammen aufgeht. Warum soll ich gegen Neonazi demonstrieren, wenn mich allein Linksradikale anpöbeln und Rechte nach ihren Treffen sogar den Park aufräumen. Man verstehe mich nicht falsch. Ich bin kein Sympathisant brauner Gedanken. Aber ebenso wenig bin ich ein Freund von Einseitigkeit. Man sollte im Kampf gegen destruktive politische Radikalität und Störenfriede die Waage der Gerechtigkeit im Lot halten und dabei nicht nur rechts niederdrücken und links in die Höhe heben.

Wenn politisches Engagement nicht auf Gegenliebe oder Resultate stößt, dann werden im Leben die Prioritäten eben verlagert. Man kann dann genauso gut auch schweigend erdulden, dass Entscheidungen über den Kopf hinweg getroffen werden. Eine Meinung ist verschwendet, wenn sie nur im Raum verpufft. Und Politik ist als ein Instrument, das vom Menschen geschaffen wurde, nur allzu trivial, um sich davon sinnlos belästigen zu lassen. Wobei die Betonung hierbei auf „sinnlos“ liegt.

Ps.: Obwohl ich kein Freund von „Kindern-erzählen-mal-was“-Aufklärungsvideos bin, so finde ich jenes wirklich gut gelungen.

Marcus
Marcus (@guest_10441)
Vor 13 Jahre

@tobi: Der Song heißt „Bon Ska“ (von der Gruppe „Mad Monks“)

tobi
tobi (@guest_10455)
Vor 13 Jahre

danke marcus!

jannik
jannik (@guest_14936)
Vor 13 Jahre

@schatten

auch in einer Fernsehzeitung ist in einer Filmbeschreibung zum Film „American History X“ solches Unwissen zu sehen
Beschreibung:
Neonazi Derek sitzt wegen Totschlags im Knast.Jahre später kommt er politisch geläutert wieder frei.Entsetzt muss Derek feststellen dass sein jüngerer Bruder Danny auch ein Skinhead geworden ist.

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