Gothic Friday April: Der Mann von Nebenan (Magister Tinte)

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Magister Tinte hat eine kreative Leidenschaft, die auch seinen aktuellen Studiengang beeinflusste. Seiner Meinung nach gibt es jedoch keinen Zusammenhang zwischen den kreativen Berufen und der Szene, aber so ganz sicher scheint er mir nicht zu sein. So jedenfalls wirkt es in seinem interessanten Artikel zum Gothic Friday im April

In diesem Beitrag möchte ich mich vor allem auf die letzten Monate konzentrieren. Für das bessere Verständnis fasse ich den Weg dahin aber nochmal kurz zusammen: Letzten Sommer beendete ich mein Berufskolleg „Grafik-Design“ mit einen doch nicht so schlechtem Zeugnis wie befürchtet. Spätestens mit dem Zeugnis stand dann auch mein Entschluss fest, in dieser Richtung weiter zu machen. Schon etwas zu spät um sofort anfangen zu können, suchte ich mir zunächst ein Praktikums Platz, half gelegentlich noch bei meinem Vater im Kino aus und setzte mich (leider etwas zu spät) an die Bewerbungen.

Das bedeutete 3 DIN A 2 Mappen mit jeweils 10-15 Arbeiten für jede Hochschule. Vom Zeitplan her ein wenig ungünstig. Allerdings hatte ich so ab letzten Dezember erstmal viel Zeit. Die Mappen waren abgeschickt, es folgten die Aufnahmeprüfungen und dann hieß es erstmal warten. Zum Glück – oder je nach Sichtweise auch leider, denn wer die Wahl hat, hat die Qual – konnte ich mich sogar für eine Hochschule entscheiden. Ich fällte meine Entscheidung eher nach Bauchgefühl und fing an nach einem Zimmer in der neuen Stadt zu suchen.

Zwar nur 50km von meiner Heimatstadt entfernt aber weit genug, um bei meiner Mutter auszuziehen. Nach einiger Zeit fand ich auch ein Zimmer in einer 4er Jungs WG, man kann es sich eben nicht immer aussuchen. Und hier sitze ich jetzt: Visuelle Kommunikation, erstes Semester seit gut einem Monat und langsam auch endgültig in der neuen Stadt angekommen.

Magister Tinte vor dem Spiegel
Donnerstag Morgen. Für wichtige Fotos kann man auch mal zu spät kommen.

Einen Zusammenhang zwischen gestalterischen Berufen und der Szene würde ich nicht unbedingt sehen. Die anscheinend doch erwähnenswerte Anzahl von Leuten mit berufen in dieser Richtung würde ich eher der generellen Beliebtheit dieser zuordnen. Gerade auch Fotografen gibt es nicht gerade wenige, dadurch eben auch in der Szene. Ich selbst fotografiere auch sehr ferne und habe einen Account bei Flickr, auf dem ein paar meiner Bilder zu sehen sind. Dort finden sich zwar keine Gasmasken-Blut-Fetisch Bilder, aber ein Paar Grabsteine sind schon zu entdecken und teilweise vielleicht auch etwas atmosphärische Melancholie. Mein ungefähr gleichzeitig auftretendes Interesse an Gestaltung und der Schwarzen Szene würde ich ebenfalls eher als Zufall beschreiben. Aber wer weiß, vielleicht hängt es aber doch irgendwie zusammen.

In meinem Kleidungsstil musste ich mich nie Anpassen. Für mich war es eigentlich immer normal bei einem Praktikum nicht unbedingt mit einem Bauhaus Shirt aufzutauchen, sondern schlichtes Schwarz zu tragen. Weiter als das musste ich mich bis jetzt nie anpassen. Weder bei der Wohnungssuche brauchte ich länger als Kommilitonen und auch sonst erinnere ich mich an keinen unangenehmen Zwischenfall in den letzten Jahren.

Selbst den Spitznamen Dracula trage nicht ich sondern ein Geschichts-Professor, welche ausschließlich in vollständig abgedunklten Räumen seinen Vorlesungen hält.

Da ich gerade die Freiheit habe mich so zu kleiden wie ich will, tue ich dies auch. Einzig mit der Einschränkung das mir morgens oft nur 5 Minuten im Bad bleiben versteht sich. Ein Anblick den ich, wie ich finde, meiner Umwelt noch zumuten kann. Letztendlich entschied ich mich doch dafür den Beitrag zu schreiben, gerade weil ich von keinen negativen Erfahrungen berichten kann, die auf meinen Kleidungsstil oder ähnliches zurückzuführen wäre.

Gothic Friday April: Zeitweilig stellt man mir dümmliche, unreflektierten Fragen (GM)

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Kleidung und Aussehen gehören mal mehr und mal weniger zum Berufsleben dazu. Für GM gehört es einfach dazu, auf ihre Kleidung zu achten. Sie weiß um die Wirkung, die ein extravaganter Kleidungsstil auf ihre Mitmenschen haben kann und muss sich manchmal dümmlichen und unreflektierten Fragen stellen. Für den Gothic-Friday im April erzählt Sie ein wenig über ihre Tätigkeit und auf welche Art Sie den Spagat zwischen bewusster Szenezugehörigkeit und dem beruflichen Erscheinungsbild ausführt.

Welchen Beruf übst du aus?

Ich bin die Assistenz (irgend)einer Leitung, auch Sekretärin genannt, was mir persönlich mehr behagt. Angestellt im öffentlichen Dienst, ich mag die Sicherheit. Der Beruf macht mir auch noch Spaß, derzeit besonders, weil ich ohne Chef bin. Der Job selbst ist trocken, Büroarbeit halt, tippen, telefonieren und Kaffee kochen, manchmal recherchieren. Es kommen oft Besucher aus den Referaten und Abteilungen. Ich mag den Umgang mit ihnen, die meisten kenne ich bereits über zehn Jahre. Mein Büro liegt in der obersten Etage. Obgleich ich nicht zur Hausleitung gehöre, komme ich doch manchmal mit deren externen Besuchern in Kontakt. Darum muss ich schon von Hause aus etwas auf meine Kleidung achten.

(Wie) Lassen sich Gothic und Beruf verbinden und ist das überhaupt wichtig?

Mein Privatleben trenne ich strikt von der Arbeit, ohne jedoch meine Persönlichkeit an der Eingangstür abzugeben. Natürlich haben sich über die lange Zeit, in der ich zum Haus gehöre, einige soziale Kontakte ergeben.

Als ich in diesem Haus anfing, in einem Bürojob ohne Kundenverkehr, kam ich noch in langen, spitzenbesetzten Röcken, zu Schnürstiefeln und Blusen oder Shirts, zur Arbeit. Nach sieben Jahren begannen meine Vertretungen auf der jetzigen Stelle. Im Laufe der Zeit änderte sich mein Kleidungsstil im Büro, gar nicht mal nur berufs-, sondern auch altersbedingt. Ich legte mir einen gewissen Fundus an Arbeitskleidung zu. Selbstgenähte Etuikleider, die nicht immer (nur) schwarz sind, dafür immer mit schwarzen Strümpfen und Schuhen kombiniert werden und Röcke die ich ebenfalls mit schwarzen Teilen kombiniere. Da ich keine Piercings und Tätowierungen habe, muss ich weder etwas verdecken noch entfernen. Der Schmuck ist Silber, manchmal mit keltischen Knoten oder Ornamentik. Schminken ist Teil meines morgendlichen Ablaufs. Es wird aber, bis auf den Kajal, meist nur dezent aufgetragen.

GM - Stoffe
Eine Auswahl der Stoffe meiner Kleider und Röcke

Die Kollegen, die ich in meine Nähe lasse, kennen meinen Hang zum Düsteren, wissen von meiner Vorliebe auf Friedhöfen zu fotografieren. Sie wissen auch, dass ich meine Klamotten selbst nähe, die sie nicht nur auf Fotos sehen möchten, sondern teils auch gerne in natura vorgeführt bekommen, sofern sie bürotauglich sind.
Vergangenes Jahr bekam ich von „meiner“ Etage eine CD von Goethes Erben und ein Buch von Christian von Aster zum Geburtstag. Für die, die noch nicht wussten, was ich so in meiner Freizeit mache, musste ich am nächsten Tag Fotos von meinen Klamotten mitbringen. Manche Kollegen zeigen sich sehr interessiert an meinen Lebenswandel, aber nur denen, die mir nicht zu neugierig erscheinen, sondern ehrliches Interesse vermuten lassen, erzähle ich davon.

Welche Abstriche nimmst du bei deinem Äußeren in Kauf oder würdest du in Kauf nehmen?

Ich denke, dass es an meinem jetzigen Arbeitsäußeren nichts auszusetzen gibt. Deswegen würde ich auch keine Abstriche machen, sollte zum Beispiel dem neuen Chef mein Äußeres nicht gefallen. Dafür ist das Haus auch zu individualisiert, mein Arbeitgeber ist in Sachen Personalführung ganz hervorragend.

Welche Vorurteile oder Probleme tauchen im Umgang mit Chefs, Kollegen oder Kunden auf?

Grundsätzlich stoße ich mit meinem Arbeitsaussehen, das vielleicht speziell ist, aber nicht überborden anders, auf Akzeptanz. Dennoch muss ich mich zeitweilig dümmlichen, unreflektierten Fragen gegenüber gestellt sehen. Kollegen, die mich schon Jahre kennen und wissen wie ich rumlaufe, fragen ob etwas passiert sei. Wenn ich dann zurückfrage warum, kommt die Antwort, weil ich so schwarz angezogen bin. Manchmal werde ich auch gefragt, ob ich denn immer schwarz trage und es gibt ungefragt Stylingtipps, welche Farben mir besser stehen würden. Letztes Jahr erzählte ich, dass ich während des WGT in der Kirche war, da meinte ein Kollege allen ernstes, ob die Kirche entweiht war. Auf meine Frage, warum denn eine Kirche entweiht sein sollte wenn ich sie betrete sagte er, dass solche wie ich sie ja sonst nicht betreten könnten. Manche Kollegen assoziieren eine Domina in mir. Solchen Leuten schieße ich direkt vor den Bug.

Gothic Friday April: Keine Probleme an der Front! (Fogger)

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Den Eingangsgedanken, den Fogger in seinem aktuellen Artikel zum Gothic Friday im April äußert, dürfte den Meisten wohl sehr nahe liegen. Letztendlich hat er sich doch hingesetzt und schiebt die Berufswahl ambitionierter Gruftis in die IT-Richtung. Jedenfalls ein bisschen. Ich bin ja, wie Fogger, auch davon ausgegangen, dass sich viel mehr Leute aus der Szene menschenscheu hinter dem Bildschirm verkriechen. Offensichtlich habe ich mich geirrt.

Die ersten beiden Gothic Friday Themen gingen sehr leicht von der Hand, daher war ich gespannt auf das neue Thema. Irgendwie war das Wichtigste schon abgefragt. Als ich dann das neue Thema lass, dachte ich: „Okay, da hab ich nichts beizutragen“. Aber eventuell ist ja gerade mein „Kein Problem“ Beitrag auch ein wertvoller Beitrag.

Wie viel Prozent der Schwarzen haben mit IT zu tun?
Während eines Festivals kamen wir mit einigen Leuten ins Gespräch und immer wieder wurden Berufe aus der IT Welt genannt. Einer der Anwesenden stellte sogar die These auf, dass 80% der Leute IT Spezialisten seien. Das war auf dem Mera Luna 2014 und ist möglicherweise nicht sonderlich repräsentativ für die Leser der Spontis Seite. Aber wir waren damals zu viert und davon waren drei IT Fachleute. Ich selbst bin in der Entwicklung für CRM-Software tätig und liebe es, dort logische Aufgaben und Rätsel zu lösen.

Das Äußerliche ist nicht so wichtig
Passbild von FoggerFür mich ist das Äußerliche nicht so wichtig. Als ich nach dem Studium und nach dem Zivildienst mit 24 anfing zu arbeiten, hatte ich für mich beschlossen: „Frisur wird jetzt normal“. Ich habe damals schon immer Fotos gehasst. Heute bedauere ich dies und das einzige Foto, auf dem man eine ordentliche Frisur erkennen kann, ist in meinem Führerschein.

Natürlich habe ich meinen schwarzen Mantel und die Ketten geliebt, aber das hatte ich nicht lange getragen. Ausgefallen war es trotzdem und ich gehe davon aus, dass mehr Leute an der FH mich kannten als ich selbst Leute kannte. Meine Haare färbte ich mir nie und auch Schminke nutzte ich gar nicht. Das waren Dinge über die ich öfters mal nachdachte, aber nie umgesetzt habe. Damit war es für mich auch kein Problem die Seiten einfach etwas wachsen zu lassen, als der „Ernst“ des Lebens begann. Heute, nachdem sich meine Lebenssituation geändert hat, denke ich auch wieder über eine Rückentwicklung meines Äußeren nach. Bisher hat es jedoch noch keine Wichtigkeit bei mir erlangt. Ich vermute die Ursache liegt darin, dass mir immer hauptsächlich die Musik wichtig ist und immer bleiben wird.

Kein Geheimnis

Auf der Arbeit mache ich kein Geheimnis aus meinem eher ungewöhnlichen Musikgeschmack. Da mein Äußerliches auch keinen Grund für weitere Gedanken bietet, ist dies nicht dramatisch. Was mir aber immer wieder auffällt, ist die vollkommene Ahnungslosigkeit in den Gesichtern, wenn man Ansätze von schwarzer Musik und Kultur erzählt.

In unserer kleinen Softwareentwicklergruppe von 12 Leuten, gibt es drei weitere Kollegen, mit denen ich musikalische Übereinstimmungen erziele. Zum einen Jo. Er ist eher ein Metal-Fan aber wir haben eine Schnittstelle bei den Lakaien, Estampie, Qntal und Janus. Dann gibt es noch Mone, deren Musikgeschmack ich gar aber gar nicht verstehe. Irgendein Metalkram. Aber ihr Motto ist jedenfalls: „Ich trage so lange Schwarz, bis es was dunkleres gibt“. Dann gibt es da noch den Benni und der ist ein unglaublicher Mensch. Optisch ein absoluter Normalo, der auch rein emotional nichts mit Gothic zu tun hat. Sein Musikgeschmack ist extrem vielfältig. Auch wenn seine Partymukke eher Richtung Techno geht, hört er von Reinhard Mey bis  zu den Einstürzenden Neubauten einen wirklich extremen Mix. Unsere Übereinstimmung finden sich bei den Neubauten, NDT und dem Mittelalter-Genre.  Zweimal hat mich bereits schon zum Mera Luna Festival begleitet.

Doch noch ein Problem
Mein Problem nennt sich Facebook. Aufgrund meiner IT Affinität und der meines Umfeldes wird Facebook intensiv genutzt. Das bedeutet, dass ich viele „Freunde“ dort habe, die einen beruflichen Hintergrund haben. Das sind Kollegen von anderen Standorten, Mitarbeiter von Partnerfirmen oder sogar von Kunden. Ich verschweige meine Orientierung nicht aber reduziere meine Posts doch erheblich. Man kann zwar die Sichtbarkeit von eigenen Posts entsprechend einschränken, aber wenn man in öffentlich sichtbaren Gruppen Artikel verfasst, können dies automatisch alle „Freunde“ in ihren Threads sehen.

Nachtrag zum GF vom März
Neulich an der Arbeit: „Schau mal Jo. Hier hat jemand eine Grafik zur Timeline meines Musikgeschmacks gemacht.“ Jo: „Cool. Du hörst Neoklassik?“. Ich: „Scheinbar, hab mich damit noch nicht so beschäftigt“. Jo: „Und was ist mit Nicolas Lens? Gehört er dort rein?“. Ich: „Ähm, keine Ahnung. Aber wie konnte ich den nur vergessen?“. Das möchte ich hiermit nachholen. Mein Lieblingslied und seine tolle Trilogie.

Nachtrag 2 – 5 Stück für Everblacks sind einfach viel zu Wenige, daher nochmals 5 Stück :-)
1. “Malaria” – “You Turn To Run”
2. “Pink Turns Blue” – “Michelle”
3. “Fields Of The Nephilim” – “Last Exit For The Lost”
4. “Virgin Prunes” – “Baby Turns Blue”
5. “Girls Under Glass” – “Believe In Yourself”

Gothic Friday April: Ein Kindheitstraum, der in Erfüllung ging (Regin Leif)

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Es muss ja auch mal schöne Geschichten geben. Sollte man jedenfalls meinen, wenn man der Überschrift dieses Artikels von Regin Leif glauben schenken möchte. Ganz so rosig ist es dann noch nicht geworden. Wie Sie trotz schlechter Jobaussichten von ihrer „brotlosen Kunst“ leben kann, verrät sie Spontis in Ihrem Artikel zum Gothic Friday im April

Schon als kleines Kind wollte ich Archäologin werden. Mit dem geballten Wissen aus den Terra X Dokumentationen – damals waren die Sendungen tatsächlich noch ziemlich cool – und den „Was ist Was“ Büchern suchte ich verlorene „Schätze“ bei uns im Garten. Da wusste ich noch nicht wirklich auf was ich mich einlassen würde.

Das Ziel verlor ich nie wirklich aus den Augen. Ich besuchte auf den Reisen mit meinen Eltern viele Ausstellungen, Museen und Kulturdenkmäler. Auf dem Gymnasium wählte ich natürlich Latein als 2. Fremdsprache und Geschichte dann im Leistungskurs in der Oberstufe. Doch irgendwie hatte das so alles nicht wirklich viel mit Archäologie zu tun. Nach dem Abitur habe ich mich dann in Vor- und Frühgeschichte, Kunstgeschichte und später dann auch in Klassische Archäologie an der Johannes-Gutenberg Universität in Mainz eingeschrieben. Damit kam ich einen großen Schritt meinem Traum näher, der genauso ernüchtern aussah. Schlechte Jobaussichten, brotlose Kunst und für was mach ich das alles überhaupt?

Aber ich war an der Stelle angekommen, wo ich tatsächlich hinwollte. Ich nahm an diversen Ausgrabungsprojekten im In- und Ausland teil, verdiente mein erstes Geld und bereiste viele Länder. Im fortgeschrittenen Studium fiel zwar dann die Entscheidung auf eine klassische Abschlussarbeit, bei der ich Fundmaterial zweier Fundstellen auswertete, aber auch die berufliche Orientierung mit einem Schwerpunkt auf Depot/Archiv, Fundverwaltung und Datenbankmanagement.

So sammelte ich die ersten Erfahrungen am Römisch-Germanischen Zentralmuseum, wo ich mich unter anderem mit den Original-Inventarbüchern von 1850 des Museumsgründers und dem hiesigen Bildarchiv auseinandersetzte. Diese Arbeit bildete dann nach meinem Abschluss die Grundlage für ein weiteres Projekt bei der Landesarchäologie Rheinland-Pfalz, wo ich noch immer arbeite. Nach einem kurzen Abriss meines Werdeganges zurück zu den eigentlichen Fragen: Szene und Beruf

Regin Leif - Im Gelaende bei der Arbeit(Wie) Lassen sich Gothic und Beruf verbinden und ist das überhaupt wichtig? Welche Abstriche nimmst du bei deinem Äußeren im Kauf oder würdest du in Kauf nehmen?

Es stellte sich mir nie die Frage, ob ich meinen Beruf und meinen Lebensstil miteinander verbinden lässt. Die Szene gehört zu mir und ist eben mein Lebensstil. Wobei ich auch zugeben muss, dass sich in der Archäologie genug „Freaks“ rumtreiben, die dann auch noch irgendwo/irgendwie der Szene angehören. Schwarze Klamotten, Undercut und Springerstiefel sind also nie wirklich groß während dem Studium aufgefallen. Zum Übergang von Studium zum Beruf wurde ich etwas seriöser, aber das Schwarz blieb und ließ ich mir auch nicht nehmen. Auch auf meiner derzeitigen Stelle laufe ich logischerweise schwarz rum – nie übertrieben aufgerüscht, da das einfach im Depot unglaublich unpraktisch ist. Glücklicherweise ist mein Chef auch eher alternativ unterwegs und so sind mir schon beim Vorstellungsgespräch seine Dr. Martens sowie seine schwarze Kleidung aufgefallen ;-)

Welche Vorurteile oder Probleme tauchen im Umgang mit Chefs, Kollegen oder Kunden auf?

Im Umgang mit meinen Chefs und Kollegen hatte ich nie wirklich Probleme. Klar wurde man mal ausgefragt und klar war es irgendwo auffällig, dass ich immer recht flexibel mit meiner Arbeitszeit/Urlaub war AUßER an Pfingsten – da konnte ich nie. Bei Besuchern, Gästen beziehungsweise Kunden wird man zwar ab und an beäugt (vor allem, wenn es dann eher mal die etwas ältere Generation ist), aber damit kann ich gut leben und schwarz wirkt ja auf der anderen Seite sehr edel.

Meist ist auch das Interesse an der Szene deutlich größer als die Abneigung. So kann ich für mich sagen, dass Szene und Beruf bei mir sich wirklich gut miteinander verbinden lassen und ich mir da auch nie wirklich viele Gedanken dazu gemacht habe und machen musste. Glücklicherweise…

Gothic Friday April: Unkonservative Ansichten eines konservativen Berufs (Jana)

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Als Jana Strangeplant die Beiträge zum Gothic Friday im April las, war Sie erstaunt, wie tiefgründig und unterhaltsam die Teilnehmer ihre Erfahrungen im Beruf geschrieben haben. Die Tatsache, dass Sie ihrer Meinung nach keinen „szenetypischen“ und eher konservativen Beruf ausübt hat sie dann angestachelt, selber einen Beitrag zu verfassen. 

Einen spießigen Bürojob könnte ich nie machen!“ Ganz oft habe ich das in meinem Leben gehört, es sogar selbst geäußert. Als es darum ging, sich um einen Ausbildungsberuf zu bewerben, stand für mich fest, dass es einer werden sollte, in dem man schwarze Kleidung ohne Schwierigkeiten tragen und in den man sich einbringen kann, ohne sich zu verstellen und zu verbiegen…

Bestatter war in meinen Vorstellungen ein idealer Beruf. Ich fühlte mich dazu tatsächlich befähigt. Oft wurde und wird mir bestätigt, dass ich ein geduldiger, ruhiger, verständnisvoller Mensch bin, gut zuhören, argumentieren und Rat erteilen kann… Was jedoch die freien Lehrstellen anbelangte, war die Auswahl Mitte der 1990er Jahre recht überschaubar und so musste ich nehmen, was sich darbot.

Nun ja… es sollte sich herausstellen, dass meine beschriebenen Eigenschaften in meinem tatsächlich erlernten Beruf durchaus auch hilfreich sind. Zu uns ins „Büro“ kommen Menschen dann, wenn sie sich gerade in emotional angestrengten Lebenssituationen befinden. Wenn sie verärgert, verunsichert, verzweifelt oder besorgt sind, sich ungerecht behandelt fühlen und Rat suchen. Rechtlichen Rat, denn ich bin Rechtsanwaltsfachangestellte. Neben allerlei „Paragraphenpauken“ organisiere, schreibe, rechne und recherchiere ich, um meinen Chef zu unterstützen. Auf der anderen Seite kämpfe ich oft im Behördendschungel und nicht zuletzt bin ich für die Menschen, die mit uns in Verbindung treten, Ansprechperson und Vermittler zwischen knallharten rechtlichen Tatsachen auf der einen und dem reellen Leben auf der anderen Seite.

Jana Strangeplant - Die konservativeUnd genau das macht für mich den Reiz an meinem Beruf aus. Es ist nicht irgendein Bürojob. Es ist eine besondere Herausforderung. Jeden Tag habe ich Einblick in das Leben der unterschiedlichsten Menschen. Ihre Nöte und Sorgen, ihre Angst und Verzweiflung, aber auch ihr Glück, ihre Freude und Erleichterung. Ich beobachte, wie sie damit umgehen, welche Schlüsse sie ziehen und welchen Einfluss das wiederum auf ihr Leben hat.

Ich war schon immer jemand, der gerne hinterfragt, das ABER in Diskussionen einwirft und auch mal eine Mindermeinung vertritt, nach Alternativen sucht und die Kehrseite der Medaille betrachtet. In meinem Leben und auch durch meinen Beruf habe ich erfahren, dass Recht und Unrecht, Schuld und Unschuld, Gewinn und Verlust, Freude und Leid nicht klar differenzierbar sind, nein sogar eng nebeneinander liegen, sich vermischen und sich einander bedingen. Es lohnt sich immer, das Yin im Yang zu suchen, offen zu sein, für das Positive und die Augen vor dem Negativen nicht zu verschließen. Immer wieder bestätigt sich für mich, dass Menschen, die danach leben, die glücklicheren sind. Diese Erfahrungen gelten für mich beruflich und privat.

Ich finde es nach wie vor wichtig, einen Job zu haben, der mich fordert und mit mir im Einklang steht. Umgekehrt fließt meine Persönlichkeit in die Art und Weise ein, wie ich meine Arbeit erledige. Nur so kann ich sie gut und auch gern machen und selbst mit mir zufrieden sein. Ich denke jeder, der seinen Beruf ernst nimmt und mit Freude ausführt, trägt Erfahrungen daraus mit in sein Leben und bringt seine Persönlichkeit auch in das Berufsleben mit ein. Dann wird es auch geschätzt und anerkannt.

Vielleicht hatte ich Glück bei der Berufswahl und mit den Kanzleien, in denen ich bisher gearbeitet habe, oder es hat sich so entwickelt, weil ich meinen Prinzipien treu geblieben bin. Auf jeden Fall empfinde ich meinen Job als Teil meines Lebens, auch wenn er augenscheinlich mit Gothic nichts zu tun hat.Und dennoch funktioniert es für mich miteinander.

Auch mit meiner schwarzen Kleidung. Ich trage schwarz seit ich 14/15 bin. Selbstverständlich und jederzeit auch auf Arbeit. Vorurteile oder Probleme haben sich daraus nie ergeben. Niemand hat sich – zumindest seit Ende meiner Schulzeit – mir gegenüber negativ deswegen geäußert. Natürlich achte ich auf gepflegte Kleidung und wenn ich morgens im Büro ankomme tausche ich die Schnürstiefel unterm Schreibtisch mit den Pumps oder Ballerinas. Möglicherweise hat der Bürojob auch dazu beigetragen, dass mein Stil privat etwas klassischer ausfällt. Aber prinzipiell trage ich meine schwarzen Miniröcke und Shirts sowohl im Büro als auch privat. Nur halt beruflich ohne Nietengürtel und ohne Löcher in den Strumpfhosen.

Ich kann mir nicht vorstellen, in Job und Privatleben unterschiedliche Personen zu verkörpern. Es macht mich glücklich, dass ich beruflich und auch privat von den Menschen um mich herum (Familie, Freunde, Kollegen und Chef) als die Person geschätzt werde, die ich bin, genauso wie ich bin.

Gothic Friday April: Kreativbombe auf dem Weg vom Hobby zum Beruf (Zæddyst)

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Diese Mail im Gothic-Friday-Account musste herausstechen. Satte 52 MB groß, versprach der Beitrag zum Gothic Friday im April von Zæddyst Blacksun, einige besondere Leckerbissen in Form von Bildern. Denn der Fotograf machte seine Leidenschaft zum Beruf und schickte neben seinen Antworten auf die Fragen auch einige Beispiele seiner Arbeiten.

Welchen Beruf übst du aus oder strebst du an?

Ich bin eigentlich gelernter Altenpfleger. Aus gesundheitlichen Gründen war ich gezwungen, meinen Beruf an den Nagel zu hängen. Ich war schon immer eine „Kreativbombe,“ und viele haben mich gefragt, warum ich meine Hobbies nicht zu meinem Beruf machen möchte und dieser Gedanke begann an mir zu nagen. Momentan bin ich dabei, mich frisch selbstständig zu machen. Das Ganze läuft bei mir zweigeteilt. Auf der einen Seite steht da die Fotografie, mit der auch alles angefangen hat. Das ist in erster Linie das, was ich als „meine Kunst“ bezeichne. Ich liebe es, mein Innerstes in Bilder zu bannen und ebenso liebe ich es, zu provozieren.

Beispielhaft kann man hier glaube ich das „Scar Project“ nennen, eine Fotoserie, die ich gegen Ende 2015 gestartet habe. Ziel dieser Serie war/ist es, genau das in den Fokus zu rücken, was normalerweise versteckt wird: Narben. Dabei war es mir egal, ob es sich um Unfall- Operations-, selbst oder durch Fremdeinwirkung entstandene Narben handelt. Größtenteils sind aber durch Selbstverletzung entstandene Narben dabei. Das Ganze habe ich versucht, in schwarz-weiß und sehr schattig, dunkel und künstlerisch umzusetzen. 08/15 Portraitbilder und Sonnenschein kommen für mich nicht infrage, ich will immer Emotionen mit meinen Bildern hervorrufen, gleich, ob das Geborgenheit, Ekel, Zorn, Liebe, Trauer oder Entsetzen ist. Natürlich mache ich aber auch einfach gerne Bilder mit viel Kunstblut und Portraitshootings mit interessanten Szene-Typen.

Der andere Teil meiner Arbeit besteht aus Pyrografie und Holzarbeiten. Dabei brenne ich Motive in Holzplatten, die man so nie woanders in dieser Form finden würde, wie zum Beispiel Horror-, Gothic, oder Fantasy-Motive. Auch große Karten aus Games oder Mittelerde brenne ich auf Platten, setze Farbakzente und Ornamente ein und lackiere das Ganze anschließend. 2016 habe ich auch angefangen, kleinere Schmuckartikel wie individuelle Runenketten und Ear Plugs zu fertigen. Dazu benutze ich ausschließlich Holz, das ich eigenhändig aus Wäldern zusammentrage und von Hand bearbeite.

(Wie) Lassen sich Gothic und Beruf verbinden und ist das überhaupt wichtig?

Das kann ich als Selbstständiger natürlich von einer sehr freien Warte berichten. Ich mache Szenekunst für die Szene, je abgefahrener, desto besser. Eigentlich geht das Ganze sehr fließend ineinander über, da meine Kunden zum allergrößten Teil aus der schwarzen Szene stammen. Viele Probleme, die andere Szenegänger im Arbeitsalltag haben, fallen bei mir weg.

Ich bin allerdings schon der Meinung, dass man beides bis zu einem gewissen Punkt verbinden können muss. Wenn man beispielsweise seine Optik mehr als ein wenig anpassen MUSS um seinen Job ausüben zu können, so entsteht meiner Meinung nach ein innerer Druck. Dieser innere Druck kann sich negativ auf das eigene Empfinden sowie die Arbeit auswirken. Je freier man sich in seinem Berufsleben entfalten kann, desto entspannter und glücklicher ist man mit seinem Beruf und kann demzufolge auch besser arbeiten.

Welche Abstriche nimmst du bei deinem Äußeren im Kauf oder würdest du in Kauf nehmen?

Keine. Früher habe ich mich minimal an die Wünsche meiner Chefs angepasst, bei Plugs zum Beispiel. Man muss aber irgendwann einen Schlussstrich machen. Ab dem Punkt, wo man sich selbst nicht mehr erkennen kann muss man Schluss machen. Ich habe beispielsweise gekündigt, als ich meine Haare anders schneiden sollte. Heute bin ich da noch ein ganzes Stück radikaler geworden. Ich arbeite um zu leben, ich lebe nicht, um zu arbeiten. Man muss sich selbst die Frage stellen: „Was ist mit wichtiger, mein privates Leben oder meine Arbeit?“ Nach mehr oder weniger überlegen werden die meisten wohl sagen, dass ihnen ihr privates Glück mehr am Herzen liegt. Warum sollte man also den „wichtigsten“ Punkt einem minder wichtigen unterordnen?

Aber auch an dieser Stelle kann ich mir meine Maßstäbe selbst setzen. Ich könnte mir auch das komplette Gesicht zutätowieren. Wenn ich das tue, muss ich selbst mit den Konsequenzen leben, aber niemand verbietet es mir, und das ist mir wichtig.

Welche Vorurteile oder Probleme tauchen im Umgang mit Chefs, Kollegen oder Kunden auf?

Meine Kollegen (oder auch meine „3 helfenden Elfen,“ wie ich sie immer gerne nenne) sind allesamt aus der schwarzen Szene, ebenso 90% meiner Kunden, daher bleibt mir nur kurz und knapp zu sagen: Nein, keine Vorurteile und Probleme.

Gothic Friday April: Schwarz, kreativ und flexibel (Caro)

Im April gibt es diesmal ein ganz alltagstaugliches Gothic-Friday-Thema, es geht um Berufe und Berufung. Die Frage dabei ist, ob es Gothic-typische Berufssparten gibt, ob sich Schwarzgewandete gezielt bestimmte Berufe suchen oder ob es da irgendwelche scheinbaren Gemeinsamkeiten gibt. Ich für meinen Teil kann, wenn ich meinen Freundes- und Bekanntenkreis unter die Lupe nehme, schon bestätigen, dass es viele gibt, die in kreativen oder sozialen Berufen arbeiten. Im Einzelhandel sind auch ein paar, ebenso im Marketing und Kulturbereich, sogar zwei im juristischen Metier, einer ist Archäologe. Eigentlich ein breiter Querschnitt, nur typische Büro- oder „Fließbandjobs“ fehlen gänzlich. Es gibt ein paar, die auch gestylt arbeiten gehen (dürfen), aber die meisten passen sich im Alltag schon ein wenig bis stärker an.

Bevor ich auf die Vereinbarkeit Gruftisein und Job in meinem Fall näher eingehe, skizziere ich erst mal meinen Lebenslauf.

Mein beruflicher Werdegang war ein ganz schöner Zickzack-Kurs, auch wenn sich vieles von dem, was ich zuvor gelernt habe, auch heute noch gebrauchen und nutzen lässt. Und letztlich haben alle meine Berufe, die ich gelernt und ausgeübt habe, als kleinsten gemeinsamen Nenner doch eines, und zwar wird (mal mehr, mal weniger) Kreativität gefordert.

Schon als Schülerin wollte ich am liebsten etwas Kreatives erlernen, Zeichnen, Texten oder Gestalten. Mein Lieblingsfach war Kunst und ich habe auch in meiner Freizeit sehr viel gebastelt und gezeichnet, aber auch Gedichte und lustige bis ernste Texte verfasst. Als ich einmal an einem sehr umfangreichen Test zur Ermittlung der persönlichen Berufs-Eignung teilnahm, wurde mir als Ergebnis unter anderem eine Ausbildung zur Dekorateurin vorgeschlagen. Kunst-Lehrerin wäre ich zwar auch gerne geworden, aber da mein Selbstbewusstsein nicht das stärktste war, gruselte mich doch etwas die Vorstellung, später vor vielen Menschen stehen und reden zu müssen. Dekorateurin/Schauwerbegestalterin klang aber auch interessant, ich mag liebevoll dekorierte Schaufenster und habe schon immer die Regale in meinem Zimmer (und später meiner Wohnung) optisch ansprechend gestaltet. Als Grundschülerin hatte ich eine „Schatzecke“ in einem Schrankfach, in der ich Federn, Steinchen, allerhand Nippes und Fotos anordnete. Auch archäologische Restauration hätte mich gereizt, aber da war es sehr schwer, überhaupt ranzukommen.

Dunkle Deko

Caro und die Schaufensterpruefung
Mein Prüfungs-Schaufenster, bei dem alle Einbauten selbstgebaut sein mussten. Der Aufbau erfolgte in einer Halle.

Also entschloss ich mich, trotz bestandenem Abitur, zu einer Ausbildung zur Schauwerbegestalterin und ergatterte 1995 sogar einen sehr begehrten Ausbildungsplatz in einem großen Kaufhaus – aus über 80 Bewerbern als einzige ausgewählt zu werden, machte mich unheimlich glücklich und stolz. Ich nahm damals an einem Einstellungstest teil, und als wir zum Schluss mit einer Zange aus einem Stück Draht ein Weihnachtssymbol biegen sollten, bastelten alle anderen Sterne und Tannenbäume. Ich baute einen Engel, dessen Flügel ich nach hinten wegbog, so dass die Figur dreidimensional wurde. Das war der Grund, weshalb sie mich nahmen. Leider nütze mir meine doch etwas „unkonventionellere“ Kreativität nur hier etwas, später in der Ausbildung gab es hier doch öfter Reibereien, da ich mich stärker „austoben“ wollte, als ich durfte.  Die Ausbildung machte zwar Spaß, aber ich merkte schon bald, dass man längst nicht so frei arbeiten konnte, wie man wollte. Gerade in Filialunternehmen gibt es oft Vorgaben, wie genau eine Deko auszusehen hat (oft ein Foto/Skizze zum Komplett-Nachbauen). Dann verbringt man, wenn es um Bekleidung geht, einen nicht unerheblichen Teil der Arbeitszeit damit, Klamotten zu bügeln und fehlende Arme an Schaufensterpuppen aus Kartonresten wieder anzubasteln :-( Ich hatte auch das Pech, in der Ausbildung eine direkte Vorgesetzte zu haben, mit der ich nicht klar gekommen bin. Schüchtern wie ich war, traute ich mich nicht, Grenzen zu setzen, und wurde zum Teil ganz schön schikaniert. Dennoch zog ich die Ausbildung durch und schloss mit „sehr gut“ ab, was mir etwas Genugtuung verschaffte gegenüber der blöden Vorgesetzten.

Leider hatte ich nach der Ausbildung einiges Pech mit verschiedenen Anstellungen, was ich mir damals sehr zu Herzen nahm. Obwohl mir immer wieder gesagt wurde, dass ich gut arbeite, kam ich nie über die Probezeit hinaus. Bis mir später jemand mal steckte, dass es in dieser Branche häufig vorkommt: wenn eine Ladeneröffnung, Ostern, Weihnachten oder andere umfangreiche Umdekorationen anstehen, werden neue Leute eingestellt, jedoch lediglich als inoffizielle Kurzzeit-Unterstützung. Das sagt einem natürlich keiner… und wenn dann nicht mehr gebraucht wird, weil weniger Arbeit anfällt, und man ein unnützer Kostenfaktor wird, wird einem wieder gekündigt. In der Probezeit brauchen sie ja keine Kündigungsgründe angeben! Und der neue Mitarbeiter gibt in der Probezeit alles, weil er den Job ja behalten will, kommt selbst noch krank zur Arbeit, hat keinen Urlaubsanspruch… Diese Ausbeutungsmentalität hat mich sehr erschreckt. Inzwischen hatten sich auch die Berufsaussichten für Dekorateure verschlechtert, weil immer mehr Schaufenster zu Verkaufsfläche wurden und die Verkäufer notfalls ja auch eine „Puppe“ anziehen können, man so Kosten einspart. Ich befand mich also gefühlt und tatsächlich in einer Sackgasse und suchte nach einem Ausweg.

Gruftige Grafik

Während eines Deko-Jobs in einem Möbelladen hatte ich zugleich sehr viel mit Blumen und Pflanzen gearbeitet, daher dachte ich zunächst an eine Umschulung zur Floristin. Das Arbeitsamt genehmigte mir jedoch leider keine Umschulung, da ich ja offiziell in meinem Ausbildungsberuf noch als vermittelbar galt… Und letztlich schreckte mich das dann doch sehr geringe Gehalt eines Floristen etwas ab. Der Versuch, doch noch Grafikdesign oder Kunst auf Lehramt zu studieren, scheiterte an den Aufnahmeprüfungen, unter anderem, weil ich damals noch kaum  Computerkenntnisse besaß. Auch eine Umschulung zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien hätte mich gereizt, aber das wurde mir ebenfalls vom Amt verwehrt. Als Alternative bot mir das Arbeitsamt eine Weiterbildung zum dtp-Operator an, also Grafik in Verbindung mit Layout und Drucktechnik, von allem etwas. Das klang auch gut, ich nahm an und besuchte nun für anderthalb Jahre einen Bildungsträger. Das war schon eine coole Zeit, sehr interessant (Bildbearbeitung, Computergrafik, Webdesign, Druckvorstufe, Layout), aber leider umsonst. Denn obwohl ich auch hier mit „sehr gut“ abschloss, bekam ich ohne Berufserfahrung einfach keinen Job! Ich machte mehrere Praktika, baute mir eine eigene Webseite, bewarb mich bundesweit – aber erfolglos. Ich war verzweifelt. In den Praktika war es gut gelaufen, aber sie reichten natürlich nicht aus. Es gab jede Menge jobsuchende Grafiker, die mehr Erfahrung vorweisen konnten. Wieder eine Sackgasse! Zunächst versuchte ich noch, meine Chancen durch private Fortbildungen und Kurse zu verbessern. Doch fand ich damals wenig Brauchbares an Fernstudien für Berufsgrafik, mehr etwas für Hobbyanwender.

Bio-Boom

Wie es der Zufall wollte, stieß ich bei meinen Fernstudien-Recherchen auf einen umfangreichen Lehrgang zur Naturkost-Fachberaterin. Zum einen hat mich Ernährungswissen und Lebensmittelkunde schon länger interessiert, ich koche auch sehr gern mit allerhand Getreide- und Reformhauszeugs, und zum anderen begann gerade der Bio-Boom, so dass die Job-Aussichten im Anschluss nicht schlecht aussahen. Ich kniete mich total rein, paukte wie eine Besessene (Zeit hatte ich als Arbeitslose genug) und suchte mir Praktika in einem Bioladen und Reformhaus. Ziemlich schnell nach erfolgreichem Studienabschluss bekam ich dann auch eine befristete Anstellung in einem Reformhaus – witzigerweise durfte ich dort sogar Schaufenster dekorieren und Werbematerial wie Prospekte gestalten. Leider war es nur befristet, so dass ich wieder suchen musste. Diesmal klappte es aber wirklich mit einer Anstellung in einem Naturkostsupermarkt. Ich hatte lange Zeit auch viel Freude an der Arbeit, vor allem an der schönen Präsentation der Waren (da kam die Deko-Tante wieder durch) und der Kundenberatung. Leider wurde im Laufe der Zeit jedoch immer mehr an Personal gespart, die Arbeit wurde immer stressiger. Unter Zeitdruck arbeite ich nur ungern, ich mache gerne etwas zu Ende, bevor ich was anderes mache, und schon gar nicht mehreres gleichzeitig. Jetzt musste jeder die Arbeit von zwei, drei Leuten machen und es war nur noch unbefriedigend. Gleichzeitig Brot, Käse und Wurst bedienen und dazu noch die zweite Kassenkraft sein, sobald mehr als 3 Kunden an der Hauptkasse anstehen – das schlauchte. Hinzu kam der ständige Schichtdienst, oft mit sogenannten „kurzen Wechseln“, zwischen den Schichten lagen oft nicht mal die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhestunden. Ich wurde immer öfter krank, bekam schließlich Asthma, igelte mich nach der Arbeit nur noch zu Hause ein, soziale Kontakte litten. Da dachte ich erneut daran, so geht es nicht weiter! Ich wollte mich wieder mehr auf das konzentrieren, was mir Spaß macht, anstatt immer mehr die Freude an der Arbeit zu verlieren. Was mir am meisten lag, war beraten und kreative Lösungen suchen. Lösungen suchen…. ich suchte….

Du bist, was du isst

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Ein von mir aufgebauter Getränke-Infostand auf einem Schulfest.

…und fand schließlich tatsächlich eine: Ernährungsberatung! Die hatte ich im Laden zum Teil schon durchgeführt, da Naturkost-Fachleute auch ein umfangreiches Ernährungs-Fachwissen lernen, wie zum Beispiel die Ernährung von Schwangeren, Stillenden und Allergikern. Ich freute mich immer, wenn ich Kunden weiterhelfen konnte, die entweder ein Ersatzprodukt suchten, ihre Ernährung umstellen wollten oder Fragen zu den bioladen-spezifischen Produkten hatten. Ein Ökotrophologie-Studium hätte leider einiges an erneuter Zeitinvestition und finanzieller Unsicherheit bedeutet, aber zum Glück entdeckte ich, dass derselbe Bildungsträger, bei dem ich das Naturkost-Fernstudium absolviert hatte, auch einen Lehrgang zum Ernährungs-Coach anbot. Hinzu kam das unverschämte Glück, dass ich viel Zeit und Kosten sparen konnte, da sich einige Lehrbrief-Inhalte beider Kurse überschnitten! So konnte ich in nur 4 statt 10 Monaten den Kurs berufsbegleitend machen. Der Nachteil war, das ich als nicht klassisch Studierte keine Anerkennung der Krankenkassen bekam, mir also nur der Schritt in die Selbständigkeit blieb, sofern mich keine Praxis oder andere Institution in Ernährungsfragen einstellte. Ich putzte Klinken wie verrückt, baute mir eine neue Webseite und auch ein Netzwerk mit Praxen, Beratungsstellen und Bildungsträgern auf – und landete schließlich in der Erwachsenenbildung und als Leiterin von Kochkursen an Schulen (selbständig). Das ging ein paar Jahre gut, hat mich sehr, sehr beschäftigt und zum Teil auch sehr beglückt, aber leider irgendwann auch wieder sehr frustriert. Die Seminare wurden eingestellt nachdem der Bildungsträger verkauft wurde. Den Schulen wurden nach und nach Gelder gestrichen, ein längeres Ernährungserziehungs-Projekt an einer Schule wurde von Lehrern und Eltern torpediert. Ich brachte das Projekt noch zu Ende und überlegte, was ich nun machen könnte, um wieder mehr finanzielle Sicherheit zu haben. Es war mir zwar nie wichtig, viel Geld zu verdienen, aber ein gewisses Maß an Sicherheit möchte ich doch haben.

Hungrige Mäuler stopfen

Ich ließ mich nicht entmutigen – wieder mal war Lösungsfindung angesagt (ist ja kreativ). Warum nicht FÜR Kinder kochen, wenn ich schon MIT Kindern gekocht habe und in Seminaren über Kinderernährung dozierte? Also putzte ich wieder Klinken bei Kitas und Jugendprojekten, ob sie nicht eine Köchin bräuchten, die sich in Fragen zu Kinderernährung und Allergien gut auskennt. Ich bot an, auch erstmal als Vertretung zu arbeiten, was letztlich dankbar aufgenommen wurde. So durchlief ich einige Kitas, lernte immer mehr hinzu und hatte überraschend viel Erfolg: in fast allen Kitas, in denen ich kochte, hätten sie mich im Anschluss am liebsten weiterbeschäftigt! Das tat meinem etwas angeknacksten beruflichen Selbstbewusstsein unglaublich gut, zumal ich ja Quereinsteigerin bin, keine ausgebildete Köchin. Doch es fiel mir überhaupt nicht schwer, mich in die „Massenverpflegung“ hineinzufinden, zumal es immer kleine, familiäre Kitas waren, in denen ich arbeitete. Inzwischen habe ich einen befristeten Vertrag bekommen, mit recht guten Aussichten auf anschließende Weiterbeschäftigung. Die Arbeit macht Spaß und Kochen ist letztlich auch eine kreative Tätigkeit, zumal ja noch einiges an Organisation und Planung hinzukommt. Ich hoffe, dass ich jetzt wirklich mal „angekommen“ bin und diese Arbeit noch lange mit Freude machen kann.

Hier beim Kochen mit Kindern in einem Ferienprojekt:

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Grufti bei der Arbeit

Bisher hatte ich das Glück, mich mit meinem Äußeren nicht allzusehr an irgendwelche gesellschaftlichen Normen anpassen zu müssen. In der Deko-Branche gab es nie Probleme mit einem etwas „anderen“ Outfit, es wurde sogar eher gut gefunden, dass sich ein kreativer Mensch auch optisch etwas abhebt und mutiger ist. Dennoch bin ich nie heftig gestylt arbeiten gegangen, zu unpraktisch durften die Sachen beim Herumwerkeln schließlich auch nicht sein und es reichte mir, mich durch bunte Strähnen, „Katzenaugen“ und dunkle Kleidung ausdrücken zu können.

Im Bioladen hatten wir anfangs einfach eine Schürze über unserer Alltagskleidung, da hatte ich auch ziemliche Narrenfreiheit, zumal außer mir noch ein Punk und ein Heavy Metal-Freak bei uns arbeiteten. Die Bio-Szene ist ja auch zum Großteil etwas alternativer. Später gab es leider einheitliche Arbeitskluft, zum Glück in Dunkelblau (beim Reformhaus-Praktikum war es neongrün, da fühlte ich mich schon reichlich komisch drin), das ging noch. Bei einem Käppi hätte ich allerdings gestreikt ;-)

Während meiner Selbständigkeit schwankte ich im Kleidungsstil zwischen praktisch-unempfindlich-schwarz (Kochkurse), schlicht schick schwarz (Beratung) und dunkelbunt-elegant (Seminare), letzteres war schon das Harmloseste, was ich bislang aufbieten musste. Beim Kochen habe ich jetzt das Glück, dass es auch schwarze Kochbekleidung gibt, und meine Chefin sich auch mit simplen schwarzen Shirts arrangieren konnte. Ein Zugeständnis an meinen jetzigen Job habe ich jedoch machen müssen: wieder in die Kirche einzutreten (heutzutage eigentlich unsinnig, sowas, zumal wenn’s nur auf dem Papier ist).

Schminken und Haare stylen mach ich derzeit nur selten, da ich für meine furchtbaren Haare keine befriedigende halbwegs flippige Alltagslösung gefunden habe und da meine Augen auch häufig gereizt sind, fällt Schminken oft aus. Durch die Brille, die ich erst recht spät bekam, habe ich eh nur noch wenig Lust, mich zu schminken – sieht man ja dann kaum. Aber ich würde schon gerne auch im Alltag (wieder) mehr aus mir machen. Eine sowohl-flippige-als-auch-alltagstaugliche Frisur, die bei mir nicht schon nach wenigen Stunden zusammenfällt, das würde mich schon sehr glücklich machen. Irgendwie möchte man sich ja doch äußerlich ausdrücken, für sich selbst ansehnlich finden. Ich suche auch hier (noch) nach einer idealen Lösung… ;-) Es ist ja auch die Frage, wie viel Zeit man morgens im halbgaren Zustand für sein Styling investieren möchte. Da ist mir etwas mehr Schlaf mittlerweile wichtiger als äußerliche Selbstverwirklichung. An freien Tagen genieße ich es allerdings schon, einfach das anziehen zu könne, worauf ich Lust habe, und niemand mir da reinreden kann. So fühle ich mich dann auch am wohlsten.

Ich muss nicht auf Biegen und Brechen deutlich als Grufti erkennbar sein, aber meinen Anspruch an eine gewisse Ästhetik ausleben dürfen. Jeden Tag auf der Arbeit auch stilistisch in eine komplett andere Kluft zu schlüpfen, ist für mich irgendwie seltsam, fühlt sich fremd an. Aber das geht dem Banker, der am Feierabend wieder vom Anzug mit Schlips in seine geliebten Jeans und das Lieblings-Shirt wechselt, vermutlich ebenso. Das ist nichts speziell Gruftiges. Ich für meinen Teil kann mit Kompromissen in Bezug auf Arbeitskleidung leben, sofern mir eine gewisse Narrenfreiheit in Sachen Frisur und Haarfarbe gewährt wird. Zum Glück ist es heutzutage und besonders in einer Großstadt kein Stein des Anstoßes mehr, bunte Haare oder Strähnen zu haben. Tattoos und heftige Piercings habe ich keine und will auch keine, daher mache ich mir darum keine Gedanken. Mein kleiner Nasenstecker hat bislang auch noch keinen gestört. Gruftis werden von der Gesellschaft immer mehr akzeptiert, daher stellt sich heute nicht mehr so deutlich wie noch in der 80ern oder 90ern die Frage, inwiefern man seine Szenezugehörigkeit nach außen tragen kann, wenn man ins Berufsleben eintritt. Und das ist etwas, das ich sehr genieße, denn ich bin jemand, der es hasst, aufgrund seines Äußeren mit Vorurteilen und fiesen wie falschen Klischees konfrontiert zu werden.

Gothic Friday 2016: SchwarzArbeit – Zwischen Beruf und Berufung.

Neues Thema für den Gothic Friday von Spontis – dieses Mal kann ich auch keinen alten Beitrag verlinken, es ist ein komplett neues Thema. Und sehr spannend. Es sind vier Fragen gestellt, die mir das Schreiben etwas einfacher machen.

Welchen Beruf übst du aus oder strebst du an?

Ich habe nach meinem Abitur 2009 eine Ausbildung zur Fachinformatikerin für Systemintegration angefangen. Einige Bewerbungen für den Ausbildungsplatz hatte ich abgeschickt, wäre das nichts geworden, hätte ich wohl Lehramt studiert. Ich hatte aber zum Schluss drei Angebote für einen Ausbildungsplatz.

Weil ich doch ganz gut war, habe ich mit einem Schulkameraden ein halbes Jahr verkürzt und bin seit Januar 2012 staatlich geprüfte Fachinformatikerin.

(Wie) Lassen sich Gothic und Beruf verbinden und ist das überhaupt wichtig?

In meinem Beruf ist das recht einfach. Hätte ich studiert, wäre das wohl anders geworden. Meinen Pfingsturlaub macht mir keiner streitig und auch sonst gibt es wenig Probleme. Es gibt aber irgendwie auch nicht viele Punkte, wo ich das als Problem sehe. Gothic ist ein Teil von mir, ich bin einfach eine Gruftschnecke. Das hört nicht auf, wenn ich mit morgens an der Zeiterfassung einbuche. Wenn ich die Wahl habe, entscheide ich mich für den schwarzen Monitor statt dem weißen – weil ich es schöner finde. Wenn ich Dinge personalisieren kann, dann ist es eher gruftig. Soweit es geht und soweit es die Kollegen auch haben. Viel mehr Berührungspunkte gibt es auch eigentlich nicht. Büro ist Büro, Zuhause ist Zuhause.

Welche Abstriche nimmst du bei deinem Äußeren im Kauf oder würdest du in Kauf nehmen?

Ich trage aus praktischen Gründen keine Röcke oder Kleider bei der Arbeit – dafür krabbel ich zu häufig unter Tische oder steige auf Leitern. Ansonsten schminke ich mich nicht so stark wie zu anderen Gelegenheiten. Was eventuell auch am Zeitdruck morgens liegt. Da kein Kundenkontakt besteht, ist trotz Anstellung im öffentlichen Dienst vieles möglich. Ich bin schon mit sehr bunten Haaren arbeiten gewesen, das fanden sogar viele Kollegen recht schick. Die Schuhwahl ist durch die Auflage, Sicherheitsschuhe in vielen Bereichen zu tragen, recht eingeschränkt. Finde ich aber auch nicht schlimm. Die Wetterschutzjacke mit schicker oranger Schulterpartie… nun ja. Sie hält mich trocken und warm. Das ist hier am Kanal schon von Vorteil. In der Freizeit greife ich da lieber zu dezenteren Schwarztönen.

Welche Vorurteile oder Probleme tauchen im Umgang mit Chefs, Kollegen oder Kunden auf?

Wenige. Wobei mein Job auch eine Männerdomäne ist – ich bin allein mit vielen Männern in der Abteilung. Ab und zu mal ein Spruch, wenn die Haare wieder bunt waren – das aber auch eher freundlich und anerkennend. Immerhin wusste immer sofort jeder, wer gemeint war, wenn es hieß „die Dame mit den bunten Haaren war hier“ – auch gut. Schwarze Kleidung ist kein Problem, das machen die anderen Metalheads hier ja auch. Ich achte natürlich darauf, welche Bandshirts ich anziehe. Auswahl ist zum Glück in ausreichender Menge vorhanden. Meine Urlaubsvorlieben sind auch akzeptiert – Pfingsten ist nun mal fest. Dafür bin ich dann auch in anderen Ferien oder an Feiertagen bereit zu arbeiten oder Bereitschaft zu machen. Geht alles.

Gothic Friday April: Auf dem Weg der Antworten (Morella)

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Morella schickt uns mit Ihrem Beitrag zum Gothic Friday im April auf eine Rätselreise. Schon während der ersten Zeilen dachte ich: „Was macht Sie denn nun?“ und konnte nicht aufhören zu lesen, bis ich eine Antwort fand. Daher erscheint der Titel „Auf dem Weg der Antworten“ wie Morella ihren eigenen Beitrag nennt, auch mehr als passend. Findet heraus, wie Sie Ihre Neigungen zum Berufsziel gemacht hat.

Nun möchte auch ich darüber sinnieren, warum ich eigentlich genau hier stehe und warum die Szene etwas damit zu tun hat.

Beginnend von klein auf, wurde ich wohl eher zu den „Naturburschen-Mädchen“ gezählt, die eine Ronja Räubertochter und Bibi und Tina Philosophie hatten. Viel Phantasie, viele Ideen und äußerst aktives Dasein und Denken wurde an den Tag gelegt. Ich weiß noch der kleine Vampir, war damals einer meiner liebsten Kindersendungen und ich versuchte mich beim Milchzahnauswurf immer und immer wieder in der perfekten Vampirrolle, als ich nur noch beide Eckzähne stehen hatte. Ich fand diese Gruselatmosphäre und das Vampirdasein und dem darüber nachdenken wie das wohl sein würde, super toll.

Also mal eben zusammengefasst, düster und ein bisschen speziellere Interessen und Philosophien auf Kinderbeinen.

Mit Beginn der Teenie Zeit und der Suche nach dem passenden Selbst, probierte ich mich zunächst in der Punkerszene aus. Dort fand ich die ersten Kontakte, die dann in ähnlicher Weise Interesse hegten. Auch der Musik, die inzwischen ein unheimlich wichtiger Begleiter in meinem Leben war, wurde hier eine große Wertschätzung entgegengebracht. Es wurden viele Konzerte besucht und sozial kritische Themen kamen auf den Tisch und man philosophierte so rum. Bei den dort gefundenen Kontakten lernte ich neben dem Punkrock auch Musik aus dem zugeschrieben Genre „Gothic“ kennen. Irgendwie meinte ich nun endlich einen Stil mit Namen gefunden zu haben, der mich bewegt und mit dem ich mich unheimlich wohl fühlte. Irgendwann wurde auch Postpunk/Batcave ein Thema und der wunderbar punkige Charme gekreuzt mit der herrlich düsteren Weise war für mich ein absoluter Treffer. Ich ging meinen Interessen nach und besuchte nun eher Konzerte und Veranstaltungen aus dem Genre, lernte neue Kontakte kennen und nistete mich hier erstmal ein. Ich hatte also Menschleins gefunden, die meine Interessen teilten und mir offensichtlich doch etwas ähnlich waren. Prima und die hatten sogar nen Namen…“Gruftis“.

Nun ich war also völlig begeistert von den vielen Gemeinsamkeiten und dachte, wir müssen doch alle in ähnlicher Weise „ticken“. Im Laufe der Jahre habe ich viele Menschen in der Szene kennenlernen dürfen und merkte, trotz all dieser Gemeinsamkeiten, sind wir doch so verschieden. Jeder hat eine andere Auffassung von Szene, Gothic, dem Ausleben, dem Miteinander…..Die Szene ist so vielfältig und zu Recht kann man fragen „welche Szene“ um zu erfahren, was ein einzelner Interaktionspartner nun darunter versteht und ob in der jeweiligen Welt der Person nun das „Gruftidasein“ das ist, was es für den anderen auch ist, oder ob lediglich gleiche Worte mit unterschiedlichen Inhalten verwendet werden.

Ich denke, dass meine Erfahrungen in der „Gothicszene“ (Irgendwie sind wir so gleich und doch so anders) nun ausschlaggebend dafür waren, dass ich anfing, mich besonders für das Thema Mensch und all seine Facetten zu interessieren. Wie kann es sein, dass er so und so ist, denkt, handelt. Wie kann man das überhaupt in Worte fassen? Ich wollte mehr verstehen und behandelte die ersten psychologischen Themen.

Neben dem beständigen Musikthema und den Anfängen der CD Sammlerei (Ich liebe es die Hüllen in der Hand zu halten, ein Booklet herausholen zu können und eine CD in den Player schieben zu können), hatte ich auch meinen bevorzugten Filmstil gefunden. Eine Suppe aus Kontrovers, Drama, Psycho und Horror bekam mir besonders gut. Das Dessert stellten Dokumentationen dar, insbesondere von großen Kriminalfällen. Irgendwann zogen dann also auch solche Fragen in mein Gedankengut und ich wollte verstehen, wie es zu delinquentem Verhalten kommen kann. Großartige Bücher über das Milgram Experiment oder Stanford Prison waren einer der ersten Begegnungen.

Was ich dort fand, war die Erkenntnis – um es mal in Alien Sex Fiends Worten sagen zu wollen – , dass die Linie auf der wir uns bewegen, die zwischen beispielsweise Totschläger und nicht Totschläger unterscheidet, so zart ist und wie relativ die Aussage „niemals“ besonders in diesem Kontext ist.

Ich denke es sollte nach all dem Herleiten nun keine Überraschung mehr sein, dass ich mich zum Studium der Psychologie entschied und im Schwerpunkt der Rechtspsychologie auch voll nach meinen Interessen gehe.

Ein Resümee:

Neben meinen Neigungen haben mich also auch die Auseinandersetzung mit der schwarzen Szene zu meinem beruflichen Werdegang gebracht. Mein großes Interesse an „düsteren“ Themen brachte mich quasi von Rüdiger dem kleinen Vampir, über die Szene insbesondere die Musik, zu sexualdelinquenten Menschen, Mördern und Totschlägern. Als kleine Randbemerkung zur Kleidung und Erscheinung, in gedeckten Farben fühlte ich mich schon immer am wohlsten. Hatte trotz der Begegnung in der Punkerszene nie wirklich den Anspruch sonderlich ausgefallen auftreten zu wollen. Ich freue mich nun in einem Bereich sein zu dürfen, in dem das überwiegend schwarz gekleidet sein, kein relevantes Thema darstellt, weil der Fokus auf anderen Themen liegt.

Gothic Friday April: Melancholie ist das Vergnügen, traurig zu sein (Diana)

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Diana hat einen für mich faszinierenden Szeneeinstieg hingelegt. Sie trug nicht etwa die Szenezugehörigkeit in ihren Beruf, sondern der Beruf machte Sie in gewisser Weise zu dem, was Sie heute ist. In ihrem Beitrag zum Gothic Friday Thema im April gibt Sie uns einen kleinen Einblick in ihre Haltung und Lebenseinstellung, die Sie sich in ihrem Beruf als Erzieherin weitestgehendst erhalten kann. 

Welchen Beruf übst du aus oder strebst du an?

Ich bin gelernte Heimerzieherin. Meine Ausbildung habe ich vor 26 Jahren gemacht, damals noch als eine der letzten speziellen Klassen, die auf den Heimbereich spezialisiert waren. Danach habe ich elf Jahre im Kinderheim gearbeitet. Während dieser Zeit wurde ich schleichend, was ich heute bin: schwarz. Durch einen Jugendlichen unserer Wohngruppe. Anfangs war es reines Interesse für den Jugendlichen. Aber sehr bald erkannte ich mich selbst in vielen „schwarzen Themen“ wieder. Durch meine drei Kinder, die ich zwischendurch bekommen habe, war ich insgesamt acht Jahre in Elternzeit. Währenddessen habe ich aber immer ein paar Stunden weiter gearbeitet. Dann merkte ich irgendwann, dass ich mich beruflich neu orientieren wollte.

Also machte ich eine Zusatzausbildung als Systemische Familien- und Sozialberaterin. Im Anschluss arbeitete ich ein halbes Jahr als Betreuerin für psychisch kranke Erwachsene. Die Arbeit war auch toll und spannend, aber sie raubte mir zuviel Energie, machte mich selber psychisch fertig. Das war eigentlich nicht das, was ich wollte. Also versuchte ich mein Glück im Elementarbereich, also in einer Kindertagesstätte (KiTa) für Null bis Dreijährige. Anfangs war es schwer für mich, aber nun, nach fünf Jahren in diesem Bereich kann ich voller Überzeugung wieder sagen: ich habe den besten Job der Welt!

(Wie) Lassen sich Gothic und Beruf verbinden und ist das überhaupt wichtig?

Eine gute Frage. Mir ist das schon wichtig, den ich BIN schwarz. Durch und durch. Ich möchte auch Kleidungsmäßig das tragen, was ich möchte. Und das ist nun mal schwarz. (Plus meine Schwäche für rote Schuhe…) Ebenso sind mir „meine wichtigen Themen“ immer wichtig, privat wie auch beruflich. Ich kann mir nicht vorstellen, meine Szenezugehörigkeit zur Gothic-Szene an einer Einrichtungstür abzulegen, innerlich wie äußerlich.
Für mich steht Gothic auch in keinster Weise meinem Beruf als KiTa-Erzieherin im Wege. Für mich ist Gothic zutiefst positiv, da ich meinen negativen Gefühlen ja Ausdruck verleihe. Ich kann die negativen Gefühle voll ausleben, frei nach dem schönen Motto: „Melancholie ist das Vergnügen, traurig zu sein.“ Und gerade dann kann ich auch all meine positive Energie authentisch nach außen tragen! Ein schönes Gleichgewicht!

Welche Abstriche nimmst du bei deinem Äußeren im Kauf oder würdest du in Kauf nehmen?

Klar trage ich bestimmten Schmuck nicht, da ich sonst damit die Kinder verletzen würde. Alles, was Nieten hat, trage ich nicht bei der Arbeit. Aber ich trage durchweg schwarz, auch viele Totenköpfe. Die älteren Kids finden das sogar cool: sie sehen es als ein Piraten-Outfit! Und meine Schwäche für die „Minions“, „Wonder Woman“ oder „Hello Kitty“ kommt mir da ja auch entgegen! (Ja, das gibt es auch in schwarz!)
Ich könnte mir nie vorstellen, jeden Tag in „Berufskleidung“ herumzulaufen. Einzige Ausnahme habe ich beim Vorstellungsgespräch gemacht: da trug ich etwas weniger schwarz, als sonst.

Welche Vorurteile oder Probleme tauchen im Umgang mit Chefs, Kollegen oder Kunden auf?

Einmal habe ich in einer KiTa schlechte Erfahrungen gemacht: die Chefin dort war früher selber mal „schwarz“. Nun war sie das aber nicht mehr und kleidete sich sehr bunt, was offensichtlich für sie ein Zeichen von „Erwachsen sein“ geworden war, was sie auch so äußerte. Dumm nur, dass ich nun also zu meinem Schwarz sein stand. Noch in der Probezeit bekam ich von heute auf morgen meine Kündigung mit dem Hinweis, ich solle meine Probleme in den Griff kriegen.

Ansonsten habe ich aber keine Probleme oder Vorurteile erlebt. Ich bin auch an mehreren Stellen tätowiert, was aber nie ein Unbehagen ausgelöst hat. Die Kinder fragen einfach oder die ganz Kleinen reißen schon mal an meinem Shirt, um die Engel auf meinem Dekolletee vollständig sehen zu können. Auch Eltern und Kollegen waren und sind mir gegenüber immer positiv aufgeschlossen gewesen. Ich denke, das liegt auch daran, dass ich ein positiver herzlicher Mensch bin und es so zweitrangig ist, welche Farbe meine Kleidung hat. In meiner derzeitigen Arbeitsstelle habe ich eine Kollegin, die auch schwarz ist, was ich logischerweise ganz toll finde!