Britische Dokumentation „Dead Good“ bezaubert mit Klassik-Version des Songs „Pictures of You“ von Robert Smith

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Zu einer im Mai erscheinenden britischen Dokumentation, die sich mit einer alternativen britischen Bewegung in der Totenkultur beschäftigt, steuern keine geringeren als The Cure eine akustische und klassische Neuaufnahme ihres Stücks „Pictures of You“ bei. Wehe Robert Smith behauptet nochmal, er hätte mit Gothic nichts zu tun!

The Cure ist in aller Munde, für die Band – um die es sonst recht ruhig zugeht – fast schon turbulente Zeiten.  Erst kündigt die Band um Frontmann Robert Smith eine ausgedehnte Festival-Tour an, dann wird die Band in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen und letztendlich treibt man die Fachpresse mit der Ankündigung eines neuen Albums aus dem Häuschen. Auch die zahlreichen Dauer-Fans entstauben ihre Altäre, drapieren frische Grablichter und lassen den Meister angesichts solcher Aussagen über das neue Album in neuem Glanz erstrahlen: „It’s so dark. It’s incredibly intense. And I’ve waited 10 years to do something that means something […] But I think it will delight our hardcore fans. And probably really, really infuriate everyone else. At my age, I’m still doom and gloom.

Wie aktiv die Band momentan ist, zeigt auch die Mitwirkung an der Dokumentation „Dead Good“, die sich mit dem Tod und der damit verbundenen Totenkultur beschäftigt. Zusammen mit Keyboarder Roger O’Donnell und dem Quartet Voluté aus London nahm Smith eine neue Version des Stücks „Pictures of You“ auf, das ebenso wie das Album Disintegration sein 30-jähriges Jubiläum feiert. Passender hätte man so eine liebevolle Dokumentation nicht vertonen können, denke ich mir, als sich massiver Anflug von Gänsehaut während des Trailers über meinem Körper breit macht.

Dead Good“ zeigt eine Gruppe von Frauen aus dem englischen Brighton, die den Umgang mit den geliebten Toten verändern möchten. Anstatt sich einer recht sterilen Trauerfeier hinzugeben, wollen die Frauen mit dem Abschied nehmen bereits bei der Totenwaschung beginnen und die emotionale Lücke zwischen den noch Lebenden und ihren Verstorbenen schließen. Sie setzen sich für individuelle Bestattungen ein, die dem Leben und den Wünschen der Verstorbenen gerechter werden sollen, als es die recht kalten und bezuglosen Bestattungen des 21. Jahrhunderts bislang vermochten.

Obwohl der wunderschöne Song nur die zweite Geige spielt und lediglich der musikalischen Untermalung dient, ist es der wohl der prominente und irgendwie themenverwandte Bezug zu Robert Smith und The Cure, der hier im Vordergrund zu stehen scheint. Das wird der Doku – oder zumindestens dem Trailer – nicht gerecht, findet auch The Cure und macht das einzig richtige: Sie nutzen ihre Twitter-Popularität, um den Film zu neuer Bekanntheit zu verhelfen.

Screenshot The Cure Tweet
Der Tweet von „The Cure“ über die neue Dokumentation sorgte für bei Twitter Account des Films für hunderte neue Follower und bescherte dem Trailer tausende neue Klicks.

Der Film wird ab dem 20. April in ausgewählten britischen Städten gezeigt. Ob und wann der Film auch in anderen Medien verfügbar sein wird, ist leider noch nicht offiziell bestätigt. Ich bin jedenfalls ganz offiziell gespannt.

 

Wochenschau #3/2019: Die eigene Meinung vor dem virtuellen Abgrund

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Der Fall Rammstein hat die Empörungskultur im Netz eindrucksvoll entlarvt. Wenn sich das Internet erst mal empört hat, gibt es keine Diskussion mehr. Ein winziger Schnipsel aus Rammsteins Video „Deutschland“, über das Spontis ausführlich berichtet hat, löste, noch bevor das ganze Video überhaupt zu sehen war, eine Welle der Empörung aus. Die Mitglieder der Band als KZ-Gefangene am Galgen? Geht gar nicht! Dem Impuls der FB-Lemminge, möglichst direkt mit einer Meinung zu allem zu glänzen, folgten auch recht schnell die Medien, die umgehend Statements und Stimmen von denen einholten, die dazu einfach etwas sagen müssen. Als dann das Video in seinem gesamten Kontext zu sehen war und klar wurde, dass die recht eindimensionale Betrachtung dem Werk nicht gerecht wurde, suchten die Meinungsmacher schnell nach untermauernden Argumenten für die bereits in die Tastatur gehämmerte Meinung, seien sie auch noch so absurd. Die eigene Meinung ändern? Niemals! Zugeben, vorschnell geurteilt zu haben? Hab ich doch gar nicht! Manchmal wünschte ich, die Meinungs-Lemminge würden die Geduld besitzen, einen Schritt aus der Reihe zu machen und zu schauen, wo der virtuelle Abgrund, in den die anderen alle springen, hinführt. Was mich die letzten Wochen sonst noch beschäftigt hat, lest ihr jetzt in der aktuellen Wochenschau:

Eine schwarze Sängerin steht auf Nazikram, findet das aber nicht politisch. Ist das okay? | Bento

Noch bevor Rammstein eine schwarze Schauspielerin zur Galionsfigur ihres neuen Songs „Deutschland“ machten, interviewt das Format Bento Jadu, eine schwarze Sängerin mit einer Vorliebe für Nazi-Uniformen. „Jadu kommt in Uniform. Natürlich. Eigentlich wollten wir sie am nachgebauten Führerbunker in Berlin treffen, ihr Management legte das Treffen aber lieber in ein Kreuzberger Café namens „Tante Emma“. Sonst ist die Sängerin eigentlich nicht so zurückhaltend mit Anspielungen auf die Nazizeit: Jadu, 30, trägt in ihren Videos gern eine SS-Uniform und singt auf ihrem Debütalbum „Nachricht vom Feind“ eine liebevolle Ode an Adolf Hitler – aus der Perspektive von Eva Braun. Und deswegen sollte dieser Text hier zu Ende sein. Wäre die Künstlerin nicht: schwarz.“ Leider hinkt das Werk der Sängerin deutlich hinter den Erwartungen zurück. Eine paar Ohren in einige ihrer Songs offenbaren viel Provokation, wenig Inhalt. Plumpe ästhetische Polemik würde ich sagen.

H&M und Nine Inch Nails: NIN-Klamotten for the masses | Volt Magazin

Offenbar geht Trent Reznor die Kohle aus, denn bei H&M gibt es die ersten Kleidungsstücke mit dem Logo der Nine Inch Nails. Das Volt Magazin schreibt dazu: „Im Regal neben dem weißen Hoodie mit „Unknown Pleasures“-Radiowellen liegt aktuell ein schwarzer Kapuzenpullover mit NIN-Logo auf der Brust und dem Nine-Inch-Nails-Schriftzug auf dem Ärmel. Bootlegs sind dies natürlich nicht, sondern 1A lizensierte Produkte. Abgesehen davon, dass Trent Reznor in den Neunzigern nicht im Traum eingefallen wäre, einem Deal mit H&M zuzustimmen…

‘Punk’: Johnny Rotten, Marky Ramone Spar at ‘Off the F–king Rails’ Documentary Event | Rolling Stone

Johnny Rotten, der schwer gealterte Sänger der Sex Pistols, macht seinem Ruf als Punk alle Ehre. In einem Panel, das man anlässlich einer neuen Punk-Doku veranstaltete, wetterte der offenbar beschwipste Rotten gegen die anwesenden Star-Gäste: „At the SIR Studio in West Hollywood Monday night, a panel discussion of punk-rock icons devolved into filth and fury — what better way to  honor the Epix network’s new docuseries, Punk, which premieres on March 11th? At the heart of the disruption was John Lydon (a.k.a. Johnny Rotten). The Sex Pistol sparred with Marky Ramone and Henry Rollins while the genre’s other icons watched with smirks and wide eyes.

Chinesische Goths solidarisieren sich durch massenhaften Selfies im Gothic-Look | Deutschlandfunk

In China solidarisieren sich offenbar gerade viele junge Leute mit einer Frau, die in der U-Bahn von Sicherheitskräften dazu aufgefordert wurde, ihr „Goth-Makeup“ zu entfernen. „Die Begründung: Ihr Look sei „fürchterlich“ und „problematisch“. So könne sie nicht mit der Bahn fahren.“ In chinesischen Netzwerk Weibo – sowas wie eine Mischung aus Twitter und Facebook – solidarisiert man sich: „Durch das chinesische Netzwerk Weibo geht gerade ein Hashtag: #为广州地铁发自拍 – das bedeutet so viel wie: „Macht Selfies für die Guangzhou Metro“, bei uns heißt der Hashtag #ASelfieForTheGuangzhouMetro. Unter dem Hashtag finden sich Bilder von Menschen in Gothic-Montur. Sie protestieren damit gegen Diskriminierung – und solidarisieren sich mit einer Frau aus der chinesischen Hafenstadt Guangzhou, einer Großstadt mit rund 15 Millionen Einwohnern.“ Die Metro-Gesellschaft hat sich inzwischen öffentlich entschuldigt, doch die systematische Beobachtung und Gefährdungsbeurteilung dortiger Jugendkulturen bleibt. (Vielen Dank an Wiener Blut)

Nightclubbing: Planet X and Liverpool’s Post-Punk Era | Red Bull Music Academy

Die Discothek Planet X war in den Frühzeiten der Goth-Bewegung einer der wichtigsten Schmelztiegel außerhalb von London. In Liverpool eröffnete die heute 70-jährige Doreen Allen 1983 den legendären Club, den sie bis 1993 führte. Andi Harriman erzählt ihre Geschichte in einem sehr schönen Artikel: „Doreen Allen has lived in the same flat for nearly four decades. It’s a place where Morrissey once stopped for tea, and where Andrew Eldritch called to offer Wayne Hussey an audition to join the Sisters of Mercy. For most people, her hometown of Liverpool, a northern English port city beside the River Mersey, will always be associated with the globe-conquering rock & roll of the Beatles. Allen, however, nurtured an altogether different movement there – one characterized by elaborate backcombed hair, ripped fishnet and the do-it-yourself mentality of the post-punk era.

Irokese und Sicherheitsnadel – Punks im Visier der Stasi. Eine Diskussion in Chemnitz | BstU

Die meisten Jugendkulturen, die sich in der DDR vor allem durch ich Äußeres vom Rest der Masse abhoben, standen unter Beobachtung der Stasi, eben weil sie aussahen, wie sie aussahen. In einigen sah man sogar eine Gefahr für den Sozialismus, so wie in den Punks. „Punkerin Kim Pickenhain konnte sich in den gesellschaftlichen Verhältnissen der DDR nicht verwirklichen. Obwohl sie und ihre Freunde nur auffallen, anders und eigen sein wollten, wurde die Punk-Szene durch das MfS politisiert. Daher stellte sie einen Antrag auf Übersiedlung nach West-Berlin. Doch jenes Anliegen wurde ihr zunächst verwehrt. Bis sie im Juni 1985 plötzlich die DDR verlassen musste. Ihre Abschiebung in den Westen war aus Sicht der Herrschenden „die beste Lösung“ gewesen, erinnert sich Kim während des Gesprächs mit dem Chemnitzer Publikum: „Die Stasi dachte ja, wenn sie mich los wird, dann ist sie das Punk-Problem los„.

Negativ-Dekadente Jugendliche in der DDR
Die Beschreibung der Grufties: „…aus Heavy-Szene hervorgegangen, in Feindschaft zu diesen, Verherrl. von Gruseleffekten, Satans- u. Todeskult, Anhänger der Gruppe „The Cure“. Schwarz oder weiß gefärbtes, nach allen Seiten stehendes Haar, weiß gepudertes Gesicht, schwarze Kleidung. Tragen von Symbolen wie Kreuzen verkehrt herum getragen. Totales polit. und gesellschaftliches Desinteresse. Kaum op. Anfall. öffentl.-wirksamk. durch Sammeln von Grabutensilien, z.T. Grabschändungen, ruhig, von anderen Jgdl. abgekapselt.
Quelle: Erscheinungsformen „negativ-dekadenter“ Jugendlicher
Signatur: BStU, MfS, BV Erfurt, KD Weimar, Nr. 1362, Bl. 30

Gothicband konzertierte in Gelsenkirchener Trauerhalle | WAZ

Man sollte ja nicht meinen, dass man 2019 ungestraft und unbeachtet als Gothic durch das Ruhrgebiet laufen könnte. Bei einem Konzert von Persephone in einer Gelsenkirchener Trauerhalle sahen das jedoch einige Gäste gegenüber der Zeitung anders: „‚Der Friedhof ist natürlich die perfekte Location‘, erklärt ein Gast, der gemeinsam mit einer Gruppe von Freunden aus dem gesamten Ruhrgebiet angereist ist. Namentlich genannt werden will allerdings keiner von ihnen. Zwar kleiden sich Anhänger der Gothic-Szene teilweise sehr auffällig (düstere Gewänder, silberner Schmuck, Schminke oder auch Kontaktlinsen), jedoch sehen sie sich aufgrund ihres extravaganten Kleidungsstils häufig Vorurteilen ausgesetzt und wollen lieber anonym bleiben.

Ausstellung „BEYOND“ im Berliner Collectors Room zeigt Kunst über das Jenseitige | ME-Berlin

Praktikantin Maxi Kling vom eben genannten Ausstellungsort schickte mir neulich eine Nachricht. „Das Nachdenken darüber, was nach dem Leben kommt und die eigene Endlichkeit ist ein universales und zeitloses Thema. Die Ausstellung „BEYOND“ zeigt vom 10. April bis 18. August 2019 sieben internationale künstlerische Positionen aus der Olbricht Collection zum Thema Jenseits. In den separat inszenierten KünstlerInnenräumen werden die einzelnen künstlerischen Ausdrucksformen Malerei, Skulptur, Video, Installation und Grafik deutlich. Während die Darstellung von Qual und Tod ganz konkret die Vergänglichkeit irdischen Lebens verbildlicht, bewegen sich mythische Scheinwelten zwischen Hier und Dort, Katastrophe und geträumter Schönheit, zwischen Diesseits und Jenseits. Dabei ist das Jenseitige immer auch ein Darüber-Hinaus, der Verweis auf ein Mehr, das es zu erreichen, zu verstehen oder zu entdecken gilt.“ Nette Praktikantin! Der Eintritt kostet kleine 8€ und ermäßigt sogar nur 4€ – Für Berliner Verhältnisse ein Schnapper.

Adams Family Halloween | MGM

Erster Trailer zum neuen Film der Addams Family, diesmal vollständig aus dem Computer.

Noch 55 Tage: Doku Countdown zum WGT – Wave-Gotik-Treffen 2004

Das Leben überholt einen ja manchmal so ein bisschen. Meines zog die letzten Wochen hektisch winkend an mir vorbei. Beim Versuch irgendwie Schritt zu halten, hatte ich keine Zeit zu bemerken, dass es schon Mitte April und das WGT damit keine zwei Monate mehr entfernt ist. Trotz der vielen Vorzeichen. Die WGT-Facebook-Gruppe nimmt rund zwei Monate vor dem Treffen wieder Fahrt auf. Einige Spätentschiedene beginnen noch nach einer preiswerten Unterkunft zu suchen. Die nächsten wenden sich den ersten Detailfragen zu und dass es nicht mehr all zu lange hin ist, merkt man spätestens dann, wenn Bilder der aktuellen WGT-Karten gepostet werden. Die nächste Folge des WGT-Countdowns ist daher lange überfällig. Nur noch 55 Tage!

Das Jahr 2004 mag schon 15 Jahre her sein, aber manche Dinge ändern sich nie: Nicht die langen Schlangen an der Bändchenausgabe, nicht die überfüllten Bahnen und auch nicht die vollgestopften Autos der Camper. Nur muss irgendwie der (Techno)Industrial Fahrt aufgenommen und sich zunehmender Beliebtheit erfreut haben. Ebenso wie der Symphonic Gothic Metal. Amduscia und After Forever aus deren Konzerten kurze Einspieler gezeigt werden, stehen exemplarisch bereit und für mich für eine ganze Generation von Junggruftis, die Mitte der 00er Jahre heranwuchs. Zumindest in meiner Wahrnehmung. Damals schien man sich entscheiden zu müssen, war man der coole Clubgänger im Industrialstyle oder der entfesselte Grufti, der bei Gothic Metal Konzerten sein Inneres zu befreien suchte. Seltsame Mischung auf jeden Fall. Oder ganz natürliche Gegensätze? Oder Ergänzungen? Auf jeden Fall etwas an das ich mich unweigerlich erinnern muss, denke ich an die mittleren und späten 00er Jahre.

Seltsam in dieser Folge auch die Interviews. Wenig informativ oder tiefblickend wie im Video aus dem Jahr 2002. Zwar kommen Künstler zu Wort, die Beiträge bleiben im Vergleich aber recht oberflächlich. Auch die Interkation mit Nicht-WGT Besuchern sorgt hier mehr für Irritation, als für interessiert aufgestellte Ohren. Ob hier substanzielle Ideen fehlten, oder die Sonne einfach nur albern gemacht hatte, irgendwie scheint man ganz tief in die Klischee-Kiste gegriffen zu haben. So fragt der Interviewer einen Besucher des Treffens:

I: „Findet ihr das wichtige am WGT ist, dass man einfach auch ein bisschen Spaß hat, oder seid ihr eigentlich ganz depressiv?“
B: „Ein normaler Grufti müsste depressiv sein, aber das ganze Ding an dem Treffen ist, dass alle zusammen Spaß haben sollten“
I: „Ja und vor allem wo steht, dass wir depressiv sind?“
B: „Das steh nirgendswo, aber viele tun so als ob“
I: „Aber wir sind es doch gar nicht, wir sind total lustig, oder?“

Das Spielen mit Klischees war immer schon ein Teil der Szene. Von so ausgereift, dass man nicht weiß, ob es sich um eine gelungene Persiflage handelt oder doch todernst gemeint ist, bis zu so karikativ, dass es eigentlich Beifall erfordert. Wie auch immer, Klischees haben immer einen Ursprung und enden meistens in einem verallgemeinernden und überzeichneten Bild. Auf jeden Fall halten sie sich hartnäckig.

„Marsch für Jesus“ zum Wave-Gotik-Treffen 2019 geplant – Werden wir in Heiligkeit ertrinken?

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Gruftis aufgepasst! Wie gesegnete Quellen aus christlichen Kreisen durchsickern ließen, planen einige kirchliche Organisationen zu Pfingsten 2019 einen Großangriff auf das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Der Codename der geheimen Operation lautet „Holy Fire Leipzig 2019„. Ziel der radikal freundlichen Gläubigen ist es, uns in Heiligkeit zu ertränken. Spontis hat für Euch recherchiert und bringt exklusiv die GANZE Wahrheit ans Mondlicht!

Dank eingeschleuster Scheinheiliger ist es uns gelungen, die Planungsunterlagen zu kopieren und die perfiden Angriffstaktiken für Euch zu entschlüsseln. Bereits am Samstag, den 08. Juni rollt die erste Angriffswelle durch Leipzig, denn ab 13.30 versammeln sich Gläubige, die bis an die Zähne mit dem Evangelium bewaffnet sind, um zum „Marsch durch Leipzig“ zu blasen. Die genaue Route konnten wir noch nicht ermitteln, vermutlich erkennt man die strahlenden Gesichter mit ihrem breiten Lächeln und der merkwürdig bunten Kleidung bereits aus einiger Entfernung.

Wir können nur eindringlich davor warnen, sich anlächeln zu lassen. Die Gefahr, vom Heiligen Geist und seiner Liebe ertränkt zu werden ist außerordentlich hoch. Doch es kommt noch schlimmer. Denn ab 20:00 treffen sich die Teilnehmer des christlichen Events, um 21 Stunden Non-Stop zu beten, während sie von prophetischen Impulsen geschüttelt werden. Dies ist am ehesten mit einem flächendeckenden Elektro-Magnetischen Impuls zu vergleichen, der vermutlich in Schockwellen durch die Stadt bebt, um uns von der Todessehnsucht abzulenken und einer christlichen Macht die Chance gibt, uns vom Licht durchfluten zu lassen. Wie gemein!

Wir haben das Pfingstevent 2019 in Leipzig „Holy Fire“ genannt, weil das Feuer Gottes immer auch mit seiner Heiligkeit verbunden ist. Seit Jahren gibt es in Leipzig zu Pfingsten ein großes europaweites Treffen der Gotik-Szene. Gemeinsam mit der FCJG Lüdenscheid werden wir den Heiligen Geist neu einladen, sich in seiner Liebe und Heiligkeit auszugießen. (Quelle: senfkorn-leipzig.de)

Als friedliche Subkultur ist es uns per Gothic-Erlass vom Januar 1978 (Joy Division Dekret) und Mai 1979 (Cure-Bibel) nicht erlaubt, uns mit Kajal oder Haarspray zu bewaffnen und die Pikes als Lichtvernichter zu verwenden. Daher rufen wir hiermit auf, sich passiv vor den Einflüssen der Christen zu schützen. Umgedrehte Kreuze, Pentagramme, Drudenfüße oder auch durch die Degradierung ihrer Kruzifixe als Schmuck wirken wie ein guter Basisschutz, der mit starker weißer Schminke noch verbessert werden kann. Fraktale Gebilde im Gesicht, die ebenso die schützende Symbolik wiedergeben, sind auch sehr geeignet.

Bewegt Euch nur in Gruppen durch die Stadt! Lasst euch nicht von bunt gekleideten und christlich lächelnden Personen ansprechen! Sollte einer Eurer Freunde plötzlich und unbegründet lächeln, wurde er vermutlich von einem prophetischen Impuls infiziert! Murmelt Songtexte aus der Cure-Bibel, richtet die Spitzen der Pikes auf ihn und zieht ihn so wieder auf die dunkle Seite der Macht. Nehmt Euch vor folgenden Personen besonders in Acht:

Wie dann ein solcher Marsch aussehen kann, konnten wir ebenfalls in Erfahrung bringen. Menschen mit leichtgläubigem Gemüt, Christen mit Suchtgefahr und aggressive Atheisten sollten sich das folgende Bildmaterial nicht ansehen. Also wir raten jedenfalls dringend davon ab, aber ich kenne Euch ja, ihr klickt ja alles an, wo Religion draufsteht ;)

Solltest du beim Lesen die Ironie nicht erkennen, bist du wahrscheinlich schon infiziert. Bitte wende Dich umgehend an die subkulturellen Beratungsstellen in Deiner Nähe!

Warum YouTube-Goth Black Friday aufhören sollte, Werbung für Klamotten zu machen – Eine Seifenoper?

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Die nun folgende YouTube-Seifenoper, die auf den ersten Blick wirkt wie eine multimediale Schlammschlacht zwischen englischsprachigen Grufti-Vloggern, hat auf den zweiten Blick eine durchaus ernst zu nehmenden Hintergrund. Der Vorwurf: Die „Unboxing“ Videos, in denen YouTube Sternchen wie Black Friday riesige Pakete hochpreisiger Markenklamotten auspacken, würden einen völlig überteuerten Dresscode bei den Zuschauern hinterlassen, den sich gerade junge Zuschauer nicht leisten können.

Auslöser ist der YouTuber Ruadhán, der sich einem Video über Gothic-Youtube-Sternchen Black Friday ziemlich rüde echauffiert. Im Video „I’m so sorry“, in dem sich BF für ihre lange Abstinenz entschuldigt spricht sie auch die vielen Nachrichten an, die sie von jungen Leuten bekommt, die „gerne Goth sein wollen, es sich aber nicht leisten können“ (5:20) Für Ruadhán ist die Sache klar, denn in seinem Video „Aging Goth Thinks That ItsBlackFriday Needs to Quit Her Crap“ meint er, dass Black Friday selbst das Problem ist, (3:51) Denn sie mache ja eben diese „fucking sponsored Videos“ von den Marken Killstar und Punkrave, die den Kids suggerieren würde, nur in diesen Marken-Klamotten ein „richtiger Goth“ zu sein. Grund sind Videos wie „Biggest Killstar Unboxing Ever!“ und andere Videos dieser Machart, die für Ruadhán nicht als Werbung sind, „die sie noch nicht einmal kennzeichnet!

Fadenscheinig würde sie sich dann geben, wenn sie erzählt, wie sie in einem Second-Hand-Laden in Neuseeland für kleines Geld ein Gothic-Outfit zusammenkaufen könnte. Und wo Ruadhán gerade mal dabei ist, kriegt auch die Geschichte von Black Fridays Scheidung vom deutschen Grufti Matthias ihr Fett weg. (12:24) „Sie zieht nach Deutschland, heiratet um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, dann wird sie geschieden und hat dann die Nerven zu erklären, sie sei darüber verärgert, dass ihre Genehmigung widerrufen wurde!“ Ja, da wird er sauer, der Ruadhán.

Argumentative Unterstützung zur Klamottenfrage erhält er von YouTuberin „frightsummers„, die sich im Januar mal hingesetzt hat, um auszurechnen, wieviel Gegenwert Black Friday und Toxic Tears in einem Jahr von den Firmen in Klamotten erhalten. In ihrem Video „The goth life style is too expensive“ rechnet – oder besser schätzt sie – vor, dass Black Friday rund 6800€ und Toxic Tears etwa 5000€ an Klamotten, Schuhen und Accessoires im letzten Jahr bekommen haben. Sie stellt sich zurecht die Frage, ob sich die beiden dieses Arsenal an Dingen überhaupt leisten könnten, wenn sie diese nicht von den Firmen zur Verfügung gestellt bekämen.

Black Friday bleibt jedoch auch nicht allein mit den Vorwürfen der beiden Goths zurück, sondern erhält moralische Unterstützung von anderen YouTubern. Dorian von „Of Herbs and Altars“ beispielsweise fragt in seinem Video „Re: Black Friday Needs to Quit Her Crap!“ ganz direkt: „Was soll sie denn machen mit den ganzen kostenlosen Klamotten machen, die sie bekommt? Sie in die Ecke stellen und nicht beachten, weil sie damit die Augenhöhe zu ihren Fans einbüßt?“ (16:41) Nein, so Dorian weiter, das ist schließlich ihr Job, ihre Lebensgrundlage und Teil ihres recht erfolgreichen Kanals. Immerhin schießt er gleich noch ein Video hinterher das erzählt, wie man günstiger an die begehrten Klamotten kommt.

Avelina De Moray springt in ihrem Video für Black Friday ebenfalls in die Bresche und wirft dem „Angry Man“, so wie Ruadhán inzwischen genannt wird, vor, dass er „Goths in Verruf bringe„, wenn er so ein hasserfülltes Video über jemanden mache, den er nicht mal richtig kennt. Für sie handele er eifersüchtig und würde es BF nicht gönnen so erfolgreich zu sein. „Solle er doch seine Lebenssituation verändern, wenn er sich das alles nicht leisten könne, oder sich weiterbilden gehen„, sagt sie. Dabei sitzt sie am Fußende ihres pompösen Bettes und zieht wahnwitzige Vergleiche, YouTube hätte den Verdienst seiner Content-Creator beschnitten und so wäre es absolut nicht verwerflich, sich auf diese Art bereichern zu lassen.

Gothic – Ein Kleidungsstil für Besserverdiener?

Wir wissen es alle. Gothic war eine Subkultur, die sich ihre Ästhetik selbst gemacht hat. In den 80ern gab es weder Internet noch rein alternative Labels mit Gothic-Garantie. Zweckentfremdung, Second-Hand und Do-It-Yourself waren die Devise. Knappe 40 Jahre später haben sich ein paar Dinge geändert. Gothic ist nicht nur eine Subkultur, sondern auch ein Bekleidungsstil. Das Internet sorgt für eine garantierte Dauerversorgung und mittlerweile existieren zahlreiche Marken, die sich auf „Gothic-Kleidung“ spezialisiert haben.

Killstar und Punkrave sind zwei Beispiele, die vor allem mit ihren hochpreisigen und wertigen Klamotten einen Namen gemacht haben. Massive Werbung durch Influencer (so nennen sie zum Beispiel YouTuber wie Black Friday) in nahezu allen aktuellen Medien können suggerieren: „SO SIEHT GOTH AUS!“ Gruftis, die ihre erste subkulturellen Gehversuche in selbst zerschnittenen T-Shirts und schwarze Hosen von C&A oder Primark machen, werden da schnell belächelt. Ein richtiger Grufti zu sein, das kann teuer werden! Gerade dann, wenn die Hände links herum funktionieren.

Unrecht hat er also nicht, dieser „Angry Man“, jedenfalls inhaltlich, auch wenn die Wahl seiner Worte tatsächlich etwas beleidigend ist. Viel besser macht es Avelina aber auch nicht, wenn sie Ruadhán indirekt mangelnde Bildung vorwirft.

Fakt ist: Gothic ist auch (oder vor allem) ein Modetrend, den man sich mit entsprechendem Geldbeutel schnell zusammenklicken kann. Gothic ist aber auch eine Subkultur, die es nicht erfordern sollte, sich nur mit schwarzer Kleidung bestimmter Marken einen Ausdruck zu verleihen.

Seifenoper Youtube – Ein multimediales Schlachtfeld zwischen Authentizität und Geltungsdrang

Hat man früher mit Daniela auf den ausgelutschten Sofas seines Gothics-Clubs über Michael und Sabine gelästert, so werfen sich Youtuber heutzutage in ihrem virtuellen Wohnzimmer sogenannte „Reaction“ Videos an den Kopf. Zuschauer können sich dann an der Meinung und den damit verbundenen Emotionen laben und ihrem angeborenen Voyeurismus nachgehen.

Zwischen denen, die mit Werbung, Produktplatzierungen und Shoplinks mit YouTube Geld zu verdienen, tummeln sich Selbstdarsteller mit einem gewissen Geltungsdrang zu einer klumpigen schwarzen Masse aus Videos. Für den Zuschauer ist das manchmal kaum zu unterscheiden – soll es auch gar nicht. Denn nur wenn YouTuber authentisch, also lebensecht und mit allen emotionalen Höhen und Tiefen, rüberkommen, versammeln sie viele Fans um ihre Person.

Es ist manchmal erschreckend befremdlich, wie „Influencer“ ihr Privatleben in Bild und Ton teilen, nur um die Zuschauer zufrieden zu stellen, um dann gleich im nächsten Atemzug mit einem „Haul“ oder einer „Review“ ihre anderen Geldgeber, die Sponsoren und Firmen, zufrieden zu stellen. Natürlich kann man auch mal neidisch sein, wenn Black Friday einen ganzen Killstar-Einkauf umsonst nach Hause geliefert bekommt, man darf aber nie vergessen, welchen Preis sie dafür bezahlt. Sich von Zuschauern sein Leben kommentieren zu lassen erfordert ein hohes Maß an Selbstbewusstsein. Wer das nicht hat, zerbricht daran. Manchmal sogar wie in einer Seifenoper – hochdramatisch und voller Tränen.

 

Gruft Orakel April 2019: Der Werwolf macht eine Superfigur!

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Klassisch verkackt. Kann man mal so schreiben. Denn anstatt das Gruft-Orakel pünktlich zu veröffentlichen, habe ich mich um meine kreative Ader bemüht, sagt auch mein Horoskop (Vampir). Ich habe zwar kein Origami gefaltet, wie Alana Abendroth prophezeite, dafür aber das Spontis-Magazin mit Hochdruck befüllt. Immerhin wird das in der Mitte gefaltet sein, da schließt sich dann wohl auch der Kreis zum Origami. Immerhin habe ich es besser getroffen als das derzeitige Wesen der Nacht, der Werwolf (21. März – 20. April). Der hat nämlich am Strand einen Stein gefunden, den er lutscht um abzunehmen. Verkackt eben. Kann man mal so schreiben.

Rammstein mit neuem Skandalvideo? „Deutschland“ zeigt die Abgründe unserer Heimat

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Das neue Skandal-Video „Deutschland“, das Rammstein vor gut 17 Stunden bei Youtube veröffentlicht hat, wurde inzwischen über 6,5 Millionen mal aufgerufen. Das Konzept, durch grenzüberschreitende Provokation Aufmerksamkeit zu generieren, funktioniert bestens. Darin zu sehen ist ein Sturzflug durch 2000 Jahre deutsche Geschichte, die unsere Heimat wie einen Moloch aus Grausamkeiten, Greueltaten und Perversität erscheinen lassen. Eine Szene ist besonders umstritten: die Inszenierung der Bandmitglieder als KZ-Häftlinge am Galgen. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, sagt: „Wer den Holocaust jedoch zu Marketingzwecken missbraucht, handelt verwerflich und unmoralisch.“ Werfen wir einen Blick darauf.

Nachdem der 9-minütige Epos an mir vorbeigezogen ist bin ich erstaunt, wie einfach Rammstein mit plumpen Darstellungen meine Empörung zum kochen bringt. Musikalisch verkommt der Song zur Nebensache, weil er von Bildern und Text erschlagen wird. Dennoch, „Deutschland“ ist nicht nur eine provozierende Marketing-Masche. Anders als die neulich bei Spontis diskutierten Bands, erkenne ich hier eine klare Botschaft. „Mein Herz in Flammen. Ich will dich lieben und verdammen.„, singt Lindemann im Refrain. Darin auf den Punkt gebracht, der ständige Kampf der Deutschen zwischen Heimatgefühl, Stolz und Vergangenheitsbewältigung.

„Deutschland“ ist ein erschreckender Zustandsbericht unseres Landes, der mehr der Wahrheit verbreitet, als uns lieb ist. Es greift die immer stärker werdenden rechts-ideologischen und nationalistischen Tendenzen in unsere Land auf, ohne eine belehrende oder verherrlichende Keule zu schwingen. So hart es auch ist, der Song vernichtet das nationale Selbstwertgefühl in weniger als 9 Minuten. Er stellt uns vor die Entscheidung, wie wir mit der Vergangenheit und Gegenwart unseres Landes umgehen.

Faszinierend ist auch die detailreiche Bilderflut. Von der Varusschlacht im Teutoburger Wald, den Befreiungskriegen, den Deutschordensrittern, dem Absturz der Hindenburg, von Sigmund Jähn als Mann im All und den Terrorismus der RAF, ständig gibt es etwas neues zu entdecken. Selbst die KZ-Szene, die so viele Kritiker getriggert hat, erscheint beim zweiten hinsehen gar nicht mehr so plump, denn nicht alle Bandmitglieder am Galgen stellen Juden dar. Ebenso sind politische und homosexuelle Häftlinge zu sehen. Was auf den ersten Blick plump erscheint, entpuppt sich als subtiles – wenn auch negatives – Meisterwerk. Die Reduktion des Videos und des Songs auf die umstrittene Szene wird dem Kunstwerk nicht gerecht.

Die Band positioniert sich so deutlich wie nie gegen den Nationalismus: „Deine Liebe ist Fluch und Segen. Meine Liebe kann ich dir nicht geben […] Übermächtig. Überflüssig. Übermenschen. Überdrüssig. Wer hoch steigt, der wird tief fallen. Deutschland, Deutschland über allen.“ Die dunkelhäutige Germania, die über die weissen Ritter herrscht, verdeutlicht das auch visuell. Sowieso mach Ruby Commey, die gebürtige Berlinerin, ihrem Schauspiel Studium alle Ehre.

Yad Vashem, die Holocaust-Gedenkstätte, sieht die Sache dann erstaunlich differenziert, „Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem kritisierte nicht generell den künstlerischen Umgang mit dem Holocaust.

Und genau das ist es in meinen Augen. Kunst. Und Kunst darf, und ja, manchmal muss sie es sogar, provozieren und Grenzen überschreiten. Auch wenn die generierte Aufmerksamkeit marketing-technisch kalkuliert ist und der Band sicher in die Taschen spielt, bleibt es ein Lied mit Botschaft. Und anstatt sich hinter rätselhaften Textzeilen zu verstecken, sich mit bloßer Nazi-Ästhetik zu schmücken oder lüsternd die Reize der Zuschauern zu tangieren, ist die Aussage des Songs „Deutschland“ klar und deutlich. Die Haltung der Band ist, auch wenn es aktuell keine Stellungnahme zum Video gibt, bereits durch diverse Interviews deutlich geworden. Dem Rolling Stone verriet Lindemann bereits 2011:

Wir kommen aus dem Osten und sind als Sozialisten aufgewachsen. Wir waren früher entweder Punks oder Gruftis – wir hassen Nazis!

Eine Haltung, die ich mir gerade im Hinblick auf pseudo-intellektuelle Neofolk Bands wünschen würde. Eine Haltung, die selbst dem WGT-Management gut getan hätte, wenn man sich das Design mancher Eintrittskarten in Erinnerung ruft. Kunst darf provozieren. Kunst darf wehtun. Kunst darf Grenzen überschreiten. Rammstein machen meiner Ansicht nach vor, wie das gehen kann. Als „Episch“ bezeichnet es die internationale Presse und ich schließe mich dem – obwohl ich kein ausgewiesener Rammstein-Fan bin – uneingeschränkt an.

Wie findet ihr das Video von Rammstein? Ist gerade diese plumpe Geradlinigkeit in Bilder und Text das, woran es manchen Bands in unserer Szene mangelt? Ist das der richtige Umgang mit unserer Vergangenheit?

Trailer: Kinder der Nacht – Am Ende der Ewigkeit

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Rund 20 Jahre ist es her, da sorgte der Underground-Film „Kinder der Nacht“ für einen Sturm im Wasserglas. Der Film, der in der Dark-Wave Szene der spätem 90er im Ruhrgebiet spielt, entstand mit Gruftis aus dem Umfeld der damals angesagten Tanztempel und Veranstaltungsorten und ist damit Zeitzeuge einer sich wandelnden Szene, die immer mehr durch selbst gemachte Inhalte nach Erfüllung sucht. Wir haben bereits 2014 in dem Artikel „Trash oder Kult?“ über den Film berichtet und in den teilweise kontroversen Kommentaren erfahren, das ein zweiter Teil seit einigen Jahren (!) in der Mache sein würde.

2019 soll es endlich soweit sein, wie Filmemacher Heiko Bender mir in einem kurzen Interview verrät. „Kinder der Nacht – Am Ende der Ewigkeit“ erscheint, soviel schon mal vorweg, voraussichtlich zu Halloween 2019. (Update 2024: Der Film ist bis zum heutigen Zeitpunkt immer noch nicht erschienen.) Schauspieler ist die Szene selbst, Gastauftritte zahlreicher Persönlichkeiten würzen die Vorfreude deutlich: Stefan Ackermann (Das Ich), Michael Zöller, Bela B. Felsenheimer, Chris Pohl und Constance Rudert (Blutengel), Myk Jung, Guido Dossche und das Ruhrgebiets-Porno-Sternchen Kelly Trump. Auch einen Trailer hat er beigelegt, der in VHS Retro-Optik folgende Handlung offenbart:

Spontis: Heiko, warum hat die Beendigung des Films so verteufelt lang gedauert?

Heiko BenderNachdem die Dreharbeiten 2005 abgeschlossen waren, habe ich viele verdammte Jahre im Medienbereich gearbeitet. Dadurch hatte ich ein Zeit und Motivationsproblem und später einen Burn Out. Es gab seit dem immer wieder Versuche, den Film fertig zu stellen. Jedoch scheiterte es zum größten Teil an der Professionalität der Visual FX Leute. Da haben wir in den letzten Jahren durch „Über und Unterschätzungen einiges erlebt. Erst durch Sebastian Fritzschs ThisGraphix haben wir die Zuverlässigkeit bekommen, die wir dringend für die Fertigstellung benötigten. Da wir seit 2010 in anderen Projekten zusammenarbeiteten hat ein Zufall uns das Geschenk gemacht, dass man sich dort auch um die Effektszenen kümmerte. Seit 2011 hat man immer in loser Folge zwischendurch an KDN gearbeitet. Seit 2016 verläuft die Postproduktion (Schnitt, Sounddesign, Effekte…) erst durchgehend. Jedoch haben wir alle Jobs, und wir machen KDN in unserer Freizeit, was wiederum auch sehr viel Zeit frisst.

Spontis: Wie kommen wir in den Genuss des Films, wenn es soweit ist?

Heiko Bender: Zunächst auf ein paar Leinwände. Unsere Verleih plant eine kleine Landesweite Tour durch ausgesuchte Lichtspielhäuser, in Kombination mit Sonderveranstaltungen und Festivals. Später erscheint er dann auf die üblichen Datenträger mit viel Bonusmaterial. Wir arbeiten eng mit der Busch Media Group zusammen. Die haben alle professionellen Vertriebswege, die dafür sorgen das KDN in den Elektromärkten, oder im Internet auf allen dafür gängigen Plattformen verfügbar sein wird.

Einen weiteren Einblick in den Film gibt das Preview von der John Sinclair Convention in Köln, die im September 2018 stattgefunden hat. Wir halten Euch auf dem Laufenden und sind gespannt, ob uns Kinder der Nacht 2 ein gruseliges Halloween bescheren wird. (Vielen Dank an Mone vom Rabenhorst für den Hinweis)

Mall Goth: Aufstieg und Fall des amerikanischen Einkaufszentrum-Gruftis

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Wie der Name schon ein wenig verrät, handelt es sich beim Mall Goths um amerikanische Jugendliche, die etwa in der Mitte der 90er Jahre damit begannen, ihre ersten Schritte in die Gothic-Szene zu wagen. Treffpunkt waren die örtlichen Einkaufszentren, die Shopping-Malls, die in den 80er und 90ern zentrale Bestandteile der dortigen Jugendkulturen waren. Viele amerikanische Gruftis blicken peinlich berührt zurück, wenn sie an ihre „Baby-Bat“ Phase denken, in denen sie Marilyn Manson kopierten und sich in wilden Schminkorgien ihre Abgrenzung von der vermeintlich verhassten Gesellschaft verschafften. Während die einen den Mall Goth für einen Trittbrettfahrer einer vermarkteten Subkultur halten, ist er für andere ein Stück der eigenen Identifikation und Einstiegsdroge in die „richtige“ Szene. Ich wollte herausfinden, was diesen Trend so beliebt gemacht hat und welche Umstände ihn letztendlich zu Fall gebracht haben.

Der Mall Goth ist untrennbar mit zwei Phänomenen verbunden, die es meines Wissens in dieser Form nur in den USA gegeben hat: Shopping Malls und Hot Topic.

The Shopping Mall – Wahrzeichen für Reichtum und Wohlstand

Wer kennt sie nicht aus den amerikanischen Filmen der 80er. Gigantische Shopping-Malls in den man alles kaufen konnte, was man begehrte. Für viele Jugendliche waren diese Malls Treffpunkte, um nach der Schule mit Freunden abzuhängen, sich Fast Food einzuverleiben, zu zocken oder eben einzukaufen. Vor allem in kleineren Städten und Gemeinden, war die Mall der zentrale Dreh- und Angelpunkt des örtlichen Lebens. Traditionell waren Shopping Malls vor allem auf ein jugendliches Publikum ausgerichtet und schufen durch die stete Integration von Trends fortwährend neue Anreize. So waren schon in den 80ern viele Malls mit „Arcades“ bestückt, der moderne Form der Spielhalle, in denen Spielautomaten um die Münzen der Kids bettelten.

Ende 1989 eröffnete das erste Hot Topic in einer kalifornischen Shopping-Mall. Hot Topic ist eine amerikanische Ladenkette, die sich auf den Verkauf von Klamotten, Accessoires und Musik alternativer Jugendkulturen spezialisiert hat. Im Laufe der Jahre hat man so ziemlich jede Jugendkultur aufgegriffen die das Land ereilte und in den rund 600 Fillialen konsequent vermarktet. Mitte der 90er Jahre griff man den damals aktuellen Gothic-Trend auf, der durch Bands wie Marilyn Manson oder auch Evanescence befeuert wurde.

Zwischen Mitte der 90er und Mitte der 00er entwickelt sich Hot Topic in Verbindung mit den Malls, in denen die Geschäfte sind, zum wichtigsten Einstieg in die amerikanische Gothic-Szene. Mit der gleichzeitigen Verbreitung von immer günstigeren Digital-Kameras steigt auch die Anzahl der fotografischen „Beweis-Stücke“, die vom mitunter peinlich wahrgenommenen Einstieg in die eigene Grufti-Karriere zeugen.

Ein Artikel bei Dazzed bringt mich zum Instagram-Account von @1990smallgoth, der sich der ganz der Archivierung eben dieser Schätze verschrieben hat. In dem dazugehörigen Interview schreibt der Inhaber der Accounts:

“Funnily enough ‘mallgoth’ was meant to be a bit of an insult,” explains Trinity Levy, the Arizona-based high school senior who started the Instagram account @1990smallgoth. “Being called a mallgoth was the equivalent of being called a poser. The purpose of it was to describe the kids who loved Marilyn Manson and bought Tripp pants from Hot Topic back in the day, but still identified or were seen as goth. I’d say that that broad description is still true at its core. Despite its name, it doesn’t have anything at all to do with the goth subculture besides sharing a few aesthetics.”

Der Mall Goth, so Trinity Levy im Interview, hat mit der Subkultur des Gruftis wenig gemein, außer einigen ästhetischen Überschneidungen. Seine Sammlung auf Instagram ist aber sehenswert und umfangreich und verschafft einen teilweise anstrengenden Einblick in die gruftige Frühphase amerikanischer Jugendlicher.

https://www.instagram.com/accounts/login/?next=/p/BvPb_3Kg6S-/

Während sich die einen dauerhaft Fremdschämen wollen und angewidert die Augen verdrehen, schwelgen die anderen in alten Zeiten. Während die Trittbrettfahrer gleich auf den nächsten Zug gesprungen sind, den Hot Topic auf dem Fahrplan hatte, sind aus einigen Mall Goths, die in den Einkaufszentren ihre „Baby Bats“ Zeiten durchlebt haben, Veteranen geworden, die das als Teil ihrer Vergangenheit betrachten. Der Graf vom Belfry Network kann dem Phänomen durchaus positive Seiten abgewinnen:

However, there are many of us (myself included) who were mall Goths but used that stage as a platform for evolving into the lifelong Goths that we are today. We might look back on that stage with embarrassment or disdain, but I honestly don’t think that should be the case. We should embrace that era as simply a starting point in the journey that every Goth takes as they mature and discover more and more of the music, fashion, and staples of the current scene.

In der Mitte der 00er Jahre verschwand das Thema „Gothic“ mehr oder weniger völlig aus den Regalen der Einzelhandelskette. Längst waren die schwarzen Traurigkeitsgenießer, die zum „My Immortal“ gemeinschaftlich heulten, durch die deutlich energiegeladene Nu-Metal Bewegung abgelöst worden. Disturbed, Korn und Limp Bizkit waren stilprägende Idole geworden, Hipster und Emos übernahmen die Herrschaft in den Malls.

https://www.instagram.com/accounts/login/?next=/p/BvPb_3Kg6S-/%3Futm_source%3Dig_web_copy_link

Gleichzeitig verloren Malls aber deutlich an soziokultureller Bedeutung für die amerikanische Jugend. Online-Shopping besiegte gigantische Mall-Tempel innerhalb von wenigen Jahren und die Jugendlichen nutzten die Möglichkeit, Online gegeneinander zu spielen. Das war bequemer als sich in Spielhallen an die Automaten zu stellen. Vor allem in ländlichen Gegenden, wo die Malls in den 80ern blühten, finden sich immer mehr verlassene Malls.

Heutige Einstiege in die Gothic-Szene laufen heimlicher ab. Bevor sich die Kids mit ihren Veränderungen unter ihresgleichen mischen, prüfen sie im Internet Style und Zusammensetzung, lassen sich von Tutorials auf Youtube inspirieren und folgen weniger den Stars auf der musikalischen Bühne, sondern mehr den Stars der Videoplattform. Wie waren eigentlich die späten 90er hierzulande? Damals waren Einkaufszentren eher Mangelware und Hot Topic kannten wir nicht einmal. Ich bin gespannt auf Eure Kommentare!

Mädchen Artikel 1992: Grufties – Vom Teufel besessen?

„Schwarze Messen, Katzenopfer, Grabschändungen und Satansaustreibung – Sind die düster gestylten ‚Grufties‘ vom Teufel besessen?“

Da haben wir sie, die üblichen Verdächtigen der Grufti-Szene in den frühen 90ern. Stilecht auf dem Friedhof versammelt, alle blicken ein bisschen düster drein und als Sahnehäubchen gibt es dann zum pauschalen Vorab-Provozieren die passenden Schlagworte. Und damit wären wir dann auch gleich beim ersten Widerspruch: Wenn wir den Satan austreiben, wie können wir dann vom Teufel besessen sein? Ich unterstelle zwei mögliche Erklärungen. Es könnte ein Druckfehler vorliegen und es heißt eigentlich Satansabtreibungen, denn wer ungewollt vom Teufel geschwängert wurde, kann schon mal mit dem Gedanken spielen. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Teufel ja nicht so viele Gruftis auf einmal besitzen kann und deswegen immer ausgetrieben werden muss, um Kapazitäten für die anderen Gruftis freizumachen.

Die Leute auf dem Bild sehen die Anfeindungen der Gesellschaft, nicht ganz so locker. Jeder hat in seinem Alltag mit Problemen zu kämpfen, weil er so aussieht, wie er aussieht. „Seitdem die Grufties als katzenmordende Teufelsanbeter durch die Schlagzeilen geistern und sogar im Fernsehen schon schaurige Berichte über die okkulten Greultaten schwarzer Satansjünger gezeigt wurden, haben Nina und ihr Freunde in Kiel kein leichtes Leben mehr: Torben (18) findet keine Lehrstelle. Christian (19) verlor ihren Job als Friseurin und flog bei den Eltern raus. Nicole (17) mußte die Schule wechseln. Björn (19) wird im Supermarkt um die Ecke nicht mehr bedient. Tine (20) wurde im Kaufhaus als ‚Diebin‘ beschimpft und von einem alten Mann mit den Stock angegriffen.

Der Bericht folgt dem klassischen Boulevard-Muster. Erst wird groß aufgebauscht, mit bedeutungsschwangeren Begriffen um sich geworfen, dann werden die Protagonisten mit den Vorwürfen konfrontiert. Schließlich erklärt man ein bisschen, um im letzten Absatz dann doch zu relativieren. Alles gar nicht so schlimm. Völlig harmlos, diese Gruftis – Entschuldigung, Gothics.

Heute schocken wir kaum noch alte Leute mit Stock, bekommen Lehrstellen, werden im Supermarkt bedient und die Eltern sehen mitunter gruftiger aus, als ihre eigenen Kinder. Manchmal, so wünscht sich vielleicht der ein- oder andere, würde man gerne wieder mal ein paar Leute erschrecken oder als Teufelsanbeter gelten. Stattdessen wirken wir in heutigen Berichten als belächelte sexy-verruchte Modelinie, die sich einmal im Jahr zum Stell-Dich-Ein in Leipzig trifft.

Schreibt Eure Meinung in die Kommentare: Ist euch die heutige gesellschaftliche Akzeptanz ein Dorn im Auge? Streben wir deshalb immer nach neuen Extremen (mehr Tattoos, mehr Piercings, weniger Klamotten) um das Gefühl der Abgrenzung zu wahren?