Berlin Utopienkadaver: Die letzten Atemzüge einer Subkultur

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Der Traum vom autonomen Lebensentwurf abseits kapitalistischer Strukturen scheint ausgeträumt. Die Hausprojekte, die Berlin einst zum kulturellen Schmelztiegel gemachten haben, sind nahezu ausgestorben. Im Gentrifizierungswahn der Hauptstadt haben linksautonome Orte keinen Platz mehr. Der Autor und Regisseur Johannes Blume liefert mit dem Film „Berlin Utopienkadaver“, der in der ZDF-Mediathek zu sehen ist, eine bittere und unkommentierte Innenansicht der letzten Hausprojekte.

Die Skepsis gegenüber der Medien innerhalb der Szene war stets groß, doch Johannes Blume brachte rund 20 Bewohnerinnen und Aktivisten verschiedenster Projekte dazu, von den Räumungen und den daraus resultierenden Konsequenzen zu berichten. Punks, queere Menschen, Handwerker, Artisten und Musiker*Innen, Veteranen dieser Subkultur und nicht zuletzt ein singender Taxifahrer.

Er möchte mit einigen Vorurteilen gegenüber dieser Subkultur aufräumen und lässt den Aussagen der Szene viel Raum in der Dokumentation. Der Wunsch nach alternativen Räumen und Rückzugsorte ist stark, während gleichzeitig versucht, das ehrenamtliche Engagement der Szene in den Vordergrund zu stellen. Kostenlose Unterkunft für Wohnungslose, Suppenküchen und ehrenamtliche soziale Arbeit.

Die kämpferischen Attitüden der Protagonisten enden, wie die Dokumentation, in Resignation. Ersatzräume, die zur Verfügung gestellt wurden, schränken eher ein, als die Wünsche der Menschen zu erfüllen. Die Szene wurde letztendlich von Gentrifizierung und Spekulation zur Randerscheinung einer „modernen“ Gesellschaft degradiert.

In einem Artikel der TAZ wird das ganze Drama um neue Räumlichkeiten, die man beispielsweise der „Potse“ einem der ältesten selbstverwalteten Jugendzentren in Berlin zur Verfügung gestellt hat, geschildert und zeigen gleichzeitig die ganze Absurdität von stadtplanerischer Jugendarbeit. In den alten Räumlichkeiten buhlt ein weiterer Coworking-Space um Kundschaft bei einer jungen und hippen Zielgruppe. Die Menschen aus der Potse, die dort einen Platz gefunden haben, sich auszuleben und auszuprobieren, zählen sicher nicht dazu.

Die Protagonisten und Protagonistinnen aus "Berlin Utopiekadaver" setzen sich mit der zunehmenden Gentrifizierung ihrer Stadt auseinander.
Die Protagonisten und Protagonistinnen aus „Berlin Utopiekadaver“ setzen sich mit der zunehmenden Gentrifizierung ihrer Stadt auseinander. | © ZDF und Johannes Thieme.

Gruft-Orakel März 2024: Die Fledermaus ist heute mal asozial

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Ein unerträglicher Geruch macht die Fledermaus völlig nervös. Trotz ihrer sensiblen Sinne kann sie nicht orten, woher die Quelle des Gestanks liegt. Liegt es am Werwolf und seinem feuchten Fell? Hat die Grableuchte möglicherweise ihre Kappe angefackelt? Möglicherweise ist es auch der Vampir, der schon wieder keine Zahnseide benutzt hat. Ihr Blicke schweifen in die Runde. Einen schönen Filmabend wollte man sich machen. Beisammensitzen, Blut schlürfen und frittierte Fingerspitzen knabbern. Und jetzt dieser Geruch! Vielleicht hat der Wiedergänger ein neues Duschgel vom Discounter? Oder der Sarg hat sich nach seinem letzten Besuch nicht gebadet? Es könnte aber auch das neue Parfüm von Alana Abendroth sein! Bevor die Fledermaus noch wahnsinnig wird, flattert sie lieber in das alte Vogelhäuschen vor der Tür und guckt den Rest von der Komödie „Nosferatu“ kopfüber durch das Fenster.

Gruft-Orakel März 2024

 

 

Wave-Gotik-Treffen 2024 – Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Immer wieder tauchen Fragen zum Wave-Gotik-Treffen auf, die an verschiedenen Stellen beantwortet werden. Wir haben uns bemüht, die häufigsten Fragen hier zu sammeln und adäquat zu beantworten. Ihr dürft gerne weitere Fragen in den Kommentaren ergänzen.

Was ist das Wave-Gotik-Treffen?

Das WGT ist das größte und bekannteste Festival der Gothic-Szene weltweit. Seit 1992 findet es, bis auf die beiden Jahre der Pandemie, jährlich zu Pfingsten statt. Aus 2.000 Gästen und 8 Künstlern beim ersten WGT sind mittlerweile rund 20.000 Gäste und zwischen im Schnitt etwa 200 Band geworden. Auf dem WGT sind neben Konzerten aus allen Genre der Szene auch zahlreiche Ausstellungen, Lesungen, Führungen und Vorträge hinzugekommen, die auch die kulturellen Aspekte der Szene bedienen.

Was kostet ein Ticket für das Wave-Gotik-Treffen?

Auch 2024 sind die Preise für das WGT stabil geblieben. Eine Karte für das gesamte Wochenende kostet 170 Euro, eine Obsorgekarte für Camper 40€ und ein Parkticket für den Parkplatz am AGRA-Gelände 15 Euro.

Kann man WGT Tageskarten kaufen?

Nein. Seit 2001 sind für das WGT lediglich Gesamtkarten für alle Tage erhältlich. Dies mag im Einzelfall für die betroffenen Besucher ärgerlich sein, doch der Veranstalter hat seine Gründe: „Trotz der Vielzahl an Konzerten und Veranstaltungen sollte beim WGT der Charakter des „Treffens“ immer im Vordergrund stehen und damit eindeutig Vorrang vor dem Besuch eines bestimmten Einzelkonzertes haben – hierfür gibt es in den meisten Fällen separate Tournee-Termine der auftretenden Künstler. Hinzu kommt, dass die Kapazitäten vieler Spielstätten bezüglich der Besucherzahlen begrenzt sind. Im Falle eines Verkaufs von Tageskarten würden Tausende zusätzliche Besucher den Andrang auf bestimmte Lokalitäten massiv erhöhen. Die unvermeidliche Folge wären ein frühzeitiger Einlassstop und eine entsprechende Frustration bei allen Besuchern.

Kann man WGT Tickets auch noch vor Ort kaufen?

Ja. An den Kassen vor dem AGRA-Gelände können auch während des Wave-Gotik-Treffens Karten erworben werden.

Wo finde ich ein Hotelzimmer oder eine Unterkunft?

Erfahrungsgemäß ist die preisliche Situation der Hotelzimmer zum WGT in Leipzig sehr angespannt. Es empfiehlt sich daher frühzeitig und zum Festpreis zu buchen. Achtet bei der Wahl des Hotels darauf, dass eine TRAM-Station in der Nähe ist, die ihr im Rahmen des WGT und mit entsprechendem Bändchen kostenlos nutzen könnt. Auch über AirBNB und ähnliche Vermittlungsplattformen findet man Zimmer oder ganze Wohnungen. Im offiziellen WGT Forum findet man unter dem Thema „Brauchst du Schlaf?“ auch private Angebote zur Übernachtung.

Kann ich auf dem Wave-Gotik-Treffen auch zelten?

Ja. Auf dem Gelände der AGRA ist auch ein Zeltplatz und Parkflächen für Wohnmobile. Allerdings muss zusätzlich zum Festival-Ticket auch eine „Obsorgekarte“ für 40 Euro erworben werden. Ein Zelt müsst ihr natürlich selbst mitbringen. Die Einfahrt zum Zeltplatz befindet sich auf der Raschwitzer Straße, 04416 Markkleeberg

Wie kann ich mit meinem Wohnmobil oder Wohnwagen zum WGT?

Für Wohnmobile und Wohnwagen gibt es einen separaten Parkplatz auf dem AGRA-Gelände. Für einen PKW mit Wohnwagen werden 2 Parkvignetten benötigt, je eine für den PKW und den Anhänger, da der PKW nach dem Abstellen des Anhängers auf dem regulären PKW-Parkplatz abgestellt werden muss. Für Wohnmobile reicht eine Parkvignette aus.

Des Weiteren benötigt jede Person, die im Wohnmobil oder Wohnwagen übernachtet, eine Obsorgekarte. Abhängig vom vorhandenen Platz ist es möglich, ein kleines Vorzelt aufzubauen. Gasflaschen dürfen mitgeführt werden, sofern sie fest eingebaut sind und ein schriftlicher Nachweis über die Abnahme seitens des TÜV auf Wunsch vor Ort vorgezeigt werden kann. Auch für die Anzahl der erlaubten Gasflaschen ist die TÜV-Bescheinigung maßgeblich. Stromanschlüsse, Entsorgungsstellen für Fäkalien-Tanks oder Wasseranschlüsse sind nicht vorhanden.

Wie viele Besucher kommen zum Wave-Gotik-Treffen?

Mit wenigen Ausnahmen kommen immer rund 20.000 Besucher zum Treffen. In einer kleinen Statistik habe ich euch einmal alle Besucherzahlen visualisiert. Die Jahr 2020 und 2021 sind pandemiebedingt nicht dabei.

WGT-Besucher Diagramm 1992-2023
Datenquellen: lvz.de, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Bücher von Peter Matzke

Welche Bands treten beim Wave-Gotik-Treffen auf?

12 Illusions (D) – A Projection (S) – Abu Nein (S) – Agent Side Grinder (S) – Agnis (PL) – Agonoize (D) – Almara (D) – Amduscia (MEX) – Andi Sex Gang (GB) solo – Angels & Agony (NL) – Anneke Van Giersbergen (NL) Heavy Strings – Årabrot (N) – Artwork/Belladonna (D) – Ashbury Heights (S) – Aska (IS) – Ausgang (GB) – Automelodi (CDN) – Backworld (USA) – Banane Metalik (F) – Barnacle Boi (USA) – Basscalate (D) – Batboner (N) – Blackbook (CH) – Blitzkid (USA) – Bloodsucking Zombies From Outer Space (A) – Bon Harris (GB) „Songs from the lemon tree“ – Brigade Enzephalon (D) – Brothel (USA) – Camerata Mediolanense (I) – CASHFORGOLD (USA) – Chain Of Flowers (GB) – Christian Death (USA) – Circuit Preacher (USA) exklusive Europapremiere – Clock DVA (GB) – Clout Blued (D) – Cumulo Nimbus (D) – Dalriada (H) – Dancing Plague (USA) – David Leubner (D) – Dead Astronauts (USA) Europapremiere – Death Loves Veronica (USA) – Deloraine (CZ) – Derniere Volonte (F) – Deus Vult (D) – Die Habenichtse (D) – Die Kammer (A/D) – Diva Destruction (USA) – Dive (B) – Dorsetshire (D) Farewell-Show – Echoberyl (F) – Eihwar (F) – Elbland Philharmonie Sachsen (D) – Emmon (S) – Enemy Inside (D) – Ensemble Nobiles (D) – Esplendor Geometrico (E) – Extize (D/F) -Fixmer & McCarthy (F/GB) – Flawless Issues (D) – Frozen Plasma (D) – Gast (D) – Gossenpoeten (D) – Gothminister (N) – Gvllow (USA) – Haunt Me (USA) – Heppner (D) – Hope (D) – In Strict Confidence (D) – Irdorath (BY) – Karin Park (N) – Keep Of Kalessin (N) – Kellermensch (DK) – Klez.e (D) – Klutae (DK) – Knight$ (GB) – Kollaps (AUS) – Kontravoid (CDN) – Ladytron (GB) – Lament (D) – Lili Refrain (I) – Lisieux (F) – Maerzfeld (D) – Martial Canterel (USA) – Martin Dupont (F) – Maschinenkrieger KR 52 (D) – Massiv In Mensch (D) – Megaherz (D) – Mia Morgan (D) – Mila Mar (D) – Miranda Sex Garden (GB) – Model Collapse (D) Livepremiere – MorphiuM (E) – Mr. Irish Bastard (D) – Neila Invo (I) – Nemuer (CZ) – Night Club (USA) – Nils Keppel (D) – Nitzer Ebb(GB) – Nürnberg (BY) – Omnimar (RUS) – Opernensemble der Landesbühnen Sachsen (D) – Orphx (CDN) – Ostara (AUS) – Other Day (D) – Plantec (F) – Plastikstrom (D) – Playfellow (D) – Position Parallele (F) – Primordial (IRL) – Principe Valiente (S) – Psyclon Nine (USA) – Public Memory (USA) – Reaper (D) exklusive Band-Reunionshow – Rendez-Vous (F) – Rosa Anschütz (D) – Rose Of Avalanche (GB) – Rroyce (D) – Safi (D) – Saint City Orchestra (CH) – Schattenmann (D) – Schwarzer Engel (D) – SDH (Semoitics Department of Heteronyms) (E) – Sex Gang Children (GB) – Sextile (USA) – She Hates Emotions (D) – Sidewalks and Skeletons (GB) – Sierra (F) – Sirenia (N) – Skeler (AUS) – Social Station (USA) – Soviet Soviet (I) – Sowulo (NL) – Spiritual Front (I) – Statiqbloom (USA) – Stoneman (CH) – Strikkland (S) – Suono (D) – Tanzwut (D) – Terence Fixmer (F) – The Beauty Of Gemina (CH) – The Bellwether Syndicate (USA) – The Cassandra Complex (GB) – The Cemetary Girlz (F) – The Feelgod McClouds (D) – The Foreign Resort (DK) – The Secret French Postcards (S) Livepremiere – Theatre Of Hate (GB) – This Morn Omina (B) – Tiamat (S) Clouds & Wildhoney-Set – Topographies (USA) – Tourdeforce (I) – Tragic Black (USA) – Traumatin (D) – Twin Noir (D) – Twins In Fear (UA/CH) – Two Witches (FIN) – Umbra Et Imago (D) – Vanaheim (NL) – Vanguard (S)  Veljanov (D) – Vera Lux (D) – Vive La Fete (B) – Walt Disco (GB) – X-RX (D) – Xeno & Oaklander (USA) – Years Of Denial (F) – Zombeast (USA) – Zombiesuckers (S) – Zweite Jugend (D)

Mehr Informationen zu den auftretenden Bands findet ihr bei Monkeypress.de – Dort hat man sich auch die Mühe gemacht, die Bands thematisch einzuordnen, weil die Anzahl der unbekannten Bands auf dem WGT immer sehr hoch ist.

Was ist das viktorianische Picknick?

Das Viktorianische Picknick ist eine Rahmenveranstaltung des Wave-Gotik-Treffens, die am Freitagnachmittag im Clara-Zetkin-Park stattfindet. Da das Picknick für jeden frei zugänglich ist, treffen dort sehr viele Menschen zusammen, die sich für diesen Anlass kostümieren. Fantasy-Charakter, Cosplayer, Steampunker und Fetisch-Fans treffen hier auf die Verehrer des viktorianischen Zeitalters. Der Eintritt ist frei. Speisen, Getränke, Decken und Geschirr müssen mitgebracht werden. Da es sich nur am Rande und eine Szene-Veranstaltung handelt und viele Schaulustige dort aufhalten, meiden viele Szene-Besucher das Picknick.

Wo in Leipzig findet das Wave-Gotik-Treffen statt?

Das WGT zeichnet sich dadurch aus, dass es eine dezentrale Veranstaltung ist. Die rund 50 Veranstaltungsorte sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt und lassen sich durch den ÖPNV erreichen, der von Besuchern mit Eintrittskarten kostenlos genutzt werden kann. Auch viele Clubs, Museen und Friedhöfe bieten Szeneveranstaltungen. Der größte Veranstaltungsort ist das AGRA-Messegelände im Süden Leipzigs, auf dem sich auch die Zeltplätze befinden.

Was ist der Pfingstbote?

Der Pfingstbote ist das offizielle Programmbuch des Wave-Gotik-Treffens. Neben allen Bands, die beim WGT auftreten, enthält es auch viele Geschichten und Informationen über das Treffen. Die aufwendige Gestaltung und die hochwertige Ausfertigung macht es zur unverzichtbaren Erinnerung an das Treffen. Er ist an den verschiedenen Tageskassen und am zentralen WGT-Stand in der AGRA-Messehalle erhältlich.

Was ist das Heidnische Dorf?

Das Heidnische Dorf ist der Mittelalter-Ableger des Wave-Gotik-Treffens und hat sich vor einigen Jahren zur selbstständigen Veranstaltung gewandelt. Hier gibt es einen großen Mittelaltermarkt und mehrere Bühnen, auf denen auch zahlreiche Bands der Mittelalter-Szene auftreten.

Wo ist das Heidnische Dorf?

Das Heidnische Dorf befindet sich am Torhaus Dölitz, das an der Helenstraße 24 liegt. Da man das heidnische Dorf nicht mit dem Auto erreichen kann und die Umgebung nur einige wenige Parkplätze bietet, empfiehlt sich eine Fahrt mit der Tram. Die Sonderlinie 11 fährt minütlich zwischen AGRA-Gelände und Hauptbahnhof hin und her. Von der Haltestelle „Leinestraße“ beträgt der Fußweg etwa 5 Minuten.

Ein kleinerer Ableger des Heidnischen Dorfes findet sich auf dem Dach der Moritzbastei, direkt im Zentrum Leipzigs. Dort ist aber nur ein kleiner Markt und einer kleine Bühne zu finden.

Brauche ich für das Heidnische Dorf auch eine Eintrittskarte für das WGT?

Nein. Das Heidnische Dorf ist als eine der wenigen Veranstaltungen auch für Besucher ohne Bändchen zugänglich. Eintritt kostet es trotzdem. Aktuelle Preise werden an dieser Stelle nachgereicht. 2023 betrugt der Eintritt 20 Euro für Erwachsene

Musikalischer Briefkasten #20 – Ein angenehmer musikalischer Verfall

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Es wurde wieder allerhöchste Zeit, den musikalischen Briefkasten zu leeren. Das ist – zur Erinnerung – der virtuelle Briefkasten, in den Bands, Label und Künstler*Innen ihre Musik legen können, die wir hier dann möglicherweise vorstellen. Nutzt gerne das Kontaktformular, um auch eure Musik hier zu finden, falls sie uns gefällt. Im Feature ist diesmal die bezaubernde Paura Diamante, die mit ihrem zweiten Album „The Descent“ dem Verfall einen Soundtrack geben möchte.

Die Marlene Dietrich des Darkwave, Paura Diamante, führt ihre Symbiose aus queerer Musik und Darkwave konsequent fort und veröffentlichte bereits im Oktober 2023 das zweite Album „The Descent„, aus dem auch jüngst die Single „Spiders“ ausgekoppelt wurde. Im Gegensatz zum Debütalbum erscheint mir das aktuelle Album noch waviger und stellenweise etwas düsterer, was ich natürlich grundsätzlich begrüße und was der Titel des Album bereits impliziert. Songs wie die Singleauskopplung „Spider“ oder auch „The Day You Broke My Heart“ sind nach wie vor eingängige Synthwave-Tracks, die mit ihrer Eingängigkeit in die Beine strömen. Einen Kontrast dazu bilden meiner Meinung nach „Crawl“ und „Ghosts“, die es zwar nicht an melodischen Synthie-Teppichen mangeln lassen, aber eine andere Stimmung transportieren. Mit dem eindrucksvollen Stück „War“ wird dann auch klar, was Paura Diamante beschäftigt und was möglicherweise zur Stimmung des Albums beigetragen hat.

Holger Hiller, der seinerzeit mit Palais Schaumburg für einen alternativen Zweig der neuen deutschen Wellen sorgte, wärmt sein 1983 erschienenes Album „Ein Bündel Fäulnis aus der Grube“ nochmal auf. Ein Stück Weirdness zum 40. Jubiläum des Hamburger Künstlers.

Crows On Wires haben uns bereits im November 2023 ihren Song „Stop The Clock“ zugeschickt. Und da die Zeit ja angehalten wurde, erscheint diese Vorstellung nun aktueller denn je. Die Band aus Dresden fühlt sich im Post-Punk heimisch, bevorzugt Kerzenlicht, wie sich mir schreiben. Bei Youtube kann man sich ihr neuestes Werk anhören.

In einem visuell eindrucksvollen Video, der den Song „Whispers In The Echo Chamber“ begleitet, kündigt Chelsea Wolfe ihr frisch erschienenes Album „She Reaches Out To She Reaches Out To She“. Klingt ein bisschen wie die Nine Inch Nails, was keineswegs negativ gemeint ist. Der Kontrast zwischen dem „harten“ und dem „zarten“ ist wie Marzipan-Zartbitter-Schokolade. Ich hoffe, diesen Vergleich kann jemand mitgehen. Auch wenn der Song wenig „Tanzpotential“ zu haben scheint, finde ich ihn sehr spannend.

Die Hoffnungsträger der deutschen Gothic-Szene„, wie die Band Wisborg von ihrem Label „Dansemacabre“ genannt werden, haben ebenfalls ein neues Album in den Startlöchern, das sich diesmal der deutschen Sprache verschrieben hat. „Auf Deutsch zu singen ist ein zweischneidiges Schwert“, erklärt Frontmann Konstantin Michaely. „Wenn dein Publikum auf Anhieb versteht, wovon deine Stücke handeln, dann haben die Texte naturgemäß mehr Gewicht.“ Das stimmt. Trotzdem wagen sich Wisborg auf Messers Schneide und scheinen sich auf das erste Ohr nicht daran zu schneiden. Der massentaugliche „Goth-Rock“ der Band ist für mich das wohlschmeckende Einstiegs-Bonbon in die musikalische Vielfalt der Gothic-Szene.

Kill Shelter versuchen sich hemmungslos an einem Klassiker der musikalischen Geschichte der Szene. Ihre Cover-Version von „She’s In Parties“, die Teil des aktuellen Tribut-Albums „Honoris III“ ist, orientiert sich stark am Original und stellt nur vereinzelt klangliche Stellschrauben. Klingt aber ganz gut und kann bei Youtube angehört werden.

DTORN haben sie dem Phänomen „Mann“ gewidmet und legen damit das Schwert, das Frontmann Torsten Schneyer auch abseits seiner musikalischen Karriere kunstvoll schwingt, in die Wunde aktueller Diskussion um toxische Männlichkeit. Zusammen mit Gesangspartner Clay von der Band „Wyst“ singt man über „Brüdern, Vätern und Söhnen, von Macht und Zerstörung, von Trauma und Indoktrination“ in einem einzigen Song. Ob der lyrische Song die Kraft hat, all diese Bilder zu zerstören und den hörenden Mann von seinen destruktiven Mustern befreit, ist individuell. Der Sound ist vielschichtig verspielt, der Text mehrlagig tiefgängig und der zelebrierte Gesang stimmungsvoll düster. Es bleibt fraglich, ob die komplexe Musik die Welt in eine bessere verwandelt, denn es liegt in der Natur der Sache, dass sich chronisch toxische Männer solche Musik nicht unbedingt erreicht. Zumindest gibt der Song aber genug Anlass über die Frage zu philosophieren, ob das Thema „toxische/positive“ Männlichkeit in der Szene viel zu selten behandelt wird.

Sidewalks und Skeletons haben Anfang Februar 2024 ein neues Album mit dem Titel „Exorcism“ veröffentlicht, die Singleauskopplung „Erased“ trifft musikalisch den Nagel des Genre „Witchhouse“ auf den Kopf. Der britische Künstler Jake sagt dazu in einem Interview: „In „Exorcism“ geht es um die Gegenüberstellung der Unschuld, in die jeder Mensch hineingeboren wird, und der harten Realität der Welt, die diese Unschuld schnell wieder zunichte macht. In gewisser Weise werden wir alle von der Welt besessen. Wir können die Person verlieren, die wir einmal waren. Das Album stellt diesen Kampf auf vielfältige Weise dar.

Sopor Aeternus schließt mit der EP „Fab Dead Cult Veil“ die Tetralogy „Alone At Sam’s“ bis auf einen Teaser gibt es noch nicht allzuviel zu hören, die Fans sind aber bereits jetzt aus dem Häuschen.

Der aus Österreich stammende Musiker Christian Sundl schwingt hemmungslos das Tanzbein und bezeichnet seine neueste Schöpfung als „Goth House“. Dabei handelt es sich um einen Remix seines eigenen und gleichnamigen Stückes, das er unter dem Namen „Gran Bankrott“ bereits vor 2 Jahren veröffentlicht hat, der hier bei Soundcloud zu hören ist. Auch „Volker Milch“ schickt mir einen Remix seines Stückes „Träume“, das er bereits 2016 aufgenommen hat und das man sich im Bandcamp anhören kann.

Einen besonderen Gruß sende ich an dieser Stelle an Runa Wjassier und ihrer Band Dragol. Ich bin froh, dass die Band ihren musikalischen Platz gefunden hat und auf dem Mera Luna 2023 den Newcomer-Wettbewerb gewonnen hat. Ich hoffe sehr, dass der Song „Das letzte Mal“, der vor einem Monat als Video erschienen ist, nicht der letzte bleiben wird.

Bambie Thug: Der irische Beitrag zum ESC 2024 ist ein Fest für Gruftis

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Irland, wir müssen reden. Bambie Thug ist möglicherweise der wichtigste Beitrag für die europäische Grufti-Kultur, seit uns die Kelten das heidnische Samhain-Fest überlieferten. Um zu erfahren, wie die Chancen stehen, habe ich gerade nochmal bei Nostradamus angerufen und wir sind uns einig. Bambie hat mit ihrem Beitrag „Doomsday Blue“ den European Song Contest 2024 quasi schon gewonnen. Jedenfalls für die Herzen der europäischen Grufti-Szene. Behaupte ich jetzt mal. Da waren die „Lord Of The Lost“ im letzten Jahr Kindergeburtstag, obwohl die Band um Chris Harms den letzten Platz nun wirklich nicht verdient hatten.

Der Song „Doomsday Blue“, der neulich in der nationalen Vorentscheidung gewonnen hat, beeindruckt mich. Nicht nur, weil ich den Song ziemlich gut und mutig finde, sondern auch, weil die Iren offensichtlich einen gleichgesinnten Musikgeschmack haben. Im Gegensatz zur irischen Presse, die Barbie nicht wirklich einordnen können. Ein irischer Pfarrer meinte nach dem Genuss des Songs „dass Irland als Land erledigt sei.“

Der Song „Doomsday Blue“, der von der EP „Cathexis“ stammt, die 2023 veröffentlicht wurde, wird von Bambie als „Hyperpunk avant Electro-Pop“ bezeichnet, hier und fällt auch der Begriff „Ouija-Pop“, das allein schon von seiner Wortschöpfung interessant ist.

Überrascht vom Erfolg sagte Bambie nach dem Finale: „Ich habe keine Worte mehr. Als Texter würde man meinen, ich hätte mehr zu sagen, aber ich bin sprachlos. Ich bin so aufgeregt und ich verspreche, ich werde Euch so stolz machen.“ Ich bin schon stolz, auch wenn ich kein Ire bin.

Bambie wird Irland also beim 68. ESC der Anfang Mai in Schweden ausgetragen wird, vertreten. In einem Interview verrät Bambie mehr über sich. Könnt ihr euch auch noch angucken, wenn ihr wollt.

Ich bin beeindruckt von der Performance und obwohl ich gelegentlich gegen einen Ausverkauf unserer Subkultur wettere, kann ich nicht aufhalten, wenn einige schwarze Tropfen der Verdammnis über den europäischen Musikmarkt tropfen. Ich werde sie dieses mal begrüßen und werde einige irische Bekannte überzeugen, in meinem Namen zu voten, wenn es soweit ist. Ich drücke Bambie die Daumen, wenn der schwarze Nagellack getrocknet ist.

WGT 2024: Hotelpreise auf Rekordhoch – Zwei Ibis-Hotels in Leipzig geschlossen

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Wie die LVZ berichtet, schließen zum 29. Februar zwei Ibis-Hotels in Leipzig ihre Pforten. Damit fallen knapp 300 Betten in zentrumsnaher Lage, die in einer preisgünstigeren Kategorie angeboten wurden, ersatzlos weg. Das dürfte die jetzt schon angespannte Preissituation freien Hotelzimmer zum WGT 2024 in Leipzig weiter verschärfen. Wie lange die Schließung dauert, ist unbekannt, alle betroffenen Kunden sollen eine Stornierung ihrer Buchung erhalten.

WGT Preisniveau stabil – Kostenexplosion der Hotels

Während die Karten für das Wave-Gotik-Treffen auch in diesem Jahr stabil bleiben, scheinen die Kosten für eine Übernachtung um die Pfingsttage zu explodieren. Über 220€ pro Nacht kostet mittlerweile ein durchschnittliches Hotelzimmer in Leipzig, 5 Übernachtungen zum Wave-Gotik-Treffen 2024 in Leipzig kosten selbst bei sonst moderaten Hotelketten zwischen 1.100 und 1.800 Euro für zwei Personen. Für viele Gothic-Fans wird ein Besuch des Treffens damit zum Jahresurlaub. Dynamische Preisgestaltung zu den Regeln von Angebot und Nachfrage treiben die Preise in die Höhe.

Dabei mangelt es Leipzig nicht an Hotelzimmern, im Gegenteil. Die LVZ schreibt dazu: „Fakt ist: Leipzig hat zu viele Hotelbetten, die nicht gleichmäßig übers ganze Jahr ausgelastet sind. 2022 verfügte das Leipziger Beherbergungsgewerbe über insgesamt fast 22.000 Betten mit einer Auslastung von rund 42 Prozent – zu wenig angesichts der allgemein gestiegenen Kosten, vor allem bei kleinen und mittleren Hotels.“ Hotelbetreiber versuchen anscheinend mit regelrechten Wucherpreisen die Minderauslastung über das restliche Jahr zu kompensieren und auch gestiegenen Kosten im Energie-, Unterhalts- und Personalsektor tragen maßgeblich dazu bei.

Selbstverständlich betrifft das nicht nur Leipzig und das WGT. Im Allgemeinen ziehen die Preise für Hotels, Dienstleistungen und Restaurantbesuche an. (Quelle) Auch wenn die Preissteigerung in diesem Jahr etwas geringer ausfallen soll.

Sollte das Wave-Gotik-Treffen auf die „grüne Wiese“?

Das WGT hat durch seine Langlebigkeit und seinen Einfluss auf die schwarze Szene einen enormen Bekanntheitsgrad, der mittlerweile auch viele internationale Gäste nach Leipzig lockt. Im Zuge solcher städtischen Großereignisse explodieren stets die Preise der ortsansässigen Hotels. Zur Fußball-Europameisterschaft 2024 im Juni dieses Jahres, bei dem auch im Leipziger Zentralstadion Spiele stattfinden, kosten die gleichen Zimmer, die bereits zum WGT 220 € die Nacht kosten, das doppelte. Auch die Leipziger Buchmesse im März hat bereits für deutliche Aufschläge auf die sonst üblichen Preise gesorgt.

Es ist absehbar, dass die Preise für die Unterbringung zu den Wave-Gotik-Treffen zukünftiger Jahre nicht signifikant günstiger werden. Für einige Stamm-Besucher des Treffens mündet das in einem „Boykott“ des Treffens, weil der Gesamtpreis für ein „Schwarzes Pfingsten“ in Leipzig das persönliche Budget übersteigt. Absolut nachvollziehbar, denn wenn das WGT der einzige Urlaub des Jahres sein soll, gerät die Wichtigkeit des Treffens in den Hintergrund.

Gibt es eine Lösung?

Für viele bleibt das WGT das wichtigste Szeneevent. Ich behaupte sogar, weltweit. Es gibt nur wenige Festivals, die eine ähnliche Strahlkraft besitzen und so viele Facetten der Szene an einem Ort bündeln. Nirgendwo sonst gibt es einen ähnlich musikalische Vielschichtigkeit, nirgendwo sonst ist soviel Kultur für und aus der Szene zu sehen.

Ob das WGT an einem anderen Standort besser aufgehoben wäre? Ist es überhaupt möglich, soviel Auftritte und Events in einem anderen örtlichen Rahmen (zum Beispiel auf einem Flughafengelände) stattfinden zu lassen? Was meint ihr?

Sollte das WGT in Zukunft an einen anderen, kostengünstigeren Ort verlegt werden?

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Neues aus dem Eulenforst: Wie sehen echte Gothics aus?

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Jeder hat bei der Frage „Wie sehen echte Gothics aus?“ wohl ein anderes, spontanes Bild im Kopf. Stöbert man im Internet nach „echten“ Gothics, so bekommt man meist aufwendig geschminkte, toupierte und gestylte Menschen vorgeschlagen, die dem Stereotyp des Gothics am ehesten entsprechen. Im Eulenforst, dem offiziellen und ganz fantastischen Spontis-Youtube-Kanal, hat sich Ehegrufti Orphi mit dieser Frage beschäftigt. Das Ergebnis könnte Euch (!) allerdings überraschen.

Hintergrund: Gothic-Polizei bei TikTok

Grund für das Video war ein Reaction-Video, das Orphi gemacht hat und das unter dem Titel „Gibt es bei TikTok eine Goth-Polizei?“ die junge Youtuberin „Drama Kween“ vorstellt, die sich mit eben dieser Frage beschäftigte. Muss man ein besonderes Styling haben, um ein Teil der Szene zu sein?

Allerdings ist „Drama Kween“ schon der erste Teil eines Eindrucks, dem sich wohl niemand, der sich für die schwarze Szene interessiert, entziehen kann. Aufwendiges Styling, atemberaubende Schimkkünste und perfekte Frisur. Das Internet präsentiert stets eine klischeehafte Bilderflut, die wohl den meisten Gothics, die sich jeden Tag durch die Tristesse des Lebens quälen, nicht ähnlich sieht. Dennoch warten überall, wo man versucht dem Gedanken des „Gothics“ auf die Spur zu kommen, gut gestylte, perfekt geschminkte und brillant toupierte Stereotypen darauf, euch unterschwellig zu vermitteln, dass ihr mit einem schwarzen T-Shirt, einer schwarzen Jeans und ein paar Pikes kein Teil der Szene sein könnt. Stimmt natürlich nicht!

Doch wie sehen echte Gothics nun aus?

In ihrem großartigen Video stellt Ehegrufti Orphi einige von Menschen vor, die auf den ersten Blick mit der Szene wenig zu tun haben, aber die unter der unscheinbaren Oberfläche einiges zu bieten haben. Hier zeigt sich, wie sehr der äußere Eindruck täuschen kann. „Don’t judge a book by its cover“, sagt der Engländer

Sicher, da pflichte ich Orphi bei, machen wir zu Festivals und Events immer ein bisschen mehr aus uns, auch wenn wir an die Styling-Kunstwerke der Gothics aus der besagten Internet-Suche nicht heranreichen. Aber letztendlich sieht der Gothic unter der „Haube“ – die mitunter viel Übung und Geschick benötigt – ebenso unscheinbar aus.

Die Message, die rüberkommt, ist klar. Junge Nachwuchsgruftis, die die Szene für sich entdecken, sollten ihre Szenezugehörigkeit nicht allein vom äußeren Erscheinungsbild abhängig machen. Es gibt soviel wichtigere Dinge, die einen „echten“ Gothic ausmachen, als ein Talent und eine Leidenschaft für das perfekte Styling. Orphi bringt in ihrem tollen Video die Sache auf den Punkt und präsentiert Euch Menschen, die schon lange in der Szene unterwegs sind und die einen Beitrag dazu leisten, dass „Gothic“ viel mehr ist als ein Fashion-Label. Die sehen auch alle fantastisch und umwerfend aus, aber eben nicht so, wie es die sozialen Kanäle einem vorgaukeln.

Unterstützt uns und vor allem Orphi bei ihren Videos durch ein Abonnement, einen Like und hinterlasst auch gerne dort einen Kommentar.

Gothic Americana – Dr. Martens macht seine Trends jetzt selbst

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Gothic Americana ist eine neue Kollektion von Dr. Martens, die „den Western-Style auf eine Gothic-inspirierte Art und Weise neu definiert.“ Aus dem anfänglichen Fragezeichen, das über meinem Kopf schwebte, wurde eine ganze Gruppe an Zeichen, die Dinge wie Unverständnis, Abneigung und Verwunderung symbolisieren könnten. Wir riskieren einen Blick auf die eigenwillige Verknüpfung von Gothic, Western und Amerika.

Dem Schuhhersteller Dr. Martens geht offensichtlich nicht nur die Kohle aus, wie wir in diesem Beitrag berichtet haben, sondern auch die Szenen und Trends, mit denen sie ihre „modische Rebellion“ unterstreichen.

Die Gothic Americana Kollektion

Mit der aktuellen Kollektion möchte man offenbar das musikalische Genre „Gothic Country“ abbilden und das „klassische, ausdrucksstarke Dr. Martens Designs mit einem stilvollen Western-Twist“ aufpeppen. Wie so eine Mischung aus Western-Stiefel und Dr. Martens, wobei sich das allerdings auf ein paar weiße Stickerei-Applikationen und Druckknöpfe beschränkt. Dazu hat man sich den Künstler „Denzel Himself“ als musikalisches Zugpferd vor den Karren gespannt, denn der selbsternannten „Goth Cowboy“ wäre das perfekte Gesicht für die Kampagne, so Dr. Martens auf seiner Webseite.

Denzel Himself posiert zusammen mit einer Frau für die Werbekampagne.
Denzel Himself posiert in seinem Instagram-Account für die Dr. Martens Kollektion von „Gothic Americana“

Ich bin jetzt sicher kein Experte, was die Einordnung von Musik in Schubladen angeht, allerdings ist das, was „Denzel Himself“ auf seinem YouTube-Kanal präsentiert, kein Gothic, Country oder Western. Meiner bescheidenen Meinung nach. Sowieso scheint „Gothic Country“ ein Genre zu sein, in das keiner hinein will, sondern nur hineingesteckt wird, so wie dieses tolle Album von Johnny Cash zum Beispiel.

So wirkt dann auch der Trend, der hier präsentiert wird, auf mich irgendwie künstlich und wenig authentisch. „Gothic Americana“ wirkt wie ein an den Haaren herbeigezogener Trend, der weder eine musikalische noch eine subkulturelle Quellen zu haben scheint.

Aber Hand aufs schwarze Herz, das Label „Gothic“ ist ein öffentlicher Zug, bei dem sich jeder eine Fahrkarte kaufen kann. Es sei auch jedem gegönnt, den vorhandenen Interpretationsspielraum für seine Kunst zu nutzen. Ich bin, wie ich bereits in verschiedenen Zusammenhängen betont habe, kein Label-Guard, der penibel auf die Einhaltung von Regeln pocht, wenn ein Schuh sich „Gothic“ oder eine Musikrichtung „Gothic Western“ nennt.

Allerdings darf ich behaupten, dass weder die Schuhe noch die damit verbundene Musik in meine „Gothic-Welt“ passen. Es erscheint mir wie eine weitere Falschauszeichnung eines weiteren Trends, der Gothic zum Fashion-Merkmal degradiert.

Ich habe den Eindruck, als müsste ich das mal an dieser Stelle differenzieren. Einfach mal so für die Suchmaschinen, die fragen könnten „Ist Gothic Americana wirklich Gothic?“

Mein Vorschlag zur Güte, liebes Dr. Martens Team. Wenn ihr schon Gothic irgendwo draufklebt, dann macht doch zumindest ordentliche Totenkopf-Schnallen dran, druckt  umgedrehte Kreuze darauf oder stickt Pentagramm-Applikationen ins Obermaterial. Killstar gibt sich doch auch redlich Mühe, dem Gothic-Universum gerecht zu werden. Ich verlange ja keine spitzen Docs, obwohl das sicherlich mal ein spannendes Photoshop-Projekt wäre.

Zum Schluss noch ein bisschen Information mit Recherche.

Konzertbericht aus dem „Grend“ in Essen vom 3. Februar 2024 – Isla Ola, Die Tödin und Twin Noir

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Am vergangenen Wochenende war unsere Leserin Maren unterwegs, um im Kulturzentrum „Grend“ in Essen die Auftritte von Isla Ola, Die Tödin und Twin Noir in einem familiären Umfeld (ungefähr 100 Zuschauer) zu genießen. Es hat sich gelohnt, soviel will ich vorweg nehmen und das in mehrfacher Hinsicht, denn Maren hat ihre Eindrücke in einem Konzertbericht aufgeschrieben, den sie mit Euch teilen möchte. Wie nennt sie ihren Bericht noch gleich? „Aufbruch aus dem Schutz der nebligen Wälder zum Chaostanz in einer absurden Welt.“

Isla Ola: Im Schutz des Nebels

Isla Ola im blauen Nebel

Anfahrt aus den Wäldern in Nebel und Nieselregen – so gestaltete sich meine mentale Vorbereitung auf ein Konzert, für dessen Besuch die Initialzündung durch den hervorragenden Artikel von Gruftwurm erfolgt war. Ich selbst wäre nie in der Lage Isla Olas Musik so treffend zu beschreiben, wie er es getan hat. Ich kann Musik ohnehin nicht fachgerecht beschreiben, ich kann nur sagen, wie sie auf mich wirkt. Deswegen bleibt mir auch nur zu sagen, dass ich ihren Auftritt genauso empfand, wie er es geschildert hatte.

Dass Isla Ola den Anfang machten, erleichterte mir das Ankommen in einem Umfeld, in dem ich mich nicht oft bewege, denn ich konnte weiterhin im Nebel verweilen, zu den melancholischen Klängen der Stimme der Sängerin die Umgebung komplett ausblenden und mich nur auf mein Innenleben fokussiert der Illusion hingeben, ich sei immer noch allein. Ich hätte diesen Weg im „Nebel der Emotionen“ wie Gruftwurm es nannte noch ewig beschreiten können, aber mit dem Ende von Isla Olas Auftritt war es nun auch für mich an der Zeit meine Aufmerksamkeit auf die tatsächliche Umgebung zu lenken.

Die Tödin: Reise ins Herz der Finsternis

Die Toedin in Action

Die Bühnenbeleuchtung wechselte von kaltem Blau zu beunruhigendem Rot, passend zu dem Auftritt der Künstlerin, die all meine Erwartungen völlig in den Schatten stellte.

Die Tödin war bislang diejenige, von der ich noch nichts gehört hatte. Natürlich hörte ich mir im Vorfeld einige Lieder an, ohne dabei jedoch eine Ahnung zu bekommen, was mich wirklich erwarten würde. Interessanterweise ordnete ich sie dabei Richtung NDT ein, was andere wohl genauso gesehen haben. Meine Sympathie gewann sie schon in der Umbaupause, als sie auf der Bühne einen Altar der Finsternis mit Kerzen, Räucherwerk und Flakons mit Elixieren, über deren Wirkung man nur spekulieren kann, errichtete. Reinhörtip: „Gift“. Erinnerung an meine Wohnheimküche von damals wurden geweckt. Vor dieser Kulisse zelebrierte sie dann durch Mimik, Gestik und Bewegung eindrucksvoll Dunkelheit und Schmerz. Gegen die zwanghafte Heiterkeit „Wir wollen doch jetzt mal alle schön fröhlich sein“, die andere versuchen einem zu oktroyieren, bot sie in ihren Texten alles auf, was man mit der dunklen Welt in Verbindung bringen kann: vom Schatten  bis zum dunkelsten Keller, der bis zum Armageddon als Rückzugsraum dient, von Nosferatu bis Satan und ihm zugeschriebenen Symbolen.

Dabei brach sie mit Tabus, indem sie ihren Hang zur Selbstzerstörung voll auslebt in einem expressiven Tanz zu düsterer, teils aggressiver Musik. Unterstrichen wurde ihr Auftritt durch ihr Erscheinungsbild, das vor allem in ihrem Make-up dunkle Emotionen widerspiegelt. Eine gelungene Ästhetisierung ihres inneren Schmerzes.

Vor dem Konzert wurde ich mit dem Vorwurf konfrontiert, dass es völlig krank sei, sich solche Musik anzuhören. Ich denke, dass das Gegenteil der Fall ist. Der „Dunkeltanz“ der Tödin bietet einem die Chance, mit ihr ins eigene Herz der Finsternis zu reisen und sich dem zu stellen, was man dort vorfindet.

Twin Noir: Chaos und Party des Absurden

Twin Noire - Grend - 3. Februar 2024 (7)
Twin Noir: Cody Barcelona und Ian Volt

Das Duo aus Berlin, das auf die Tödin folgte, Twin Noir, hatte ich im vergangenen Jahr als Support von „She past away“ erleben dürfen und freute mich daher darauf, sie wiederzusehen. Ihr erster Song „Ich tanz“ (die ganze Nacht allein) stellte eine gute Verbindung zu Isla Olas „Wo bist du hin?“ her. Sowohl inhaltlich als auch musikalisch schimmerten hier noch Einsamkeit mit wavigen Klänge durch. Dann zogen Cody Barcelona und Ian Volt aber ihr ganz eigenes Ding durch. Ihren Musikstil beschreiben sie selbst am besten auf ihrer Homepage.

Ihre Bühnenshow war geprägt von geplantem Chaos, das sie mit ihren Fans feiern. Dabei beansprucht Cody Barcelona nicht nur die Bühne für sich, sondern zwischendurch auch schon mal den ganzen Saal. Auch wenn man denkt, dass man nicht tanzen kann oder will oder sich einredet, man sei zu alt, ist es schier unmöglich, sich von dieser Energie, die die beiden versprühen, nicht anstecken zu lassen und ruhig stehen zu bleiben. Am Ende ist das schwarze T-Shirt fertig und man selbst auch. Diese Absurdität spiegelt sich auch in den minimalististischen Texten wider – oft eine Verknüpfung einzelner Sätze, die Assoziationen wecken und einem ein Grinsen entlocken über eine absurde Gesellschaft in einer absurden Welt.

Gehört dieses Duo nun zur schwarzen Szene? Cody Barcelona selbst hat diese Frage am Rande des Konzertes aufgeworfen. Nun, darüber zu befinden überlasse ich anderen, die mehr Ahnung haben als ich.

Für mich fügte sich gerade diese Mischung, dieser an sich verschiedenen Künstler und Bands aus melancholischer Sehnsucht, innerem Schmerz und gefeiertem Chaos zu einem großartigen Konzert zusammen. Die Frage nach meinem Favoriten konnte ich nicht beantworten, aber am meisten überrascht hat mich der Auftritt der Tödin, einem im Übrigen sehr sanften und freundlichen Wesen, wenn man direkt neben ihr steht.

Weitere Bilder:

Kurzmeldung: Brittels Geisterstunde bei Radio-Z in der Nacht zum 12. Februar

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Heute Nacht dürft ihr nocheinmal dem Spontis-Radio fremdhören, denn um Mitternacht entführt euch unsere Leserin „Brittel“ auf Radio-Z ein zweites mal in ihre ganz persönliche Plattenkiste. Nach fast 13 Jahren ohne Radio kehrt sie als Gast-Moderatorin auf ihren alten Sendeplatz zurück. Sonntag auf Montagnacht ist sie in Nürnberg und Umgebung auf 95,8 MHz zu hören und darüber hinaus auch weltweit im Livestream auf www.radio-z.net

Brittel, die sich den Titel „Diplom-Plattenwerferin“ verdient hat, machte 10 Jahre subkulturelles Radio gemacht und dabei „schäbigen Unfug durch den Äther gejagt„, wie sie mir in einer E-Mail schreibt. Was wird gespielt?

Ich spiele quer durch den Post Punk, Wave, Industrial und Elektronik Gemüse Garten. Schwerpunkt sind die 70er und 80er. Bringe aber auch eine Platte von „The Whispering Sons“ mit. Gestern war ich noch in meinem Stammtonträger Laden in Nürnberg und habe eine LP von „Schicksal“ gekauft. Zwei Singles von Nico habe ich dabei, eine dreier LP Box von Klinik, eine Single von „Die tödliche Doris“, „Spizzoil“ und eine LP von „Santrra Oxyd“, die habe ich übrigens mal in ihrer Wohnung interviewt – eine tolle Begegnung.  Die habe ich damals in ihrer Wohnung interviewt. Das war einer der tollsten Begegnungen. Habe sie danach noch einmal privat in Berlin besucht und letztes Jahr nach über 16 Jahren wieder gesehen. An meinem Geburtstag. Mein erstes Telefon-Interview war mit Pyrolator. Und der Schlagzeuger von den Goldenen Zitronen war in meiner Sendung, der wegen der Liebe nach Fürth gezogen ist.

Radio Z ist einer der ältesten freien Radio-Sender in Bayern und keiner der Macher weiß so ganz genau, warum man sich vor 35 Jahren für diesen Buchstaben entschieden hat. Brittel hat allerdings einige Male mitgewirkt und einen Erfahrungsschatz aufgebaut, von dem sie uns heute Nacht vielleicht etwas erzählen wird. Möglicherweise kann ich sie auch für ein paar „Anekdotensammlungen“ für diesen Blog überreden. Einige Bilder als Vorgeschmack hat sie uns gleich mitgeschickt:

Hier geht es direkt zum Live-Stream von Radio-Z: http://snd.radio-z.net:8000/Radio-Z