Gothic Friday März: All the sounds (Marion Levi)

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Marion Levis Beitrag kam mit ein wenig Verzögerung ins Postfach. In ihm berichtet sie von musikalischer Verwirrung, der Bedeutung einer Schaukel, Festivalerfahrung und Waldspaziergängen. Wo ist der Zusammenhang? Tja, das dürft ihr euch in Marions Beitrag zum Gothic Friday im März selbst erlesen.

Ich glaube, ich kenne mich mit Musik nicht aus. Ich erkenne das Genre nicht am Rhythmus, in dem die Gitarre gespielt wird, ich kann Lieder nicht nach den ersten 30 Sekunden einer Band zuordnen, ich kann nicht mehrere Dutzend Underground Band Tipps geben und ich weiß nur bei den wenigsten Bands wann sie welche Platte herausgebracht haben. Eigentlich ist mir das ja auch egal. Was macht es für einen Unterschied ob eine Band nun Deathrock, Post Punk oder Cold Wave* spielt (ehrlich, ich weiß nicht ob ich diverse Bezeichnungen für Musikgenres jetzt klasse oder seltsam finden soll)?

Trotzdem höre ich gerne Musik und trotzdem schreibe ich jetzt darüber, weil Musik für mich zu Leben dazugehört und weil ich mich an viele Momente nur in Kombination mit bestimmten Lieder oder Tönen, wenn ich das Lied im Gesamten bereits vergessen habe, erinnere. Ein paar dieser Momente möchte ich im folgenden Text beschreiben, in chronologischer Reihenfolge, immerhin soll es ja auch um die musikalische Entwicklung gehen.

Etwas Gutes hat das wenig Ahnung haben von der Theorie übrigens schon,  man muss mehr nachlesen und suchen und findet dadurch quasi zwangsläufig Artverwandtes und man wird nicht so leicht in musiktheoretische Grundsatzdiskussionen verwickelt, weil man auf Fragen der Sorte spielt Band xy jetzt Dark Ambient oder Ethereal sowieso nur mit einem Schulterzucken antworten kann.

Nun aber zurück zu den musikalischen Erlebnissen:

Etwa 2006, Mama hat mir eine CD mitgebracht, die ich mir gleich im Gesamten auf den noch relativ neuen mp3 Player überspielt habe. Damit sitze ich dann draußen im Garten auf der Schaukel und höre die neuen Lieder durch, von den meisten nur den Beginn. Bis „Vision Thing“ beginnt. Es ist das erste Mal, dass ich etwas von dieser Band, „The Sisters of Mercy“ höre. Das Lied wird im Gesamten gehört, dann noch einmal, dann noch viele Male in den folgenden Jahren.

https://www.youtube.com/watch?v=NgWj0iKC3sc

2008, mein erstes Konzert: Within Temptation. Ich mochte Nightwish, die Band mit der quasi alles angefangen hat (nachzulesen in meinem Gothic Friday Beitrag im Februar) immer noch und somit freue ich mich, dass es in der Nähe ein Konzert einer ähnlichen Band geben wird. Es will niemand mitkommen, trotzdem traue ich mich hin. Das Konzert fand ich, soweit ich mich erinnere, gut. Außerdem lerne ich ein paar Leute kennen, die mich kurze Zeit später auf ein weiteres Konzert mitnehmen – ASP.

Nightwish höre ich übrigens immer noch ab und zu, genauso wie ASP, wobei ich allerdings mit den neuesten Veröffentlichungen beider Bands nicht viel anfangen kann. Aber es bleiben Wishmaster, Nemo und der Schwarze Schmetterling.

Sommer 2008, ich arbeite in einem kleinen Museum für Ur- und Frühgeschichte. Es liegt etwas abseits auf einem Hügel und man erreicht es nur durch einen Waldspaziergang. Manchmal vergehen Stunden in denen niemand vorbei kommt. Ich verbringe die Zeit mit Lesen und mit Musik hören, vor allem Omnis Mundi Creatura von Helium Vola.

2009, Kaltenbach Festival. Es hat die ganze Nacht und den ganzen Tag geregnet. Alles ist nass und schlammig und es ist saukalt und eigentlich hab ich keine Lust mehr. Trotzdem geh ich natürlich zu Bühne und dränge mich nach vor. Erstens will ich ja auch was sehen, wenn ich schon da bin (was bei meiner Größe ab Reihe drei schwierig wird) und zweitens kann man so auch ein bisschen Körperwärme abstauben. Was soll ich sagen? Es hat funktioniert. Viel Bewegung zu lauter Musik. Mir ist wieder warm und die Laune ist bestens. Auf der Bühne? Dark Tranquility.

Immer noch 2009, ich bin nach Wien gezogen. Zum ersten Mal hab ich sowas wie Grufti Clubs und eine richtige Szene um mich. Langsam aber sicher lerne ich auch immer mehr Leute kennen, die mich zu Veranstaltungen mitnehmen, Freunde werden. In meiner Erinnerung spielt es jedes Mal Bullet von Covenant, Papillon von den Editors und mindestens drei Sisters Songs. Herrlich.

Danach, nachdem ich quasi nicht mehr auf mich allein gestellt bin, passiert es seltener, dass ich ein Lied oder eine Band geradezu exzessiv höre. Es kommt immer noch vor, beispielsweise passiert, nachdem ich mir Indicator von Deine Lakaien oder Belridi Gece von She Past Away gekauft hatte, aber seltener. Zu viele neue Lieder, Bands und Musikströmungen lerne ich kennen. Manche davon gefallen mir auf Anhieb, wie Emily Autumn, an andere muss erst gewöhnen und wenn das passiert ist gefallen sie mir immer besser (das beste Beispiel hierfür sind die Einstürtzenden Neubauten). Daher möchte ich nun einfach mit den Listen der Top 5, der Flop 5 und der aktuellen Lieblinge schließen:

Top 5 (keine spezifische Reihenfolge)

Flop 5 (hier nenne ich der Einfachheit halber nur die Namen der Bands mit denen ich aus diversen Gründen so gar nichts anfangen kann)

  • Clan of Xymox
  • A7ie
  • Skinny Puppy
  • Alien Sex Fiend
  • Hocico

Die 5 aktuellen Favoriten

*sämtliche Genrebezeichnungen in diesem Artikel wurden komplett willkürlich verwendet.

Gothic Friday März: Vom Auftauchen und Verschwinden (Rena)

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Sie behauptet, völlig unkompliziert zu sein und wie ein Geist aus der Nebel aufzutauchen. Egal wie kompliziert sich Rena jedoch gibt und wie lange sie auch in der Versenkung verschwunden war, ich freue mich ihren Beitrag zum Gothic-Friday im März präsentieren zu dürfen. Auch wenn (oder vielleicht gerade weil) sie sich nicht an vorgegebene Maßstäbe hat, erfahren wir viel über ihren Musikgeschmack.

Meine musikalische Historie passt wahrscheinlich gar nicht in euer Konzept und ich halte mich mal wieder an keine Vorgabe und Regel, beim Schreiben muss ich die Worte einfach fließen lassen. Und wahrscheinlich schreibe ich das mehr für mich als für potenzielle Leser.

Ich bin kein Musik Connaisseur und auch das Fan-Gen fehlt mir gänzlich, man könnte mir auch eine gewisse Treulosigkeit in Musik- Angelegenheiten nachsagen, denn es kann gut sein, das mich zwei, drei Alben einer Band begeistern und ich mich danach aber wieder etwas Neuem zuwende.
Trotz dessen hat Musik eine große Bedeutung für mich und den ausschlaggebenden Grund diesen Text zu verfassen war ein Ereignis vor ein paar Tagen: ich lag in den Armen meines Exfreundes auf dem Sofa, das Fenster haben wir geöffnet und uns in eine warme Decke gewickelt um die Mondsichel betrachten zu können, während wir geraucht und New Model Army gehört haben. Schon sehr lange habe ich nicht mehr so bewusst und intensiv diese Lieder gehört und als dann „Living in the Rose“ lief, kullerten die Krokodilstränen und mehr als zwanzig Jahre zogen wie eine Projektion auf den Mond an mir vorbei.

Meine ersten musikalischen Erinnerungen gelten den Bangles und Kyle Minogue, durchzogen mit Werbejingels und der Falcon Crest sowie der Denver Clan Melodie, da war ich ungefähr vier Jahre alt. Später folgten Klaviermusik die ich aus dem Ballett kannte. Als es dann mit Beginn des Gymnasiums auch in die Eisdisco ging, fand ich Euro Dance kurz mal janz dufte.

Als Pre- Pupertierling begann in mir etwas tiefes, melancholisches Dunkles zu wachsen, ich wusste schon das das Leben kein Ponyhof war, wunderte mich aber das alle Welt so tat, oder tun wollte, als sei alles ein fröhlicher Werbespot! So ein Denken und Handeln fing an mich abzustoßen und ich sehnte mich nach etwas in dem ich mich wiederfinden konnte; Kommerz-Heiti-Teiti-Musik, könnte das nicht! Viele Menschen kreuzten bereits meinen Weg, die eine Weile da waren, die dann wieder weg waren und die auch dann und wann ihre musikalischen Spuren hinterließen. Doch habe ich einen sehr ausgeprägten eigenen Kopf, so ist meine Musikwahl zum allergrößten Teil auf meinem eigenen Mist gewachsen. Oft schon wehre ich mich fast dagegen in einer Beziehung oder Freundschaft die Präferenzen des Anderen anzunehmen/ zu übernehmen, als würde es meine musikalische Integrität stürzen wenn ich nicht von selbst auf eine Band gestoßen bin.

Dann so mit zehn, elf, zwölf, begegnete mir endlich Musik, die es vermochte, diese akustische Sehnsucht zu stillen. Ich entdeckte den ganzen Grunge-Kram (zugegebenermaßen war das Musik, die durchaus damals recht populär war und einen gewissen Kommerz Faktor hatte), ich stieß zum Beispiel auf die Smashing Pumpkins (während eines Schulausflugs habe ich die ganze „Siamese Dreams“ rauf und runter geträllert), P.J. Harvey (die eine zeit lang so was wie eine Ikone für mich war) und auch New Model Army; alles traf mich auf eine gewisse Weise aber ich glaube New Model Army war die Musik, die etwas in mir bewegte wie Musik nie zuvor. Eine ganze Weile hörte ich mich durch alles was ich bekommen konnte. Habe mich Stunde um Stunde in der Musik verloren.

Als ich dann die „Pornography“ von the Cure für mich entdeckte war ich geflasht! Alles was ich von The Cure bisher kannte, war mir zu „fröhlich“ oder zu poppig, doch dieses Album traf meinen Nerv zu der Zeit hundertprozentig! Das Dunkle in mir breitete sich weiter aus und auch das Bedürfnis nach dementsprechender Musik wurde größer! Ich kann jetzt nicht Stein und Bein auf chronologische Korrektheit schwören und gut möglich das mir das ein oder andere Techtelmechtel entfallen ist (absichtlich?!).

Es kamen Bands wie Deine Lakaien dazu (konnte es mir als Teenie natürlich nicht nehmen lassen Musik in voller Lautstärke zu hören; so kam es, dass meine Mutter sich total in Alexander Veljanovs Stimme verliebte! Jahre später lud ich sie aufgrund dessen auf ein Deine Lakaien Konzert ein, sowie auf ein Veljanov Solo- Konzert, obwohl ich selbst gar nicht so ne Lust drauf hatte; aber sie schwärmt heute noch davon!) , Qntal und Estampie, waren dann sowas wie Folgeerscheinungen, Ataraxia kreuzten meinen Weg da sie ein Rilke Gedicht vertont haben.

Dead Can Dance habe ich zu der Zeit auch für mich entdeckt. Die Musik die wie aus der Zeit, aus der Welt gefallen schien. So wie auch ich mich fühlte. Und so erlebte ich manch einen großartigen, ich möchte fast schon sagen tranceähnlichen, Zustand beim hören und tanzen. Außerdem tummelte ich mich gerne auf 80er Pop und Wave und NDW-Parties. Ich konnte mich mit der Musik aus meinem Geburtsjahrzehnt viel besser identifizieren als mit vielem was damals aktuell war. Grauzone, Malaria, und X-Mal Deutschland gefielen mir. Mit Bands wie Beispielsweise Lacrimosa oder Goethes Erben hingegen konnte ich null Komma null anfangen.

Noch zwei wichtige Meilensteine aus dieser Zeit möchte ich erwähnen. Zum einen entdeckte ich in der Stadtbücherei zufällig den Electrocity Sampler, ich glaube Nummer 1 und 2! Stadtbücherei was für ein doofer, uncooler Ort um Musik zu entdecken, aber das war für mich sowas wie eine Offenbarung. Ich konnte sie von vorne bis hinten durchhören und soweit ich mich erinnern kann war fast jedes Lied ein Volltreffer. Seitdem gehört „The last Song“ von Trisomie 21, die ich auf dieser CD entdeckte zu meinen ewigen Lieblingsliedern. Eine ganz intensive Erinnerung habe ich auch an eine warme unbekümmerte Sommernacht, in der ich nach langer Abstinez dieses Lied für mich wiederentdeckte. Wir hörten es die ganze Nacht in der WG eines Freundes, abwechselnd mit Songs vom Drive Soundtrack da wir uns zuvor den Film angeguckt hatten. Diese Nacht so unspektakulär sie auch war, ein Moment für die Ewigkeit!

Last but not least, muss selbstverständlich auch noch Depeche Mode erwähnt werden. Spätestens nachdem ich mit einem Freund die 101 Konzert-Doku gesehen habe war ich Feuer und Flamme. Und ich kann mich gut erinnern wie ich während eines Fahrradausflugs in Südfrankreich die ganze Zeit „But not tonight“ vor mich hin geträllert habe.

Die Schulzeit ging zu Ende und es stellten sich einige Veränderungen ein. Ein Freund mit dem ich auch auf dunklen Parties unterwegs war, hatte sein Schwules Outing. Von nun an trieb ich mich auch öfter in der Queer-Szene herum und auf diesem Parties lief meist Techno oder House. Wenn ich das so schreibe, hört sich das nach einem krassen Bruch an, war es auch. Es begann eben eine neue Zeit für mich. Zuhause hörte ich interessanterweise Hamburger Schule (Zimtfisch und Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs mochte ich zum Beispiel, aber ich glaube das waren Berliner Bands?), Trip Hop, oder elektronische Musik a la Fischerspooner. Ein ziemliches Durcheinander, wie es scheint, doch für mich machte alles auf eine Art Sinn und war schlüssig. So sind viele Texte von Hamburger Schule Liedern nachdenklich und melancholisch und bei einem meiner damaligen Lieblingslieder von Massive Attack, „Teardrop“ singt Elisabeth Fraser von den Cocteau Twins und der Kreis schließt sich wieder. Es folgten Radiohead, Muse, Franz Ferdinand, Placebo, Kings of Convienience, Chili Gonzales, Feist, the Knife, Grimes, und und und.

Die Rückkehr nach vielen Jahren

Die Sehnsucht und das Bedürfnis nach dem Gefühl was ich beim Hören von Musik früher hatte, führten mich letztlich wieder in dunkle Clubs und ich entdeckte Musik, die ich damals verschmäht oder nicht gekannt hatte, sowie auch ganz neue Sachen: Lebanon Hanover, Black Marble, Joy Division, Velvet Condom, Soft Moon, Chameleons, Pink Turns Blue
Doch lange ist der Prozess nicht abgeschlossen und so suche ich weiter nach neuem das mich begeistert (auch wenn es schon alt ist) oder etwas das vollkommen anders ist aber trotzdem an die altbekannten Gefühle anknüpft. Musik kann ein Verstärker sein, wobei mich auch düstere Musik in positive Stimmung versetzen kann und mich fröhliche Musik auch schon mal gereizt machen kann!

Auch wenn in den meisten Sachen, die ich gerne höre, auch Texte und Gesang eine Rolle spielen, funktioniert sie für mich auch als nonverbale Kommunikation; Musik kann sagen was Worte allein nicht schaffen, Musik kann in Orte in einem eindringen, die man sonst verbirgt, oder sie kann gänzlich neue Orte erschaffen, auch eine Art Refugium sein.

Ich hatte Phasen in meinem Leben in denen ich absolut keine Musik hören konnte, sie ist einfach aus meinem Leben verschwunden. Gerade weil sie mir so wichtig ist, ich kein „Easy-Listening“ mag, das immer und überall als Hintergrund- Gedudel funktioniert! Ich wollte nicht das die Musik Emotionen in mir weckt, die zu intensiv waren. Oder es war einfach an der Zeit für Stille. Um sich dann wieder zu resetten.

Jetzt könnte der Eindruck entstehen das ich ein Trauerkloß sei, ich bin im Moment zugegebenermaßen reichlich sentimental (aus aktuellem Anlass…), aaaaber vor allen Dingen, ist Musik für mich Ausdruck von Lebenslust, und Freude!!! Wenn man vor Glück sprüht und gar nicht anders kann als drauflos zu tanzen! Tanzen, tanzen, tanzen, sich selig und wohlig oder auch aufgepeitscht und angeheizt in Klängen suhlen! Tanzen ist eigentlich sowas wie „liebemachen“ mit der Musik. In diesem Sinne beende ich meine kleine und bei Weitem nicht vollständige akustische Biografie.

Leipzig in Schwarz – Das Buch zur Ausstellung

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25 Jahre Wave-Gotik-Treffen haben das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig dazu bewegt, die Ausstellung „Leipzig in Schwarz“ über das bekannteste aller Gothic-Treffen, das Wave-Gotik-Treffen, zur organisieren. Nicht nur, weil es die Szene über einen so langen Zeitraum immer wieder vereint und sie an einem Ort zusammenbringt, sondern auch, weil es mittlerweile zu einem Stück Leipziger Stadtgeschichte geworden ist. Zur Ausstellung ist ein Buch erschienen, das man – und so viel möchte ich vorweg nehmen – jetzt schon als Standard-Werk über das WGT betrachte kann. Das liegt mit Sicherheit an der Themenauswahl, die sich nicht nur mit allen Hoch- und Tiefphasen des Treffens beschäftigt, sondern auch szenerelevante Randbereiche beleuchtet und in zahlreichen Interviews die unterschiedlichsten Menschen mir ihren WGT-Geschichten zu Wort kommen lässt. Das Museum hat sich schon bei der Vorbereitung der Ausstellung mit den Menschen beschäftigt, die diese Szene ausmachen, formen und mitgestalten und diesen Hintergrund merkt man auf jeder Seite, in bei jedem Bild und jedem Text des Buches.

Doch es kommt noch besser: obwohl es das Buch ursprünglich nur bei der Ausstellung und auf dem WGT zum Kauf geben sollte, habe ich nach Rücksprache mit dem Museum erfahren, dass man nun auch eine Möglichkeit der Buch-Bestellung eröffnet hat! Dazu später mehr, zunächst zum Buch selbst:

Ausstellungskatalog. Begleitendes Buch zur Ausstellung. Jennifer Hoffert-Karas brachte es in eine Nachricht an mich auf den Punkt: „Normalerweise gibt es nicht solche großes Interesse an Museumsbüchern.“ Das stimmt, doch das Buch „Leipzig in Schwarz“ ist auch kein normales Museumsbuch. Das Rezept erscheint verblüffend einfach. Man nehme ein engagiertes Museum, leidenschaftliche Berater aus der Szene und erfahrene Autoren aus aller Welt und nutze alle Möglichkeiten und Medien um die Geschichten rund um das WGT einzusammeln. Ein Meisterstück interdisziplinärer Denkansätze, wenn man dann mal unbedingt ein Fremdwort einstreuen möchte.

Leipzig in Schwarz - CoverscanDas Buch erzählt nicht nur die Geschichte des WGT, sondern versucht gleichzeitig für das Phänomen der immer noch aktiven Gothic-Szene eine Erklärung zu finden. Man hält sich ganz bewusst nicht mit Erklärungsversuchen der Entstehung der Szene oder dem schier unerfassbarem Facettenreichtum auf, sondern kommt zum Punkt.

Das Buch zeigt: Man findet auch abseits der Klischees genug Inhalt, die Grund genug sind, dass die Szene sich auch in den nächsten 25 Jahren in Leipzig trifft. Die Geschichte des Wave-Gotik-Treffens beginnt bereits in der DDR, in der Goths nicht nur einer sonderbarer Anblick waren, sondern für den Staat auch offensichtlich eine Bedrohung darstellten. John Nicholls, der sich in seinen Forschungsarbeiten damit beschäftigt, erzählt im Kapitel „Die Grufti-Gefahr. Die Szene in den Augen der Stasi.“ genau davon. Man war auf eine verlässliche und aktive Gemeinschaft untereinander angewiesen um sich zu treffen und auszutauschen, ein Geist, der maßgeblich für das WGT verantwortlich sein sollte, auch nach dem Fall der Mauer.

So kam es letztendlich zum Wave-Gotik-Treffen, wie Peter Matzke im Kapitel „Der Geist des Belverdere 1992-1998“ sehr anschaulich beschreibt: „Doch sie wollten mehr. Der Geist von Belvedere sollte wiedererweckt werden. Es galt, die Älteren aus der Szene wieder einzufangen und die Fühler in den Westen auszustrecken. Eine Disco würde dazu nicht reichen, richtige Bands mussten her. Sonst entstand die Idee des 1. Wave-Gotik-Treffens als Ost-West-Fete der Gruftis und gleichzeitig letztes zusammenfinden des dunklen Ost-Untergrunds.“ Es kommt 1999-2000 erst zum großen Knall und dem berühmt berüchtigten „Chaos-Treffen“ im Kapitel „Steiler Aufstieg, tiefer Fall.“ und letztendlich dann zu Wiedergeburt und zur Verwandlung in ein internationales Kunst- und Kulturfestival zwischen 2001-2015.

Zu meiner Überraschung widmet man sich auch den „heißen Eisen“ der Szene und so schreibt Alexander Nym im Kapitel „Wandelnde Leichen, Teufelsanbeter und Okkult-Nazis?“ über das Spannungsfeld der Ideologien, in die sich das WGT immer wieder verwickelt sieht, sei es durch umstrittene Bands, zweifelhafte Symboliken auf den Eintrittskarten des Treffens oder wiederkehrende Verkaufsstände rechtsradikaler Verlage in den AGRA-Messehallen.

Doch das WGT ist auch mittlerweile zum weltweiten Synonym für „Gothic“ geworden, wie das Kapitel „Pilgerfahrt der Hoffnung. Amerikanische Goths und das Wave-Gotik-Treffen.“ treffend beschreibt. Andi Harriman (Postpunk Projekt – Some wear Leather some wear lace) erklärt: „Für Amerikaner ist die Teilnahme am WGT weder billig noch leicht. Bezahlter Urlaub beschränkt sich leider auf zwei magere Wochen pro Jahr. Aber das Opfer ist es wert. „Menschen aus den USA, die zum WGT gehen, entscheiden sich bewusst, einen Großteil ihrer Urlaubszeit aufzuwenden,“ sagt Zoth Rothberg. „Mit anderen Worten: Sie wollen da wirklich hin.

Leipzig in Schwarz - InhaltsverzeichnisDas Buch ist gespickt mit tollen Bildern aus der Vergangenheit und der Gegenwart des Treffens, es zeigt zahlreiche Erinnerungsstücke, die von den Besitzern immer noch gehütet werden. Es zeigt Dokumente der Staatssicherheit, Zeitungsausschnitte und Plattencover neben zahlreichen Porträts der Besucher und Künstler, die das Treffen ausgemacht haben und immer noch ausmachen. Ein besonders schöner Teil sind auch die „Stimmen im Dunkel. Interviews zur Ausstellung“. Als Interview-Partner erzählt beispielsweise Michael Brunner, Mitbegründer des WGT, von den ersten Treffen und der rasanten Entwicklung. Franz Steinert versucht seine Idee der Veranstaltung „Gothic Christ“ zur erklären, während sich Taxifahrer Uwe Franz als Sympathisant der Szene outet und Fahrgäste schon am „Geruch“ erkennt.

Fazit

Das beste Buch, was ich mir anlässlich des 25. Wave-Gotik-Treffens vorstellen kann. Nicht nur für Besucher der Ausstellung eine unverzichtbare Erinnerung, sondern für alle WGT-Besucher und Begeisterte ein Quell der Erinnerungen und eine erleuchtende Erkenntnis der Wurzeln. Man versucht, die Faszination des Treffens einzufangen, ohne die Tatsachen und die Probleme der Kommerzialisierung oder ideologischen Vereinnahmung zu beschönigen oder unerwähnt zu lassen. Und obwohl alles das, was sonst in einem stadtgeschichtlichen Musuem zu erwarten wäre tot und vergangen ist, erfreut sich die Szene bester Gesundheit. Daher möchte ich Alexander Nym die letzten Worte überlassen, denn er schreibt in seinem Artikel „Das dunkle Füllhorn“ (Seite 6):

Das Apokalyptisch-Dandyeske der Szene, aber auch ihre über die Kurzweil des Daseins hinausweisende Anerkennung von Schmerz und Leid als wirksame Faktoren im Leben, sprachen die Generationen an, die die Weltuntergangsvisionen aus der Zeit des kalten Krieges verinnerlicht hatten oder ihnen zugetan waren. Auch nach der Wiedervereinigung herrschte keine Mangel an millenaristischer Endzeitstimmung, und angesichts von Dauerkrisen, Öko-Kollaps und Terrorkriegen im 21. Jahrhundert werden der Szene die Themen, Motive und vor allem die Anlässe für Nachdenklichkeit, Weltschmerz, Schwermut und Trauer nicht so schnell ausgehen.

Danke an die Herausgeber Volker Rodenkamp, Alexander Nym und Jennifer Hoffert-Karas für dieses außerordentlich besondere „Museumsbuch“ und Christine Becker, Nora Langensiepen, Gerlinde Rohr, Johanna Sänger, Isabel Schieck (!) und Kerstin Sieblist für ihre ausgezeichnete redaktionelle Arbeit und natürlich auch an die unzähligen Beitragenden, die dem Aufruf gefolgt sind und mit ihren Erinnerungen und „Artefakten“ die Ausstellung überhaupt möglich gemacht haben.

Genug geredet, wo bekomme ich das Buch?

Gute Nachrichten für die, die nicht zum WGT kommen können und für die der Weg nach Leipzig einfach zu weit ist um das Buch direkt zu erwerben, denn eigentlich sollte das Buch nur zur Ausstellung und am WGT-Stand in den AGRA-Hallen verkauft werden, nachdem ich aber Jennifer Hoffert-Karas ansprach und die wiederum Rücksprache mit der Kuratorin Frau Sänger genommen hatte, eröffnete man mir dass man das Buch nun auch versendet. Für 15€ (zzgl. Porto) kann das Buch direkt beim Museum unter der E-Mail Adresse stadtmuseum@leipzig.de bestellt werden. Rechnet bitte noch etwa 2€ Porto für ein einzelnes Buch und eine gewisse Bearbeitungszeit eurer Anfragen, da es sich immer noch um ein Museum handelt und nicht etwa einen Online-Händler. Das Buch hat 128 Seiten und trägt die ISBN: 978-3-910034-778.

Update vom 20.05.2016: Das Buch „Leipzig in Schwarz“ ist zur Zeit restlos vergriffen. Das Museum hatte wohl nicht mit dem großen Interesse gerechnet. Da aber bereits eine Verlängerung der Ausstellung bis Juli angekündigt ist, bin ich mir sicher, dass es eine zweite Auflage geben wird, vor allem, wenn die Nachfrage so hoch bleibt. Nutzt die Kommentare um dem Museum bei seiner Entscheidung, einen weiteren Druck zu beauftragen, zu helfen, indem ihr Euer Interesse bekundet. Ich werde Euch mit aktuellen Informationen versorgen, wenn es welche gibt.

Update vom 21.05.2016:  Das Museum ist bereits in Überlegungen, ob sie genug Geld bereitstellen können, eine zweite Auflage zu drucken. Offensichtlich gab es Schwierigkeiten, das Buch am WGT-Messestand anzubieten, obwohl man seitens des WGT 500 Exemplare gekauft hatte. Ich werde gleich am Montag eine E-Mail von Herrn Rodekamp, den Museumsdirektor, schreiben um ihn auf die hohe Nachfrage aufmerksam zu machen.

Update vom 25.05.2016:  Die verschollenen Exemplare sind offensichtlich wieder aufgetaucht und können jetzt direkt bei der WGT-Orga bezogen werden und auch im Museum selbst gibt es noch ein paar Exemplare:

Liebe Freunde des Stadtgeschichtlichen Museums,
wir haben gute Nachrichten für all diejenigen, die sich für die Begleitpublikation „Leipzig in Schwarz“ interessieren: Die Organisatoren des WGT haben in Ihren Beständen noch einige hundert Exemplare, die sie während des WGT nicht verkauft haben. Wenn ihr das Buch online bestellen wollt, meldet euch bitte direkt an die Organisatoren unter: info@wave-gotik-treffen.de. Ihr könnt das Buch aber auch direkt vor Ort bei uns im Museum kaufen – allerdings haben wir nur ca 200 Stück. Schnell sein lohnt sich also! Bitte habt Verständnis, dass wir keine Reservierungen entgegennehmen können.

Gothic Friday März: Rückzug in die eigene Welt (Lea)

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Im heutigen Beitrag kommt Lea zu Wort, die in Ost-Berlin aufwuchs. Sie berichtet uns von ihren ersten musikalischen Begegnungen mitte der 80er Jahre, der folgenden Zeit des Auf- und Umbruchs in den 90ern und ihrem Wiedereinstieg in die Szene vor einem Jahr durch den MP3-Player eines Bekannten. Für das März-Thema des Gothic Friday erzählt sie ihre Geschichte.

Vergangenheit

Ich wuchs in einer sehr behüteten Familie in Ost-Berlin auf. Während in meinem Elternhaus vornehmlich deutscher Schlager gehört wurde, erwachte meine Liebe zur Musik im Alter von 13 Jahren. Ich weiß noch, wie wir damals bei meiner damaligen besten Freundin im Zimmer saßen und Radio hörten. Der Jugendsender DT64 war bei ihr hoch im Kurs. Und eines Samstagabends hörten wir dann Parocktikum, damit war es um mich geschehen. Das war bei uns in der DDR die einzige offizielle Möglichkeit alternative Musik aus dem Westen, sowie aber auch – für uns – unbekannte Bands aus dem Osten zu entdecken. Schnell verliebte ich mich in The Cure, Siouxsie and the Banshees, Cocteau Twins, Lydia Lunch, Nick Cave oder Sisters of Mercy, die in der Sendung regelmäßig gespielt wurden. Aber auch Bands aus dem Osten wie Die Vision und AG Geige konnten mich begeistern.

Schnell saßen wir jeden Samstag entweder bei mir oder bei ihr im Zimmer und haben uns die Songs aus dem Radio auf Kassette aufgenommen. Wir haben uns die ganze Woche immer auf diesen Abend gefreut, über mehrere Jahre war das Parocktikum die Verbindung zu „meiner“ Musik. Unsere Eltern waren gar nicht begeistert auf Grund unserer Liebe zu dieser Musik. Sie waren damals sehr konservativ und ganz auf Parteilinie. Somit blieb auch mir damals nichts anderes übrig als mich dem zu beugen. Sonst hatte ich mit meinen Eltern aber auch ein sehr gutes Verhältnis, abgesehen von der Musik gab es sehr wenige Konflikte. Trotzdem weckte die Musik aus dem Radio das Bedürfnis nach mehr, nach Freiheit.

Bis ich diese Freiheit erlangen sollte, dauerte es ein paar Jahre. 1989 schließlich kam der Fall der Mauer. Das war eine sehr aufregende Zeit, die ich heute nicht mehr wirklich in Worte fassen kann. Plötzlich war es mir möglich, nach West-Berlin zu gehen und eine komplett neue Welt zu entdecken. Ich weiß noch, wie ich die ersten Wochen und Monate diese neue Welt zu Fuß für mich entdeckte. Wie sich schnell alles änderte, neue Läden aufmachten, alte Läden verschwanden. Die Zeit damals war rasend schnell, aufregend, viele waren hungrig nach dem, was der Westen ihnen versprach. Für meine Eltern hingegen war diese Zeit schwierig. Sie hatten in der DDR gutbezahlte Arbeit, hatten politisch nie ein Problem mit dem System. Quasi über Nacht erwachten sie in einer sehr lauten Welt.

Für mich, 1990 wurde ich 16 Jahre alt, war das in erster Linie eine spannende Zeit. Schnell entdeckte ich in West-Berlin einen kleinen Plattenladen. Dort konnte ich mir endlich all Alben der Bands kaufen, die ich vorher nur im Radio hören konnte. Mein erstes gekauftes Album war die MC von The Cures Pornography. Ich war sehr stolz darauf und hörte die Kassette jeden Tag. Es folgten weitere Kassetten der mir ans Herz gewachsenen Bands. Bis ich 1992 mir endlich einen CD-Player angeschafft habe und nochmal völlig begeistert von der viel besseren Tonqualität war. Zu dieser Zeit entdeckte ich auch den Zugang zur Gothic-Szene. Eine Freundin nahm mich mit zu einer Party und dieses Gefühl werde ich nicht mehr vergessen. Die Musik, die Menschen, die Mystik. Gleichzeitig gab es bei uns zu jener Zeit viele Unruhen, besonders gesellschaftspolitischer Natur. Viele Menschen radikalisierten sich, Asylheime wurden angegriffen. All die Ereignisse heute erinnern mich sehr stark an die damalige Zeit. Nun, ich war nie ein sonderlich politischer Mensch und bin das bis heute nicht. Meine Antwort auf das Zeitgeschehen damals wie heute war und ist, dass ich mich in meine Welt zurückziehe. Ich lese sehr viel, höre Musik, beschäftige mich mit den Dingen, die mich interessieren und versuche so gut es geht alles Weitere auszublenden.

In den 90ern funktionierte das auf musikalischer Ebene hervorragend. Dafür sorgten Bands wie In My Rosary, Project Pitchfork, Black Tape For A Blue Girl und viele weitere mehr. Ich ging in Discos, las die damals richtig tolle Zillo Zeitschrift und lebte so vor mich hin. Ich wollte nie rebellieren, nie etwas aussagen, sondern einfach für mich und meine Freunde da sein. Sicherlich könnte man das als ignorant bezeichnen, ich selbst hatte aber nie das Verlangen etwas verändern zu wollen.

Gegenwart

Umso mehr wurde natürlich auch meine Welt ab Ende der 90er Jahre auf den Kopf gestellt. In die Szene wurden immer mehr Stile gespült, mit denen ich bis heute nichts anfangen kann. Sei es Metal, Techno oder Schlager. Die Sprache in den Songs wurde zunehmend niveauloser und schließlich völlig infantil. Das war nicht mehr meine Musik. Das Internet selbst hielt bei mir erst vor 6 Jahren durch meine Kinder den Einzug in den Haushalt. Mit Computern kann ich mich ehrlich gesagt bis heute nicht anfreunden. Zu sehr mag ich gute Bücher und CDs und Kassetten. Ich muss etwas in der Hand halten um es schätzen zu können.

Aufgrund dieser Umwälzungen – gesellschaftlich und in der Szene – habe ich mich in den letzten Jahren noch mehr zurückgezogen als vorher schon. Parties und Konzerte interessierten mich nicht. Es sollte tatsächlich erst bis ins Jahr 2015 dauern, bis ich die „neue Gothic-Szene“ für mich entdecken sollte. Ich war im Sommer 2015 mit einem alten Freund, wir haben uns durch Zufall in der Stadt getroffen, bei einem Ausflug. Auf der Hin- und Rückfahrt hatte er Musik im MP3-Player, die mich sehr an alte Zeiten erinnerte und meine Neugier war sofort wieder geweckt. Dabei handelte es sich um die „German Gothic Isn’t Dead“-Compilation. Ich fragte meinen Freund, wo ich diese Musik herbekommen kann und er gab mir die Internetadresse des Projekts hinter der Zusammenstellung. Ich staunte nicht schlecht, als ich durch deren Veröffentlichungen so viele neue, aber auch alte Bands (wieder) entdeckt habe. Dass beispielsweise Ralf Jesek, damals noch bei In My Rosary, musikalisch immer noch aktiv ist hat mich sehr gefreut. Ich habe viele neue Bands wie Minuit Machine, Ben Bloodygrave, Saigon Blue Rain, Savage Sister und Lights That Change für mich entdeckt. Ich bin wieder neugieriger geworden, gehe hier in Berlin auf Konzerte und entdecke eine scheinbar neue Musikszene für mich. Eine Szene, die in den letzten Jahren leider an mir vorbeigegangen ist. Es fühlt sich fast so wie vor 25 Jahren an, als ich durch die Plattenläden schlenderte und auf der Suche nach neuer Musik war. Dankbar bin ich dem Axel Meßinger, der Initiator hinter dem At Sea Compilation Projekt. Dieser erklärte mir wie sich Bands heute vermarkten, er gab mir viele Internetadressen zur heutigen Szene (so bin ich auch auf Spontis gestoßen) und Tipps wie man sich heute so auf dem Laufenden hält.

Auch wenn mir natürlich nicht alles gefällt, was er mit seinem Projekt so umsetzt (beispielsweise die Metal-Compilation zuletzt), ist es schön zu sehen, dass es Menschen gibt, welche die Underground-Szene für Neugierige öffnen. Und dabei geduldig sind, Menschen wie mir moderne Vertriebswege zu erklären. Auch wenn es mit meiner Abscheu vor Computer kollidiert, muss man wohl den Weg in Anspruch nehmen möchte man am heutigen Szeneleben Teil haben.

Ewige Top 5:

  1. Siouxsie and the Banshees: Arabian Knights
  2. Cocteau Twins: Lorelei
  3. Clan of Xymox: No Words
  4. Deine Lakaien: Fighting The Green
  5. In My Rosary: Little Death

Aktuelle Top 5:

  1. Minuit Machine: Trauma
  2. I-M-R: By The Fire
  3. Wind Atlas: The Goddess Is Where It Is Venerated
  4. She Past Away: Narin Yalnizlik
  5. Savage Sister: Pale Surrender

Gothic Friday März: Ein Kreis schließt sich (Fogger)

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Fogger hat uns im Februar ein wenig über seinen Einstieg und seinen heiligen Gral in Form eines Mixtapes erzählt, welches ihn das erste Mal mit Musik in Berührung brachte und ihn in den folgenden Jahren nicht mehr loslassen sollte. Hier nun sein Beitrag zum Märzthema.

Ich habe in meinem Leben viel darüber nachgedacht, warum gerade die Musik für mich eine große Bedeutung hat. Zum einen ist Musik, wenn man es als Kunstform betrachtet, insgesamt in der Gesellschaft weiter verbreitet als alle Formen. Die leichte Konsumierbarkeit spielt dabei eine wesentliche Rolle. Durch das Radio war Musik schon sehr früh und sehr leicht transportierbar und man kann sie konsumieren, während man andere Dinge tut. Dies geht weder bei Bildern noch bei Skulpturen oder Büchern. Bei mir löst die Musik Emotionen aus, was andere Kunstrichtungen in dieser Form nicht machen. Ich mag Dali oder andere Künstler und ich gehe in Museen, aber bei mir geht dies nicht sehr tief. Ein weiterer wichtiger Punkt dürfte das Live Erlebnis sein, welches die Bindung zu einer Band intensivieren, bzw. sogar erst schaffen kann. Aber bevor ich anfange philosophisch zu werden, sollte ich zu dem Thema kommen.

Bands und Stile vom Anfang bis heute

In meinem ersten Beitrag habe ich meinen Szeneeinstieg auf Basis der ersten Klänge von The Cure schon beschrieben. Daher überspringe ich den Einstieg in die Schwarze Szene an dieser Stelle. Meine erste Erinnerung an Musik ist aus dem Jahr 1979 „Dschinghis Khan“. Die NDW war sehr prägend für mich. Viele gute Lieder, deren Texte man auch verstehen konnte. Daneben muss ich unbedingt noch die „Spider Murphy Gang“, „Herbert Grönemeyer“ und „Michael Jackson“ erwähnen. Diese sind die ersten Bands, von denen ich Alben entweder auf Kassette oder Schallplatte mein Eigen nennen durfte. Das erste Lied welches ich richtig laut aufdrehte, wenn ich alleine war, war von „Duran Duran“ „The Wild Boys“ (1985). Für den pubertierenden Jungen war die „Münchener Freiheit“ mit „Ohne dich“ (1986) sehr wichtig. Als Quelle für neue Musik diente die Hitparade, Formel eins und das Radio. Mein erstes Konzert mit 13 oder 14 Jahren in der Aula der Schule waren die „Abstürzenden Brieftauben”.

Nach meinen Einstieg in die Szene änderte sich das relativ schnell. Wie ich die einzelnen Bands dann kennenlernte, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Es gab aber nur die Wege über Freunde, Zillo, Disko (Keine Szene Dissen) und Stöbern im Plattenladen (ein längst verlorenes Erlebnis). Neben meinen Favoriten „Cure“, „Sisters“ und „Lakaien“ gesellten sich die verschiedenstes Bands aus dem Bereichen Wave, Punk, Post Punk, SKA, Gothic, Industrial, Avantgarde und „was mir einfach Spaß macht“ hinzu. In der folgenden Liste sind die hervorgehoben, bei denen ich eine Chance sehe, dass sie nicht allgemein bekannt sind. Mein Lieblingslied habe ich jeweils verlinkt.

Blessing In Disguise, The Bollock Brothers, Dance Or Die, Das Ich, Dead Can Dance, Dead Kennedys, Die Erde, Die Form, Die Krupps, Einstürzende Neubauten, Fields Of The Nephilim, Front 242, Girls Under Glass, Goethes Erben, Joy Division, Kastrierte Philosophen, Kim Salmon and the Surrealists, Kraftwerk, London After Midnight, Love Like Blood, Madness, Marionettes, New Model Army, Nitzer Ebb, No More, Pink Turns Blue, Phillip Boa And The Voodooclub, Siouxsie & the Banshees, The B-52’s, The Busters, The Clash, The Invincible Spirit, The Jesus And Mary Chain, The Mission, The Ramones, The Rose Of Avalanche, The Rubbermaids, Toy Dolls, Tuxedomoon, Violent Femmes, Wolfsheim.

Durch eine Beziehung und den Wechsel des Umfeldes (ab 1992) verlor ich größtenteils den Kontakt zu Gleichgesinnten. Meine Frau teilte meine Neigung zu den „Lakaien“ und gemeinsam kamen neue Bands hinzu wie „Estampie“, „Sarband“, „QNTAL“ oder „Helium Vola“ (1995 – 2005). Durch fantastische Konzerte von „Subway To Sally“ in dem kleinen Club vor Ort, kam auch die Mittelalterwelle bei uns an. So sehr, dass die Hochzeit (1999) von einer kleinen Gruppe im Stil des Mittelalters begleitet wurde.

Mit einem neuen Kollegen im Büro kam die Möglichkeit auf ein schwarzes Internet Radio laufen zu lassen (2005 – 2008). Das war die Quelle von Bands wie „Letzte Instanz“, „Janus“ und „Sanguis et Cinis“. Dann verlor ich nochmals den Kontakt zu neuen Gruppen. Erst nach dem Scheitern meiner Beziehung (2014) wende ich mich wieder verstärkt der Szene zu und durch Szenediskos, neue Freunde und Festivals hab ich neue und alte Bands kennengelernt bzw. erst richtig entdeckt wie „Welle:Erdball“, „Ash Code“, „Diary of Dreams“, „She Past Away“, „Depeche Mode“ und „And One“.

Viele Bands habe ich gar nicht aufgeführt. Insbesondere Bands aus dem Umfeld des Batcaves, Death Rock, Minimal und Wave faszinieren mich heute. Sie rufen Erinnerungen an die Jugend hervor und schließen den Kreis meines Musikgeschmacks vorerst ab.

Faszination der Stimme

Für mich ist die Komposition von Stimme und Musik von großer Bedeutung. Dabei liegt der Schwerpunkt noch eher auf der Stimme. Hervorragende Musik kann durch eine bis zur Unkenntlichkeit gesampelten Stimme zerstört werden. Die Band „L’ame Immortelle“ mit „Gefallen“ symbolisiert dies in Perfektion. Wenn Sonja Kraushofer singt, ist soweit alles ok, aber wenn der Sänger einsteigt, wird es für mich persönlich zur Qual. Achtung Emotionaler Ausbruch! „Herr Gott nochmal, wenn man net Singen kann, soll man es lassen. Die Stimme so zu verfremden, dass der Zuhörer Ohrenkrebs bekommt ist nervig!“ (Sorry Rainer). Ein weiteres negatives Beispiel ist „Project Pitchfork“. Sie haben definitiv gute Lieder inklusive guter Texte, aber mit einer guten Stimme würden sie für mich deutlich  gewinnen. Es gibt aber auch Bands, bei denen der Sänger des Singens nicht mächtig ist und trotzdem stimmt die Gesamtkomposition. Ein perfektes Beispiel dafür ist „Phillip Boa And The Voodooclub“ mit „Fine Art In Silver”.

Texte haben bei weitem nicht die überragende Bedeutung dafür, ob mir ein Lied gefällt oder nicht. Texte sind von Bedeutung, wenn man sich dort wieder findet. Für mich alles rund um den Tod („Letzte Instanz“ – „Mein Todestag“, „Luna Luna“ – „Wenn ich tot bin“), der eigenen Verlorenheit inkl. Wunsch nach Rettung („The Cure“ – „Sinking“, „Sisters“ – „Marian“) und der Liebe ( „The Cure“ – „Why Can’t I be you“, „Pictures Of You“, „Lovesong“). Und wenn ein Lied mit jeder Zeile einen Teil des eigenen Lebens beschreibt, muss man gar nichts mehr dazu sagen.

Sometimes I feel I’ve got to
Run away, I’ve got to
Get away from the pain you drive into the heart of me
The love we share
Seems to go nowhere
And I’ve lost my light
For I toss and turn, I can’t sleep at night

Once I ran to you (I ran)
Now I’ll run from you
This tainted love you’ve given
I give you all a boy could give you
Take my tears, and that’s not nearly all
Tainted love

Now I know I’ve got to
Run away, I’ve got to
Get away, you don’t really want any more from me
To make things right
You need someone to hold you tight
And you think love is to pray
But I’m sorry, I don’t pray that way

Don’t touch me, please
I cannot stand the way you tease
I love you though you hurt me so
Now I’m gonna pack my things and go
Tainted love
(„Soft Cell“ – “Tainted Love“)

Die meisten Texte aber sind für mich einfach nur Spaß und Freude („Letzte Instanz“ – „Das schönste Lied der Welt“, „All the Ashes“ – „Schwarz macht schlank“), auch dann wenn die Inhalte ernster Natur sind. Spaß bereiten mir auch Texte von nicht Szene Bands. Dazu zählen „Die Ärzte“, „Kraftklub“ und „Deichkind“ (Ja, „Deichkind“ liebe Szenepolizei! Die Texte und die Live Show sind einfach bombastisch gut).

Das Erlebnis Musik

Am liebsten erlebe ich Musik live. Wie schon erwähnt, war mein erstes Konzert die „Abstürzenden Brieftauben“. Seitdem habe ich eine große Anzahl von Konzerten vieler verschiedener Richtungen besucht. Im vergangenen Jahr war ich auf dem Burg-Herzberg-Festival. Das angeblich größte Hippiefestival Europas. Ich war nur einen Abend und eigentlich nur wegen „New Model Army“ da. Vorher hatte eine Blues Rock Band gespielt, welche schon seit 50 Jahren auf der Bühne steht. Das hat mir wieder bewusst gemacht: Wenn jemand seine Musik liebt und beherrscht ist das Genre (fast) egal und als Zuhörer wird man mitgerissen. Zum Abschluss hat noch eine tolle Mexikanische SKA/Mariachi Band gespielt. Fazit: Dieses Jahr werde ich das Festival komplett besuchen.

Das Erleben von Musik in Diskos als Passion, ist in den vergangenen Jahren immer stärker geworden. Ich bewege mich gerne und brauche viel Platz zum Tanzen (Ein gepflegter Pogo mit Kontakt, wie bei den frühen Punkkonzerten, ist leider nur sehr selten möglich). Am liebsten in Diskos irgendwo, wo mich niemand kennt. Bekannte Menschen stören mich eher dabei, da ich die Musik voll und ganz genießen will.

Natürlich höre ich auch Musik Zuhause, bei der Arbeit, im Auto und beim Einkaufen. Das Ganze am liebsten LAUT. Nicht andauernd und mal mehr und mal weniger. Wie ein Abhängiger hänge ich daran und komme nicht los. Musik ist einfach ein Teil von mir.

TOP 5

Everblacks (Spontane zufällige Zusammenstellung und beliebig änderbar.)

  1. „The Cure“ – „Kiling An Arab“
  2. “The Sister Of Mercy” – “Gimme Shelter”
  3. “Deine Lakaien” – “Love Me To The End”
  4. “Einstürzende Neubauten” – “Yü-Gung (Fütter mein Ego)”
  5. “The Bollock Brothers” – “Faith Healer”

Die aktuellen Top 5

  1. “Ash Code” – “Empty Room”
  2. “She Past Away” – “Rituel”
  3. “Deine Lakaien” – “Farewell”
  4. “Red Zebra” – “I Can’t Live In a Living Room”
  5. “Röyskopp” – “What else Is There”

Eine Liste mit Liedern, die ich mal mochte und jetzt nicht mehr hören kann? Unmöglich für mich. Was ich mag, mag ich. Hier eine Liste von Liedern die gar nicht gehen. Besser gesagt, die Bands gehen gar nicht.

  1. „Eisenfunk“ – „Pong“
  2. „Umbra Et Imago“ – „Requiem Der Nephilim“
  3. „Within Temptation“ – „Mother Earth“
  4. „Combichrist” – “Get out of my head”
  5. “Suicide Commando” – “Hellraiser”

 

Gothic Friday März: Elektro vs. Gitarre (Malte)

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Nachdem sich Malte schon einige Male nur gedacht hat, dem Gothic Friday beizutragen, konnte er nun nicht mehr anders und verfasste den folgenden Beitrag, welcher bereits in Kindestagen beginnt und dann auch doch irgendwie ein bisschen Szene-Einstieg ist. Wieder ein Beispiel, wie eng Musik mit dem Einstieg in die schwarze Szene verknüpft ist. Lest, wie er Malte Mitte der 80er ganz allein nach Westberlin fahren durfte und wie er bei der Bundeswehr von einem Unteroffizier mit schwarzer Musik versorgt wurde.

Vergangenheit

Mein Interesse für Musik begann mit elf oder zwölf Jahren Anfang der 80er. Irgendwo bei uns im Haus lief immer ein Radio, und ich stellte ein wenig verwundert fest, dass mir Musik mit Synthesizern viel besser gefällt als „richtige“ Musik mit Gitarren und Schlagzeug. Irgendwie wollte es mir nicht in den Kopf, dass die vergleichsweise einfache elektronische Musik bei mir besser ankam als solche, für die die Musiker mehrere Jahre investieren müssen, um ihre Instrumente zu beherrschen. Ich beschloss jedoch recht schnell, dass mir das auch egal sein kann und ich nichts mehr gegen meine keimende Vorliebe für diese künstliche, elektronische Musik unternehmen werde.

Im Radio wurden zu dieser Zeit wiederholt „Tainted Love“ von Soft Cell, „Maid of Orleans“ von OMD und „Fade to Grey“ von Visage gespielt. Ich konnte mich nicht satthören an diesen Liedern und wenn sie liefen, unterbrach ich das, was ich gerade machte und setzte mich einfach nur vor das Radio. Mein Taschengeld reichte damals noch nicht, um mir Schallplatten zu kaufen, aber mein älterer Bruder arbeitete schon und besorgte sich regelmäßig Platten. Darunter auch die oben genannten Titel, was dazu führte, dass das Radio schnell vom Plattenspieler ersetzt wurde. Danke auch an meinen Bruder, dass er mich seine Platten bereitwillig hören ließ!

Weitere Gruppen, die mich in dieser Anfangszeit begleiteten: Bronski Beat, Ultravox, Heaven 17, Tears For Fears, U2, Simple Minds, Human League, Propaganda, New Order – und natürlich Depeche Mode. „People Are People“ war meine erste, vom eigenen Geld gekaufte Maxi. Eine Ahnung, dass es neben den im Radio gespielten Hits noch eine andere Welt von „meiner“ elektronischen Musik geben muss, bekam ich mit „Are Friends Electric?“ von Gary Numan. Leider weiß ich gar nicht mehr, wie ich zu diesem Titel kam, aber er war definitiv die Bestätigung für meine musikalische Vorliebe. Da wusste ich: Es muss noch mehr geben! Unbekanntere Gruppen wie Grauzone, Invisible Limits, Kissing The Pink oder Vicious Pink begannen sich über meinen Musikhorizont zu schieben.

1985, ich war 15 Jahre alt, ließ mich meine Mutter für eine Woche nach Westberlin fahren. Allein! Meine Familie hat Freunde dort, wo ich unterkommen konnte, und mit diesem sicheren Rückhalt wurde mir die Fahrt erlaubt. Der nur wenig ältere Sohn dieser Familie nahm mich ins „Linientreu“ mit. Das war wie eine Offenbarung. Ich glaube, ich stand die erste Zeit nur mit offenem Mund da und nahm die Musik einfach nur auf. Zwei Lieder, die mich bis heute begleiten, hörte ich dort zum ersten Mal: „Unveilling the Secret“ von Psyche und „Temple of Love“ von Sisters of Mercy.

Beruhigt stellte ich bei letzterem Titel fest, dass „richtige“ Musik mit Gitarren auch gefallen kann, gut gefallen kann! Doch dieser Dualismus zwischen Elektro und Gitarre ließ mich nie richtig los, und beim Kennenlernen neuer Leute war es eine der ersten Fragen, ob man lieber Elektro oder Gitarre mag, ob man seinen Einstieg mit Depeche Mode oder The Cure hatte. Das war jedoch eher Spielerei und Neckerei und hatte nichts zu tun mit einer Verurteilung des jeweils anderen, denn es war ja klar, dass man letzten Endes die gleichen Leidenschaft teilte. Später erfuhr ich dann, dass Dr. Avalanche von Sisters of Mercy nur ein Drumcomputer ist, und mein elektrozentrisches Weltbild war wieder in Ordnung.

Auch beeinflusst von meinem Bruder, entwickelte ich einen Hang zu Reiterhosen, weiten Hemden, spitzen Schuhen, langen Kitteln, uniformähnlichen Schnitten. Kleidung von „BOY“ oder „Bogey´s“ fand ich wegen ihres Aufdrucks klasse und irgendwie kokettierte ich gern mit dem Logo von „BOY“ wegen dessen Ähnlichkeit mit dem Reichsadler. So gekleidet, dauerte es nicht lange, bis ich an der Schule oder in der Stadt ähnlich Interessierte auch außerhalb meines bestehenden Freundeskreises kennenlernte. In unserer Kleinstadtdisko, in der sich jeden Samstag alle Jugendlichen trafen, verstand es der DJ, neben dem allgemeinen Hitparadengedudel auch immer für eine halbe Stunde die Randgruppen musikalisch zu versorgen. Heavy Metal war dabei, Rock ´n´ Roll – und auch etwas für mich. Irgendwann fiel mir auf, dass immer, wenn ich tanzte, auch zwei Gleichaltrige in schwarzer Kleidung zu denselben Liedern tanzten. Im Sommer 1987 sprach ich sie an, und sie sollten zu meinen Weggefährten bis heute werden.

Gemeinsam versorgten wir uns mit Musik und Gruppen: Es gab immer jemanden, der etwas mitbekam, was die anderen noch nicht kannten und bereitwillig weitergab. Sie zeigten mir auch, dass Lieder wie „Tainted Love“ oder „Fade to Grey“ allenfalls die Spitze eines Eisbergs waren und die Gruppen dahinter ein schillerndes Universum viel prachtvollerer Lieder boten. Noch heute spielen wir uns gegenseitig neue, mittlerweile teilweise auch selbst komponierte Stücke vor, und besuchen gemeinsam Clubs oder Konzerte. Zwar nicht mehr drei- bis viermal im Monat, sondern nur drei- bis viermal im Halbjahr, aber immerhin!

Auf diese Weise lernte ich damals unter anderem kennen: „Push!“ von Invincible Spirit, „Schizophrenia“ von Cat Rapes Dog, „Torture“ von Beborn Beton, „Kill The 6“ von Plastic Noise Experience, „K.N.K.A“ von Project Pitchfork, „Babsi ist tot“ von The Arch, „Gioconda Smile“ von Poesie Noire, „Metalhammer“ von And One. „Going Round“ von Clan of Xymox zeigte mir 1989 mein ausbildender Unteroffizier zu Beginn meines Wehrdienstes. Er gab mir eine aufgenommen Kassette mit den Worten „das ist etwas für dich“, als er mich einmal zufällig abends in Zivil sah, also in schwarz statt oliv und mit zierlichen, spitzen Schnallenschuhen statt klobiger Stiefel. Er hatte die Kassette noch von seiner Autofahrt in der Tasche und schenkte sie mir einfach.

Malte - DemotapesWeitere Quellen für neue, interessante Musik waren ein Plattenladen in Hannover, in dem wir unzählige Samstage verbrachten, um in diverse Platten und später auch CDs reinzuhören, sowie Ecki Stieg. Seine „Grenzwellen“ waren Pflichtprogramm (zurück zum Radio!), später passte das prima zu den Mittwochsfahrten ins „Kick“ nach Herford. Und nicht zuletzt die DJs, die in den Clubs auflegten – ich war immer ausgerüstet mit Stift und Notizblock und scheute mich nicht, bei guten unbekannten Titeln den DJ zu fragen.

Diese Diskothekenbesuche begannen 1986 oder 1987 mit dem „Basement“ in Hannover, wohin uns ein Freund mitnahm, der schon Führerschein und Auto hatte. „Der Mussolini“ von DAF und „Let Your Body Learn“ von Nitzer Ebb begegneten mir dort. Als ich dann 1988 selbst mobil war, führten uns die ersten Ausflüge in Eigenregie nach Bielefeld ins „PC69“. Von den Sisters of Mercy hörte ich dort „Train“ zum ersten Mal und „Ricky´s Hand“ von Fad Gadget. Zwar kannte ich die Gruppen schon, aber es gab damals noch nicht die Möglichkeiten, bei einer Gruppe sofort auf alle ihre Werke zugreifen zu können. Es war zwar ein langwieriges Geschäft, dieses Aufspüren von neuen und gefallenden Titeln, aber es hatte auch etwas von Schatzsuche und Schnitzeljagd, war also stets spannend und – Erfolge stellten sich immer schnell ein!

Die Tiefe

Hier habe ich nicht viel zu schreiben. Ich muss gestehen, dass ich anspruchsloser Musikkonsument bin. Hoffentlich enttäusche ich an dieser Stelle niemanden! Auf Texte achte ich kaum, auf englische schon gar nicht. Die Texte müssen nur zum Rhythmus passen, und die Musik sollte tanzbar sein. Sie muss mir gefallen. Botschaften, die die Künstler versuchen zu geben, kommen bei mir nicht an. Auch will ich Spaß haben und gute Laune beim Musikhören. Ich will unter Leute, ich will tanzen, ich will mich amüsieren. Schwermütige, mit der Welt hadernde Klänge und Texte passen daher gar nicht zu mir – oder, wenn die Musik wenigstens noch schwungvoll ist, will ich sie auch gar nicht verstehen.

Zwar lasse ich mich gerne gehen beim Tanzen, verliere mich in den synthetischen Klangsequenzen, gebe mich den Tonfolgen hin und genieße die wohlige Gänsehaut, die mich hin und wieder überkommt. Als ob ich mit der Musik verschmelzen würde. Aber von mehr möchte ich nicht sprechen, tiefe Erfahrungen oder sinnlich-esoterische Empfindungen erscheinen mir dann doch zu theatralisch und zu weit hergeholt.

Das Hier und Jetzt

Malte - CDsDataMusikalische Tipps: Data Bank A, eine leider unterschätzte Elektroband mit einer Perle nach der anderen. Oder Siglo XX, etwas härter und düsterer. Les Rita Mitsouko – Was für eine herrlich abgedrehte Gruppe! Opera Multi Steel aus Frankreich, die ich über einen Umweg in Südamerika kennenlernte, wo ihr Titel „Cathedrale“ noch heute einer DER Clubhits ist. Das Lied ist von 1985.

Ewige Top 5

  1. Psyche: „Unveilling The Secret“
  2. Depeche Mode: “Photographic”
  3. The Bollock Brothers: “Faith Healer”
  4. The Invincible Limit: “Locate A Stranger”
  5. The Clan Of Xymox: “Going Round”

Flop 5

  1. Wolfsheim: “The Sparrows And The Nightingales”
  2. Umbra et Imago: “Gothic Erotic”
  3. Silke Bischoff: “On The Other Side”
  4. Codex: “Riechst du das?”
  5. Marylin Manson „Tainted Love“

Totgespielt

  1. Boytronic: “You”
  2. And One: “Technoman”
  3. Front 242: “Headhunter”
  4. Shock Therapy: “Hate Is Just A 4-Letter-Word”
  5. Lacrimosa: “Alles Lüge”

Aktuelle Top 5

  1. Welle: Erdball: „Zeitverbot“
  2. Project Pitchfork: „Lament“
  3. Beborn Beton: „24/7 Mystery”
  4. The Invincible Spirit: “Anyway”
  5. She Past Away: “Kasvetli Kutlama”

Und weil ich manchmal eben doch meine Meinung ändere noch eine weitere Rubrik „War totgespielt, trotzdem wiederauferstanden“:

  1. Skinny Puppy: “Assimilate”
  2. The Klinik: “Moving Hands”
  3. Eternal Afflict: “San Diego”
  4. The Cure: “Just Like Heaven”
  5. Kirlian Camera: “Eclipse”

 

Gothic Friday März: Käpt’n Kantholz Reise in die Unvernunft (Mr. Niles)

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NileKäpt’n Kantholz alias Mr. Niles fügt zu seiner Überschrift noch hinzu: „We do right – no one remembers / We do wrong – no one forgets“(ASF) und präsentiert und seinen umfangreichen musikalischen Einstieg in die Szene zum März-Thema des Gothic Friday, der dann sogar auch noch bisschen das Februar-Thema „Wie bist du in die Szene gekommen?“ mit abdeckt.

Teil 1 – Vergangenheit (Those were the days)

Der erste Teil des Gothic Friday im März führt wieder zurück in die Vergangenheit. Musik – Musik ist alles für mich, solange ich denken kann. Ohne Musik gäbe es mich nicht mehr. Davon bin ich überzeugt. Wenn die Bands und Musiker(innen) wüssten, wie oft sie mir das Leben gerettet haben. Trotzdem bin ich niemand, der schwelgerisch Texte über diesen Ozean von Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen zusammentippt. Ist halt ein leicht autistischer Einschlag, oder sowas ähnliches ;) Irgendwie erinnern mich diese Fragelisten an ein Poesiealbum, in denen es sich um Lieblingsfarben oder den Liebling-Schauspieler dreht. Denken wir uns also in unsere selige Schulzeit zurück, und – aber halt! Meine Schulzeit war alles andere als „selig“. Also: Vergesst bitte den Absatz mit der seligen Schulzeit und Glanzbildchen gibt es auch keine!

Welche Musik hat Dich seinerzeit in die Schwarze Szene gezogen? (Deeper! Deeper!)

Zunächst mal etwas über mich. Ich bin mittlerweile unglaubliche 47 Jahre alt und ungefähr 1986 in die Szene geraten. Einige Sachen gefielen mir damals sofort (The Cure, Fad Gadget, SatB) und in andere musste ich erst hineinwachsen. Bauhaus konnte ich mir beispielsweise zu Anfang überhaupt nicht reinziehen. Die Szene war seinerzeit bunter durchmischt, die Einflüsse reichen von 60er Bands wie Velvet Underground, oder Aphrodite`s Child über David Bowie bis zu (Post-)Punk, Minimal, und natürlich New Wave. Ich würde mich heute auch eher als Postpunk, denn als Gothic bezeichnen. Aber anno dunnemals war man „Waver“ und Punkt. Elektronische Musik hat mich schon zu allen Zeiten meines Musik-erlebens fasziniert. Angefangen hatte es mit sogenannter Populärelektronik (Klaus Schulze, Moebius, Eno, Kraftwerk, Tangerine Dream). Dann kam selbstverständlich Depeche Mode und alles, was es in den 80ern so an Elektropop und New Romantic gab. Und der NDW konnte man auch schwerlich entkommen.*g*

Schwarz trug ich auch schon vor meinem Einstieg in die Szene, weil ich Bluejeans an mir albern fand, und meine Alten mich vorher jahrelang in Cordhosen gesteckt hatten. Interessant wurde es dann mit dem unvermeidlichen „Mixtape“, dass mir eine Mitschülerin gegeben hatte. Mir flog fast die Schädeldecke weg, als ich hörte, was es abseits von Mainstream-Pop noch so gab! Bis Mitte der 80er fand ich die angesagte Popmusik gar nicht mal sooo schlecht. Mit dem Mixtape war ein Anfang war gemacht und meine Freundin schleppte mich dann das erste Mal in eine Wave-Disse. Seinerzeit das „Electra“ auf der Brückstraße.

Die Leute waren mir Anfangs nicht geheuer – zwar gab es da auch die knuffigen „Wuschels“ und süße Mädels im Punk-Outfit, allerdings ging in den 80ern ALLES in solche Läden, was man woanders nicht haben wollte, also auch Punks, Skins und Psychos. Da war der Spaß vorprogrammiert. In den letzten 30 Jahren habe ich viele Clubs auf- und wieder zumachen gesehen. Am meisten fehlt mir persönlich das Cult in Werl, das Point One in Hemer, und der Assipark (Central Park/Musik Zirkus) in Dortmund und der größte Verlust für die Szene allgemein ist sicherlich das Zwischenfall in Bochum…

Jörg 1993Bei welchen Liedern machte es „Klick“ und es war um Dich geschehen? (Hör´nur! Sie spielen unser Lied!)

Passierte dies in einer angesagten Diskothek? („Last night, the DJ saved my life“ vs. „Hang the DJ“)

Ja, unter anderem. Ein Lied fing an, und man schwebte davon, oder wurde von der Power schlicht an die Wand gedrückt. Gefühl und Härte trifft es ganz gut. Leider passiert mir das dieser Tage eher selten, obwohl ich durchaus noch in Clubs gehe. Es sei denn, ich habe einen im Schlappen – dann kullern auch mal Tränen.

Oder doch daheim vor dem Kassettenrekorder Deiner Schwester? („Press the eject and give me the tape“ (Bauhaus-Bootleg))

Mein Bruder ist 11 Jahre älter als ich (Jahrgang 1957). Bei ihm habe ich das erste mal Pink Floyd, Alan Parsons und Kraftwerk gehört. Ich besaß schon eine eigene (Kompakt-)Anlage, und meine erste Begegnung mit der Musik jenseits von Depeche Mode war eben die bereits oben erwähnte Mixkassette von einer „wavigen“ Mitschülerin. Dies war definitiv eine Initialzündung…

MrNiles - Joerg Halde
Mr. Niles etwa um das Jahr 2000

Wie ging es dann weiter? (Mehr, da muss mehr sein!)

Front 242, Skinny Puppy, Psyche, Severed Heads, Chameleons, Residents, The Legendary Pink Dots (incl. Side-Projects), The Tear Garden, Snog, Dance Or Die, Love and Rockets, Recoil, Tuxedomoon +Solo-Projekte der Mitglieder, The Wolfgang Press, Wire (incl. Side-Projects), Coil, Psychic TV, Death in June, Ministry, Laibach, Echo and the Bunnymen, Some More Crime, Gary Numan, Die Erde, Abba (ha! Wollte nur mal testen, ob noch einer liest!) Das sind jetzt mal nur ein paar Musiker mit“ Szenebezug“.

Was für Musikprojekte und Stilrichtungen haben Dich begleitet und Dein Interesse vertieft? (Ist die Schublade erst mal da, war`s das auch schon?!)

New/No Wave, EBM, Industrial, Neofolk, Psychdelic, Experimental, (Electronic) Dub, Ambient, Plunderphonics, LowFi, Projekte: siehe-> Künstler

Wo hast Du nach „mehr“ gesucht, im Freundeskreis, im Plattenladen oder im Internet? (Ich bin ein netter Kerl! Wenn ich Freunde hätte, würden die das bestätigen!)

Freunde, Bekannte, Radio (sic!), Clubs, Plattenladen, Internet? You`re kidding! (Sieht mittlerweile selbstverständlich anders aus) Auf WDR Eins lief bis zum Start von „Fuckin´ EinsLive“ jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat die Sendung „Graffiti“, zunächst mit Gün Jan Sen (Günther Jansen?) und später dann mit Thomas Elbern von Pink Turns Blue / Escape With Romeo. Viele CDs und LPs, die heute in meinen Regalen stehen, habe ich dort gehört und aufgenommen. (Mittlerweile auch schon einige dieser Tapes digitalisiert)

…um nur die relevantesten zu nennen. Dazu jede Menge „One-CD/LP-Wonders“, wie z.B. Sea Of Tranquility oder +N. Vergessen(?) sind heute Bands wie IAO, Drowning Pool (nicht die Metal-Combo), A Certain Ratio, oder Solokünstler wie Ted Milton…

 

 

Neu erblühen ließen mich u.a. „Christine Plays Viola“, „Bloody Dead and Sexy“, und „Aeon Sable“, was aber alles irgendwie Retro-Projekte sind…

Teil 2 – Die Tiefe (Mind the Gap)

Also, dat Stück iss ja nich schlecht… Andere Musik, anderer Text und anderer Sänger vielleicht, aber sonst…“ (Helge Schneider ist Johnny Flash)

Ich höre sehr viel Instrumentalmusik, was nicht zuletzt daran liegt, dass grob geschätzte 80% aller Songtexte von Liebe, Lust und Leidenschaft handeln – und das zumeist mittels der Holzhammer-Methode. Gesegnet sei, wer nichts zu sagen hat – und trotzdem schweigt. Zum Glück gibt es auch Künstler, die Geschichten schreiben, die dann mit Musik verkleidet werden. Ich habe natürlich nichts gegen Lieder, die von zwischenmenschlichen Begebenheiten handeln, aber wer da nur Plattitüden runterleiert, darf von mir keine Gnade erwarten.

Alles ist Klang: die Stimme, der Rhythmus, die Instrumente (wobei wieder alles Instrumental sein kann). Manchmal entstehen durch das Zusammenspiel magische Momente, ein anderes Mal wippt man nur mit den Füßen. Das ist ja auch von der Verfassung des Zuhörers abhängig.

Falls Dich auch die Inhalte faszinieren: (Caution! Content may be hazardous!)

„Auch“ die Inhalte? Öhm… mich interessieren nur die Cover.  ;)

Welche Songtexte haben für Dich eine ganz persönliche Bedeutung?

  • Spliff – Déja vu
    Einer von diesen Texten, deren wirkliche Bedeutung einem erst mit zunehmendem Alter klar wird…
  • Depeche Mode – Blasphemous Rumours
    ER hat einen kranken Sinn für Humor (FALLS ER denn existiert), meine Nemesis heißt übrigens Murphy (der mit dem „law“)
  • Depeche Mode – Shouldn`t have done that
    So hätten mich meine Alten gerne gehabt.
  • Depeche Mode – But not tonight
    Kennen wir nicht alle solche Nächte?
  • Interzone – Hintermänner
    Lass dir nix erzählen…
  • Snog – Make the little flowers grow
    Früher oder später ist`s soweit: Irgendwann lassen wir (also, das, was von uns übrig bleibt) die kleinen Blumen blühen
  • Snog – Cliché
    Radikal antikapitalistischer EBM!
  • Juniper Hill – Denk an mich
    Textzitat: Mit mentaler Arithmetik und ein bisschen Glück; wirst du vielleicht nur langsam Verrückt; Fährst Amok im Panzer deiner psychischen Kraft und irgendwann hat sich dein Verstand dann davon gemacht
  • Tommi Stumpff – Zu spät, ihr Scheißer
    Genau so isses!
  • Einstürzende Neubauten – Fütter´ mein Ego
    Als ich den Song das erste mal gehört habe(1986), hatte ich noch keine Ahnung, wovon der da spricht… ;-)
  • Fehlfarben – Nichts erreicht meine Welt
    Teilweise fühle ich mich ertappt.
  • Fischmob – Fick´ mein Gehirn
    Passt (heutzutage) auf JEDEN Musikstil!
  • Die Erde – Graben
    Hat den Tag in sich vergraben
    Ihre Wut
    Und gestochert in den Resten
    Kalter Glut(…)
    Wo einst Funken stieben
    Ist nur Staub geblieben(…)
    Leise und verstohlen geht ein neuer Tag ins Land
    RIP, Tobias!
  • Legendary Pink Dots – Premonition 13
    Verlassen werden und weiterleben…
  • Legendary Pink Dots – Straight on `til morning
    This road is my past – this road is my now
  • Legendary Pink Dots – The Lovers CD
    Ein Ritt auf dem Gefühlskarussell. Von absoluter Verzweiflung, über Wut, Trauer, bis hin zum lustigen Fabulieren ist auf diesem Tonträger alles enthalten.

Hatte ich schon erwähnt, dass ich ein LPD-Fan bin? *;) zwinkern (Freue mich schon aufs Konzi im Mai in Kölle)

Teil 3 – Das Hier und Jetzt

MrNiles - Joerg 666
Mr.Niles im 6pm / 666 Party (Foto von DJ Andy)

In der aktuellen Szene kenne ich mich zu wenig aus. Unterbewertet finde ich beispielsweise Snog und Dance Or Die. Die Geschmäcker in der Szene sind ja doch sehr unterschiedlich, und was nützt es, jemandem, der nur Blut- und Sperma- Gebolze und Metal hört die Legendary Pink Dots zu empfehlen? Ghost and Writer fand ich recht interessant, sind aber auch eher Pop?! Ansonsten ungruftiges, wie Aes Dana, Trentemoeller, dann so Sachen wie Ebb`n Flow oder die Flower Powder-Sets, Chill Bill, Vapor Wave und immer wieder DJ Mixes aus fast allen Genres der Elektronik, gerne auch die von DJ Devious.

Was ich gar nicht mag, ist Metal (bis auf ganz wenige Ausnahmen, und die sind auch eher in den Grenzgebieten zu finden), R`n B und Soul. Alles „undergroundige“ hat mich jedoch schon immer fasziniert, egal aus welchem Genre das kommt. Damit fällt Kommerzpop und dieser unsägliche Befindlichkeits-Indie-Pop aus Deutschland schon automatisch raus. Singer / Songwriter erklimmen auch gerade die Ränder meiner Kotztüte. Mainstream-Goth ist für mich auch nix. Misstraue allen Bands mit Entourage, beziehungsweise solchen, die nicht mehr selbst am Merch-Stand sitzen! Wer Interesse hat, darf mich anschreiben! ;-)

Was für Lieder sind für dich „Everblacks“

Die folgende Auswahl hat nichts damit zu tun, ob ich die Bands, bzw. die Lieder besonders mag. Bestimmte Leute haben einfach Fußspuren hinterlassen:

Dave Ball – In Strict Tempo
Sisters of Mercy – Temple of Love
The Cure – A Forest
Anne Clark – Our Darkness
Christian Death – Romeos Distress
Bauhaus – Bela Lugosi`s dead
Alien Sex Fiend – EST
Joy Division – Decades
…und da gibt`s noch so viele(s)

…und welche sind so totgespielt, dass Du sie auf Partys nicht mehr hören kannst?

B-Movie – Nowhere Girl
Shock Therapy – Hate is just a four-letter-word (Die haben so viele tolle Songs gemacht, also was soll das?)
PIL – It`s not a love song (spielt doch mal „Flowers of romance! *evilgrin*)
Les Rita Mitsouko – Marcia Baila
Soft Cell – Tainted Love

MrNiles - CD Regal
Ein kleiner Ausschnitt aus Mr. Niles üppiger Sammlung

Ich habe mittlerweile über 1000 CDs und ebensoviele Platten, von Downloads ganz zu schweigen. Meine aktuelle Top5 wechselt meist wöchentlich:

  1. Front 242 – Take one Remixes
  2. The Invicible Spirit – Anyway
  3. The Weathermen – Embedded with…
  4. T21 – La Fête Triste
  5. DJ Rich Ears – Perfect Pete Namlook

Deine ewigen Top 5

  1. Depeche Mode – And then
  2. The Legendary Pink Dots – The more it changes (the more it stays the same)
  3. Psychick TV and White Stains – At Stockholm
  4. Severed Heads – Confidence
  5. SNOG – Third mall from the sun

Meine Flop 5:

Fast alles aus dem Bereich „Neue Deutsche Todespoetik“ – „Bleichä Wurrzälln zerrkaut derr Erremit“ *graus*. NDH, speziell Rammstein (auf Metal gebürstete Laibach-Placebos). Welle:Erdball (sorry, „Die Erben von Kraftwerk“? Die haben Fußabdrücke hinterlassen, da könntet ihr `nen mehrwöchigen Segeltörn drauf machen, wenn man die fluten würde!). Wolfsheim und Joachim Witt – einer der hellsten Sterne am NDW-Himmel, aber man muss nur mal die Stücke damals -> heute vergleichen. Aua aua…

Und zuguterletzt (bevor ein Shitstorm losbricht): Dieser Text spiegelt meine persönliche Meinung und meinen Geschmack wider. Und darüber lässt sich bekanntlich nicht streiten! ;-) Er soll keine Herabwürdigung der Bands oder Musikrichtungen darstellen, welche mir nicht gefallen!

Gothic Friday März: Ich glaube, ich bin verloren… (Svartur Nott)

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Nachdem sich Mitstreiter des Gothic Friday „Svatur Nott“ im Februar-Thema noch zurückgehalten hat, bricht es jetzt – beim großen Musikthema des Gothic Fridays – mit geballter Macht aus ihm heraus. Wir erfahren, wie er vom ersten musikalischen Interesse in Desinteresse verfällt um dann doch noch seinen musikalischen Frühling zu erleben. 

Da ich zum Februarthema des Gothic Friday 2016 nichts geschrieben hatte, möchte ich nun einiges davon aufgreifen und mit dem Thema des aktuellen GF zusammenfassen. Denn mein Leben scheint gebunden an Musik… Sie lässt mich nicht los, lässt mich in ihr herabtauchen, verzaubert mich, gibt mir Inspiration und Lebensmut, ist meine Wurzel in dieser Welt, der ich – auch wenn das für manch einen kitschig klingt – mich häufig überdrüssig fühle. Aber gut, dann beginnen wir mal…

Teil 1 – Vom Damals ins Jetzt

Ein kleiner Junge sitzt mit seinen Eltern in einem blass hellblauen Trabbi und fährt durch die Haupteinfallsstraße seiner Geburtsstadt. Das Radio läuft und es spielt ein Lied, welches dieser Knirps sein Lebtag nicht vergessen wird: ‚Enjoy the Silence‚ von Depeche Mode. Wann immer dieses Lied lief, fand ich das toll und sang sogar zuhause, wenn der Vater seine Schallplatten auf den Plattenspieler legte, mit – was für Außenstehende witzig geklungen haben muss, da Englisch zu dieser Zeit noch längst nicht in den Kindergärten der neuen, blühenden Landschaften gelehrt wurde.

Die Zeit verging, es folgten Jahre des totalen Desinteresses, ja Abneigung gegenüber Musik. Auslöser hierfür war mit Sicherheit auch, dass mir das Lernen der Akustikgitarre alles andere als Spaß machte und es mir nach dem Scheitern irgendwie immer wie ein Schandfleck in meinem Leben vorkam, den ich zu vergessen versuchte.

Mit fortschreitender Entwicklung und neu zusammengewürfelter Schulklasse kam nach ein paar harten Jahren wieder positiver Wind auf. Durch Mitschüler kam ich wieder in Kontakt mit Musik, neben Rammstein und den Toten Hosen hatten es vor allem Die Ärzte mir mit ihrem abwechslungsreichen Repertoire an Musik angetan. Neben den Ärzten erhielt ich durch eine LAN-Party weitere Musik, wobei ich beim heimischen Hören öfter bei The Cure hängen blieb, als auch Bekanntschaft mit den Sisters of Mercy machte. Aus dieser Zeit stammt auch meint Lieblingslied von The Cure – A Night Like This. Der Refrain „I want to change it all“ sprach mir in dieser Zeit aus der Seele…

Ich wuchs weiter in der Provinz eines neuen Bundeslandes auf, bis ich vor einigen Jahren in einer Ostseestadt zu studieren begann. Dort wohnte unter anderem auch eine Freundin aus Schulzeiten, zu der ich ab und an Kontakt hatte. Wir besuchten zusammen musikalische Veranstaltungen, v.a. metallische, redeten unter anderem über unsere Musikgeschmäcker und sie erzählte mir das erste mal, dass es so etwas wie eine Gothic-Szene gibt. Sie meinte dann zu mir, ich könne sie ja mal begleiten, da sie ungerne alleine gehen würde.

Eines Abends war es dann soweit. Wir gingen zusammen in die nahe gelegene Lokalität und betraten den Raum mit den großen schwarzen Vorhängen und den Kerzenleuchtern. Ich war beeindruckt, fühlte mich zwar fremd, aber doch irgendwie wohl. Die Musik, die da gerade spielte, kannte ich nicht. Sie war wie Techno, nur härter, wechselte aber später zu metallischen Sachen und dann auch zu Liedern, die ich auch kannte: Neben Hellektro, NDH & Mittelaltermetal/-rock, die für mich komplett Neuland waren, hörte ich seit Jahren wieder The Cure, die Sisters und dann auch noch Depeche Mode. Ich war hin- und weg. Einerseits von dem Harten Elektro, der mir wie ein Ventil für den seinerzeit aufgestauten Frust war. Andererseits war da das Altbekannte, was ich hier von mir aus nie verortet hätte…

Nun begann die längst nicht abgeschlossene Phase des Musikentdeckens – so man denn von einer Phase sprechen will, da dies ja ein Ende impliziert. Einer der Besucher jener ersten Veranstaltung gab mir in der Folgezeit einen Batzen neuer Musik, unter denen sich mehrerlei befand:

Darunter zum einen den 5-CD-Sampler Gothic Rock – The Ultimate Collection, den ich rauf und runter hörte. Diese Gitarren, diese Theatralik, diese Texte erschufen mir Atmosphären, die mich bis heute nicht loslassen… Seien es Bauhaus, The Bolshoi, Gene Loves Jezebel, Siouxsie & The Banshees, Christian Death, Fields Of The Nephilim, Alien Sex Fiend, Play Dead, Corpus Delicti, Xmal Deutschland, Mephisto Waltz, Faith And The Muse oder New Model Army, in Gesellschaft von Cure und Sisters: Gothic Rock & Post Punk sind meine musikalische Heimat geworden, die beständig mit neuen, unbekannten Interpreten bereichert wird.

Zum anderen hörte ich das erste mal ernste Musik mit stark lyrischen deutschen Texten, sehr emotional und gleich einem düst’ren Schauspiel. Das Ich hatte das Interesse an der NDT geweckt und bescherte mir durch Suche in der Folgezeit ähnliche Künstler, wie Relatives Menschsein, Misantrophe, Goethes Erben, Lacrimosa oder Endraum.

Auch durch die Gabe von jenem Unbekannten fand ich großen Gefallen an elektronischer Musik, welche, abgesehen von 80er-Synthi-Sachen wie Depeche Mode oder Visage (deren „Fade To Grey“ mich auch schon lange begleiten) komplettes Neuland für mich war. EBM & Elektro wurden nun erforscht, mit dem Erfolg, dass ich mich nach kurzem Ausflug in den Hellektro-Bereich im DüsterEBM/DarkElektro und Elektro-Industrial wiederfand: YelworC, Frontline Assembly, Mentallo & The Fixer, Abscess, Placebo Effect oder Calva Y Nada stillten meine Gier.

Zu jedem Zeitpunkt war das Internet DAS Hilfsmittel für mich, Neues zu entdecken. Besonders nach Beendigung des Studiums während eines 3/4-jährlichen Interludiums, bei dem ich wieder in der Provinz landete und nur spärlichen Kontakt mit anderen Menschen gleicher Wellenlänge hatte. In der Zeit vertiefte ich meinen neuen, stark erweiterten Musikgeschmack.

Der Pause vom Leben schloss sich dann ein zweites Studium an, nun in einer anderen Ecke Deutschlands. Durch fortwährende Suche (u.a. auch im Spontis-Blog) und auch durch Austausch mit neu in mein Leben getretene Menschen kam ich in den Genuss von Neoklassik (Dead Can Dance, Ataraxia, Der Blaue Reiter), Ethereal (Cocteau Twins, Lycia), Deathrock (Cinema Strange), Minimal Wave (Nachtanalyse), Elektro Wave (The Frozen Autumn, Kirlian Camera, Fortification 55), Neo-Postpunk (She Past Away, Frank The Babtist), NDW (Grauzone, Die Perlen) Neofolk (Death In June), Synth Pop (The Dust Of Basement, Welle:Erdball), Ritual (Coph Nia), Dark Ambient (Nordvargr, Lustmord). Es wären noch zig Vertreter mehr zu nennen gewesen, ich habe versucht, es mal auf die meistgehörten zu beschränken.

Durch den Umzug bekam ich nun die Mittelalter-Ecke auch direkt zu Gesicht, jedoch ist ist bis dato im Groben akustisch uninteressant für mich geblieben (Ich hasse 95% der Dudelsäcke in den Liedern, bah). In den Industrial hatte ich zwischendurch auch reingehört, jedoch gab es eindeutig andere Genres, welche bedeutend lieber in meine Ohren kriechen wollten. Die Spielarten des Metal verloren mit dem Eintauchen in die „schwarze Musik“ rasch immer mehr an Gewicht und sind heute nur noch ab und an mal auf dem digitalen Plattenteller, NDH, sprich Rammstein, gar nicht mehr. Elektro mit Techno-/Trance-Einschlag höre ich privat nach wie vor ziemlich selten, gute Stücke sind in der Schwemme heute nur mit der Lupe und viel Zeit zu finden. Und letztere habe ich dafür nicht.

Teil 2 – Die Tiefe des Klanges

Grundsätzlich muss es bei mir Klick machen. Ich merke eigentlich ziemlich schnell, wann ich ein Lied mag, jedoch ist es schwierig dies an Merkmalen festzumachen. Sagen wir es so: Es gibt Klänge, die bei mir die Wahrscheinlichkeit steigen lassen, ob ich ein Lied mag, oder nicht: Auf der einen Seite stehen die 80s- & 90s-Synthesizer, bspw. als weiche Teppiche im Hintergrund. oder Rythmus gebend und melodieführend. Auf der anderen Seite sind es vor allem effektreiche & unverzerrte Gitarren (Delay, Chorus, Reverb -> Atmosphäre!), welche aufgelöste Akkorde spielen, oder aber auf hektischere Art und Weise (punkig). Gerne kann es auch eine Mischung aus Alldem sein. Und dann gibt es natürlich noch den Gesang, der dazu passen sollte. Ob nun tief, wie bei den Fields, weich und sanft wie bei den Cocteau Twins, schrill wie bei Siouxsie, oder klagend wie bei Sopor Aeternus und Cinema Strange, ich habe keine Präferenzen.

So bleiben noch die Texte. Ich würde lügen, wenn ich behaupte, bei jedem Lied auf den Text zu achten, jedoch ist für mich ein ansprechend formulierter Inhalt das Sahnehäubchen auf einem gelungenen Lied.

Beispiele prägender Texte gäbe es für den geneigten Leser einige. Mir schwirren einige Texte von bspw. Christian Death, Big Electric Cat oder Calva Y Nada im Kopf herum, ich habe mich hier an dieser Stelle auf zwei Favouriten beschränkt, die für auf ihre Art zeitlos berührend sind:

Cinema Strange – Catacomb Kittens

She spent the night alone with body bruised
And skirts asunder. He found his sister in
The morning, soaking in a puddle. “Let’s run
Away”, she said, “he beats us both incessantly.
I know a place beneath the city where we’ll
Stay forever lost. I’ve seen the waifs emerge
From the underground. They roam the
Catacombs and everywhere underneath. We
Could live secretly, away from society!”

Away after sunset, they tumbled through the
Darkened city, searching for cold grates with
Bars agape like twisted teeth and jawbones
Pulled wide and cracking. Wet and talking
Wind forbade them! ”Just shut your ears”, she
Said. “Orphans are surrounded by these
Things. Hold my hand, I’ll lead you below!
We’ll find an alcove and no one will know
About us! We will live secretly, away from society!

They wet their tiny kitten paws on rotting rocks and
Water. They skinned their whiskers digging deep
Where darkness settles into corners and tooth
Marks, sightless eyes and sunken ceilings. Sentient
Depths awake and noticed them; they started
Screaming. “Let’s hurry back”, she said, “before
We are swallowed! Run now, my darling child!
I’ll be sure to follow closely! We must hide
Desperately, away from monstrosities!”

(Den Rest vom Text gibt es bei Cinema Strange)

Eine so wundervoll erzählte kleine Gruselgeschichte, zu der beim Hören immer ein Film in meinem Kopf abgespult wird…

Das Ich – Jericho

War nicht dort dein Lebenspart
War nicht dort der Mann auf der Straße
Jeden Tag auf dem Zeitungspapier

Im Vorübergehen der Hut, der nie gefiel
Fast stolpernd ein Stück aus seinem Beutel wirft
Und gut sein glaubt
Lacht und sagt:

Solches will ich eins noch denken
Und den Kindern meiner Wege
Auf den richtigen Pfad der Tugend werfen
daß sie niederfielen, im Dreck versunken nach
Dem Leben rufen

Ungetrügt sich sicher fühlt
Als wär‘ man ausgefallen
Und sicher seiner Selbst

Weil jeder kann sich eigens strafen
Muß dem anderen aus gefallen danken
Um besucht zu werden von all den röchelnden
formlosen Fragen um Selbstvertrauen
Lacht und sagt:

Halt dich gut so lang du kannst
Dein Vater war und du sollst sein
Wie jeder, den du glaubst nur Feindbild sei
Und dich bekämpft
Umsonst ist angestrengt, um lernen lernen
Nicht verschlafen

Ein schwieriges Thema in viele Metaphern gepackt. Hier muss ich immer an zwei Obdachlose denken, die in meiner Stadt häufig am Bahnhofsgelände sind. Die Blicke der Passanten triefen, wenn sie nicht ignorieren, nur so vor Verachtung und Ekel. Ich finde das widerlich und zugleich traurig und in mir beginnt dann immer wieder von Neuem die Diskussion über das Warum…

Teil 3 – Brotkrumen im Walde…

Welche unterbewerteten und/oder unbekannten Musikprojekte möchte ich euch ans Herz legen? Puh, das ist verdammt schwierig, dennoch will ich es mal mit Gruppen versuchen, die nach wie vor aktiv sind:

  • Lycia – Dieses Musikprojekt aus den Vereinigten Staaten macht schon seit 1989, mit Sicherheit inspiriert durch die Cocteau Twins, Ethereal, teils versetzt mit Ambient. Wer ruhige Musik mag, kann da bedenkenlos zugreifen.
  • Endraum – Existierend seit Beginn der 90ern und ebenfalls ruhig, besticht durch eine Symbiose aus weichen, atmosphärischen Synthie-Klängen und lyrischen, gesprochenen Texten. Was für die Abendstunden.
  • She Past Away – Türkisches Dark Wave-Duo. Auch wenn man den Text nicht versteht, wird man irgendwie mitgerissen. Eine tanzbare Mischung aus Synthie und Gitarre.
  • The Frozen Autumn – unbeschreiblich schöne Musik aus Italien, dazu gibt es nichts weiter zu sagen außer: Anhören!
  • Autodafeh – Moderner und eingängiger EBM aus Norwegen, könnte sich für Freunde stampfender Musik lohnen.
  • Der Prager Handgriff – EBM mit gesellschaftskritischen, deutschen Texten, gibts schon spätestens seit Anfang der 1990er. Nix mit ausschließlich Arbeit, Stahl und Muskelschweiß.
  • Der Blaue Reiter – Neoklassik trifft Dark Ambient, hervorragende Musik aus Spanien. Kann gerade zu Abendstunden ziemlich bedrückend werden.

Zu guter Letzt an dieser Stelle: Cinema Strange – Die Texte, die Stimme, das verspielte, schräge/obskure Element in dieser Musik… Deathrock at its best. Aktuell aufgrund Lucas Lanthiers Projekt „The Deadfly Ensemble“ pausiert, spielt CS aber auf dem WGT 2016.

Ich entdecke nach wie vor neue Musikprojekte für mich, könnte noch eine Unmenge weiterer Tips aufzählen, will es aber mal dabei belassen. Und nun, da dem Leser bestimmt schon fast die Augen zufallen, zum Finale die fünf Tops und Flops (wo es verdammt schwer war, sich an die 5 zu halten). Da ich mich ab und an auf musikalischen Veranstaltungen herumtreibe, gibt es einige Songs, die ich echt nicht mehr hören kann – totgespielt eben. Auch wenn ich sie mit Ausnahme des ersten Lieds durchaus schätze. Darunter fallen…

Flop 5 (schon länger):

  1. Das Ich – Destillat
  2. The Sisters Of Mercy – Temple Of Love
  3. Sex Beat – Sex Beat
  4. The Mao Tse Tung Experience – Irregular Times
  5. The Eternal Afflict – San Diego (The Tragical)

Top 5 (aktuell)

  1. Paralisis Permamente – Autosufisiencia
  2. Hertzinfarkt – Teufel’s Tänzer
  3. Acid Bats – Posession
  4. Play Dead – This Side Of Heaven (Extended Version)
  5. Placebo Effect – Slashed Open

und letztlich die Ewigen Top 5

  1. Fields Of The Nephilim – Wail Of Sumer
  2. Christian Death – The Luxury Of Tears
  3. The Frozen Autumn – Static Cold
  4. YelworC – Blood In Face
  5. Das Ich – Gottes Tod

Spontis Wochenschau #01/2016

7

Männergrippe. Erwischt auch mich, soll man ja nicht glauben. Nachdem ich mit dem 10€ Schein in der Hand beim Hausarzt feststellen musste, dass es die Praxisgebühr seit Ende 2012 nicht mehr gibt, habe ich die Wartezeit im Sprechzimmer damit verbracht mir auszumalen, was ich mit dem unerwarteten Geldsegen so alles anstellen kann. Kam aber nicht viel bei rum. Fieber, Matschbirne, Kopfschmerzen. Auch aus meinen Plänen, die im groben aus dem Sofa, der Bettdecke, heißem Tee und unzähligen ungesehenen Filme und Serien bestand, wurde nichts. So habe ich zwei Tage schlecht geschlafen, mich durch mein Leben gelitten und das beste gehofft. Immerhin, meine liebevolle Ehefrau kümmert sich besorgniserregend besorgt um mich und spendete Trost. Donnerstag war es dann endlich soweit: Der Firestick im Fernseher war mit den wichtigsten Informationen versorgt, die Kindersicherung war abgeschaltet (welche Kinder eigentlich?) und schon konnte es losgehen mit der Horrorflut. Blöd nur, wenn du gleich beim ersten Streifen wieder einschläfst und zu allem Überfluss auch noch die Handlung mitträumst. Das ist abgefahren! So war ich dann ein kranker Serienkiller der mordend durch die Gegend gezogen ist, um die Leute möglichst eklig aus dem Leben zu nehmen. Das mich die Gesichter der Opfer dabei an ungeliebte Zeitgenossen aus meinem Umfeld erinnerten, ist wohl dem Unterbewusstsein geschuldet.

  • Die Lyrikerin des Synthpop auf Abschiedstournee | Deutschlandfunk
    Anfang der 80er war es schon eine kleine Sensation, als Anne Clark so gar nicht singen wollte und mit ihrer unterkühlten und fast schon poetischen Stimme ihre Synthiesounds mit Text belegte. Doch Texte und Sound trafen den Geist der Zeit und die Dame aus England wurde zum Underground-Erfolg. Jetzt ist die 55-jährige auf Abschiedstournee: „In der Lage zu sein, jemanden so zu erreichen – dass er seine Situation erkennt, sich nicht damit allein fühlt oder Dinge infrage stellt – das ist, denke ich, die wahre Aufgabe eines Künstlers. Mit dem deutschen Produzenten Stefan Bernauer alias Herr B arbeitet Anne Clark seit zwei Jahren zusammen. […] Ob es wirklich die Abschiedstour der Künstlerin ist? Man wird sehen. Erst mal will sie Zeit für andere Projekte haben: vielleicht ein Kinderbuch rausbringen und eine Galerie eröffnen.Der Tobi war ja nicht so begeistert von dem Konzert.
  • Vintage Occult | Kurz vorgestellt
    In den 70ern und 80ern war Okkultismus ja schwer angesagt und wahlweise auch gefürchtet. Die Menage aus sexueller Revolution, dem schwindenden Einfluss der christlichen Religionen und B-Movie Horrorfilmen zauberte erstaunliche Blüten in den Köpfen der Menschen.  Für die einen einfach nur ein Spielplatz sexueller Fantasien, für die anderen ein neuer Sinn in ihrem Leben und für andere wieder die Gefahr der gesamten Menschheit. „Vintage Occult“ sammelt den ganzen Schund aus dieser Zeit und verwandelt in nun, 40 Jahre später in eine Art Kunst. Irgendwie jedenfalls. Es ist jedenfalls sauinteressant, sich durch die ganzen Bilder zu klicken und kopfschüttelnd hinzunehmen, wozu du das bei einigen Leute und Institutionen geführt hat.
  • Wie Fledertiere kopfüber landen | Schemenkabinett
    Das die possierlichen Tiere kopfüber hängen, wussten wir ja bereits. Aber habt ihr gewusst, dass sie schon kopfüber landen? Und jetzt, wo ihr wisst, dass sie Kopfüber landen, müssen wir noch wissen, wie sie das machen. Kein Problem, im Blog von Katharina und Parm wird Euch geholfen, dort gibt es auch noch Videos und Bilder: „Die Wissenschaftler zeigten mit Computermodellen, die den Flug der Fledertiere simulierten, dass die asymmetrische Haltung der Flügel das Gewicht der Tiere so verlagert, dass sie in der Luft eine Rolle machen. Die verhältnismäßig schweren Flügel helfen ihnen dabei so viel Schwung zu bekommen, dass sie sich innerhalb weniger Millisekunden in der Luft drehen, und dass sie – wie es sich für Fledertiere gehört – kopfüber zum Hängen kommen.
  • Amphi kommt nach Hause! | Amphi-Festival
    Nach dem kurzen Gastspiel in der Kölner Lanxess Arena, die nicht alle Besucher passend fanden, kommt das Amphi wieder zurück zum Tanzbrunnen, dem man 2014 aus organisatorischen Gründen den Rücken kehren musste. „Der Kölner Tanzbrunnen, welcher uns allen von 2006 bis 2014 mit seinem besonderen Flair ans Herz gewachsen ist und das Amphi Festival nachhaltig geprägt hat, steht 2016 wieder zur Verfügung. Home is where the heart is, heißt es im Volksmund und so ergreifen wir die Möglichkeit an den Ort zurückzukehren, welchen wir Ende 2014 aufgrund von organisatorischen Einschränkungen verlassen mussten.“ Über die Gründe kann man nur spekulieren, über das für und wider kann man streiten. Ich halt mich diesmal da raus ;)
  • The Blogging Goth – Cemetery Confessions | The Belfry Network
    Jetzt gehts aber los in den USA. Nicht nur, dass sie erklären was Goth NICHT ist, jetzt gibt es auch schon eine Weile im „Belfry Network“ regelmäßig Podcasts zum Thema „Goth“. In der jüngsten Sendung 28 ist auch Blogging Goth Tim Sinister. „This month we are going to spend a lot of time talking about music, its relevance in the goth scene today, some of the history and evolution of the genre, and some of our favorite albums. We are going to review the newest album from the band Savages, and at the end of the show, we have an interview with The Blogging Goth, in which we discuss the concept of hate crimes, the goth scene in England, and WGW among other topics.
  • Die Bergfestung Poenari – Fluchtburg von Graf Dracula | Der schwarze Planet
    Shan Dark liebt Rumänien, war aber seit Ewigkeiten nicht mehr da. Der Uwe liebt Rumänien auch. Und weil der Uwe letztes Jahr da war und die „echte“ Burg von Graf Dracula erobert hat, berichtet er für den schwarzen Planeten von seiner Tour. Schöne Story, wirklich tolle Fotos. „Viel ist es nicht, was der legendäre Vlad III. Draculea (Vlad Țepeș, Vlad der Pfähler) an sichtbaren Spuren hinterlassen hat. Ein bedeutendes Bauwerk (vielleicht das einducksvollste), das ihm nachweislich zugeordnet werden kann, ist die Bergfestung Poenari (oder Poienari). Sie liegt auf der walachischen Seite des Făgăraș-Gebirges, einem Abschnitt der Südkarpaten, der die Grenze zwischen Siebenbürgen und der Walachei bildet. Das hörte sich doch nach einem interessanten Ziel auf unserer dreiwöchigen Rundreise durch Transsilvanien an!
  • Punk.London – 40 Years of subversive Culture | London
    In London wird der Punk dieses Jahr 40, wenn man 1976 als Geburtsstunde festlegt. Dazu finden eigentlich das ganze Jahr irgendwelche tollen Ausstellungen, Aktionen oder Events statt, die vom selbermachen leben. Es wird den Punks von damals und von heute möglichst leicht gemacht, etwas auf die Beine zu stellen, der Bürgermeister und die National Lottery hauen sogar ein bisschen Kohle dazu. Aktuell sammeln sich unter dem Punk GOB jede Menge Links zu total spannenden Berichten, Videos und Bildern, die stundenlang Klicks garantieren. Echt jetzt. Wenn ihr also dieses Jahr plant mal nach London zu reisen, werft doch einen Blick in den Kalender, ob es was punkiges gibt. Kleiner Tipp für alle, die sich Videos anschauen wollen dort aber „ausgesperrt werden“: Mit der Browser-Erweiterung Hola!, die ihr euch kostenlos runterladen könnt, kann man den dortigen Videoplayern vorgaukeln, man sei aus dem Land, aus dem das Video stammt. Funktioniert hier bei mir prima.
  • Die Sisters of Mercy enttäuschen in der Columbiahalle | BMopo
    Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Wenn es lächerlich wirkt, ist es vermutlich zu spät. Großartiger Artikel von Alexander Gumz: „Wer heute, 26 Jahre nachdem die Band aus Leeds ihr letztes Studioalbum veröffentlich hat, auf ein Konzert der Sisters geht, kann – neben T-Shirts mit alten Plattencover-Motiven – auch ein Sisters-Geschirrtuch erwerben. Warum nicht: selbst die Verzweifelten müssen hin und wieder Teller spülen. Oder was immer das einem sagen soll. Damit nicht zu stark auffällt, wie alle miteinander älter geworden sind, wurde die Columbiahalle auf Dauerrempelniveau abgedunkelt. Pseudo-Schwarzlicht fällt von oben. Von der Bühne wabert Nebel. Alles wie früher also. Und da kaum jemand im Saal unter 40 ist, kann man wagen zu sagen: wegen früher sind die Leute da. Es gibt tätowierte Damen in blond und schwarz. Herren in Lederjacken, mit ärmellosen Shirts der 1991er-Sisters-Tour. Herren mit Django-Hüten und Gesichtern wie Iggy Pop. Dann steht auf einmal Andrew Eldritch am Mikroständer. Er ist kahl, trägt Sonnenbrille, eine Art Thermohose und einen Hoodie über gelbem T-Shirt. Gelb. Der finstere Fürst trägt Gelb. Nicht zu fassen. Er sieht aus wie ein Rave-Opa.
  • Beelzebubs Tochter | VICE
    Sie lebt! Weder wurde sie geopfert, noch hingerichtet. Zeena Schreck, die Tochter des Church-of-Satan-Gründers Anton LaVey erfreut sich bester Gesundheit, auch wenn sie – wie sie selber in einem Interview mit dem VICE-Magazin verrät – unter bizarren und traumatischen Verhältnissen aufgewachsen ist. „Zeena ist die Tochter der Church-of-Satan-Gründer Anton LaVey and Diane Hegarty und die Empfängerin der ersten Taufe durch diese Sekte. Mit 13 Jahren war sie von der CoS vollständig indoktriniert, erhielt regelmäßig Todesdrohungen und erwartete ein Kind. Später wurde sie zur Hohepriesterin der CoS geweiht und deren Sprecherin zu einer Zeit, als Yuppies der Reagan-Ära gerade wegen der Geschichten über Kinder, die angeblich von ihrer Sekte im Wald geopfert wurden, total ausflippten. Allen Umständen zum Trotz gelang es Zeena, sich gegen die egozentrischen Fanatiker, die sie aufgezogen hatten, aufzulehnen. 1990 trat sie zusammen mit ihrem Mann Nikolas Schreck aus der Sekte aus. 2002 gründete das Paar eine religiöse Körperschaft, the Sethian Liberation Movement, die es Menschen ermöglicht, Magie zu erlernen und auszuüben, ohne einer unterdrückerischen Sekte beitreten zu müssen…
  • „She’s a Punk Rocker UK“ | Dangerous Minds
    Wo wir eben beim Punk waren. Der kommt doch irgendwie ein bisschen „männlich“ rüber, findet ihr nicht? Die Doku „She’s a Punk Rocker“ beschäftigt sich mit den Speerspitzen der weiblichen Punk-Bewegung in England. „The movie, which clocks in at a crisp 68 minutes, features women punkers including, as already mentioned, Poly Styrene, Eve Libertine and Gee Vaucher of Crass, Gaye Advert of The Adverts, Michelle of Brigandage, and Olga Orbit of Youth in Asia as well as other figures like writers Julie Burchill and Caroline Coon.“
  • Orkestra Obsolete play „Blue Monday“ using 1930s instruments | BBC Arts
    Genau so ist es. Am 7. März 1983 erschien der Songs erstmals in England und durfte damals schon als Synthie-Pop-Meisterwerk bezeichnet werden. Doch warum hat man erst so lange gewartet? Bereits in den 30ern scheint der Song möglich gewesen zu sein, wie uns diese Band beweist:

In eigener Sache: Ebbe. Die Linkflut bleibt schon eine Weile aus, weil ihr immer alles bei Facebook in euren Profilen teilt. Kriegt dann natürlich nicht jeder mit, außer Euren Freunden und auch nur dann, wenn FB gerade Bock drauf hat, Euch den Link zu zeigen. Über interessante Artikel, Videos, Bilder und was ihr sonst noch so findet, freut sich auch mein Kontaktformular. Einfach mal wieder was schicken.

Gothic Friday Februar: Der Tag, an dem meine Vergangenheit starb

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Wie bereits angekündigt, werden auch spätere Einsendungen zum Gothic-Friday berücksichtigt. Björn (Kara) erzählt für das Februar-Thema: Wie seid ihr in die Szene gekommen? von seinem Szeneeinstieg. Ein bisschen Überredung brauchte er, um mit seiner bewegenden Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, ich bin mir aber sicher, es hat sich gelohnt.

Wie ich wurde, was ich bin oder: Der Tag, an dem meine Vergangenheit starb.

Ich saß auf meinem Koffer und beobachtete meine Mutter, die mich hier abholen wollte. Sie sah mich nicht und ich hatte keine Lust, Ihr entgegen zulaufen. Der Aufenthalt in England hatte mich verändert. Ich war das erste mal in einem fremden Land, so ganz ohne Eltern und ich hatte das Gefühl, das ich tun und lassen konnte, was immer ich wollte. Aus dem kleinen Spießer war ein Revoluzzer geworden. Zumindest fühlte ich mich so. In England begegnete mir eine vollkommen neue Jugendkultur, Leute mit bunten und wilden Haaren und Leute bei denen man nicht wusste, ob sie Junge oder Mädchen waren. Meine Welt stand Kopf.

In einem Wachsfigurenkabinett hatte ich eine Kopie von Boy George gesehen und mich spontan in ihn „verliebt“ und dabei wusste ich damals noch nicht einmal, dass ich schwul war. Boy George war mein neuer Held! Und so trug ich ein Haarteil als langen Zopf, darüber ein Kopftuch mit Strohhut und eine Sonnenbrille mit kreisrunden Gläsern, passende zerfetzte Jeans und jede Menge Buttons mit nicht gesellschaftskonformen Sprüchen. Ich saß auf dem Koffer, wartete und beobachtete.

Nachdem meine Mutter mich endlich erkannt hatte und sich von dem ersten Schock des Anblicks erholt hatte, schien sie das veränderte Aussehen ihres Sohnes recht schnell zu akzeptieren. Blöde Sprüche auf den Dortmunder Straßen des Jahres 1985 konterte sie nach Art einer Löwenmutter – wehe dem, der sich mit ihr anlegen wollte! Im Gegenteil: Sie ging zu so ein paar bunten Leuten in unserer Stadt, erfuhr, dass man sie Punks nannte und erkundigte sich, wie man denn die Haare so bunt bekommen würde und, wo es bei uns Läden gibt, in denen „solche“ Leute einkaufen gehen würden. Punks! So hießen dieses „bunten Vögel“ also. Nachdem wir diese Läden dann gefunden hatten, blondierte sie mir erstmal die Haare und verfeinerte das Ganze mit blauen Strähnen

Der Wandel beginnt.

In meinem Boy-George-Outfit besuchte ich meine Cousine. Sie hatte ein Boy George-Poster in ihrem Zimmer und ich wusste, dass sie ihn mochte. Ich war mir sicher, das sie meinen neuen Look auch cool fand. Zufällig kam auch ihr Freund zu Besuch. Der trug nur schwarze Klamotten, roch leicht muffig nach Patchouli und stand auf Robert Smith von The Cure. Obgleich ich die Musik anfangs nicht sonderlich mochte, ließ ich mich darauf ein und Robert Smith war plötzlich großartig. Seine Texte und die Musik sprachen genau das das an, was ich fühlte, ich konnte mich erstaunlicherweise sehr in der Musik wiederfinden. Kennt ihr das Gefühl, wenn man sich bei einem Lied „auflöst“ wie eine Brausetablette? Ja, genau das war es, ich verschwand in der Musik – das war der Weg, den ich gehen wollte!

Und so tauchte ich ab 1986 immer weiter in die „schwarze Szene“ ein. Ab sofort war der „Central Park“, eine Discothek in Dortmund die auch liebevoll Assi-Park genannt wird, am Wochenende mein zweites Zuhause. Hier wurde „schwarze Musik“ gespielt. The Cure, Sisters of Mercy, Siouxsie and the Banshees, Bauhaus und Alien Sex Fiend drehten sich dort auf den Plattentellern. Hier sah ich die ersten Turm- und Tellerfrisuren – ein Style, der mich nicht mehr losließ – und ich nahm mir fest vor: Exakt SO will ich auch mal aussehen.

Eines Abends des Jahres 1989 traf ich dort auch meine beste Freundin Manu (Haggy), die mit mir bis heute diese Leidenschaft teilt. Sie zeigte mir stolz ihre Robert Smith – Sammlung. Nicht etwa zu Hause, sondern direkt in der Discothek, denn sie hatte tatsächlich einen Ordner mit Robert Smith und The Cure Bildern dabei! Anfangs fand ich sie schon ein wenig „komisch“, sagte es ihr aber nicht, und merkte dann im Laufe der Zeit dass sie eine Seelenverwandte ist. „Kara“ und „Haggy“ waren ab sofort unzertrennlich. Ich taufte Manu „Haggy“ – eine Verniedlichung von Hagazussa, der Zaunreiterin, die man Volksmund wohl auch Hexe nennen würde. Den Spitznamen Kara hatten mit türkische Mitschüler gegeben. Kara ist türkisch und bedeutet „Schwarz“. Warum ich den bekam, muss ich Euch jetzt wohl nicht erklären.

Jede Woche erfanden wir uns neu – immer wieder etwas anderes, immer extremer, immer stärker der Szene verbunden. Dazu gehörte auch, dass wir nach dem „Assi-Park“ immer noch nach Bochum ins „Zwischenfall“ (das „Fall“) mit der letzen S-Bahn gefahren sind, und morgens bei Wind und Wetter auch mit der ersten S-Bahn wieder zurück. Goth, was haben wir da manche Male gefroren! Das Zwischenfall wurde unsere Kultstätte. Dort entfalteten wir unseren Stil vollends und holten uns immer neue Inspiration. Das Fall wurde – wie für viele andere auch – unser Wohnzimmer.

Nach einiger Zeit kam ich mit meiner Mutter doch nicht mehr klar. Das hatte bestimmt auch mit meinen immer extremeren Looks zu tun, denn ich stellte die Haare oft in schwindlige Höhen, trug weißes Makeup und ging mit meinen Pikes, die meine Mutter „Till-Eulenspiegel-Schuhe“ nannte, schon gar nicht mehr aus dem Haus. Ich zog zu meiner alkoholkranken Tante, doch auch hier kam es schnell zu Differenzen. Ihre Einschätzung unserer Szene als „Satanisten-Kult“ machten das Zusammenleben unerträglich. Eine verrückte Zeit. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine Lehrerin, die mir ein Buch auf den Platz legte und mit einer zweifelsohne gespielten fürsorglichen Art sagte: „Wenn du reden möchtest, ich bin für dich da.“ Ich schaute mir das Buch an, und musste laut lachen, der Titel lautete: „Ricarda S. – Meine Erlebnisse in der schwarzen Sekte“. Natürlich redete ich nicht mir ihr. Ich wusste nun aber, das man auch schon in der Schule davon ausging, dass ich den Gehörnte anbete würde. „Ist der Ruf erst ruiniert…“ Ich dachte mir nichts weiter dabei und machte weiter wie bisher. Ich wusste auch nie wirklich, ob ich jetzt gemobbt wurde, weil ich Gruftie war, weil ich schwul war oder wegen Beidem. Egal was es war und wie stark ich wirkte, weh tat es immer.

Es war meiner Tante auch ein Dorn im Auge, dass ich immer häufiger bei Haggy übernachtete weil ich dort einfach Ich sein konnte, einfach Kara. Manus Vater merkte wohl, dass ich keine „Gefahr“ für seine Tochter bin, denn ich durfte sogar im selben Zimmer wie sie schlafen. Haggys Eltern mochten mich und gaben mir das Gefühl eines „Zuhauses“. Ich feierte dort unter anderem auch Weihnachten und Geburtstage, ich gehörte einfach dazu – dafür bin ich bis heute dankbar.

Die Situation mit meiner Tante eskalierte. Sie erzählte Haggys Eltern, wir seien Satanisten und würden Blut trinken und Leichen ausgraben. Und sowas von einer Frau, die selber stets in schwarz gekleidet war, in ihrem schwarzen Haar Flecken von Haarspray trug und mit ihrem toten Bruder, der als Gobelin-Porträt im Wohnzimmer hing und aussah wie ein jesusähnlicher Althippy, Zwiesprache hielt. Aber Manus Eltern standen hinter dem „Gruftie“. Um mich weiterhin zu kontrollieren versuchte meine Tante mich mit meinen Sachen, die ich noch bei ihr hatte, zu erpressen. Als ich nicht an einem zuvor vereinbarten Tag kam, um meine Sachen abzuholen, sondern einen Tag später, hatte meine Tante alle meine Sachen schlichtweg „entsorgt“: Pikes, Perücken, Haarteile, Mäntel, Kleider, Hosen, Hemden, Schmuck, Fotos, Platten, Kassetten, Papiere – alles weg – meine gesamte Vergangenheit auf der Müllkippe.

Ich dachte wirklich, ich verliere den Boden unter den Füssen, und hätte sie am liebsten erwürgt. Doch ich ließ mich nicht unterkriegen, und erfand mich einfach wieder neu.

Manu („Haggy“) ist bis heute meine beste Freundin. Aber sie ist mehr als das: sie ist das Bindeglied zu meiner Vergangenheit. Als das Zwischenfall im Jahr 2011 abbrannte, hinterließ dieses Ereignis ebenfalls eine tiefe Narbe. Schon wieder verlor ich einen Teil meiner Vergangenheit. Doch ich bin immer noch dabei und immer noch „Kara“, wie man auf türkisch sagen würden. Von wegen: „Es ist nur eine Phase…“