Auch für das März-Thema des Gothic-Friday hat sich Magister Tinte die Zeit genommen, einen Blick in seinen musikalischen Geschmack zu wagen. Die Forschungsreise des jungen Magisters beginnt demnach auch typisch, verläuft historisch bis bizarr und endet dann doch überraschend. Dieses verrückte Internet! Alles weiter von Ihm selbst:
Es ist März und damit Zeit für meinen Beitrag zu dem Gothic Friday. 2011, Rockfabrik, Gothrock Night. Eine Party, deren Musikauswahl dem Titel der Veranstaltung spottet, mit ungefähr 10 Besuchern an einem Donnerstag. Wir, eine Gruppe aus 5 Leuten, alle 16 Jahre alt, freuten uns über die Möglichkeit Abends weg gehen zu können. Immerhin konnten wir dort bis 24 Uhr bleiben. Es lief unter anderem ASP, deren Musik mir sofort gefiel. Sie passte sehr zu den Fantasy Büchern, die ich damals fast ununterbrochen las. Eine Zeit lang hörte ich begeistert ASP, Rammstein, Eisbrecher und ähnliches. Über das Internet fand ich dann immer mehr ähnliches. Jedoch blieb es erstmal bei einer Mischung aus NDH und ASP-ähnlicher Musik.
Im März 2013 dann mein erstes Konzert. Blutengel, die ich nun doch leider nicht mehr verschweigen kann. Ich glaube, ab diesem Punkt gebe ich mein eigentliches Vorhaben, die Einteilung in Zeit und Musikrichtung, einfach mal auf. Denn bereits vor diesem ersten Konzert stieß ich auf The Sisters of Mercy. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schreibern beim Gothic Friday bin ich nicht mit der Musik älter geworden, sondern eher mein Musikgeschmack. Ich hatte, nachdem ich dahinter kam wonach ich suchen musste, die Möglichkeit über YouTube (fast) alles zu finden. Das führte auch dazu, dass ich teilweise in Nachtmahr Uniformen auf Partys zu Joy Division Tanzte. Ein sicherlich sehr bizarrer Anblick.
Neben dem Internet entdeckte ich auch in Second Hand Läden neue Musik. Anfangs noch auf CD, später dann auch Platten. Manchmal nahm ich mir auch die Zeit komplette Playlists nach einer Party nach zuhören und auszusortieren. Dadurch entdeckte ich unter anderem Oppenheimer Analysis, Ben Bloodygrave, Welle: Erdball, Bauhaus, Christian Death, Das M, The Body Electric, Trisomie 21, Velvet Condom (um mich auf die ersten Bands zu beschränken die mir in den Kopf kamen). Inzwischen Kaufe ich mir Musik fast ausschließlich auf Vinyl. Ich stöbere gerne in Läden nach Bands die ich kenne und höre in das Meiste dann auch direkt rein. Dadurch höre ich die Musik zuhause auch viel bewusster als ich es unterwegs mit dem MP3 Player könnte.
Magister Tinte (spricht von sich selbst in der Dritten Person und) empfiehlt:
„in you there is no masquerade
just purity and realness
from head to toe discrepancy
unlike anyone here
in you there is a fire
your warmth shines onto me
i bet you find bestsellers and crimes
exactly as unreadable“ [Lebanon Hanover – I Believe You Can Survive]
Eine Band die mich seit längerem in ihren Bann gezogen hat. Musik zu der ich unglaublich gern Tanze und alles andere vergessen kann.
Magister Tinte (mag den klang seines Pseudonyms und) hört zu dieser Zeit:
Ein graues, kaltes Bürogebäude. Gesichtslose Menschen, rennen, Waffen – grau in grau, kalt und leer. Rote Ranken, die über die Eintönigkeit wuchern und Blüten treiben. Musik die einem einen Schauer über den Rücken jagt und ganz tief trifft. Ja, richtig – Depeche Mode – Enjoy the Silence. Zugegebenermaßen weiß ich nicht mehr genau wann und muss schwer in meiner Erinnerung graben, aber ich denke es müsste 2004 gewesen sein, also ich das Video erstmals auf MTV oder Viva sah und mich verliebte. Das hätte der Anfang meiner gruftig-musikalischen Karriere sein können – war es aber nicht. Warum? In irgendeiner Bravo entdeckte ich einen Artikel über Depeche Mode und was in der Bravo stand war Mainstream und was Mainstream war, war doof. Und ich in meinem pubertären Rebellions-und-grundsätzlich-gegen-alles-Gehabe auch und so sollte ich Depeche Mode erst später wieder für mich entdecken. Das Gefühl aber blieb. Schon als Kind konnte ich Stunden vor dem Radio oder dem Plattenspieler meiner Eltern verbringen und Musik hören. Immer und immer wieder. Aber dieses Gefühl, so intensiv, hatte ich vorher noch nie.
Etwas ähnliches erlebte ich das nächste Mal erst wieder mit Evanescene. My immortal und Bring me to life hatten es mir besonders angetan. Endlich fühlte ich mich verstanden und ausgedrückt, was ich nicht in der Lage war durch mich selbst auszudrücken. Angekommen in der Szene war ich deshalb trotzdem noch nicht. Ich suchte mich durch die „Alternativ-Sparten“ in der Musikabteilung der Drogerie Müller Filiale (im ländlichen Raum war der nächste Plattenladen eben nicht um die Ecke und eigentlich hatten die auch schon mehr oder weniger ausgedient). Man könnte sagen ich hatte in dieser Zeit ein komisches Verhältnis zur Musik, weil ich die Platten nach Cover und Inlet auswählte, die Wahrheit ist aber, ich war einfach viel zu schüchtern um das Personal darum zu bitten mir die CDs einzulegen, damit ich sie anhören konnte – und weit reichte das Taschengeld so wie so nicht.
Die nächsten wirklichen Offenbarungen erlebte ich durch zwei Mix-CDs,mit Musik aus dem Bereich Gothic-Metal und Dark/Progressiv Metal, die mir mein damaliger Freund erstellte. Tiamat – Cain und Katatonia – Omerta, die jeweils ersten Songs auf den Platten faszinierte mich augenblicklich. Mit seichtem Geplänkel konnte ich nichts anfangen. Ich suchte Tiefe, in die ich tauchen konnte, Dunkelheit, die mich umfasst um die Dunkelheit in mir auszudrücken und Worte, die ich nicht sprechen konnte. All das fand ich in dieser Musik. Von da ab gewährte mir mein damaliger Freund Zugang zu allen Bereichen seines Sammelsuriums. Angefangen bei Doom / Dark-Metal von Agalloch, über Dark Rock (End of Green), hin zu Sopor Aeternus und Otto Dix und kreuz und quer zwischen durch.
Vieles an Musik fand ich in den darauffolgenden Jahren im Internet, über YouTube oder über Forenbeiträge, zu Musik, die ich mir dann anhörte. Immer wieder stieß ich auf Neues, Interessantes. Manches begleitete mich nur eine gewisse Zeit, anderes immer wieder oder sehr lange. Sehr prägend für mich waren auch Haggard, Helium Vola, The 69 Eyes, Pink Turns Blue, Joy Disaster, Escape with Romeo, Clan of Xymox, Dreadful Shadows, Wolfsheim und später erst Sisters of Mercy, Linea Aspera und ich könnte wohl ewig weiter machen.. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich vieles an Musik nicht mehr zeitlich eingeordnet bekomme und Namen auch bei Bands für mich teilweise Schall und Rauch sind und erst in den letzten Jahren Parties und Konzerte für mich eine Quelle neuer Musik sind.
Touching
Stundenlang konnte und kann ich damit verbringen Musik zu hören, versuchen die Texte zu verstehen, den Sinn dahinter zu erkennen, mich fallen lassen. Viele prägende Momente und Erlebnisse sind für mich mit einer bestimmten Band der einem bestimmten Lied verbunden. Die Entdeckung einer neuen Band allerdings bedeutet für mich auch immer ein stück weit Neuanfang und Bewegung. Unzählige Melodiebruchstücke und Songtextzeilen springen mir immer wieder im Kopf herum und nichts ist schlimmer als einen Liedabschnitt im Kopf zu haben um ums verrecken nicht drauf zu kommen welches Lied von welcher Band es ist.
Was mich an der Bandbreite der dunklen Musik fasziniert und fesselt ist das Gefühl und die Variation. Von Schwer und Düster über seidig und leicht. Dunkle Ströme, die einen treibend-tragen und Rhythmen, die die Beine in Bewegung setzen. Schwermütiges, Trauriges, Rebellisches, Tanzbares, Heiteres. Alles dabei. Für mich zählt dabei vor allem ein: was ich fühle. Und was ich fühle hängt damit zusammen, in wie weit ich die Musik als authentisch betrachte, als Komposition eines Gefühls. In welcher Übersetzung das transportiert wird spielt erstmal keine Rolle. Stimme, Stimmung, Rhythmus, Text – das Gesamtwerk muss stimmen und was stimmt ist je nach Stück sehr unterschiedlich und so wie so eine Frage der Ansicht. Nichtsdestotrotz sind die Lyrics für mich von großer Bedeutung. Musik ist für mich immer auch eine Auseinandersetzung mit dem Leben, dem Sterben, der Welt, eine Flucht aus dieser, ein Ausdruck und Katalysator für meine Depression. Musik rettet mich, wenn ich im Begriff bin verloren zu gehen und im Dunkeln zu ertrinken. Sie begleitet mich immer, durch alle Höhen und Tiefen und kann immer verklanglichen, für was ich keine Worte finde. Musik ist mein Auszug aus meiner hochkomplexen, analysierenden Gedankenwelt und Zugang zum Gefühl. Musik hält mich am Leben.
Es gibt so viel Musik, die mich berührt und so viele Texte, die mir unendlich viel bedeuten, aber dieser eine ist es wohl immer wieder: The Chameleons – As high as you can go Warum? Weil ich finde, dass der Tanz eine wunderbare Metapher für das Leben ist und Musik und Tanz meine tiefste Art des Ausdrucks sind:
Take a chance and join the dance
And you can make the sound
Take a chance and join the dance
And we can go to ground
Go to ground.
What now?
Für mich textlich wie musikalisch besonders eindrücklich und daher 4 meiner Lieblingslieder
Ascetic – We are not all dead – Weil sie unglaublich eloquent und auf eine intellektuelle Art schwermütig sind „And we’ll perform the ghostdance and lose all sense of feeling…“
Hante – The Storm – Läd immer wieder zum Tanzen und fallen lassen ein „seeing this Storm coming about…“
Der Gruftfrosch hat bereits im Februar einen kleinen Einblick in seine schwarze Lebensbahn gegeben und gezeigt, welch‘ wichtigen Bestandteil die Musik darin einnimmt. Hier im März-Thema des Gothic Friday nun einige Details mehr dazu…
Das aktuelle Thema des Gothic Friday ist sicherlich mit DAS Umfangreichste, ist der Pfad dessen, was sich Musik der „Schwarzen Szene“ schimpft nicht unbedingt gerade, und vor allem weit verzweigt. So kam wohl so mancher (zu) spät Geborener nicht den direkten Weg, sondern als Seiteneinsteiger. So wie ich zum Beispiel, wie beschrieben, über die Mittelalter-/Symphonic Metal-Schiene. Unwissenderweise habe ich bereits beim Thema „Wie seid in die Szene bekommen“ von meinen ersten zarten Berührungen berichtet. Aber Kunststück – ist es doch die Musik, die uns am ehesten verbindet und den Einstieg verschafft.
Es ist mir heute ein Rätsel, wie ich Sharon den Adels Stimme (Within Temptation – Another day) mal so lange aushalten konnte, ja gar Gefallen an ihr fand. Vielleicht überspielte ihr Aussehen so manchen Missklang bei mir. Bei Tarja Turunen war’s ja ähnlich, aber ihre Stimme war/ist der von der Niederländerin doch um Einiges überlegen. Mein erstes Lied, was ich von Nightwish hörte, war „The Kinslayer“ und hat mich damals gefesselt. Bei Schandmaul war es „Kalte Spuren“, wenn ich mich recht entsinne. All dies geschah auf der Party eines Kumpels.
Es folgten Erweiterungen des Horizonts gen Helium Vola (Les Habitants du Soleil) und Qntal (Entre moi et mon amin), die ich heute noch manchmal höre. Langsam wurde es elektronischer und synthesizerlastiger. Dann stieß ich um das Jahr 2004 auf Wolfsheim und fand’s großartig. Klassiker (The Sparrows and the Nightingales) und das doch recht ruhige „Übers Jahr“ dudelten durch Gruftfroschs Gehörmuschel, ebenso wie Lieder des Wahlschweizers Tilo Wolff. Die ersten Lieder, die mir damals eine Freundin mit auf eine CD packte, waren „Ich verlasse heut dein Herz“ und „Ich bin der brennende Komet“. Es sollten nicht die letzten bleiben, die in meine Sammlung wanderten. Hatte ich in der Schule doch bisweilen Mobbingerfahrungen machen müssen, so schien mir die Musik wie eine Therapie zu sein. Ich mochte neben dem Dark-/Synthiepop von Wolfsheim die Mischung aus Orchestralem und den rockigen Gitarrenriffs und ja, auch den wehleidigen Texten. Das schleppe ich wohl irgendwie seit den „Anfängen“mit mir herum. Leider war es auch die Zeit als mein geliebter Opa starb. Es war die richtige Musik zur richtigen Zeit. Was habe ich damals auf den Autofahrten quer durch Deutschland „Kelch der Liebe“ auf der Autobahn aufgedreht und mitgebrüllt.
Viel von der Musik bekam ich damals während des Studiums von Bekannten als Tipp, hörte mal da, mal dort herein und landete schließlich bei ASP, die mich lange begleiten sollten.
Zwischen 2007 und 2010 Vollblutfan, so habe ich heute ein distanzierteres Verhältnis zu dieser Musik, wenngleich mancher Text für mich heute noch ein Kunstwerk darstellt, sei es bei „Tiefenrausch“ oder vor allem „Biotopia“. Was für ein Gleichnis von Naturzerstörung und Entsozialisierung der Gesellschaft – klasse. Gänsehaut. Gut gemacht.
In dieser Zeit erweiterte sich dank Internet und Festival-Besuchen das Feld immer weiter und näherte sich dem Bereich des Postpunk und Darkwave immer weiter an, was hier nicht unter den Tisch fallen soll.
Doch was ist es nun, was mich bei Musik fesselt. Die Texte? Die Melodie? Im Grunde schwer zu entscheiden. Bei manchen Liedern steht das eine im Vordergrund (so der Text bei ASPs Biotopia), bei manchen das Andere. Da vermittelt die Melodie – die Komposition – mehr als ein Text es je könnte. Er wirkt nur noch ergänzend, während die Melodie in Klang- und Gedankenwelten entführt, die einen entschweben lassen. Dann könnte ich einfach nur da liegen, die Augen schließen und träumen. Ein absolutes Lieblingsalbum ist „The Pale Collection“ von The Frozen Autumn für mich geworden. Besonders „When Dreams Become Memories“ hat es mir angetan.
Diese langsame Steigerung bis der Gesang von Diego einsetzt, ist wie ein kühler Wind, der sanft die Seele von Sorgen und Stress freipustet. Ähnlich geht es mir mit „Inner Pale Sun“ von Arcana. Einlegen, Aufsaugen- (Weg-)Träumen…
Erwähnte ich schon meinen Faible für kühle, spröde und unnahbar wirkende Frauenstimmen? Nein? Dann ist das nun geschehen. Kein Wunder, dass mir Bands wie Linea Aspera (Reunion), Tropic Of Cancer (A Color) oder Minuit Machine (Midnight Love) wohlige Schauer über den Rücken jagen um mich sogleich mit geschlossenen Augen umherschlurfen zu lassen.
Unterschätzt ist meines Erachtens Zohra Atash mit ihren Bandprojekten Azar Swan (Dance Before the War) und Religious to Damn. Sie erinnert mich sehr an Kate Bush. Auch von Chelsea Wolfe werden wir hoffentlich noch Einiges hören. Unerwähnt möchte ich auch nicht lassen, dass ich von Zeit zu Zeit auch abseits des finsteren Pfades auf Hörkurs gehe. Meist ist der Exkurs aber nicht so weit, sei es im Rockabilly wie bei Mystery Gang, im (New)Beat (Allah-Las – Long Journey) oder im Punk.
Kommen wir zum Abschluss, dem für mich schwersten, nämlich mich für nur 5 Lieder zu entscheiden, die es in meine ewige Top5 und meine aktuelle Top5 schaffen. Dabei enstspricht die Rangfolge nicht der Wertung an sich.
Meine allererste Berührung mit Musik, die man grob der Schwarzen Szene zuordnen kann, geschah irgendwann Anfang/Mitte der 80er. Mein Vater kaufte sich Platten von Kraftwerk, Visage und Ultravox und wir hörten die Musik häufig bei gemeinsamen Autofahrten. Sie wurde mir sehr vertraut und sie gefiel mir auch. Keine wirklich dunklen Bands, damals zur Zeit sogar fast Mainstream, aber sie werden von vielen (vor allem älteren) Schwarzkitteln gehört, also zähle ich sie mal mit. Ich hatte damals keine Ahnung von Musikstilen, war ich doch gerade mal im Grundschulalter und hörte einfach alles, was mir irgendwie in den Ohren hängen blieb. Ich mochte und mag immer noch eine Menge Pop-& Wave-Zeug aus den 80ern, auch z.T. aus dem NDW-Bereich (nicht das ganz alberne Zeug). Vieles lernte ich auch über die Musiksendung “Formel Eins” kennen, die inzwischen Kultstatus besitzt.
Wie bei so vielen (damals) waren meine richtigen “Einstiegsdrogen” jedoch Depeche Mode und The Cure. Depeche Mode brachte eine Klassenkameradin 1988 mit auf eine Klassenfete – “never let me down again” war der erste Song, den ich von ihnen hörte, und der mich beim Zeitungstanzen (sic!) von den Socken riss. Auf einer Klassenfahrt kurz darauf sah man uns beide ständig mit einem Walkman, jede einen Ohrstöpsel im Ohr, während wir ihre zahlreichen Depeche Mode-Alben herauf- und herunter hörten. Von einer Schwarzen Szene hatten wir beide zu dem Zeitpunkt allerdings noch nie gehört.
Das geschah erst ein Jahr später (1989), als The Cure es mit “Lullaby” in die Radios und in die “BRAVO” schafften. Dieser Song begeisterte uns und meine Freundin kaufte sich dann gleich einige Cure-LPs. Sie spielte mir ungünstigerweise zuerst die “Boys don’t Cry”-LP vor. Die gefiel mir ja nun gar nicht, das war völlig anders als “Lullaby”, viel rockiger und der Gesang schräger. Meine Freundin “mutierte” dann recht schnell zum Grufti im Robert Smith-Schlabberstyle, womit ich ebenfalls wenig anfangen konnte. Da sie zuhause keine Platten auf Kassette überspielen konnte, übernahm ich das für sie und saß dann eines Tages bei uns im Wohnzimmer mit riesigen Kopfhören (meine Mutter bestand darauf, nicht mithören zu müssen) und überspielte ihr die “Faith”-LP auf Band. Über Kopfhörer flashte mich die Musik ziemlich schnell, es war irgendwie faszinierend und hypnotisch. Das war’s: ich war infiziert! Meine Freundin und ich saßen nun oft in unseren verdunkelten Zimmern bei Kerzenschein und hörten die “Faith”, die “Pornography” und die “Disintegration”.
Zwei Songs von The Cure haben mich damals emotional besonders berührt. Zum einen war das „sinking“, das ich während einer längeren Bahnfahrt praktisch im Dauer-Repeat hörte. Und dann „The same deep water as you“, bei dem ich, während ich einmal im Dunkeln auf dem Bett lag und in der Musik schwelgte, in Tränen ausbrach, weil ich es so schön melancholisch fand.
Musikalische Quellen und Pfade
Zufällig fanden wir im Sommer 1990 an einem Kiosk auf Sylt eine Ausgabe der “Zillo” und erfuhren so mehr über die Szene, ihre Mode und ihre Musik. Zahlreiche Brieffreundschaften und reger Kassettentausch mit dem Festland erweiterten unseren musikalischen Horizont, so dass sich nach und nach die Sisters of Mercy, Fields of the Nephilim, The Mission, Siouxsie und Joy Division in unsere Gehörgänge schraubten. Auch Girls under Glass, The Fair Sex und The Essence lernte ich über Briefkontakte kennen. Der ehemals punkige ältere Bruder meiner Grufti-Freundin brachte uns die Pogues und die Gitarrenwave-Band B.F.G. näher. Ich las häufig Plattenkritiken in der Zillo und bestellte mir dann – soweit mein Taschengeld es zuließ – auch über einen Plattenladen und den Malibu-Versandkatalog, den ein Klassenkamerad hatte, weitere Musik. Auf MTV gab es damals die Musiksendung “120 Minutes”, in der viel Indiekram, Wave und EBM gespielt wurde und auf (dem früheren Sender) Tele5 gab es auch eine interessante Musiksendung, deren Name mir leider entfallen ist. Mit EBM konnte ich anfangs aufgrund des verzerrten Gesangs nur wenig anfangen. Allerdings mochte ich damals schon “lightning man” von Nitzer Ebb, das sogar auf MTV gezeigt wurde. Die frühen CD-Beileger des “Zillo”-Magazins machten einige Bands bekannt(er).
In den Ferien in Berlin verbrachte ich Stunden, um bei WOM (World of Music, ehemalige Tonträger-Kette) in Alben hineinzuhören. Alles, was ich entweder durch Plattenkritiken oder schöne Covergestaltung interessant fand, wurde angehört. Nitzer Ebb fielen damals ziemlich schnell durch das Raster, für EBM war ich noch nicht zugänglich – erst Jahre später trat ein „Gewöhnungseffekt“ in punkto verzerrter Stimmen ein. Aber vieles aus den Bereichen Gothic Rock, Darkwave, Indie, Postpunk und Synthiepop sprach mich schnell an. Das sind auch heute noch meine bevorzugten Genres. Nach und nach im Laufe der Jahre kamen dann Minimalelektro, EBM, etwas Punk und Neofolk, Heavenly Voices und NDT (Neue Deutsche Todeskunst) hinzu. Letzteres ist der einzige Stil, den ich heute absolut nicht mehr mag. Das war wirklich nur so eine Phase, alles andere blieb an mir bis heute hängen. Womit ich allerdings noch nie etwas anfangen konnte, sind sämtliche Metal-Stile, Industrial und Technogedöns. Eigentlich hat sich mein Musikgeschmack nicht allzusehr verändert, sondern eher erweitert.
Weitere Bands, die schon früh den Weg in meine Musiksammlung fanden, waren zum Beispiel: The Garden of Delight, Pink Turns Blue, Love Like Blood, The Invincible Spirit, Dead Can Dance, Eden, New Model Army, Second Decay, Philipp Boa, Cassandra Complex, Click Click, Deine Lakaien, Einstürzende Neubauten, Ikon, Love is Colder than Death, Modern English, Neon Judgement, Nosferatu, Psyche, Secret Discovery, Shock Therapy, Sol Invictus, Sleeping Dogs Wake, Still Patient?, This Ascension, Two Witches, X-Mal Deutschland, A Split Second, Lords of the New Church
Viel Musik lernte ich durch ältere Szene-Freunde in Berlin kennen, es waren einige darunter, die schon seit den frühen 80ern als Gruftis herumliefen. Die haben mich generell sehr geprägt, auch im Kleidungsstil – ich bekam öfter abgelegte Klamotten überlassen und freute mich sehr darüber, da ich als Schülerin wenig Geld hatte. Bevor wir abends um die Häuser zogen, trafen wir uns, spielten uns gegenseitig (neue) Musik vor, stylten uns gemeinsam und gegenseitig. Es gab ja noch kein Internet, daher waren Freunde und Musikmagazine bzw. -sendungen in TV und Radio sowie Plattenläden mit Probehörmöglichkeiten lange Zeit die Wege, neue Musik kennen zu lernen – und natürlich Konzerte und Festivals mit noch nicht bekannten Bands. In Diskos hatte ich noch nie Hemmungen, bei einem tollen unbekannten Song nachzufragen, worum es sich da handelt.
Von 1990 bis kurz nach der Jahrtausendwende habe ich mir viele einschlägige Musikzeitschriften gekauft bzw. hatte z.T. sogar Abos: Zillo, Orkus, Sonic Seducer, Astan, Gothic oder auch Bodystyler. Als diese dann zunehmend New Rock, Metal, Krachelektro und Düster-Schlager präsentierten, bin ich abgesprungen, weil mich das alles nicht interessiert hat und auch die CD-Beileger immer grottiger wurden (zumal die auch den Preis der Hefte deutlich anhoben). Schon die Aufmachung – immer mehr Fetischkram, Kunstblutorgien und Corpse-Painting, sprach mich nicht mehr an.
Inzwischen möchte ich das Internet als Quelle neuer Musik nicht mehr missen! Gerade über Youtube findet sich eine Fülle interessanter Projekte, da kann man schnell Stunden verbringen, wenn man sich immer weiter durch die am Rande aufgelisteten artverwandten Beiträge klickt… Auch dass man in viele Alben erst einmal hineinhören kann, bevor man sie kauft, finde ich sehr praktisch. Und man findet schnell heraus, wo man zu welchem Tonträger kommt und welche Veröffentlichungen es von einer Band bzw. einem Künstler generell gibt!
Ein Versuch einer chronologischen Auflistung, welche Stile ich in welcher Reihenfolge für mich entdeckt habe:
– Vorstufe (1983-88): instrumentale Synthiemusik, NDW, New Romantic, 80er & Wavepop
– Einstieg (1989-92): Synthiepop, Darkwave, Gothic Rock, Gitarrenwave, Postpunk
– Horizonterweiterung (1993-95): Mittelalterkram, Neofolk, Neoklassik, Heavenly Voices, NDT, EBM
– wenig Neues (1995-97): Deathrock, Folkrock
– moderne Zeiten (1999-2004): Futurepop, Dark Ambient
– Retrowelle (2005): Minimalelektro
Aktuell höre ich am liebsten: The Chameleons =>meine absolute Lieblingsband, dicht gefolgt von: Another Tale, Clan of Xymox, IAMX. Außerdem: Black Swan Lane, The Eden House, The Exploding Boy, Frank the Baptist, Hagalaz’ Runedance, Ikon, The Northern Territories, Die Perlen, Sixth June, Mind.in.a.Box.
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wieviel einem Musik – die ja eigentlich „nur“ eine rhythmische Aneinanderreihung von Tönen ist – geben kann. Wieviele Emotionen durch sie hervorgerufen, verstärkt oder aufgefangen werden können. Musik kann aufwühlen, trösten, zum Träumen einladen, zum Tanzen animieren, Spannung abbauen, abschalten lassen. Musik kamm wirklich eine akustische Droge sein, die einen völlig gefangen nimmt. Umgekehrt kann Musik, die man absolut nicht leiden kann, einen richtig übel stressen, nerven, Kopfschmerzen und Fluchtgedanken hervorrufen. So geht es mir zumindest mit Hiphop, Rap, Volksmusik und Jazz (auf Saxophon reagiere ich äußerst „allergisch“) – auch auch bei Industrial bekomme ich Ohrenkrämpfe. Ich brauche bei Musik vor allem Melodien, gerne auch Rhythmen, aber möglichst keine Disharmonien. Am liebsten ist mir Musik, die melancholisch-melodisch ist. Gleich danach kommen dunkel-treibende Klänge. Zum Tanzen darf es auch gerne mal krachiger-elektronischer (EBM) oder schräg-verspielt sein (Minimal). Am meisten begeistern mich Songs mit Abwechslung, die sich langsam aufbauen und dann immer energie- bzw. emotionsgeladener werden. Aber je Stimmungslage wähle ich ganz unterschiedliche Genres für mein Ohrfutter aus. Ein klarer Vorteil der dunkelbunten Mixtur an Stilen innerhalb der Schwarzen Szene ist, dass sich darin so viele unterschiedliche Genres finden, dass für fast alle Situationen das Passende dabei ist. Wenn ich finster drauf bin, zieht mich Darkwave oder andere dunkle Klänge nicht etwa runter, sondern fangen mich auf und schaffen es, dass ich mich „verstanden“ fühle. Wenn ich träumen/abschalten will, höre ich Gitarrenwave, Heavenly Voices, ruhigen Neofolk oder Dark Ambient. Um Energie zu tanken oder abzubauen, kommt Goth-/Deathrock oder EBM zum Zuge. Und wenn ich mal retromäßig in Nostalgiestimmung bin oder was Leichteres brauche, laufen 80er Pop-& Wavesongs, Synthiepop oder Minimal. Lässt sich alles schwer miteinander vergleichen oder in einen Topf werfen. „Die EINE“ Grufti-Musik gibt es einfach nicht…
Vielleicht kennt es ja auch jemand von Euch, dass man Musik allein im eigenen Kopf abspielen lassen kann – mir zumindest geht es so, dass ich mir bekannte Stücke ab und zu aus dem Gedächtnis abrufe. Zum Beispiel wenn ich irgendwo lange warten muss und keinen Musikplayer dabei habe. Bei monotonen Tätigkeiten während der Arbeit. Oder einmal auch, um mich während einer langwierigen und sehr lautstarken MRT-Untersuchung von den fiesen Geräuscher der Maschinerie abzulenken. Sich dann allein aus der Erinnerung heraus auf einen Song zu konzentrieren, ist fast so, als würde man das Stück tatsächlich hören.
Songtexte mit persönlicher Bedeutung
Diese Texte berühren mich sehr, ich mag ihre Stimmung und auch die Art, wie sie musikalisch untermalt werden. Viel mehr dazu schreiben kann und möchte ich an dieser Stelle nicht – nur, dass „Second Skin“ der Song ist, der auf meiner Beerdigung gespielt werden soll…
The Chameleons – second skin
One cold damp evening
The world stood still
I watched as I held my breath
A silhouette I thought I knew
Came through, someone spoke to me
Whispered in my ear:
„This fantasy’s for you –
Fantasy’s are in this year!“
My whole life flashed, before my eyes
I thought, what they say is true
I’ve shed my skin, and my disguise
And cold, numb and naked
I emerged from my cocoon
And a half remembered tune played softly in my head
He said…
He turns smiling… and he said…
I realise a miracle, is due
I dedicate this melody, to you
I realise a miracle, is due
I dedicate this melody, to you
But is this the stuff dreams are made of?
If this is the stuff dreams are made of
No wonder I feel like I’m floating on air
No wonder I feel like I’m floating on air
Everywhere
Oh, it feels like I’m everywhere
Like when you fail to make the connection, you know vital it is
Oh when something slips through your fingers you know precious it is
And you reach the point when you know
It’s only your second skin
It’s only your second skin
Someone’s banging on my door…
Ein Song, der musikalisch nicht aus der Schwarzen Szene stammt, textlich jedoch sehr gut hierher passen würde…
Blumfeld – der Wind
Ein Wind weht um das Haus und immer wieder
wach ich aus Träumen auf und geh umher
mein Kopf ist schwer und fühlt sich an wie Fieber
ich will zu mir zurück und find den Weg nicht mehr
Alles um mich rückt in weite Ferne
ich schrumpfe und verirre mich im Flur
die Erde bebt, mir ist als sah ich Sterne
doch in der Dunkelheit verliert sich ihre Spur
Die Nacht in meinen Augen nimmt kein Ende
ich fühl mich schwach und will um Hilfe schreien
ich sehe schwarz und mal es an die Wände:
Laß dieses Reich nicht mein zu Hause sein !
… (Hier gibt es den Rest vom Songtext)
Meine Underground-Tipps
Hier tue ich mich etwas schwer, da ich schwer einschätzen kann, wie bekannt eine Band (inzwischen) ist. Da ich kaum noch in Diskos bin – und wenn, dann auch nur in wenigen bestimmten – bekomme ich kaum mit, welche Titel aktuell häufiger gespielt werden. Es gibt ja auch regionale Unterschiede, allein zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet, was da in den Clubs so angesagt ist. Musikzeitschriften kaufe ich ja schon lange keine mehr, daher bin ich da auch nicht auf dem neuesten Stand, worüber die aktuelle Szene so spricht und schreibt. Es fällt mir auch etwas schwer, eine klassische Rezension zu einer Band oder Veröffentlichung zu schreiben, da ich Musik für mich mehr nach Emotionen, Melodien und Tanzbein-Magnetismus einordne als nach musikalischem Können, Instrumentalisierung und Bandmitglieds-Hintergrundinfos. Vermutlich weniger bekannt sind folgende Bands, die ich alle sehr mag:
Another Tale, B.F.G., Black Swan Lane, The Northern Territories (Gitarrenwave)
Behind the Scenes, Sixth June (Darkwave)
Dronning Maud Land, Still Patient? (Gothic Rock)
For Against (Postpunk bis Darkwave)
Everblacks und Ohrenpein
Hilfe, ich habe es bei bestem Willen und unter Anstrengung nicht geschafft, mich auf 5 Songs zu beschränken. Dazu habe ich in all den Jahren zu viele Bands und Songs kennen- und lieben gelernt. Daher habe ich versucht, das, was ich absolut nicht mehr aussortieren wollte, zumindest nach drei Aspekten aufzuteilen, die mir besonders liegen (auch hier wurden es leider jeweils mehr als 5 Titel, man möge es mir verzeihen). Die da wären:
Generell finde ich es schade, dass von vielen Bands immer nur dieselben, abgedroschenen Hits in den Clubs gespielt werden. Dabei haben die oft noch viel mehr tanzbare „Perlen“ in ihrem Repertoire! Manche Songs mag ich mittlerweile einfach nicht mehr hören geschweige denn dazu tanzen…
Ronny Rabe hat wieder einmal die Nase vorn und berichtet für den aktuellen Gothic Friday von seinem Musikgeschmack. Er erzählt von seiner musikalischen Entwicklung, von dem Song, der für ihn eine ganz besondere Bedeutung hat und stellt uns Lieder vor, die er besonders gerne hört.
Kurz vor der Wende, also so 1988 herum, bekam ich mein erstes Radio – ein kleines Mono Kofferradio. Ich fand schnell den Zugang und das Interesse zu DT64 – dem Jugendradio der DDR. Dort lief ein breites Spektrum an Independent-Musik, was ich aber erst später erkannte.
Mein erster, richtiger schwarze Song war 1993 Lacrimosas „Tränen der Sehnsucht“, den ich bei einem Kumpel im Zimmer hörte. Der melancholiche Sound, die „düsteren“ Texte, das Erscheinungsbild, all das fazinierte mich und ich begab mich weiter in diese Richtung, um nach anderen Bands zu suchen. So entdeckte ich Goethes Erben, Dead Can Dance, Deine Lakaien, Project Pitchfork, Calva y Nada, Skinny Puppy, Frontline Assembly, Kirlian Camera, Pierrepoint, Clan of Xymox, Dorsetshire, Silke Bischoff, Das Ich, Wolfsheim, Endraum, Chandeen, Love is Colder than Death und viele andere Bands für mich. Meine Suche nach dieser Musik war recht mühselig, da es nicht viel Auswahl in meiner damaligen Heimat Karl Marx Stadt gab. Zum Glück gab es aber das „Kiosk“ – ein Second Hand Laden – und in der obersten Etage einen Musik-Store. Dort verbrachte ich viel Zeit und Geld mit Musik hören und entdeckte so eine Menge neuer Musik für mich.
Dark Wave hat es mit angetan, oder auch die sogenannte „Neue Deutsche Todeskunst“ (obwohl ich diese Bezeichnung echt nicht gut fand/finde). Auch durch diverse Clubbesuche und Mundpropaganda lernte ich immer wieder neue Bands kennen. Mit den Jahren lernte ich die Vielfalt in der Musik kennen und lieben. Auch wenn es einige Richtungen gibt, womit ich nicht wirklich was anfangen kann, wie zum Beispiel Hellelektro usw.
In erster Linie muss mich die Musik fesseln und in seinen Bann ziehen. Meist sind es bei mir melancholiche, „düstere“ Songs. Wobei die Musik und der Text bzw. die Stimme eine Einheit ergeben müssen. So sind zum Beispiel Songs wie „Tränen der Sehnsucht“ , „Hold me“ , „Love me to the End“ , „Der Weg“ Songs, die ich immer wieder gerne höre und mich in Erinnerungen welken lassen.
Ein ganz bestimmter Song „Ich verlasse heut Dein Herz“ ist mir ganz besonders emotional sehr, sehr wichtig. Dieser Song lief bei der Beerdigung von meinem Mann und immer wieder wenn ich diesen höre, kullern die Tränen automatisch über mein Gesicht … „Ich danke Dir für all die Liebe, ich danke Dir in Ewigkeit…“
Eigentlich sind die meisten Klassiker einzelner Bands totgespielt, wie zum Beispiel: Project Pitchfork „Souls“, The Eternal Afflict „San Diego“, Silke Bischoff „The other Side“, Lacrimosa „Alles Lüge“, Kirlian Camera „Eclipse“ , Skinny Puppy „Assimilate“, The Sisters of Mercy „Temple of Love“. Wobei, „totgespielt“ ist auch immer relativ, manchmal erfreut es mich sogar wieder mal so einen dieser Klassiker zu hören.
Unterbewertet sind für mich zum Beispiel: Enter and Fall, Infernosounds, Wynardtage (was aber eben Geschmack Sache ist – wie bei allen was mit Musik zu tun hat).
Musik ist die schönste Art, um Emotionen, Erinnerungen und Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Ein Leben ohne Musik ist kein Leben!
Die 80´iger hab ich gewollt weggelassen, denn dieser Musikabschnitt gehört definitiv zu meinen Klassikern und hier Bands zu benennen, käme einen Roman gleich! NurBoy George, Erasure, OMD, Visage, Frankie goes to Hollywood, New Order, Boytronic und und und gehören eben dazu und sind All-Time-Klassiker! Und eins noch: Auch neben der „schwarzen Musik“ gibt es sehr beeindruckende Künstler wie zum Beispiel Leohnard Cohen, Klaus Hoffmann, Schneewittchen, alte Rosenstolz Sachen und Misia.
Helau. Alaaf. Und leck mich am Arsch. Ja du, der in Gedanken freudig mitgerufen hat. Was zum Geier läuft bei dir denn falsch. Schlimm genug, dass mein Textverarbeitungsprogramm diese beiden Begriff in der Autokorrektur besitzt. Wobei mir das zum Glück das googeln und damit verbundene ertragen der Vorschaubilder erspart. Doch du willst mir jetzt allen Ernstes erzählen, dass dich diese Begriffe emotional erhellen. Ernsthaft… Setzen, sechs; du Spinner. Verpiss dich von diesem Artikel. Ja, ich bin abgefucked. Und nicht im positiven Sinne. Somit Danke für dieses Gutachten. Warum? Weil ich soeben fünf Stunden Karneval-Sitzungen auf Youtube ertragen habe. Freiwillig. Und nur, um die Inspiration für dieses nächste Artikelbild zu bekommen. Fünf Stunden verschissener Anstandshumor. Im Zeitraffer zwar, aber schlimm genug. Die Stiefel bleiben ja auch nicht unversiffter je schneller man kotzt. Und da steigt einem der Gallensaft schon sehr hoch. Pseudopolitisches Weichspülgelaber, dessen Pointierung einem Rippentritt für den kabarettistischen Grundgedanken gleichkommt. Zudem gespickt mit verbalen Knick-Knack-Kalauern, deren anstößig ferkeliges Treiben nicht über den Stock im Arsch hinauskommen.
Die zum Speien spaßige fünfte Jahreszeit. Meine Fresse, das ist wie scheiß Weihnachtsmarkt und scheiß Jahrmarkt zusammen; nur eben in richtig scheiße. Und dann auch noch beim Training. Der Heimsuchung größte Widerwärtigkeit. Ein Aufruf zum Kostümzwang für diverse Kursen. Zum Glück nur Kurse für alternde Faltenfregatten. Doch damit wurde ich den ganzen Tag nicht das grässliche Bild im Kopfkino los. Ich sah Rentner im Takte ihre Wohlstandswampen schaukeln und dabei heiter bis dement unter Clownsperücken und roten Pappnasen triefen. Im spaßig sportlichen Treiben den bunt gefärbten schweißverklebten Achselflokati aus dem närrischen Sportdress tropfen… und ich hoffte, bei der Überzugsübung würden sich die Scheiben der 50kg Kurzhantel über meinem Gesicht lösen und mich damit im freien Fall erlösen. Aber dann wäre das verdammte Leben ja mal gut zu einem.
Weit gefehlt. Ich lebe noch. Auch wenn man sich beim Training alle Mühe gibt, sich zu zerstören. Zumal, seit wann hat Sport was mit verschissenem Spaß zu tun. Am Ende noch mit so einem scheiß Satz wie: »Ich habe jetzt aber keine Lust darauf.«. Wenn du das denkst dann verpiss auch du dich; und fange endlich an ordentlich zu trainieren, Penner. Ja t´schuldigung. Lust ist etwas für´s Vieh und Ficken. Sport mit Lust ist etwas für Hammelmänner und Bauch-Beine-Po-Brummer. Und ich habe halt noch immer das Bild ranziger Rosenmontagsrentner im Kopf. Auch wenn ich eigentlich längt hätte gewarnt sein müssen. Faktisch durch die eMail meiner Fachbereichsleitung. »Nicht erschrecken, wir werden am Dienstag kostümiert sein. Kannst ja in Zivil kommen.«. In Zivil, in der Tat, das würde bei den Uneingeweihten glatt als Kostüm durchgehen. Ich bräuchte mir bloß mit einem weißen Filzschreiber »SEK« über den Rücken zu ziehen und gut ist´s. Und dürfte nur noch den Fragen Antwort stehen, wie ich so schnell an all die Kommando-Klamotte gekommen wäre.
»Ich kann ja in weißen Sneakers, Bluejeans und farbgetunten H&M-Hemd auftauchen.«, scherzte ich einst zu dem Thema. Damals, als mir noch zu derartigen Humorausbrüchen zumute gewesen war. Heute allerdings nicht mehr. Wobei den Witz wohl ohnehin niemand verstanden hätte. »Äh, Sie sind ja gar nicht kostümiert.«; Schnauze, du konformer Klassenclown.
Karneval der Idioten
Karneval… habe ich schon erwähnt dass ich Karneval verachte. Den Karnevalsgedanken verabscheue. Und obendrein verstehe ich diese Proleten-Possen nicht. Entbehrt sich mir dieses unverkennbar paramilitärisch geführte Frohsinnsdiktat doch sämtlicher Logik. Ja, es ist die tolle Jahreszeit. Ja, so lass´et denen doch ihren Spaß. Ja, die wollen doch nur spielen. Ja, verreckt doch! Wobei… das muss man diesen ganzen infantilen Brüllaffen mit ihrer Hajo- und Helau- und Alaaf-Diarrhö ja lassen, der Grünzburger Ausruf: »Ja, verreck!«, ist mir schon irgendwie wieder sympathisch. Zu dumm nur, dass man diesen innerhalb dieses logopädischen Härtefalles, der sich Schwäbisch schimpft, und damit genau so dämlich klingt wie der dazu gehörige Verbalisierungsversuch, wohl nicht verstehen wird. Zumindest nicht als Nutzer der Hochsprache. Und ja, Neuhochdeutsch existiert auch im Osten. Besteht dieser ja nicht nur aus Sachsen, lieben ehemalige Amibesetzten. Auch wenn man sich das Hardcore-Saxon für so manche Fehlgeistrülpser bei diesen Kreuzzügen der Patrioten-im-Arschlochland gerne wünschen würde. Dennoch; Fresse halten und weiterlesen.
Denn es ist ja nicht so, dass dieser ganze Büttschiss nicht schon schwachmatisch genug daherkommen. Nein, man muss es ja noch in Mundart vorführen. Kölsch zum Beispiel. Im Studium lernte ich, dass die Sprache immer den kürzesten Weg nimmt. Doch wo bitte sind ein scheiß S,C,H kürzer als ein schnödes N. Aber anscheinend sind einem nach drei Liter dieser dort heimischen kölsch´n Schweinepisse auch die linguistischen Naturgesetze egal; oder es lässt sich danach die eigene Herkunft besser lallen.
Als wenn zwei Widerwärtigkeit miteinander multipliziert eine Tugend ergeben würden. Weswegen bei meinen Nachbarn nun wohl recht oft der Brüller: »Spreche Deutsch, du Vogel; wenn du schon so scheiße aussiehst!«; dumpf in den Wänden vibrierte. Da kann man ja so manches Grunz-quieck-Gegröle des Grindcore besser verstehen; zumal die sich auf den Bühnen auch nur halb so affig aufführen. Scheiß Regionalnationalismus. Vor allem, wenn biedere Betonköpfe dieses als Brauchtum propagieren. Aber ich will mich ja nicht aufregen. Besitzt dieses ja auch den Segen amerikanischer Pop-Songs. Nämlich dass man nicht alles von diesen schweinelustigen Arschgeburten auf Anhieb versteht. Und diesen fast schon utilitaristischen Akt des Humanismus muss man denen fairer Weise schon zugestehen.
Ja, Karneval. Die verfickte fünfte Jahreszeit. Wer braucht die? Ich nicht. Vermisse ich das doch ebenso wenig, wie das Wissen über die Anatomie der haarigen Knittersäcke in der Umkleide. Und als ob die vier naturgegebenen Jahreszeiten nicht schon lästig genug wären. Da braucht man nicht noch so einen gerontengepuschten Rotnasenrotz. Vor allem wenn dieses von einer verkrampft kleinkarierten Bevölkerungsschicht in die gesellschaftliche Sitte gerotzt wird, die im großen Stile auf jeden Punk an der Bahnhofsmauer, oder jeden Schwarzkittel im Park, einen Scheiß an Sympathie geben würde. Allerhöchstens Ablehnung. Gar Verachtung vor jenem ungebührlichen Widerstand gegen die Staatsdienernorm. Wie hängen diese denn nur rum. Wie die wieder aussehen. Darüber muss der brave Bürger doch die Achtung verlieren… Aber dann in einer grenzdebileren Aufmachung, als jedes farbenblinde Kind mit Down-Symptom, das sich für die Karl-May-Festspiele selbst die Klamotte aus der Mülltonne gezogen hat, vor gestellten Stimmungsliedern schunkeln.
Meine Fresse. Haben die keinen Respekt vor dem Eigentum. Also vor meinem. Ich besitze Mouse sowie Tastatur auf Funkbasis und den Schreibtisch als Freisteher. Mit anderen Worten, die Flugbahn bis zur nächsten Wand garantiert nicht gerade deren technisches überleben. Aber solche Reaktion ist Selbstschutz. Denn ob nun mein schwerer Schädel in gleichmäßig beschleunigte Bewegung auf die Tastatur krach oder diese in geradlinig, gleichförmiger Bewegung Richtung Wand fliegt, läuft vom Grad der Destruktivität irgendwie auf das Gleiche hinaus. Einst führten Games das Zertrümmern der Peripheriegeräte herbei. Heute der Blick auf den DIN-Bürger. Wie sich die Hobbys ändern, wenn man spießig wird.
Aber selber schuld. Man ist ja nicht in der schwarzen Meute pubertiert, um sich nun Prunkmützen-Pumuckl, speckhälsige Rotnasenrochen oder Memopausen-Spaß-Muränen anzutun. Welche die Luft mit Befehlsfrohsinn verpesten. Und sich so unverkrampft ausgelassen gebaren wie die Buchhaltung der Bezirksdirektion, vom Vertrieb für Hornhauthobel, auf dem Oktoberfest. Immer im nötigen Maß an gutbürgerlicher Konformität. Man will ja beim Aus-der-Rolle-fallen, nicht noch jemandem unsanft auf dem Schlips landen. Schließlich solle dieser noch ordnungsgemäß willigen Weibern geopfert werden. Kastrationsfantasien nennt man das auch. Und Selbstbeherrschung nenne ich es, dass ich nicht an besagtem Morgen das Radio durch die geschlossene Badezimmertür getrümmert hatte, als dieser Weiberfastnacht-Mist lautstark durch den Äther gewiehert wurde. Immer weiter so im Frühstücksradio und es wird den ersten Lehrer geben, der an einer inländischen Schule Amok läuft. Nein, keine Sorge, vorher vernetze ich alles mit WLan und lasse nur noch mp3s laufen. Hoffentlich…
Karneval der Goten
Aber Karneval ist ja Kinderkacke. Die Wichsvorlage des Konservatismus. Vor allem wohl die blutjungen Funkenmariechen. Ach echt jetzt. Darf ich dabei so ganz nebenher an das erinnern, was nun mit seinen 120 Gegenargumenten bei der neuzeitlichen Kostenlos-ist-noch-zu-teuer-Generation für Stimmung sorgt. Genau, die tollen Wonne-Gruftie-Tage. Wenn unsere dunkelbunten Pfingstrosengewächse wieder aus dem Nachtschatten gekrochen kommen und eine gesamte Stadt für überwuchert erklären. Ja, dieses botanische Gleichnis hinkt gewaltig. Mach´ doch einfach die Klappe dich. Was interessiert mich Botanik. Die Natur verreckt eh. Hier geht es um diese Enklave elitärer Eitelkeit. Diesem Catwalk für Gothmiezen oder zumindest jene, die sich dafür halten. Von den herausgeputzten Hadesvögeln will ich gar nicht erst reden. Zweifle ich ohnehin schon beim Anblick mancher Gestalten am Fortbestand der Menschheit.
»Ja, in der Tat.«, werden jetzt so manche der alteingesessenen Auserlesenen analytisch murmeln. Ich höre es doch bis hier. Und wievielen steigt nicht jedes Jahr auf´s neue die Schamesröte um das bleiche Schnäuzchen. Oder pulsierte die Schläfe unter dem vogelnestigen Wollkonstrukt. Und wisst ihr was, ihr habt Recht. Ja, wirklich. Und damit fein gemacht. Bekommt anschließend ein Flatterrättchen in eurer Muttiheft gestempelt. Somit Fresse jetzt und hingesetzt. Konnte ich doch Streber noch nie leiden. Und wem wollt ihr das eigentlich erzählen?! Schreibt das mit Silber auf einen schwarzen Zettel, verpackt diesen in ein Gothic-Starter-Kit und verkauft das bei Amazon. Dann könnt ihr mit solchen Latrineparolen wenigstens noch die Finsterforstfrischlinge beeindrucken.
Denn ganz ehrlich, so unter uns, ich glaube euch das nicht. Nein falsch. Ich glaube es schon. Verweise dann aber auf diesen Scheinheiligenschein über all den WGT-Jecken, die jenes Pathos von »Trueness and Sin« absonderte. Denn wisst ihr was, dieses Blackblütergehabe ist ebenso Hämatom am Arsch der schwarzen Szene wie der Karnevalsgedanken an der Kehrseite des politischen Kabaretts. Und Warum? Weil ich mit einem Wort aufwarten kann, welches jener stilmoralischen Erhabenheit den Ton unter den Füßen wegschlägt: Authentizität.
Und genau das glaube ich euch nicht. Glaube es weder dem aufgetakelten Gotenfräulein, noch der doppelcorsagierten Wallkleidwalküre und vor allem nicht dem Geschlechtsgenossen, dessen Visagenstyling schon alleine so viel Zeit mit sich gezogen hat, wie von manch anderem der komplette Arbeitstag andauert. Und das soll authentisch sein? Die allgegenwärtige optische Identifikation mit dem Selbst? Klar, und die Erde ist eine Scheibe auf dem Rücken einer Schildkröte, die durch galaktische Götterspeise schwimmt, welche Odin persönlich aus dem Hintern suppte, nachdem er und Jahwe ein Wettfressen mit verdorbenem Christenfisch durchstanden. Da kann sich auch ein Tekker-Schlauchkopf-Hoppel-Häschen hinstellen und behaupten es wäre lupenreiner Cyberpunk. Und wird damit nicht weniger den Karnevalsgedanken verbinden als jene, die sich zudem noch so ganz nebenbei zu den wahren Stilstiftern erhoben fühlen.
Ergo, Wahrhaftigkeit am Arsch. Wen wollt ihr mit diesem hohlen Gefasel somit beeindrucken? Mich? Nicht einmal ein verficktes Fragment einer Chance. Würdet ihr mir jene aufgeplusterten Aussehens-Angebereien auch ebenso zu Hause nach drei Tagen Magen-Darm-Grippe präsentieren, dann wäre ich wahrlich tief beeindruckt und würde ohne Protest meine Meinung revidieren. Tut ihr aber nicht. Und alleine schon deswegen belustigt mich diese Scheinheiligkeit. Man trifft diese so ja nicht einmal auf dem Weg zur Arbeit auf. Oder auf dem Stuhl beim Zahnarzt oder Sonntagmorgen beim Brötchenholen. Zugegeben, letzteres ohnehin nicht. Da ich diese Marotte zur Anbetung billiger Kohlenhydrate gerne dem Luxuswillen der Mittelschicht überlasse.
Doch Fakt ist, man sieht sie nirgends so aufgerüscht wie aufgeplüscht und overgothed wie in den eigens dafür hermetisch abgeriegelten Gotengehegen. Weil es sie in freier Wildbahn nirgends gibt. Weil es reines Balzgehabe ist. Weil dieses brüsten mit Prunk, dieses behängen mit Schick und bemalen mit Schnickschnack eben nicht Authentizität wiederspiegelt. Schon alleine weil es dafür zu viel Arbeit kostet. Und aus diesem nüchternen Grunde einzig für Da-schau-ich-bin-heute-mal-wieder-so-gruftig- schön-wie-nie-Momente ausgetragen wird. Und damit wunderbar den Tatbestand der Maskerade erfüllt. Ausgangsuniform für die Alltagsflucht. Mit der man mal zeigen kann wie crazy gothic man ist. Und ich sagen nur zu gerne: Genau das unternimmt die geneigte Spaßgesellschaft zum Karneval. Da gibt es auch nichts zu diskutieren. Und man komme mir jetzt nicht mit: »Aber das spiegelt dennoch meine Seele wieder«-Gesülze. Wenn das der Fall ist, warum hängen dann die Klamotten solange im Schrank, bis das hineinwühlen in selbige wieder salonfähig ist.
Warum ist man da nicht ehrlich. Und sagt: Ja, es ist mein Kostüm für den Karneval der Düsternis. Die Angst davor, selbst Kritikpunk der eigenen Anklage zu werden? Und wenn schon, drauf geschissen. Beweist mal Rückgrat. Es nimmt doch auch keiner für übel. Dann ist man eben weniger elitär. Na und. Unter den Bandshirts ist das Korsett ja noch immer Dunkelprinzessin genug. Oder Düsterprinz oder was auch immer.
Aber das wäre dann immerhin authentischer, als sich stundenlang das Gesicht zuzukritzeln, sich ins Ausgehgewandt vom Wert meines Monatshonorars montieren zu lassen, damit für maximal dreimal im Jahr vom Auto zur Veranstaltung und wieder zurück zu stolzieren und dann zu behaupten, genau das wäre die wahre Persönlichkeit. Ist das wirklich euer Ernst. Also so richtig ernsthaft. Ehrlich. Von mir aus, glaubt doch was ihr wollt. Ist mir eigentlich auch scheißegal. Da es ohnehin nicht mein Stil ist. Da ich in Rüsch scheiße aussehe. Und ihr könnt mir auch erzählen was ihr wollt, der maskuline Elektro- und Metalhead-Proll in mir wird das ohnehin als Karneval abtun.
Und ich werde auch immer einen Tusch durch meine Gedanken jagen lassen, wenn ich auf Gestalten treffen, die ebenso hätten von einer psychodelischen Faust-Neuinszenierung entflohen sein können. Deren Schale nicht einmal fünfzehn Minuten sommerliche Tramfahrt überstehen würden, aber die mir vorsäuseln, es wäre ihr Wesen so rumzurennen. Ja super. Jetzt und hier und mehr nicht. Oder was. Aber wehe irgendein komplett geschmacksverirrtes Individuum besitzt den gleichen Kitschkram nur mit Plastikhörnchen in der Ozonlochförderfriese. Dann wird sich aber das Maul über deren Albernheit und untruen Unansehnlichkeit zerrissen. So dass ich nebenstehend fast meine Faust verschlucke. Somit Klappe dicht; Arschloch. Und mal den Standpunkt wechseln, vielleicht siehst du dann klarer. Zumindest muss ich dann nicht weiter diese Schweißwolke ertragen, welche durch das ganze Gestoffe und Gestopfe dünstet. …Ja, ich verstehe es nicht. Für mich ist Kleidung Pragmatik. Und darunter, bei 30° im Schatten, sowie gefühlten dreimal so viel in der Tram, zu schwitzen wie eine Sau im Brühkessel, nur um vor dem Ableben noch die letzte Egoshow zu zelebrieren, das gehört für mich nicht dazu.
Die Wahrung darkwaviger Weiblichkeit…
Und dass diese Ästhetik fern meines Verständnisses für Weiblichkeit liegt, darf ich ebenso Jahr für Jahr beim Post-WGT-Fotomarathon bewundern. Wenn ich, angestachelt von Kommentaren der Lobpreisung und Verzückung, erwartungsvoll auf die Fotografie aufsehe und mir dort nur ein bleiches Rüschenpüppchen zufinstert. Deren Kriegsbemalung… nein das würde ich ja immerhin noch niedlich finden… deren Corpsepaint für Zwangsmelancholikerinnen alleine schon mehr Zeit gebraucht haben wird, als die Schminkdauer meiner letzten drei Exen zusammen. Warum macht Frau so etwas? Soll das wiederum authentisch sein, wenn man erstmal seinen Macker für Stunden aus dem Bad sperrt, weil man Platz für Zirkel, Winkelmesser, Schablonen und Vorskizze braucht. Und bloß nicht vermalen. Da kann man von Glück reden, dass die meisten Gotenkerlchen so bubihaft daherkommen, dass Mann diese immerhin nicht aus dem Grund bemitleiden muss, dass diese, wenn sie sich endlich fertig verputzt hat, erneut rasieren müssen.
Ganz ehrlich. Ich mag es ja auch wenn Mädels sich schminken. Das zeugt für mich von einem gesunden Ego. Da damit die Ästhetik des eigenen Antlitz für sich selbst noch einmal betont wird. Und nichts ist so abturnend wie die Gleichgültigkeit hinsichtlich der eigenen Optik. Und somit bin ich Fan von unterschwelliger Grundierungen, von betonendem Kajalstrich um die Augen oder eben Smoky Eyes und fertig. Am besten gibt man doch noch immer mit der natürlichen Schönheit seines Weibchens an. Besonders wenn man weiß, was gestanden Visagisten alles kaschieren können.
Aber der ganze andere Blödsinn, der wie eine untherapierte Jugendstilneurose wirkt… Und wenn sich dann noch die kompletten Brauen weggerodet werden, nur um diese dann mit fettem Edding scharfkantig wieder drauf zu schmieren. Mädels, was soll diese Albernheit. Ihr habt gegenüber uns Schraten von Natur aus so einen höllisch geilen Blick. Warum verwandelt ihr diesen damit ins schreckensgleiche Grotesk. Ja, Augenbrauen zupfen macht Arbeit. Und? Heul´ doch. Da ich als Kerl nicht die Angewohnheit habe, wie ein Ganzkörper-Gorilla aufzutreten, weiß ich wieviel Spaß so manche Haarextraktion macht. Also habt euch nicht so mädchenhaft. Und wie muss ich mir das dann wiederum in Sachen Authentizität vorstellen, wenn der Kerl zum spontanen Weggehen ermutigen will. Wird der dann erst einmal vollgenörgelt, weil er es wegen der dafür nötigen Rausputzmaßnahmen doch bitte schön schon zwei Tage im Voraus hätte anmelden müssen?
Und dann die Klamotte. Entschuldigung, aber ich bin nicht Lagerfeld, dem zu früheren Tagen vielleicht das Glück hold gewesen war, dass ihm schon alleine beim Anblick von Stoffschnitten einer abging. Ich bin eben plump. Bin primitiv. Und wenn irgendwelche Formulierungen des Wow-Effektes geschrieben stehen, ich aber nur auf wallendes Gotengewand blicke? Bei dem ich erst nach langer Bestimmung und lichteinfallgestützter Simulierung im 3D-Modell maßgebliche Körperkonturen finden kann, um dieses abgelichtete Neutrum endlich auch für mich als Femininum bewiesen haben zu können, dann tut es mir leid. Aber dann könnte ich auch eine Modepuppe in der Boutique anschmachten. Das würde den gleichen Hormoncocktail durch das Rückenmark jagen. Nämlich den, der sich fragt: »Verarschen?!«. Ich besitze keinen Fummelfetisch für ach so tolle Stoffe, der sich proportional zu Kilo und Gehänge zur Ekstase steigert. Mitnichten. Und es wird jetzt womöglich verblüffen, daher halte man seiner Brut nun lieber Augen und Ohren zu, doch meiner ist dahingehend antiproportional. Je weniger desto höher. Ein charakteristisches Dekolleté. Und das meine ich generell und nicht in irgendwelchem Sinne quantitativ wertend, wie von vielen »Geile große Hupen«-Zwergen gerne geifernd gelallt wird. Ein freier sinnlicher Bauch. Garniert mit einem keck verschwörerischen Blick sowie körperbewusste Klamotte und fertig.
Das macht glücklich.
Weil ich, wie schon gesagt habe, mit meinem Weibchen gerne angeben möchte. Man hat ja sonst nicht viel im Leben. Und wenn es nur die Freude daran ist, andere Sacktreter frustrieren zu können. Wenn auch, rückblickend, zumeist nur immer für ein paar Monate. Schätze ich diente nicht wirklich zu selbigem Vergnügen. Und mit Klamotten angeben? Funktioniert das nicht auch? Ach komm, hör auf. Wem die Antwort darauf ebenso hochkommt, der bekommt einen Lolli. Und jeder Kerl, der etwas anderes säuselt, dem glaube ich einen Scheiß. Oder unterstelle dem eine besonders dämliche Form der Objektophilie oder dass der nicht mal offenkundig auf den Ausschnitt blickt sondern nur heimlich auf den Arsch glotzt oder erachte den einfach für schwul. Und Punkt. Mir kann auch kein Mädel erzählen, dass sie bei Kerlen nur in die unehrlichen Augen blickt.
Nein, da ist mir wirklich jedes unscheinbare Gothic-Girlie lieber. Jedes, das mit Cargohose, Standardboots und legerem Top durch die Reihen schlürft. Weil diese damit für mich die anziehende Natürlichkeit darstellt. Und ganz bewusst mit dem umzugehen weiß, was die Natur uns gab: dem Körper, bzw. dessen Kontur. Und weil ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass ich diese auch in übernächster Woche so auf der Straße antreffen würde. Und dieses wirklich als den privaten persönlichen Stil gezeigt bekomme, in den man sich auch schnell mal verschießen kann. Ohne dann Frust darüber schieben zu müssen, dass der nur zur Schaustellung für das Gesamtgotenvolk rausgekramt wird. Außer manche vögeln auch in voller Montur, aber das kann sowie will ich nicht beurteilen.
Und weil ich nicht Angst haben muss, dass mir bei eventuell spontan tiefer gehender oder gar eindringlicher Sympathie morgens ein Gesicht in Großaufnahme gegenüberliegt, bei dem ich vor lauter Schreck gar nicht wüsste, dass ich diesem gefolgt sein soll.
Und wenn dieses Mädel damit eben nicht gothlike aussieht. Was interessiert es mich, wenn ich sie geil finde. Wenn ich es geil finde, wie sie sich im Bass bewegt. Wenn ich es geil finde, wie ihre Brüste mitspielen, ihre Haare im Takt mitschwingen. Und wie sich ihr Blick in der Musik verliert. Kleidungsordnung, Uniformität. »Ey, mit Blue-Jeans kommst du hier nicht rein«-Getue. Fickt euch! Wer sich von Kleidung gestört fühlt, sollte erstmal mit seinem eigenen Therapeuten darüber sprechen, bevor er oder eben sie sich als argumentativer Heilsbringer aufspielt. Wenn sich das Mädel verzückend zu guter Musik bewegen kann, dann interessiert es mich auch nicht ob sie dazu Turnschuhe trägt oder nicht. Klar wären traditionsbewusste Ledertreter dann noch das Optimum. Aber man kann eben nicht alles haben. Und lieber für ein verführerisches Antlitz auf die Knie gehen als in jener Pose nur mahnend auf das Schuhwerk zeigen zu wollen.
Bin ich doch ebenso unkonform mit der Unkonformität. Wenn ich Bock drauf habe im kompletten Metro-Tarn durch den Club zu stapfen, dann tue ich das eben. Und selbst wenn ich dabei so derart in der Uniformität der Masse untergehe wie das Michelinmännchen in einem Gelege von finsteren Vogelscheuchen. Für alle übrigens, die damit nichts anfangen können, das ist jenes Camouflage mit hohem Weißanteil. Sehr hohem Weißanteil. Igitt, Weiß. In einem Gotenschuppen. Sakrileg! Da lobe ich mir doch die Kleiderordnung, damit jeder brave Wochenendgothic wenigstens einmal im Monat seine schwarzen Stangeklamotten tragen kann. Und ja, Camouflage. Pfui, Pseudomilitarismus. Aber das Leben ist nun einmal Kampf. Und da habe ich lieber die schneidige Amazone in Straßenkampfklamotte, Punkkutte, Skinkluft oder Metalermontur an meiner Seite, als das wandelnde Monument. An dem ich zwar eindrucksvolle Referate über vergangene Stilepochen, anatomische Kajalstrichführungen oder Hochsteckfrisuren halten könnte, aber ebenso betört werde, wie von der Schneiderpuppe auf dem Flohmarkt. Und ich wüsste, dass es einzig nur für Frust und Aufwand sorgen würde, wenn man sich, aufgeputscht wie angestachelt von der Nacht im Club, noch gegenseitig schnell auf das Bett werfen möchte.
Im Februar-Thema wurde von allen fleißigen Schreiberlingen bereits auf das Thema dieses Monats vorgegriffen, daher ist es nun endlich soweit: Der März dreht sich samt und sonders um des Gruftis Langzeitdroge – Absinth Musik – und selbstverständlich um Euch, werte Leser und Schreiber. Denn es gibt noch einiges, was beim letzten Gothic Friday nicht gefragt wurde und nun aus euch herausgek(r)itzelt werden soll. Dazu haben wir einige Fragen vorbereitet und diese in drei Themenbereiche aufgeteilt. Im ersten Teil geht es um Deine musikalische Vergangenheit und Deine Entwicklung darin. Damit wir die Ergebnisse der Vergangenheit einfacher zusammenfassen können, wäre es prima, wenn Ihr zu den musikalischen Stationen in Eurem Leben auch ungefähre Jahreszahlen angeben würdet. Im zweiten Teil dreht sich alles um die subjektive und emotionale Bedeutung der Musik, während der dritte Teil sich mit Deiner musikalischen Gegenwart auseinandersetzt.
Teil 1 – Vergangenheit
Der erste Teil des Gothic Friday im März führt wieder zurück in die Vergangenheit. Welche Musik hat Dich seinerzeit in die Schwarze Szene gezogen? Bei welchen Liedern machte es „Klick“ und es war um Dich geschehen? Passierte dies in einer angesagten Diskothek? Oder doch daheim vor dem Kassettenrekorder Deiner Schwester? Wie ging es dann weiter? Was für Musikprojekte und Stilrichtungen haben Dich begleitet und Dein Interesse vertieft? Wo hast Du nach „mehr“ gesucht, im Freundeskreis, im Plattenladen oder im Internet? Welche Gruppen, Projekte und Stilrichtungen ließen das Interesse an der Schwarzen Szene wachsen und auch über längere Zeit (neu) erblühen?
Teil 2 – Die Tiefe
Der zweite Teil des Gothic Friday im März führt in die Tiefe. Geht es Dir bei Deiner Musik um die Klänge, die Stimme und den Rhythmus, oder sind Dir die Texte ebenfalls wichtig? Falls Dich auch die Inhalte faszinieren: Welche Songtexte haben für Dich eine ganz persönliche Bedeutung? Welche Erinnerungen, Erkenntnisse und Träume verknüpfst Du mit ihnen?
Teil 3 – Das Hier und Jetzt
Der dritte Teil des Gothic Friday im März wirft einen Blick auf die musikalische Gegenwart. Welche Musikprojekte sind Deiner Meinung nach vollkommen unterbewertet und welche sind empfehlenswert? Hast Du musikalische Tipps? Was für Lieder sind für dich „Everblacks“ und welche sind so totgespielt, dass Du sie auf Partys nicht mehr hören kannst? Verrate uns auch Deine aktuellen Top 5, Deine ewigen Top 5 und Deine Flop 5.
Jetzt seid Ihr wieder an der Reihe. Erzählt von „Eurer“ Musik und von dem was sie Euch bedeutet, zeigt uns Bands die wir noch nicht kennen. Nehmt Euch Zeit die Bedeutung der Musik zu beschreiben und listet nicht nur eine Reihe von Bands auf, die Ihr gerne hört :-) In den drei Top 5 Listen habt Ihr dann Gelegenheit, Eure persönlichen Charts zu präsentieren, die wir natürlich entsprechend verlinken und einbinden werden. Reicht Eure Texte bis zum 18. März 2016 ein. Ob Ihr das per E-Mail macht oder euren eigenen Blog benutzt, bleibt Euch überlassen. Mehr Informationen zur Teilnahme findet ihr hier. Es wäre schön, wenn Ihr die Kommentare – neben möglichen Fragen – auch dazu verwendet, Eure Einsendung oder Veröffentlichung (bitte auch verlinken!) mitzuteilen.
Silberne Hochzeit. Vor rund 25 Jahren gaben sich das Wave-Gothic-Treffen und die Stadt Leipzig das Ja-Wort, auch wenn beiden Seiten damals noch nicht ahnten, worauf sie sich eingelassen hatten. 800 Besucher waren 1992 dem Ordnungsamt gemeldet worden, 2000 Gruftis aus der ganzen Republik versammelten sich im und um den Eiskeller im Stadtteil Connewitz um sich selbst und ihre Subkultur zu feiern. Im Laufe der Jahre durchlebte man alle Höhen und Tiefen einer Ehe und überstand auch die Ehekrise im Jahr 2000, als das Treffen drohte zu zerbrechen. Inzwischen sind es rund 20.000 Besucher aus aller Welt, die jedes Jahr zu Pfingsten nach Leipzig strömen und das WGT zum festen Bestandteil des städtischen Kulturkalenders gemacht haben. Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig hat dieses Jubiläum zum Anlass genommen, eine Sonderausstellung vorzubereiten. Ende letzten Jahres starteten auch wir einen Aufruf für das Museum, um Menschen zu finden die bereit waren, ihre Erinnerungsstücke und Geschichten zur Verfügung zu stellen.
Am 9. März 2016 ist nun endlich soweit. Die Ausstellung „Leipzig in Schwarz“ öffnet im Stadtgeschichtlichen Museum (Böttchergäßchen 3, Leipzig) ihre Pforten und versucht, einen genaueren Blick auf die 25-jährige Beziehung zu werfen. Es ärgert mich sehr, das ich trotz Einladung, die ich freundlicherweise per Post erhielt, bei der Eröffnung am 8. März nicht dabei sein kann. Nicht etwa um schwarze Odeuvre zu genießen oder an einem Sekt zu schlürfen, den ich nicht mag, sondern um die Menschen kennen zulernen, die die Ausstellung möglich und hoffentlich interessant gemacht haben. Die Ankündigung im Flyer und auf der Internetseite liest sich schon mal spannend:
Gruftidame, eigentlich immer noch wie Anfang 40, hat sie endlich gefunden, die richtigen Pikes! Vor mehr als 20 Jahren zählte sie rund 25 Paar der spitzen Erkennungszeichen ihr Eigen. Mit dem damaligen formlosen Abtauchen aus der Szene verkaufte sie auch ihre Schuhe, was sich heute als “ungünstige” Entscheidung herausstellen sollte. Mit beispielloser Hartnäckigkeit und Akribie setzte sie alles daran, wieder Pikes nach ihren Vorstellung zu bekommen und bemühte sich fast 3 Jahre darum. Mit diesem Artikel endet die Odyssee mit dem Motto: Alles wird gut!
Gerade jetzt, wo so viele „tiefgründige“ Lebensläufe der Spontisleser (im Rahmen des Gothic Friday 2016) auf diesem Blog erscheinen, finde ich den Zeitpunkt für einen oberflächlichen Schuhartikels natürlich mehr als großartig.
Immer wieder erreichen mich – aufgrund der ersten beiden hier bei Spontis veröffentlichten Artikel – Rückfragen per E-Mail von Pikes-Suchenden aus aller Welt. Die meisten dieser Personen übersehen in der Regel die ganzen Kommentare mit dem jeweils aktuellen Status. Ebenfalls erreichen mich Fragen, ob ich noch suchen würde…. oder mir werden z. B. Pikes von The Gothic Shoe Company angeboten. Nun ja.
Ich habe mir spontan überlegt, ich fasse einfach mal kurz die Ereignisse seit dem letzten Bericht für die Nachwelt chronologisch zusammen. So bekommt die Odyssee dann wenigstens noch einen vernünftig niedergeschriebenen Abschluß. Zur Erinnerung füge ich übrigens immer den Status des letzten Berichtes zur Old-School-Pikes-Lage Ende September 2014 an.
September 2014: „Ein deutscher Schumacher arbeitet nach wie vor an dem Pikes-Neubau-Projekt. Da das ganze neben dem normalen Geschäft läuft, dauert ein Ergebnis nach wie vor noch.“
Das eigentliche Geschäft des deutschen Schumachers lief (leider?) durchgehend auf Hochtouren, so dass ihm nicht wirklich Zeit für eine Pikes-Entwicklung blieb. Im Laufe des Jahres 2015 schminkte ich mir also ab, jemals wieder etwas von ihm zu hören und wollte auch nicht weiter hinter ihm herlaufen, da ich ja nun mit GSC gut in Verbindung war. Gegen Herbst/Winter 2015 – ich glaubte es kaum – erhielt ich eine E-Mail von ihm, in der er sich tausend-, nein, millionenfach entschuldigte und fest gewillt war, nun endlich die bereits angefangene Produktion weiter zu führen. Ich lehnte dankend ab. Zu diesem Zeitpunkt lief GSC bereits schon auf „Hochtouren“. Letztendlich hätte der Schumacher die aktuelle große Nachfrage aus Zeitgründen sowieso nicht bedienen können. Ich bat ihn darum, mir den Prototypen doch einfach als Erinnerung zur Verfügung zu stellen und hier trennten sich dann unsere Wege.
Mein Gatte kommt nun – immer wenn er mag – in den Genuß, den Prototypen der einzigen hergestellten Pikes von ihm zu tragen. Sie sehen toll aus und sind super fachmännisch verarbeitet. (Mich tröstet ein wenig: Wenn GSC oder ein anderer Hersteller es mit dem Pikes-Bau nicht auf die Kette bekommen hätte…. irgendwann hätte ich dennoch tatsächlich ein Paar Pikes aus Deutschland von dem Schumacher bekommen. Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen. ;-) ).
Im gleichen Monat fragte ich übrigens noch eine weitere große deutsche Firma an, die sich mit der Herstellung von Schuhen befasst. Ein Preis von über 300 Euro für ein Paar ließen mich jedoch von dem Gedanken schnell wieder abbringen.
September 2014: „Gerüchten zufolge will ein deutscher Shop ab Herbst Pikes anbieten, rückt aber aus Geheimhaltungsgründen noch nicht mit Infos raus.“
Der Shop hat bis heute keine „richtigen“ Pikes im Angebot sondern nur die üblichen und bereits bekannten Fabrikate (Boots & Braces + Co.) im Programm.
September 2014: „Ethicalwares hat aktuell welche (vegan!), hauptsächlich für Damen, im Programm.“
Ethicalwares hat aktuell 2 Paar verschiedene flache VEGANE Pikes im Angebot. Können hier bestellt werden. Die Qualität ist super, ich hatte die bereits in der Hand.
September 2014: „Pennangalan hat aktuell nur 6-Schnaller bis Größe 7“
Pennangalan hat aktuell keine Pikes im Sortiment.
September 2014: „The Clash in Chemnitz hat aktuell nur 6-Schnaller bis Größe 42.“
The Clash sowie weitere Händler (EMP etc.) bieten nach wie vor eine bestimmte Sorte Pikes (6-Schnaller) an.
September 2014: „Bei Ebay – weltweit – kann man nach wie vor private Schnapper machen.“
Läuft nach wie vor. Ab und an kann man Originalpikes bei Ebay von privat ergattern. Allerdings erhält man mittlerweile auch schon Pikes von GSC dort. Hier muß man wirklich aufpassen und sich ein wenig mit der Materie auskennen, wenn man explizit auf der Suche nach Originalen aus den 80-ern ist.
September 2014: „Nach wie vor gibt es Cowboystiefel-Pikes bei B & B und Gummistiefel-Pikes bei Demonia.“
Gibt es nach wie vor.
NEU: Goth Pikes – Im Laufe des Herbst/Winter 2015 hat ein weiterer Anbieter die „Marktlücke Pikes“ entdeckt. Die Bilder der ersten gebauten verkäuflichen Exemplare lösten nicht unbedingt Begeisterungsstürme bei den Liebhabern hinsichtlich der Verarbeitung aus. Im Laufe der Zeit besserte sich dies jedoch deutlich. Goth Pikes werden über Etsy oder Facebook verkauft.
Gothic Shoe Company – Old School Pikes
Ebenfalls im September 2014 schreibe ich: „The Gothic Shoe Company will ab nächstes Jahr Old Style Pikes bauen, hat aktuell nur den alten “Retroshu-Style“ im Programm.“ So. Und hier erfahrt Ihr nun, wie nach und nach GSC sein Design umstellte und erweiterte. Das ging ja alles nicht von heute auf morgen, wie die meisten von Euch mitbekommen haben und ihr an dem Zeitrahmen erkennen könnt. Ich leg einfach mal los.
Mitte Oktober 2014: GSC lädt die ersten Pikes, bei denen sie den ursprünglichen Style bereits etwas abgeändert habe, in sämtliche Verkaufsportale (Etsy, Ebay, etc.). Die Sohlen der Pikes sind nun etwas dünner, die Absätze flacher und sie sind schon etwas spitzer.
Mitte November 2015: Ich halte das neue Design (im Foto: MITTE) in den Händen. Mein Befund damals: „Auf dem Foto seht Ihr ganz links das “normale” (erste) Design von GSC. Für Pikes ist diese Version eigentlich zu rund vorne, die Sohle zu dick und der Absatz zu hoch. Fürs Büro sind sie aber optimal, daher nenne ich sie nur noch liebevoll meine “Büro-Pikes”. In der Mitte ist nun die zweite, neuere Version von GSC zu sehen. Sie ist flacher (sowohl Sohle als auch Absatz) und etwas spitzer. Ganz rechts nur zur Info ein sehr guter Pikes-Nachbau von X-TRA-X.“
Nach genauerer Betrachtung der Sohle mußte ich doch ein wenig schmunzeln. Links 1. Design, rechts 2. Design. Der junge hochmotivierte Schuhmacher hat mangels der “richtigen” Sohlen einfach mal selbst Hand angelegt und die vorhandenen Sohlen schmal geschliffen, um die besonderen Pikes-Notfälle, (also die Leute, die wirklich gar nicht mehr warten können), vorab beglücken zu können.
Unter anderem durch aufwendige Bilder-Basteleien versuchte ich übrigens stets, mein Schul-Englisch zu unterstreichen, damit GSC begriff, was ich eigentlich wollte:
Mitte Januar 2015: Ich erhalte die Info von GSC, daß die Sohlen nun endlich gekommen sind und sie an ersten Exemplaren arbeiten.
Ende Januar 2015: Erste Bilder der Prototypen werden von GSC bei Facebook als Vorgucker veröffentlicht.
Ende Februar 2015: Alle “Zutaten” für die “Old School Pikes” sind endlich da. Sie sind nur noch nicht auf der Homepage zum Bestellen freigegeben, weil GSC noch alte Aufträge abarbeiten muss. Da die Firma in neue Räumlichkeiten gezogen ist, ist einiges liegen geblieben.
Ende April 2015: Die Pikes (Kollektion „Old School“) sind auf der Homepage von GSC bestellbar. Ich sehe meine „private Mission“ erst einmal als „beendet“ an.
Ende Mai 2015: Mission doch noch nicht beendet, ich bin immer noch nicht zufrieden. Sie sind mir nicht spitz genug. Zumindest die Ausführung, die ich ihn den Händen hielt. Und die Sohle war deutlich zu klein! So geht das auf keinen Fall und wäre auf Dauer nicht haltbar. Also weiter nerven. GSC nahm die Tips dankend an und wollte das sofort umsetzen. Weiterhin stellte ich GSC zwei meiner Totenkopfschnallen zur Verfügung, damit sie diese irgendwo gießen lassen können.
Auf den Bilder gut zu sehen: Die Pikes aus Wildleder auf der linken Seite sind von GSC, die rechts aus Glattleder sind Originale. Von Unten ist es noch deutlicher: Links die Originale mit größerer Sohle und spitzerer Ausführung, rechts die Modelle von GSC.
Mitte Oktober 2015: Ich nerve GSC nach wie vor penetrant weiter wegen der Spitze. Sie muss (außer spitzer) zusätzlich auch noch flacher werden. Das sieht man auf den Bildern sehr gut: Links die höheren und nicht so spitzen Modelle von GSC, rechts die Originale mit Mittelnaht.
Anfang November 2015: Ich erhalte die Info, dass GSC sich die „Original-Schuhleisten“ der 80-er Pikes besorgen konnte. Bis Ende 2015 sollen sie verfügbar sein. (Die Fotos von den Schuh-Leisten sorgten für Begeisterungsstürme bei den Altgruftis, haha!)
Ende Dezember 2015: GSC verschiebt die neue Kollektion auf Januar 2016. Sie kommen mit Aufträgen kaum nach und die Feiertage tragen den Rest zu den Lieferverzögerungen bei.
Mitte Januar 2016: Erste Bilder der neuen Kollektion „Originals“ werden bei Facebook veröffentlicht. Sie sind optisch kaum noch von den 80-ern zu unterscheiden. Einziges Manko: Die Naht obenauf stimmt nicht. Sie muß 3-reihig sein. GSC verspricht daraufhin, die Naht kurzfristig entsprechend anzupassen.
Ende Februar 2016: Ich erhalte endlich meine Lieferung von zwei Paar Pikes. Sie sind wunderschön und super verarbeitet! Unsere neuen Schätzchen:
Die Pikes sind nun im Shop bei GSC erhältlich. Die Lieferzeit kann — aufgrund des Andrangs — variieren, von 10 Tagen bis 1,5 Monaten ist wirklich alles möglich. Ich werde nun noch ein Paar für mich „designen“ (die gibt es mal wieder noch nicht im Shop, erst anschließend, haha ;-) ) und dann habe ich wohl genug im Regal stehen. Glaube ich jedenfalls. So. Jetzt habe ich wirklich mit der Sache fertig!
Nachtrag vom 25.04.2016
Hallo, ich muss mich nun doch noch einmal zu Wort melden. Ich möchte es mir nicht nehmen lassen, doch noch einmal den Leuten, die nicht bei Facebook sind, einige Detailfotos meiner neuesten Lieferung zu zeigen. GSC hat die Spitze noch einmal etwas optimiert und ich kann selbst kaum glauben, was ich da schreibe: Ich habe nichts, wirklich gar nichts mehr zu motzen. Aber schaut selbst:
Der letzte Freitag des Monats ist das gleichzeitige Ende des Monats-Themas für den Gothic Fridays 2016, bei dem wir im aktuellen Februar danach gefragt hatten, wie ihr in die Szene gekommen seid oder warum ihr euch immer noch zugehörig fühlt. Meine Skepsis, ob ein erneutes Projekt wie dieses immer noch auf begeisterte Leser stoßen würde, war unberechtigt. Ich bin schlichtweg begeistert von der Fülle und der Qualität der Beiträge, die rund 30 Teilnehmer im Februar niedergeschrieben haben. Was mich besonders freut ist die Mischung aus treuen und völlig neuen Lesern, die sich bereit erklärt haben, ein bisschen von dem Preiszugeben, was sie nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich ausmacht.
Zusammen mit Svartur Nott vom Gothic-Friday-Team, der den größten Teil dieses Artikels geschrieben hat, möchte wir versuchen auf den Punkt zu bringen, was Menschen in die Szene bringt oder sie darin hält. Bringt ein bisschen Zeit mit, es gibt viel zu lesen.
Wie seid ihr in die Szene gekommen?
Während 2011 der Einstieg der Teilnehmer noch sehr von Musik geprägt war, zeichnet sich dieses Jahr bereits ein differenzierteres Bild ab, denn das Internet eine wichtige Informationsquelle für die Neugierigen geworden und gleichzeitig ein virtueller Treffpunkt Gleichgesinnter. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Bravo als Wegweisendes Instrument für unzählige Szene-Einstiege verantwortlich war. Jedenfalls bei den jüngeren Teilnehmern. Cookie war die erste neue Teilnehmerin, die in ihrem Blog gleich auf dieses Phänomen eingeht und schreibt: „Das Schlüsseljahr war sicher das Jahr 2000, denn da bekamen wir Zuhause Internet-Zugang und auf einmal konnte man sich zu allem informieren, was man wissen wollte und Kontakte zu Leuten aufbauen, die genau so tickten, wie man selber.“
Aber auch andere Medien hatten einen Anteil daran, dass Menschen, deren Interessen sich mit der Szene überschnitten, ihr zuwandten. So bekam Wiener Blut„anfang der 2000er (…) medial den ersten Kontakt mit der Szene, real dann über meine jetzige Frau, die ich dann in dem Zeitraum kennengelernt habe, und die schon einige Jahre unterwegs war.“
Beatrice de Son Bages wurde einen Onlinekontakt in einem Sterbehilfeforum auf Taria Turunen aufmerksam gemacht, welchem ein Konzertbesuch und die fast alljährliche Teilnahme am WGT folgte.
Ebenfalls über das Internet und die Musik gelangte Dennis in den Bannkreis der Szene. Mit dem ersten Zugang zum Netz 1995 stolperte er über die Band „Deine Lakaien“, welche er jedoch damals mangels Soundkarte nicht hören konnte. Es dauerte ein paar Jahre, ehe ich wieder darauf stieß. Eine Freundin erzählte auf einem Drehleierfestival (dem berühmten in Lißberg), dass sie jetzt eigentlich weniger Folk und mehr Darkwave höre. Darkwas? Dieser Begriff war mir neu, und so lag einige Wochen später ein Mixtape im Briefkasten, mit den Lakaien (Acoustic), Qntal und Estampie. Die letzten beiden boten wunderbar neu interpretierten Folk, und die Lakaien in der Acoustic-Version passten wunderbar dazu. Ich war begeistert!
Bei Dagmar „Mottenprinzessin“ kelaino war das entscheidende Medium die Bravo, welche sie eines Tages auf einer Schulbank fand: “ Ich blätterte herum und fand einen Artikel über Gruftis — wahrscheinlich begleitend zu einer der Foto-Love-Stories. Als ich den Artikel durchgelesen hatte, hab ich zum ersten Mal gewusst, dass ich nicht alleine bin und auch andere so fühlen wie ich. Aus der Ferne betrachtet waren dort natürlich genug Klischees genannt worden, aber so genau hab ich das nicht genommen. Meine Klassenkameraden haben dann ziemlich über den Artikel gelästert, aber ich wusste insgeheim, wohin meine Reise gegen würde.“
Einstiegsdroge Musik – Die verlockenden Klänge der schwarze Szene
Die Musik bleibt jedoch die größte Gemeinsamkeit aller Einsteiger. Nähkäschtle Feli, die durch ein Album von HIM, dass sie in der elften Klasse hörte und darauf hin eine Freundin ansprach oder auch die Fledermama Janina, die im Kunstunterricht die Hälfte eines Kopfhörers bekam: „Ich steckte ihn mir ins Ohr und… An dieser Stelle müsst ihr euch das wie in einem Film vorstellen. Nahaufnahme des Kopfhörers, wie er mit demsilikonbenoppten Teil im Gehörgangversenkt wird – Nahaufnahme eines grün-blauen Auges – nichts als ein Herzschlag zu hören – derPuls erhöht sich – die Pupille weitet sich in Erstaunen. „Was’n das?“ „ASP“. „Und das?“ „69 Eyes.“ „Und das?“ „Lacrimosa.“. So ging es praktisch die gesamte Doppelstunde über.“
Bleikind gelangte über musikalische Umwege in die Szene. Nach einem Auslandsaufenthalt in Spanien begegnete man ihr in ihrer provinzlichen Heimat misstrauisch und ablehnend, sodass sie sich aufgrund deren „melancholischen, teils weltablehnenden Note“ Linkin Park zuwendete. Über ein Video im Netz wurde sie dann auf die Szene aufmerksam, schaute hörte sich durch Youtube-Videos, bis es bei „Bauhaus‘ – Bela Lugosi’s Dead“ Klick machte.
Die Fledermama aus Shanghai, damals noch in unseren Breiten unterwegs. Motto des Bildes: Bloß nicht lächeln!
Fogger bekam 1987/88 von einem Freund ein Tape in die Hände gedrückt. Auf der A-Seite Depeche Mode, auf der B-Seite jedoch The Cure, von welchen er nun völlig überwältigt war: „Nichts hat mir vorher soviel gegeben, wie diese Musik. Ich glaube ich muss hier niemandem dieses Gefühl erklären. Ein Gefühl welches heute noch so aktiv ist, das ich mich zurückhalten muss, nicht auf jedes Konzert in Deutschland oder Europa zu fahren.“
Nagumo war ab Ende der 80er, anfang der 90er in einer heftigen Selbstfindungsphase und Sinnsuche, „probierte so gut wie jede Subkultur durch, die Westdeutschland bis dato zu bieten hatte“. In den Jahren gab es Bands wie Das Ich, The Cure, Depeche Mode, Silke Bischoff, welche ihn nicht losließen und immer wieder heimsuchten. Nach Loslösung von seiner damaligen Peergroup und Beginn eines Studiums, stieß er auf zwei weitere Bands: „Diesmal waren es Sopor Aeternus und Lacrimosa und diese waren dann auch die letzten Steine, die fehlten, um mich einer Subkultur zuzuwenden, der ich bis heute angehöre. Ich war fasziniert von dieser Melancholie. Ich war fasziniert von der Todesästhetik und ihrer unglaublichen Schönheit…. aber am meisten war es die Musik.“
Magister Tinte, Schreiber des letzten Beitrages, hatte diverse Zugänge zur Szene. Er konzentrierte sich in seinem Beitrag auf den Einstieg über die Musik durch das Medium Internet: „Mit ungefähr 18 Jahren stieß ich auf die Sisters of Mercy, eine Band die keiner meiner Freunde kannte, und erst recht nicht hörte. Nur mit dem Wissen das die Musik etwas älter war, als all das Andere was ich kannte, stieß ich nach einiger Zeit auch auf Joy Division und Depeche Mode. Nachdem ich langsam dahinter kam, wonach ich suchen musste, fand ich immer mehr passenderes und artverwandtes im Internet dazu. Ich fand auch Clubs in denen auf kleineren Floors Musik lief, die ich zwar nicht kannte aber die mir sofort gefiel.“
Selbst wenn sie sich selbst nicht mit der Szene identifizier(t)en, gab es dennoch Menschen, welche ebenfalls über die Musik in sie hineinrutschten oder zumindest in ihr Umfeld gerieten. +VLFBERH+T kam über „obskuren Black Metal“ in die Szene, um welche er „mal näher, mal ferner herumorbitiert„. Führ ihn ist die Musik nach wie vor das wichtigste Element und er schätzt „(…) die Fähigkeit der Szene, immer wieder Großartiges hervorzubringen.“
Vorbilder – Den andere die Schuld in die Schuhe schieben
Neben der Musik sind Freunde oder Klassenkameraden ebenfalls immer noch häufig Schuld daran, dass sich der ein- oder andere in der Szene verirrt. Asti freundete sich bereits in der Schule mit einer Klassenkameradin an, die offenbar ein Mitglied der Szene war: „Es war nicht nur ihr Stil sich zu kleiden, sondern auch ihre ganze Art und Weise, offen, freundlich, ehrlich, was zwar sehr im Kontrast zu ihrer äußeren Erscheinung stand. Mein Interesse war geweckt worden, denn wirklich zuhause fühlte ich mich in der „bunten“ Welt nicht.“
Ronny Rabe kam 1993 über einen Freund mit Lacrimosas Album „Einsamkeit“ in Kontakt: „Wir haben es zusammen gehört und ich war sofort hin und weg. Die Vertonung der Texte und die Aufmachung der Band, für mich eine Offenbarung – ich war fasziniert. Ich habe davor schon Gedichte und Gedanken für mich niedergeschrieben, welche ich eben in den Texten von Lacrimosa wiedergefunden habe. Mich faszinierte nicht nur die Musik sondern auch der Mensch Tilo Wolff und so begann ich alles zu sammeln und mein Äußeres zu verändern.“
Miss Makaber fand schon mit 14 Jahren in die Szene und wurde von einer Mitschülerin, die drei Stufen über ihr war, mit der ersten Grundausstattung versorgt.
Der Einstieg von Ursula geschah über ihre Interessen und der Abgrenzung gegenüber ihren damaligen Mitschülern , mit denen sie nicht viel anzufangen wusste – was auf Gegenseitigkeit beruhte. Und dann, „in der Oberstufe, als unser Jahrgang durch neue Mitschüler verstärkt wurde, traf ich auf einmal auf Leute, die die gleichen Vorlieben teilten, die gleichen Bücher lasen, die gleichen Filme guckten, die das Diktat der angesagten pastellfarbenen Markenklamotten ebenso gräßlich fanden wie ich und bei denen die Top Ten nur Brechreiz auslöste. (…) Von Gruftis und Wavern hatte ich bis dato auch schon vernommen – Bravo sei Dank! Irgendwie passte das zu mir.“
Miss Makaber wurde unter die Fittiche einer Klassenkameradin, die drei Stufen über ihr war, genommen: „Die junge Dame war aber natürlich weder blind noch blöd und merkte irgendwann, das ihr ein kleines, unsicheres Irgendwas im schwarzen Shirt, schwarzer Hose und schweren Deichmann Stiefeln (Springer waren zu dieser Zeit noch viel zu teuer für mich) hinterher huschte. Freundlich nahm sie mich zur Seite,sprach mich an und nahm mich dann unter ihre Fittiche.“
Flederflausch fand bereits zu Schulzeiten die Schwarzkittel, denen sie begegnete, faszinierend: „Ganz in schwarz – lange, wehende Mäntel, schwere Schuhe – erhabend gleitend durch die bunten Massen der betongrauen Schulgänge und bunten Halbstarkenmassen. Unzählige Pause verbrachte ich damit sie zu beobachten (…).“ Ursprünglich nichts mit der Musik am Hut hatte, sollte sich das daraufhin ändern, als ihr ein Freund „sein unerschöpfliches Sammelsurium an Musik aus dem Bereich Metal, Gothic Rock und was es alles war eröffnete. (…)In der Musik fand ich Gedanken, Gefühle und Situationen ausgedrückt, die ich selbst nicht in Worte fassen konnte. Dort fand ich mich verstanden.“
1980 veröffentlichten Visage mit dem extrovertierten Sänger Steve Strange ihre erste LP. Es dauerte nicht lange, und GM wurde auf ihn aufmerksam: „Seine ausgefallene Kleidung gefiel mir. Ich probierte meinen Kleiderstil etwas nach ihm auszurichten und sparte auf meine allererste LP, die ich irgendwann kaufen konnte.“ An einem Abend im Ballhaus Tiergarten traf sie auf einen jungen Mann, der „komplett schwarz gekleidet (war) und schwarze Haare (hatte), die an den Seiten kurz geschnitten waren und deren langer Pony zur linken Seite fiel.“ Durch ihn lernte sie die für sie erste schwarze Musik kennen, Joy Division und Bauhaus.
Bibi Blue wuchs bis Anfang der 80er erst im Ost-Berlin und danach im Skopje des damaligen Yugoslawiens auf. Dort wurde sie durch Klassenkameraden in die dortige, äußerst heterogene Punk-Szene gezogen, welche einige stille, melancholische Wesen beinhaltete. Es wurde viel erlebt, diskutiert, Musik ausgetauscht und die latente Ahnung des kommenden Krieges, die omnipräsente Untergangsstimmung wirkte als Verstärker aller Leidenschaften. Eigens geschwärzte Kleidung wurde von Bibi „als Abbild meiner seelischen Fetzen getragen„. Sie fühlte sich „(…) fremd in der Welt, doch in der Szene zu Hause (…), im Wunderland“
Traumtänzerin hatte mit 16 die erste scheue Begegnung mit Gruftis: „Ich sah sie nur aus der Ferne und war trotzdem schon fasziniert. Ich beschloss: so jemanden musste ich einfach kennenlernen.“ Über eine Freundin wurde sie in die moderne Mittelalter- und Gothicszene eingeführt, welche ihr jedoch nicht lange zusagte: „Ich merkte schnell, dass sich auch dort oftmals einfach die üblichen Trottel herumtrieben.“ Auf der Suche nach mehr Tiefe, landete sie bei Spontis: „Es kam wie es kommen musste: ich verschlang einen Artikel nach dem anderen der auf Spontis und anderen Blogs in dessen Dunstkreis gepostet wurden.“ Dort stellte recht schnell fest: “oh ich bin ja wie die” und fühlte sich wie zu Hause angekommen.
Der schleichende Prozess
Bei manchen war es ein eher stufenweises Hineingleiten, so auch bei Marion Levi. Erste Eindrücke, sowohl aus ihrem Umfeld, als auch im Alltag, sowie eigene Nachforschungen und neuentdeckte Musik vertieften nach und nach das Interesse, auch wenn sie es „mehr (als) ein Herumlungern am Rande, ein Hineinschnuppern und Beobachten“ beschreibt. Letztlich, so sagt sie, ist sie „quasi unbeabsichtigt nach und nach immer tiefer in die Szene hineingerutscht und dort geblieben, einfach weil es irgendwie zu passen scheint“ und „das Gruftie Sein ganz selbstverständlich zu mir und meinem Alltag gehört.“
Auch beim Gruftfrosch war es ein schleichender Prozess, an dem die Musik einen nicht unerheblichen Anteil hatte. Bereits als Kind… „(…) mochte ich lieber Lieder, die melancholisch daherkamen. Ich liebte diese Lieder, auch wenn ich die Texte damals nicht verstand.“ Seine Interessen für Malerei, Photographie, Architektur und Historie begünstigten den sachten Einstieg, bei dem „mit der Zeit ganz allmählich das Bunte aus dem Kleiderschrank wich“. (…) Das Lesen in der Gedankenwelt der anderen schwarzen Seelen war (…) neben Musik, Gefühl und Ästhetik das, was mich in seinen Bann zog. Neben viel Oberflächlichkeit, die man ja auch aus der bunten Welt zur Genüge kennt, eben auch die anderen zu treffen und mit ihnen zu reden, zu schreiben, an ihrem Wissen, ihren Gedanken teil zu haben, mit ihnen zu diskutieren.
Warum seid ihr immer noch in der Szene?
Stoffel war die erste vom Club der Ursprünglichen (die schon beim Gothic Friday 2011 mitgemacht haben), die sich der Frage, warum sie immer noch in der Szene seien, gestellt hat. Überhaupt war sie die Erste, die überhaupt etwas eingereicht hat. Für sie gibt es nur eine Erklärung für ihre mittlerweile langjährige Szene-Zugehörigkeit: „Zusammenfassend kann ich sagen das ich mich der Szene immer noch zugehörig fühle durch Freunde, Musik (Selbige ist essentiell für mich), persönliche Einstellung und weil ich mich in der Szene einfach wohlfühle.“
Aristides Steele ist schon so lange dabei, das sich wie hier auf einer Ausstellung in Leipzig, selbst trifft.
Der Prinzessin geht es da ganz ähnlich, war sie doch in den letzten zwei Jahren hauptsächlich für ihren Nachwuchs da: „Seit über zwei Jahren steckte ich nicht mehr in Korsett und Reifrock – es fehlt mir so sehr. Das ist eigentlich ein Zeichen für mich, dass die Gothic-Szene immer noch mein Zuhause ist.“
Tanzfledermaus, welche bereits im November und Dezember des letzten Jahres ausführlich ihren Einstieg in die Schwarze Szene dargelegt hatte, sieht diese heute etwas zwiespältig und fühlt sich einerseits nicht mehr ganz so heimisch. Auf der anderen Seite jedoch ist sie glücklich über „(…) die Nischen, in denen ich mich bewegen kann“, denn eine echte Alternative, welche sich mit ihren Interessen, Lebensstil und Lebensgefühl überschneidet, gibt es nicht.
Die Szene als Rückzugsraum, als kleine, für Außenstehende unsichtbare Welt, wird auch von ElisaDay „nach all den Jahren (…)“ als „eine Nische, in der sie sich ausleben und wohlfühlen kann“ genutzt. Die Art, in der Szene zu leben und das Leben zu gestalten, genießt sie und findet es schön, bemerkt dabei aber auch, dass es wichtig ist, „dass man den ganzen Kram nicht zu ernst zu nimmt“.
Sabrina sieht es aufgrund ihrer Interessen und Ansichten als völlig natürlich an, dass sie sich weiterhin in der Szene aufhält, da für sie der Szene mit ihrem Leben verschmelzen: „Heute halte ich mich also noch immer an Orten auf, deren Ambiente ich mag. Ich kleide und schminke mich so, wie ich es schön finde. Ich treffe mich mit Leuten, die ich mag und ich gehe zu Konzerten und Festivals, bei denen meine Musik gespielt wird. Ich suche mir kulturelle Veranstaltungen heraus, die mich interessieren und ich unternehme Dinge mit Freunden, die mir Spaß machen. Das kann man nun natürlich „Szene“ nennen. Ich nenne es „mein Leben.“
Auch Shan Dark sieht es ganz gelassen und meint: „Solange es mir also in der schwarzen Szene gefällt, bewege ich mich in ihr, denn sie bietet mir einen erweiterten Zugang zu mehr Menschen und Veranstaltungen. Mehr Auswahl und Möglichkeiten.. Menschen, mit denen ich die selben Interessen, Stimmungen, Gefühle und Geschmack teilen kann. Und natürlich Amüsement nach meinem Geschmack – Partys, Konzerte, Festivals, Filmvorführungen, Gespräche, Friedhofsbesuche, Ausflüge und „blaue Stunden“. Das alles bietet mir „meine Szene“: initiales Kennenlernen, (un)regelmäßiges Wiedersehen, gemeinsames Schwelgen in geistigen und realen Räumen.“
Nadja Karpenko sieht sich in einer distanzierteren Position zur Szene als noch vor 5 Jahren. Sie hatte immer mehr das Gefühl, „dass mir Gothic nichts mehr Neues und Aufregendes bieten kann (…) und nun die Frage kommt: Was jetzt?“ Mit der Zeit fragte sie sich: „Brauche ich also wirklich eine Szene, die mich vollständig repräsentieren kann?“ und fand für sich die Antwort: „Ich persönlich möchte mich nicht auf eine Schublade beschränken, am liebsten möchte ich in gar keiner sein. Ich setzte mir doch selbst keine Grenzen.“
Auch für Guldhan ist die Szene längst kein Platz mehr, an dem er sich zu Hause fühlt und dennoch irgendwie zu Hause ist, denn offensichtlich sind wir die einzigen Reihen, in denen Underdogs noch ihr Wunden lecken können: „Ja, ich sehe mich noch als Underdog. Und deshalb schleiche ich noch durch diese Reihen. (…) Bin der Köter, der sich hier verkrochen hat, der im Dunkeln seine Wunden leckt und sich nur noch zum fressen und scheißen raustraut. Von mir aus kann man mich auch als einen derjenigen Gebrochen bezeichnen. Würde das nicht einmal leugnen. Und deshalb inhaliere ich die Musik. Lebe die Musik. Lebe einzig noch während der Musik. Stille ist Schweigen ist Selbstanklage. Und könnte sogar die Streitfrage losbrechen, ob die Szene jene Musik überhaupt verdiente.“
Für Robert, seines Zeichens Wiedergänger einer immer wieder totgeglaubten Szene und Inititator dieses Blogs, ist „das Gefühl, für Gruftis zu schreiben zu dürfen, die genau so ticken wie ich selbst“, eines der Gründe, warum er immer noch in der Szene ist.“ Dies und „die Leidenschaft für das morbide, abseitige, okkulte und mystische, die Ästhetik eines flackernden Grablichtes auf dem Grab eines Verstorbenen, die Stimmung des Nebels, der den Boden bedeckt aus dem nur die Blattlosen Gerippe der Bäume ragen,“ dies alles mit Gleichgesinnten teilen zu können, hält ihn in der Szene.
Was Aristides Seele immer in der Szene gehalten hat, „war – natürlich neben der Musik – die Leute. Selbst wenn es immer wieder bunte Ausnahmen gab, (…) so ist die Wahrscheinlichkeit, in der Szene auf Leute zu treffen, bei denen die Wellenlänge im Weitesten die Gleiche ist, einfach doch um einiges höher. (…) Bei meinem ersten, richtigen Schwarzclub-Besuch gab es dieses überwältigende Gefühl des “Daheim-angekommen-seins”, und dieses Zuhause wurde im Laufe der Jahre dann auch mit immer mehr Leuten angefüllt, die man sehr wohl als die eigene schwarze Familie bezeichnen kann und mit denen man nicht selten sehr tiefe und tolle Freundschaften entwickelt hat.“
Mit einem reflektierenden Ansatz schrieb zu guter Letzt ColdAsLife einen nachdenklichen Beitrag und schloss mit folgender Ansicht: „Ich benutze die Szene. Ganz egoistisch. Um mich zu sättigen. Um mir Selbstvertrauen zu geben. Um Schwermut und Verzagtheit zu highlighten. Um mich zu etikettieren, zu elitarisieren. Um besonderer zu sein. Um den ausgestreckten Mittelfinger zu verlängern. Um zu fühlen. Um zu spüren. Um etwas zu haben, ginge alles verloren. Um einen Panic-Room zu haben. Wenn auch nur um des Habens willen. Um ein Netz zu haben zwischen etwas. Was über dem Netz und unter ihm ist, weiß ich nicht. Aufgefangen werden wollen. Vielleicht bin ich so in die Szene gekommen.“ Und vielleicht auch deshalb geblieben.
Der Punkt
Erstaunlich. Nach über 30 Jahren Szene gibt es immer noch Menschen, die aus vielfältigen Gründen in die Szene „rutschen“. Sei es durch Freunde oder Klassenkameraden oder durch das Internet und andere Medien. Die Möglichkeiten, sich über die Szene zu informieren, sind schier endlos und auf Abruf verfügbar. Man kann also sorgfältig recherchieren, bevor man sich „Gothic“ fühlt und in Erfahrung bringen, was die Szene ausmacht. Das hat die Szene nicht nur immer größer gemacht, sondern auch immer noch aktuell für junge Menschen auf der Suche nach der Nische, in der sie einfach sie selbst sein können. Die Musik nimmt dabei den wichtigsten Bestandteil der Identifikation ein und ist für die Meisten, die sie zum ersten mal hören, eine Offenbarung. Die Musik der Szene trifft sie auf einer sehr emotionalen Ebene und drückt für viele aus, was sie denken und fühlen. Und das ist eben manchmal düster und abseitig, melancholisch und traurig oder auch bizarr und leidenschaftlich.
All das schafft ein Umfeld und einen Freundeskreis in dem man sich nicht verbiegen, anpassen oder zurückhalten muss. Menschen, die so denken wie du, die eine ähnliche Weltanschauung und auch die gleichen Interessen haben machen es einfach, seine kleine schwarze Welt zum Naherholungsgebiet zu erklären. Es ist auch für die Meisten ein Grund, sich weiter zugehörig zu fühlen, auch nach 10, 20 oder sogar 30 Jahren in „Schwarz“. Man tauscht ein paar Dinge, die die Szene ausmachen. War man früher rebellischer, intoleranter und wählerischer, wird man mit zunehmender Szenezugehörigkeit doch ein wenig resistent gegen die ständig neuen Einflüsse, die mal mehr und mal weniger in der Szene Einzug erhalten. Man tauscht nervenaufreibende Rebellion und kräftezehrendes Auswählen gegen eine gewisse Coolness, gegen die Einflüsse von Außen und gegen die Einflüsse des Alltags. Wenn man so möchte, hat die Suche von damals ein Ende und das, was man gefunden hat, erfüllt einen mit Zufriedenheit. Keine weiteren Wechsel notwendig, kein anpassen, kein erklären. Ein wenig müssen wir jedoch alle darauf achten, dass uns die Substanz der Szene nicht wegbricht und wir Coolness mit Ignoranz verwechseln.