Ich und der Duden hatten schon immer ein schwieriges Verhältnis. Als Bibel der deutschen Sprache weiß der Duden immer, wie etwas geschrieben wird und was ein Wort zu bedeuten hat. Ich weiß das nicht immer. Das wäre jetzt nicht weiter schlimm, wenn ich nicht so gerne in diesen Blog schreiben würde, den jeder lesen kann und der eben diese deutsche Sprache als Form der Kommunikation nutzt. Manchmal ist das schon ziemlich peinlich, wenn mich meine Frau wieder einmal darauf hinweist, welche dummen Fehler in so manchem meiner Beiträge lauern. Die kann das nämlich deutlich besser mit der Orthographie. Wahrscheinlich ist sie heimlich mit dem Duden befreundet.
Wie kam es also dazu, das ausgerechnet ich auszog, den Duden zu korrigieren?
Alles begann schon im September des letzten Jahres. Da schrieb mir Leserin Nicole, die bei einer Unsicherheit in der richtigen Schreibweise von „Grufti“ die Online-Ausgabe des Duden bemühte, folgendes: „[…] suchte ich auf duden.de nach der richtigen Schreibung der Mehrzahl von „Grufti“. Dabei stieß ich auf diese lustige Definition: „Person, die schwarz gekleidet, mit schwarz gefärbtem Haar und weiß geschminktem Gesicht auftritt und (zusammen mit Gleichgesinnten) besonders Friedhöfe als Versammlungsort wählt“. Vielleicht sollte man dem Duden mal eine neue, zeitgemäße Definition vorschlagen? Ich sehe in letzter Zeit jedenfalls sehr selten Grufti-Versammlungen auf Friedhöfen.“
Und in der Tat erscheint diese Wortdefinition ein wenig abseitig, denn objektiv gesehen finden wir Gruftis Friedhöfe ja toll, aber klassische Versammlungsorte sind dann dieser Tage doch eher Discotheken und Festivals.
Mein erster Gedanke war, das Fundstück zu präsentieren, eine Diskussion anzuregen um uns dann genüsslich über diese Definition auszulassen. Doch den Duden angreifen? Das Bollwerk der deutsche Sprache diskreditieren? Ich fühlte mich unbewaffnet und kam mir vor einer von den unmusikalischen Gruftis, die den Leuten auf der Bühne erzählen wollen, wie man richtig Musik macht. Ein paar Monate später – ich hatte die Mail inzwischen ein wenig verdrängt – erinnerte ich mich an Nicole und ihre Frage und fasste mir ein Herz. Warum nicht den Duden anschreiben? Gesagt, getan:
Lieber Duden. eigentlich traue ich mich gar nicht, Dir zu schreiben, weil du als Duden dich ja bestens mit der Deutschen Sprache auskennst und meine Kenntnisse derselben eher als rudimentär zu bezeichnen sind. Mein Unwissen beginnt schon damit, dass ich nicht weiß, wie ich Dich anreden soll. Duden? Duden-Team? Duden-Redaktion? Leute? Deshalb schreibe ich Dir als Buch, als lebendiges Werk der Deutschen Sprache, das ständigen Änderungen und Entwicklungen unterworfen ist und dennoch als Buch und als Institution wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung steht.
Lieber Duden, ich habe eine Frage oder vielleicht auch einen Verbesserungsvorschlag, mit dem ich mich an Dich wenden möchte.
Dazu muss ich erklären, das ich mich als Grufti fühle, der bereits seit den 80er Jahren dieser Subkultur anheim gefallen ist. Seit über 9 Jahre betreibe ich sogar einen Blog dazu, der sich mit der Szene „Gothic“ und allen damit verbundenen Phänomen beschäftigt. Neulich wurde ich auf einen Eintrag im Duden – also bei Dir – aufmerksam gemacht.
Deine Erklärung stimmt bis zum Punkt mit den Friedhöfen. Woher stammt diese Erkenntnis, das wir uns auf Friedhöfen treffen würden? Dem ist nämlich nicht so. Sicher, wir treiben uns gelegentlich dort herum, um Atmosphäre zu schnuppern und Grabsteine zu fotografieren, aber im Grunde genommen gar nicht, um dort Treffpunkte draus zu machen. (Von den Klischeehaften Ausnahmen aus jugendlichem Wagemut mal abgesehen)
Vielmehr sind Festivals und Discotheken Versammlungsorte der schwarze Subkultur, weniger Ruhestätten und Gruften. Auch wenn ich das vielleicht ganz schön finden würde. Doch von einer solchen Hoffnung sollte kein Eintrag im Duden zehren.
Meine Frage(n): Wie kann man Einfluss auf eine Änderung der Definition nehmen? Kann man das überhaupt? Und: Wer hat Euch erzählt, dass wir uns auf Friedhöfen treffen?
In freudiger Erwartung eine Antwort verbleibe ich hochachtungsvoll.
Würde man mir antworten? Noch bevor ich zuviel Zeit daran verschwendete mir Gedanken zu machen, erhielt ich eine Antwort die versprach, meine Anfrage an die zuständige Redaktion weiterzuleiten. Das war zwischen Weihnachten und Neujahr die letzte Wortmeldung, die ich erhielt. In der Wartezeit kam ich mir dann auch ganz kurz bescheuert vor, denn welchen Wert sollte es haben, die Definition des Wortes „Grufti“ zu ändern? Ich schob es Nicole in die Pikes, denn die hatte mich ja darauf aufmerksam gemacht und meinen Anspruch angekratzt, alle Fragen, die mich über das Kontaktformular erreichen, adäquat zu beantworten.
Am letzten Dienstag, ich war gerade mit dem Hund in der freien Natur, erreichte mich eine E-Mail des Duden Kundeservices, auf die ich nicht vorbereitet war:
Vielen Dank für Ihre netten Zeilen und Ihren Hinweis auf eine falsche Angabe in der Definition (2) des Stichworts „Grufti“. Wir sind immer sehr dankbar für solche Hinweise, die uns helfen, Fehler und Lücken in unseren Werken zu beheben bzw. zu schließen. Nun haben wir die Bedeutungsangabe (2) zum Stichwort „Grufti“ im Duden online wie folgt geändert: Person, die schwarz gekleidet, mit schwarz gefärbtem Haar und weiß geschminktem Gesicht auftritt und deren Lebenshaltung von einer Faszination für Tod und Vergänglichkeit geprägt ist. Wir hoffen, dass diese Änderung in Ihrem Sinne ist.
Was soll ich sagen? Es hatte funktioniert. Einfach so. Grufti ist also nicht mehr definiert mit dem Treffpunkt Friedhöfen, sondern einer Faszination für Tod und Vergänglichkeit. Nicht schlecht. Könnt ihr gerne selber kontrollieren.
Natürlich, lieber Leser, dieser Definition ist sicher nicht perfekt und letztendlich könnte man Seiten mit dem füllen, was einen „richtigen“ Grufti ausmacht, wie er auftritt und was er spannend findet. Mit dem Ergebnis, dass eine sich daran anschließende Diskussion wiederum Seiten füllen würde, in denen andere wieder alles anders sehen. Friedhöfe als Treffpunkt jedenfalls, da bin ich mir sicher, sind aber nirgendwo dabei. Und wenn sich irgendwo Gruftis auf einem Friedhof treffen, dann meldet euch doch. Vielleicht kommen wir ja ins Gespräch.
Streitbar ist jetzt möglicherweise die Sinnhaftigkeit einer solchen Änderung. Habe ich wertvolle Lebenszeit verschwendet? Nein, nicht nach meinem Gefühl. Denn sich mit dem zu beschäftigen, was mir Freude Trauer bereitet, ist doch genau das, wofür Lebenszeit gemacht ist, oder?
Oha, ich selbst wäre nie auf den Gedanken gekommen, „Grufti“ im Duden nachzuschlagen. Ich hatte immer angenommen, dass es sich dabei um einen Begriff handelt, der wegen seiner relativen Undefinierbarkeit für nicht „dudenwürdig“ befunden worden wäre. Aber gut dass es ihn im Duden gibt. Und noch besser, dass er dank Robert nun auch etwas korrekter definiert ist. Vielleicht räumt das ja auch gleich noch bei einigen Normalos mit den Clichés auf :)
Robert, der Dudinator.
Ich find es klasse, dass du es getan hast. Habe zwar auch nie im Duden nach Grufti geschaut, aber die neue Definition ist wirklich um Längen besser.
Grins, jetzt musste ich aber erstmal sehr schmunzeln (bei Deinen Zeilen) und dann staunen (bei dem Ergebnis). Eigentlich ja auch erstaunlich, dass das Wort im Duden auch noch im Bezug auf die Schwarze Szene erläutert wird, weil ja heutzutage kaum noch jemand Grufti sagt, sondern inzwischen alles als Gothic betitelt wird. Okay, weiße Gesichter sind jetzt auch nicht mehr so das hervorstechende Merkmal und schwarze Haare hat auch nicht jeder Schwarzkittel, aber da will ich noch mal ein Auge zudrücken.
Gimme five, Robert! Ich hatte die ganze Sache schon wieder total vergessen, nachdem ich dich damals mit dem Thema belästigt habe. Aber irgendwie, dachte ich, passt es doch ganz gut hierher. Mein Problem war ja der Plural, also „Grufits“ oder „Grufties“, und dabei stellte sich eben heraus, dass selbige immer noch in die Nähe satanistischer Verschwörungen gerückt werden. Fehlte nur noch das Tieropfer, das bei den „gemeinsamen Treffen auf den Friedhöfen“ dargebracht wird. Nun freue ich mich natürlich riesig, dass du tatsächlich etwas erreicht hast beim Duden. Auch wenn die jetzige Definition natürlich auch wieder nur ein Klischee ist. Aber man muss wohl zufrieden sein mit dem, was man bekommt:)
Klasse, dass du das mal angesprochen hast. Der Duden sollte ja eigentlich der Vorreiter von Definition und Rhetorik sein. Ansonsten mal bei der Seite hier anfragen, was die dazu sagen: https://www.deutsche-rednerschule.de/