Der Januar ist doof, ich mag den Januar nicht. Eigentlich kenne ich niemanden der den Januar mag. Der Januar ist der Montag unter den Monaten. Aber wie Montage sind auch Januare ein neuer Anfang. Ein Auftakt. Nein, nicht zum abnehmen, nicht um endlich mehr Sport zu machen, weniger zu rauchen, mehr Zeit mit Familien und Freunden zu verbringen oder was auch immer man sich vornimmt, was man dann eh nicht tut. Deswegen erscheint der Artikel auch erst im Februar. Ich mag den Januar eben nicht.
Aber immerhin beginnt im Januar, zumindest für mich, so ganz langsam der Countdown zum nächsten Wave-Gotik-Treffen. Angefeuert wird die dezente Vorfreude von den ersten Bandbestätigungen. Dieses Jahr ganz besonders, sind doch für mich bereits jetzt einige Highlights dabei. Um die Vorfreude weiter zu steigern habe ich daher in den tiefen von Youtube eine Reihe Videos zu vergangenen WGTs ausgegraben, die ich euch nicht vorenthalten möchte und die euch die Zeit bis in den Juni von Monat zu Monat verkürzen sollen. Wir beginnen mit dem Jahr 2000. Noch 119 Tage.
Das „Chaos-WGT„. Irgendwie scheint es mir auf den ersten Blick, hat sich nicht viel verändert. Der Hauptbahnhof an dem viele der Besucher ankommen, sieht halt aus wie er aussieht, die Schlangen sind lang, das Straßenbild schwärzer als üblich. Aber irgendwie ist es doch anders. Das liegt sicher nicht (nur) daran, dass es dieses besondere WGT war. Im Gegensatz zu heute sieht man in den Aufnahmen mehr Samt, mehr dezentes Schwarz. Netz schien damals noch wesentlich angesagter und auch Glöcken sind heute nicht mehr der letzte Schrei. Die Federflügel, die damals noch beliebt waren, sind heute durch imposanten Kopfschmuck abgelöst worden. Auch große Kreuze kommen erst seit kurzem wieder in Mode scheint mir. Haben sich die Äußerlichkeiten wirklich so sehr verändert, oder nehmen wir es heute nur anders wahr? Mir zumindest erscheint das Auftreten der gezeigten Besucher wesentlich unaufgeregter als heute. Ist das nur die Verklärung einer Zeit, die ich so nicht miterlebt habe? Vielleicht war der ein oder andere ja dabei und kann berichten? Wie empfindet ihr es rückblickend? Wie empfinden es andere, die das WGT zu dieser Zeit auch noch nicht erlebt haben, beim betrachten der Aufnahmen?
Viele Leipziger wirkten damals schon recht offen und neugierig. So finden es einige „sehr interessant die Leute anzuschauen“ und bewundern, dass sie sich Besucher nicht verbiegen lassen. Anderem wiederum scheint die ganze Sache etwas suspekt: „Ist nicht meine Art aber wir finden es halt lustig. Was heißt lustig, das ist die Auffassung von denen und wie gehören halt so nicht dazu, aber wir akzeptieren das und tolerieren das.“ Und teilweise klingt deutliche Skepsis durch. „Was man davon halten soll, ich weiß es nicht“ gibt ein älterer Herr zum besten und seine Begleitung weiter: „Manche sehen ganz süß aus. Aber manche, da könnte man sich kaputt lachen, wie manche rumrennen.“ Wenn ich die Bemerkungen so höre, muss ich daran denken, dass man sich in meinem Umfeld auch einige Jahre später noch unter Teenagern erzählt hat, dass es am Bahnhof eine „Satanistenkneipe“ gäbe. In dieser Hinsicht scheint mir hat sich also schon einiges verändert. Ich empfinde die Reaktionen und Ansichten zumindest als wesentlich entspannter. Als neugieriger. Als offener. Vielleicht, weil die mediale Präsenz größer geworden ist. Vielleicht weil viele erwachsen geworden sind und man auch im beruflichem Umfeld gemerkt hat, das es sich nicht nur um rebellische Teenager in einer provokanten Phase handelt. Oder doch weil sich die Szene einer deutlichen Kommerzialisierung und damit einem breiteren Publikum geöffnet hat?