Warum es das WGT bald als Kinderbuch gibt – Interview mit dem Autor von „Wir Kellerkinder“

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Neulich erhielt ich einige recht unterschiedliche Nachrichten über die sozialen Netzwerke, die mich auf ein geplantes WGT Kinderbuch aufmerksam machen wollten. Während einige sich über den „Ausverkauf unserer Szene“ empörten, lobten andere Nachrichten die Idee eines solchen Buches und forderten: „Bring doch mal was darüber!„. Diesen Gegensätzen wollte ich auf den Grund gehen und habe Christian, den Autor des Buches „Wir Kellerkinder – Everyday is Halloween“ um ein Interview gebeten. Natürlich bin ich auch sehr gespannt, wie ihr dieses Projekt seht, ob ihr seine Beweggründe nachvollziehen könnt und ob ihr einen Ausverkauf der Szene erkennt.

Christian (siehe Titelbild) ist 42, lebt in Hamburg und bewegt sich seit einem guten Vierteljahrhundert in der Szene und dürfte mit seinen 24 WGT-Besuchen durchaus als Veteran durchgehen. Ob er sich selbst als Grufti bezeichnen soll, weiß er nicht recht, „ich trage halt ausschließlich schwarz und höre fast nur dunkle Musik, viele andere häufiger vorkommenden Merkmale finden sich jedoch nicht an mir.“ Zusammen mit Jan von Gotikatur möchte er ein Buch auf die Beine stellen, das voraussichtlich 2020 erscheinen wird und über Crowdfunding finanziert werden soll.

Gegen den Einheitsbrei aus Prinzessinnen und Meerjungfrauen

Spontis: In einer Mischung aus Überraschung, Neugier und Schock habe ich davon gelesen, dass Du vorhast, ein Kinderbuch zu schreiben. Wie kam es zu der Idee?

Christian: Die Überraschung freut mich, ebenso die Neugier. Aber ein Schock? Die Idee hat sich mir quasi aufgedrängt! Dieses Jahr werde ich zum 24. mal das WGT erleben, mein fünftes als Vater. Neben der Musik gefiel mir schon immer die Atmosphäre, die vielen verschiedenen Spielarten und das friedliche Miteinander. Ständig neue Eindrücke und ständig neue Charaktere. Und genau diesen Teil meines Lebens möchte ich meiner Tochter natürlich irgendwie näher bringen. Nicht, um aus ihr einen Grufti zu machen, sondern, um mit ihr etwas zu teilen, was mir wichtig ist.

Spontis: Du schreibst in deinen Informationen zum Buch: „…ich möchte die schwarze Szene […] für Kinder erfahrbar machen und ihnen diese Vielfältigkeit vermitteln.“ Wie willst du das anstellen? Wie ist das Buch aufgebaut?

Christian: Es soll ein Wimmelbuch und auch für 3-6 jährige verständlich sein. Für ein Festival wie dem WGT, wo eine ganze Stadt voll von verschiedenen schwarzen Menschen ist, schien mir das die passendste Form. Es soll keine Ansichten oder Philosophien vermitteln, keine Melancholie erklären oder das Obskure. Es soll sich das Treiben ganz naiv und unvoreingenommen ansehen und es abbilden.

Spontis: Du hast neulich selbst Interviews mit Gruftis geführt, die du für die Idee begeistern konntest. Welche Fragen hast du gestellt und worauf zielten diese Interviews ab?

Christian: Meine Fragen waren zum Teil schon so naiv, wie ich sie mit dem Buch auch beantworten möchte: “Wer bist du?”, “Was bist du?” und “Was bedeutet all das schwarz?”. Und abschließend die Frage, ob das alljährliche Szene-Gewusel in einem Bilderbuch Platz finden könnte. So viel sei verraten, alle fanden die Idee toll. Die Interviews selber werde ich in den kommenden Wochen veröffentlichen und hoffe so noch mehr Aufmerksamkeit für dieses Projekt zu erzeugen.

https://www.facebook.com/wirkellerkinderbuch/videos/1253415504822904/

Spontis: Warum ist es Deiner Ansicht nach überhaupt notwendig, Kindern etwas über eine Subkultur zu vermitteln?

Christian: Zunächst einmal geht es mir ganz persönlich darum, etwas, das mir wichtig ist und einen wichtigen Teil von mir definiert mit meiner Tochter zu teilen, um sie an meinem Leben teilhaben zu lassen. Genauso, wie sie mich an ihrem Leben teilhaben lässt.

Vor allem aber möchte ich dem Einheitsbrei aus Prinzessinnen und Meerjungfrauen, Einhörner und Kuscheltiere auf der einen Seite und Piraten, Feuerwehrmänner und Dinosaurier auf der anderen Seite einfach mal etwas anderes entgegensetzen. Etwas, das anders ist und auch sein will.

Die Kinderliteratur, aber auch die Musik und die Filme sind voll von Stereotypen. Es gibt verdammte Ü-Eier für Mädchen! Da ist nichts besser geworden in den letzten Jahrzehnten. Im Gegenteil, die Industrien haben Stereotypen perfektioniert. Und wie alle Eltern bestätigen werden, kann man dem nicht entkommen, egal wie sehr man sich dagegen stemmt, weil spätestens in der Kita die anderen Mädchen mit der Eiskönigin und die Jungs mit Feuerwehrmann Sam ankommen.

Mir macht es jedes Jahr großen Spaß, mich auf dem WGT und in der Stadt umzuschauen und die vielen verschiedenen Leute zu sehen. Kindern wird es vermutlich ähnlich gehen. Ob sie selbst einmal Teil dieser oder einer anderen Subkultur werden, vermag so ein Buch vermutlich kaum zu beeinflussen und das ist auch gar nicht das Bestreben. Das sollen die kleinen Menschen schön für sich herausfinden.

Es kann doch nicht verkehrt sein, einfach mal etwas zu machen, das eine Alternative aufzeigt, anders ist und vielleicht sogar hilft den kleinen Horizont nachhaltig zu erweitern dafür, dass es auch andere Lebensentwürfe gibt, dass Anderssein etwas tolles sein kann.

Spontis: „Wir Kellerkinder“ ist ein interessanter Titel, beziehst du Dich damit auf den Spielfilm von Wolfgang Neuss oder wie kam es zu dem Titel?

Christian: Die Liste derer, die ohne googlen den Namen Wolfgang Neuss assoziieren ist kurz. Ich habe den Film vor vielen Jahren mal im Studentenkino gesehen, aber hatte ihn nicht mehr präsent und musste  erst an seinen Titel erinnert werden, also eher nein. Kellerkinder ist einfach einer dieser Begriffe, die der schwarzen Szene hinterhergerufen werden, von Leuten, die damit nichts anfangen können. Er passt deshalb so gut zu diesem Buch.

Gothics in den USA hingegen hören immer wieder ein hinterher gerufenes “Halloween’s over!” weswegen auch der Untertitel “Everyday is Halloween” gut passt (auch ohne sich direkt auf Ministry zu beziehen). Das Buch soll dort, wo es Text haben wird, zweisprachig daherkommen und so von deutsch- aber eben auch englischsprachigen WGT-Besuchern gelesen werden können.

Spontis: Ich habe mich gefragt, was Du damit erreichen willst, Kindern die schwarze Szene erfahrbar zu machen. Möchtest du Nachwuchs generieren, Offenheit und Toleranz vermitteln oder den Erklärbär spielen?

Christian: Vielleicht, ja, ja und nö. Kinder lernen etwas, das sie nicht verstehen, indem sie damit spielen. Wenn dabei Offenheit und Toleranz gegenüber Anderssein entstehen kann und dieses Buch einen kleinen, bescheidenen Beitrag zu einer solchen Entwicklung leistet, würde mich das sehr stolz machen.

Misstrauen gegenüber der Konsenskultur als Gemeinsamkeit

Spontis: Ich glaube, viele Szene-Mitglieder sehen ihren Rückzugsraum in Gefahr, wenn du in ihren Augen die schwarze Szene zum Kinderbuch degradierst. Viele sehen Deine Bemühungen kritisch und fürchten, du vermittelst ein Bild von einer schwarzen Szene mit plärrenden und spielenden Kindern auf schwarzen Hüpfburgen. Eben das, wovor viele Szenemitglieder zu fliehen versuchen. Was sagst du dazu?

Christian: Kinder sind doch längst Teil dieser Szene. Viele von uns sind Eltern geworden. Es gibt sogar schon Großeltern unter uns und das WGT, wie auch einige andere große Festivals, haben darauf längst mit Betreuungsangeboten reagiert. Natürlich gibt es auch Gruftis, die von alldem nichts wissen wollen und mit Kindern nichts anfangen können, aber ist ausgerechnet Kinderfeindlichkeit ein typisches Merkmal dieser sonst als so friedlich beschriebenen Szene?

Kritik schlug mir bisher wirklich selten entgegen. Klar gibt es Leute, die meine Idee für Unsinn halten und damit bin ich total einverstanden. Mir gefällt ja auch nicht alles. Mir wurde auch vereinzelt Kommerz vorgeworfen, dabei bin ich froh, wenn ich das Projekt umsetzen kann ohne draufzahlen zu müssen. Es gibt auch Leute, die – ähnlich deiner Frage – die “Trueness” dieses Projektes in Frage stellen und da kommen wir zu einem interessanten Thema. Denn was die Szene ausmacht und wie sie sich definiert ist eben kein festgeschriebener Code, wie es einige meinen, sondern etwas sehr individuelles. Die einzige echte Gemeinsamkeit, die ich erkennen kann, ist das Anderssein und ein tiefes Misstrauen gegenüber der Konsenskultur und daraus sich ergebend die Tendenz den Blick in das Dunkle, das Abseitige zu wenden, um dort etwas für sich zu finden. Und dennoch scheinen wir alle eine Sehnsucht nach Gemeinsamkeit zu verspüren, der wir u.a. auf dem WGT nachgehen.

All das können Kinderbücher der Szene nicht nehmen. Sie können aber vielleicht helfen eine Offenheit für das Anderssein zu schaffen, von der wir alle profitieren würden.

Ich persönlich möchte nicht vor Kindern flüchten. Aber ich möchte von coolen Kindern umgeben sein, die selbstbewusst ihren Weg suchen und dabei keine Scheu haben, Dinge auch mal anders zu machen.

Spontis: In deinen erst Bild-Collagen zum Buch-Projekt tauchen auch viele „Kostümierte“ auf und suggerieren, dass es wieder einmal nur um die Selbstdarsteller und Verkleidungskünstler geht und weniger um die Szene und die damit verbundenen Weltanschauung, wie die Leidenschaft für das Morbide, das Abseitige und das Okkulte. Wie siehst du das?

Christian: Für das Morbide, das Abseitige und das Okkulte ist Kinderbüchern nur wenig Platz und wenn, dann immer kindgerecht aufbereitet. Das ist uns aber doch nicht fremd. Es gibt schon so viele niedliche Fledermaus-Rucksäcke u.ä. und niemand stört sich daran. Warum auch?

Wohl aber sollte die Szene in der Lage sein, sich dem naiven Blick eines Kindes zu stellen, der zunächst einmal doch nur feststellen kann, dass da Menschen rumlaufen, die anders aussehen als die meisten. Warum machen die das? Was bedeutet das alles? Sind die böse oder lieb? Das sind doch total valide Fragen. Klar kratzt das nur an der Oberfläche, aber so fängt doch alles Interesse an.

Wie sollen Kinder Toleranz für Anderssein entwickeln, wenn diese Anderen sich Ihrem Blick nicht stellen?

Spontis: Genug gebohrt. Wer ist eigentlich alles an der Entstehung des Buches beteiligt?

Christian: Bis jetzt entspringt das Buch nur meinem Kopf. Aber mit Jan von Gotikatur gibt es einen Illustrator, der in der Umsetzung dann wiederum großen Einfluss auf alles haben wird. In gewisser Weise haben das auch schon all diejenigen, mit denen ich mich bisher austauschen konnte.

Spontis: Wann ist geplant, das Buch herauszubringen und was soll es grob geschätzt kosten? Wann startet die Crowdfunding-Kampagne?

Christian: Sobald die Kickstarter-Kampagne erfolgreich zu Ende gegangen ist, fangen wir an zu zeichnen. Je nach Umfang wird das ein paar Monate dauern, bevor wir vermutlich Anfang 2020 die ersten Exemplare in den Händen halten können. Das gilt ebenfalls für alle, die uns via Kickstarter entsprechend unterstützt haben. Alle anderen müssen dann noch ein wenig warten, bis man das Buch online oder auf dem WGT für voraussichtlich 16,95 Euro erwerben kann.

Die Kickstarter-Kampagne startet bald. Das genaue Datum halten wir aber vorerst geheim, denn als erste erfahren es unsere treuen Newsletter-Abonnenten, die so auch als erste die Gelegenheit bekommen sollen, sich die besten Rewards zu sichern. Das Buch wird auf Kickstarter mit einem deutlich reduzierten Preis erhältlich sein. Auch wird es die Möglichkeit geben, sich selbst in dem Buch als Figur zu verewigen. Early Birds kriegen die dicksten Würmer!

Spontis bedankt sich bei Christian für dieses ausführliche und aufschlussreiche Interview!

Weiter Informationen zum Buch „Wir Kellerkinder – Everyday is Halloween“:

Spontis Family Treffen 2019 auf dem 28. Wave-Gotik-Treffen in Leipzig

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Selbst die radikal religiösen Grinsekatzen können mich nicht abhalten! Die Eintrittskarten für das Wave-Gotik-Treffen hängen bereits an der Pinnwand (magnetisch, damit es keine Löcher gibt), die Unterkunft ist gebucht und auch das Äußere ist halbwegs geplant. Trotz der Gegenwehr meiner persönlichen Befindlichkeiten, hinsichtlich meines Äußeren Erhaltungszustands, habe ich so etwas wie Vorfreude entwickelt. Schuld daran ist nicht allein der Auftritt der Band Fehlfarben mit ihrem legendären Album „Monarchie & Alltag“ auf dem Wave-Gotik-Treffen, sondern vor allem die Spannung auf das bevorstehende Spontis-Family-Treffen.

Ihr habt doch wohl nicht gedacht, dass ihr ohne Aufforderung, am Montag, den 10. Juni 2019 ab 14:00 das mittlerweile 9. Spontis-Family-Treffen zu besuchen davonkommt? Wie immer sind alle Leser, Autoren, Sympathisanten, Neugierige, Freunde und sonstige schwarze Gestalten eingeladen, sich auf der Wiese im Park hinter der Moritzbastei einzufinden. Die Menschen hinter den Klicks, Namen, Beiträgen und Kommentaren kennenzulernen ist fester Bestandteil meines persönlichen Herausforderungs-Kalender.

Spontis Magazin Krautfaunding

Crowdfunding 2019 - Texte LogosNachdem im letzten Jahr die Idee des Crowdfundings, das die Druckkosten des Spontis-Magazins decken sollte, so gut angekommen ist, habe ich auch in diesem Jahr eine solche Aktion gestartet, die bereits abgeschlossen ist. Und was soll ich sagen? 76 Unterstützer haben unfassbare 1361€ gespendet! Damit wir das Geld sinnvoll verwenden und nicht an falscher Stelle verschwenden, hat sich das Magazin-Team (Orphi Eulenforst, Sabrina Handt und meine Wenigkeit) virtuell zusammengesetzt und den Umfang und die Ausführung des Magazins erweitert. Statt der 20 Seiten aus dem Vorjahr gibt es nun 32 Seiten in einer Auflage von 250 Stück (!) das an alle Interessenten auf dem Spontis-Treffen 2019 KOSTENLOS abgegeben wird. Natürlich wieder mit dem beliebten Spontis-Family-Button 2019. Die 76 Crowdfunder, die das möglich gemacht haben, werden darüber hinaus mit zwei weiteren exklusiven Goodies belohnt. Wer neugierig ist, wie das Geld verwendet wird, schaut einfach bei der Crowdfunding-Plattform vorbei, da werde ich alle Kosten transparent machen.

Was wird also geboten?

  • Leser und Leute aus ganz Europa auf einer Wiese, verbunden durch die gleiche Wellenlänge des Goth-Seins.
  • Der kostenlose und obligatorische Button zum Spontis-Family-Treffen 2019, der in diesem Jahr von Sabrina Handt entworfen wurde.
  • Das legendäre, streng limitierte, crowdgefoundete 32 Seiten starke Spontis-Magazin 2019!
  • Die unbezahlbare Möglichkeit Kontakte zu knüpfen und Leute hinter den virtuellen Kulissen kennenzulernen.
  • Kekse. Weil man auf der dunklen Seite des Lebens immer Kekse haben sollte.

Was musst Du mitbringen?

  • Ein Decke oder Sitzunterlage, je nach Witterung auch einen Regenschirm.
  • Verpflegung in Form von Getränken, vielleicht auch Knabberreien.
  • Unvoreingenommenheit, Neugier und ein wenig Mut.
  • Freund und Bekannte, die sich möglicherweise zur dunklen Seite der Spontis-Leser bekennen würden.
  • Wenn vorhanden: Deine Foto- oder Videokamera und die Lust das Geschehen und die Menschen zu dokumentieren.

Wegbeschreibung für Erstbesucher

Das Treffen findet im kleinen Park hinter der Moritzbastei (siehe Karte) statt, also direkt im Zentrum von Leipzig. Von der Innenstadt kommend lasst ihr die Moritzbastei links liegen bis ihr an der Kreuzung Schillerstraße/Universitätsstraße steht, hier könnt ihr den Park bereits sehen. Ihr geht ein Stück links und folgt dem ersten Weg durch den Park (die Moritzbastei liegt in Eurem Rücken). Habt ihr die Gabelung erreicht, solltet ihr einen großen Baum sehen unter dem ein paar Menschen rumstehen oder rumsitzen. Das sollten wir sein. Von der Haltestelle der Tram (auf dem Bild der linke Startpunkt) ist es ebenso leicht. Nehmt einfach die Linie 11 von der Agra oder vom Hauptbahnhof aus und merkt euch die Haltestelle “Wilhelm-Leuschner-Platz”. Ihr überquert die Ampel am Ende der Haltestelle (bei Grün) und folgt dem kleinen Weg in den Park um dann gleich rechts über die Wiese zu laufen und unter dem großen Baum die netten Menschen zu treffen. Die unmittelbare Nähe zum HBF und auch im Umfeld befindliche Parkplätze machen es sogar möglich, das Treffen kurz vor der Abreise mit dem Zug zu besuchen.

Hinweise

Das Treffen findet bei jeder Witterung statt, obwohl wir natürlich hoffen, dass es so schön wird und bleibt. Sollte sich aufgrund eines akuten Ereignisses etwas ändern, werden wir Euch informieren. Uns ist bewusst, dass wir nicht jedem gerecht werden können und garantiert mit der Terminplanung (wenn der Programmplan des WGT erscheint) des ein oder anderen kollidieren. Daran kann man leider nichts ändern, egal an welchem Tag man das Treffen veranstalten würde. Jeder ist willkommen, egal ob man nur 10 Minuten bleibt oder länger verweilt, was ich persönlich natürlich hoffe.

Da dies ein öffentlicher Park ist, bitte ich um Rücksicht auf Mitmenschen, Stinos, Umwelt und Natur :-) Nehmt Euren Müll wieder mit, zelebriert mögliche Opfergaben nur in jugendfreier Form und verwendet ausschließlich Haarspray, dass die Ozon-Schicht nicht schädigt.

Hier ist geht es zur Veranstaltung bei FACEBOOK

Gruft-Orakel Mai 2019: Beim Sukkubus muss der Schnuller raus!

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Die Grableuchte (21. April bis 20. Mai) hat es in diesem Monat besonders schwer. Amors Pfeil fügt dem flackernden Licht in roter Hüller beträchtlichen Schaden zu, verliebt man sich doch in jemanden, den man als „nicht die hellste Kerze auf der Torte“ bezeichnen würde. Und auch wenn das Gegenüber keinen geraden Satz formulieren kann, so ist es offensichtlich hübsch genug, Begehrlichkeiten zu wecken. Wo die Liebe eben hinfällt. Ob Alana Abendroth von realen Begebenheiten zehrt? Wir wissen es nicht. Jedenfalls hat sie wieder der Kröte am Frankfurter Hauptbahnhof zugehört, was die sich in den Krötenbart gemurmelt hat:

Gruft-Orakel Mai 2019 - Alana Abendroth

Zurück zum Beton! Onkel Hagen erzählt Euch mal, warum Früher auch alles Scheiße war

Tach zusammen! Als in den 80er Jahren der Ruhrpott noch kochte, kochte auch die Szene. Und die Gemüter kochten meistens auch…über. Die Luft war schlecht, die Arbeitslosigkeit hoch, die großen Streiks brutal und der kleine Grufti Hagen eher schüchtern. Nun bin ich 48, aus dem Gröbsten raus und erzähle euch mal, wie schön es früher war. Oder auch nicht.

Früher war alles…auch Scheiße

Rennen nicht Laufen sangen einst Die Ärzte. 72 Kilo, 186 groß und alles andere als sportlich aber wegrennen war immer eine Spitzendisziplin meiner Kumpels und mir.

Unsere Lieblingsdisco war 10 Kilometer entfernt in einem anderen Stadtteil. Abends um acht mit dem Bus hin und um Mitternacht mit dem letzten Bus nach Hause. Oder wenn das Geld reichte, mit dem Taxi. Das war sicherer. Denn die Gefahr lauerte überall. Nazis, Prollos mit Schnauzbart, Fußballhools. Alles was den IQ eines Panzerschrankes hatte, war hinter einem her.

Palaver untereinander, Palaver mit anderen Szenen, Palaver in der Disco, Palver an der Imbissbude. Hurra, nur dreimal angerotzt worden und ein kleiner Zwischenfall mit Skins. Schön war es.

So lange Gruftprinzessinnen dabei waren, waren alle nett. Als Gruftimann allein konnte man nach zwölf nur mit dem Taxi nach Hause fahren und selbst der Fahrer war häufig „not amused“.

Es gehörte irgendwie dazu und hat uns eigentlich nur gestärkt.

Als dann die Emos aufkamen und alle sie als Hassobjekt Nr. 1 auserkoren hatten, kamen mir die Vergleiche zur damaligen Zeit auf. Nur die haben nicht durchgehalten. Sie haben sich fertig machen lassen. Geboren aus dem Kommerz gestorben durch den Kommerz.

Kurioserweise gab es in Kneipen, wo die ollen Stahlwerkmalocher saßen, nie Ärger. In solchen Gaststätten war das Bier günstig, der Wirt oder die Wirtin war der King, Sozialarbeiter, Richter und Schlichter in einer Person und freute sich, wenn Geld reinkam. Egal von wem. Erst wurde man beäugt und nach dem zehnten Bier kam man mit den Alten ins Gespräch. Denen war egal, wie man aussah, Hauptsache die konnten mal wieder ihre Heldentaten vom Stahl-oder Bergwerk erzählen.

Wie oft haben wir uns damals gelangweilt ohne das Internet. Ständig gibt es da neue Tipps, die einem die wichtigen Fragen beantworten: „Was könnte man noch für Musik gut finden?“ oder „Wo gehen wir heute hin?

Konzerte waren dann immer das große Ereignis im Disco Alltag. Gelangweilte, besoffene Spitzenbands des Genres, die krumm und schief ihr Können unter Beweis stellten. Die Bollock Brothers spielten im Old Daddy Oberhausen, voll wie tausend Mann und trotzdem bliebe alle da und schauten sich den Scheiß an.

War In der Disco mal ein Klo verstopft, ja und? Kam halt der Zapfer, langte mit der Hand und dem Arm beherzt rein. Scheiß auf die Wolfgang Petri Gedächtnisbändchen am Arm. Problem gelöst, Weiterzapfen. Gesundheitsamt? Ich lach mich gleich tot.

Heute steht man auf irgendeiner Indie-Disco Revival Party und unterhält sich genau mit den Leuten auf die man früher gepisst hatte. Außenseitertum schweißt irgendwann zusammen. Man unterhält sich mit Teds darüber wo es früher die größten Prügeleien gab, mit Skins, wer damals die beste Haarschneidemaschine hatte und mit Mods, wer einen damals mit dem Roller nach Hause gebracht hat.

Und mit wem spricht man nicht mehr? Mit den Gruftis, die nicht mehr da sind. Diejenigen, von denen man dachte, dass sie einem ähnlich sind, weil man zu jung war, um zu erkennen, dass die in einem ganz anderen Zustand waren.

Zugedröhnt, Abgefahren, Ausstieg nicht mehr möglich. Endstation Tod.

Fast bei jedem Zusammentreffen der alten Garde – egal ob Freund oder Feind – findet das selbe Gespräch statt. Haste gehört, kannteste noch, auch tot. Und als Nachsatz der Ratlosigkeit kommt: Der hat die Szene wirklich gelebt. Leider meistens viel zu kurz.

Zurueck zum Beton
Die stimmungsvollen Bilder aus den 80er vermitteln ein visuellen EInblick in das Lebensgefühl dieser prägenden Zeit
(c) Ralf Hüls – kamerakata.de

Wir hörten Musik, die man nicht fand

Wir gehen auf Partys wo Lieder laufen, die wir schon vor dreißig Jahren gehört haben. Als ich geboren wurde, war der Krieg gerade mal 25 Jahre und Woodstock gerade mal 1 Jahr vorbei. Wir, die wir uns in den 80ern über Alt-Hippies lustig gemacht haben, die unsere Feten bewusst oder unbewusst besucht haben, sind nun selbst diese Überbleibsel aus der großen Zeit des Independent.

Als Plattenbosse das Potenzial erkannten und sich die Taschen vollmachten. Wo London nur noch ein Ramschladen für Spät-Schwarz-Tragende war. Adam Ant lag mit bipolaren Störungen nieder. Düsseldorf hat den Punk mit Beton aus der Stadt vertrieben und außer einer popligen Ausstellung vor zig Jahren nichts dazu beigetragen diese unglaubliche Musikentwicklung, die im Ratinger Hof und Umgebung entstanden ist, zu erhalten. Und Campino wohnt mit seinem angeblichen Erzfeind Bela B in Hamburg wo sie sich beim Joggen einen Blick zuwerfen der sagen will: Hast du gehört? Hagen ist nun auch tot. Falls es einer nicht weiß: Hagen war mal Bassist bei den Ärzten und vermutlich einfach zu sehr in der Szene.

Es gibt kaum noch jemanden der sich die Mühe macht Musik zu entdecken, zu hinterfragen, nachzuforschen wer das ist wer das macht. Und früher konnte man forschen wie man wollte, man fand die Platten von Tuxedomoon & Co einfach nicht. Für Schweinekohle nahm der DJ für Dich einen Livemitschnitt auf. Wenn es ihm dann in den Kram passte. Damen hatten da bessere Chancen. Warum? Man hatte es noch nicht so mit der sexuellen Belästigung, da hat man baggern lassen oder selbst gebaggert um ans Ziel zu kommen.

Neue Partys oder Treffen wurde über kopierte Zettel verbreitet. Wer einen frei zugänglichen Kopierer auf der Arbeit hatte oder jemanden von der Zeitung kannte, dem man regelmäßig in den Allerwertesten kriechen durfte, war klar im Vorteil.

Und dann tauchten Leute auf, die selber nähen konnten

Wow! Keine Plörren von C&A, die ja immer ein Garant für die schwarze Grundausstattung waren und die man dann mit Sicherheitsnadel und sonstigen selbst gemalten Stickern pimpen musste.

Vor allem musste man alles so verfeinern, dass man nicht wie das 40ste Double eines BRAVO-Gothics, Ghouls, Gruftis oder New Waver aussah. Alle mit derselben Schnallenhose, der gleichen Jacke mit Ösen, dem umgedrehtes Kreuz um den Hals und gleicher Haarfrisur war nicht drin. Und außerdem gab es solche Leute Anfang der 80er sowieso nicht.

Die Auswahl an Schuhen war eher klein. Pikes, Docs oder BW Kampfstiefel. Wer sich erdreistete, mit irgendetwas anderem aufzutauchen, geschweige denn Schuhe von Deichmann und Co zu tragen, war direkt unten durch.

Haare waren auch ein Aushängeschild. Wuschelig oder hochtoupiert, Teller oder Kerze. Aber wehe da kam einer mit hohen Haaren aber ohne Undercut oder Experten, die einen Schnauzer dazu trugen. Todesurteil hoch drei.

Bei solchen Sachen galt man als Pseudo und wurde direkt von der „Familie“ fertig gemacht. Und das Wort Mobbing war noch nicht mal erfunden. Apropos Mobbing: Im Bus zu Disco wurde gedisst bis der Balken brach. Heute würde man das alles direkt anzeigen und damit den juristischen Apparat fast zum erliegen bringen.

Das aus einem Auto auch schon mal mit der Gaspistole geschossen wurde, wenn man an der Haltestelle stand: Geschenkt.

Kaugummi in den Haaren, Kaugummi in den Klamotten, Heimlich Geschlechtsteile mit Tintenkiller aufgemalt damit man die im Schwarzlicht gut sieht. Beim Pogo der Psychos wurde so getanzt, dass man an allen Gruftis vorbeikam und denen die Hemdknöpfe abreißen konnten. Anzeige wegen Sachbeschädigung: Fehlanzeige.

Zurück zum Beton – Hand in Hand mit dem Schicksal

Auf der Arbeit musstest du zwei mal mehr leisten um anerkannt zu werden. Da man ja auch schon mal in der Woche in die Disco ging, mussten die Haare irgendwie halbwegs human hergerichtet werden. Als schwul galt man sowieso. Wenigsten die langhaarigen Heavis und Thrasher in der Lehrwerkstatt hatten Verständnis. Die mussten nämlich Haarnetz tragen. Das war noch erniedrigender.

Angelszene in den 80ern
Das kleine Stück Leben, für das man damals zur Arbeit gegangen ist, füllte man sich mit bodenständigen Beschäftigungen
(c) Ralf Hüls – kamerakata.de

Wahre Arbeit, wahrer Lohn sangen die Krupps, mehr Ruhrgebiet ging nicht. Doch dieses große Zeit war dann Mitte der 80er vorbei. Stahlwerke und Zechen stellten nach und nach den Betrieb ein. Und wer nicht rechtzeitig einen neuen Job gefunden hat stand auf der Strasse. 1987/88 kam zu einem der größten Arbeitskämpfe die Deutschland je gesehen hatte. Selbst die Regierung in Bonn wurde unruhig und hatte Angst vor Bürgerkriegsänhlichen Zuständen nach dem bekannt wurde, dass die Hütte in Duisburg Rheinhausen geschlossen werden sollte.

Man ging gemeinsam auf die Strasse, Punk neben Oma, Grufti neben Schnauzbartproll. Einmal hat mich so einer sogar mal nach einer Demo mit seinem Manta mitgenommen. Das war gelebt Solidarität und außerdem zehn mal besser, als von Duisburg nach Hause zu laufen. Auch wenn man so nichts miteinander zu tun hatte, das Schicksal schweißte uns zusammen. Am Ende hat es aber alles nichts gebracht. Die Stahlwerke machte genau wie alle Zechen dicht. Übrig geblieben ist ein Ruinenlandschaft aus Stahl und Beton, die sich die Natur Stück für Stück zurückholt.

Aber das will ja auch wirklich keiner. Denn das war früher richtig Schei…..schön!

Video: Domplatten Treffen alias Schwarz/Bunt Treffen in Köln 1991

Das Domplatten-Treffen, das eigentlich Schwarzen (und bunt) Treffen hieß, zählt zu den Vorausläufern späterer Treffen und Veranstaltungen rund um die schwarze Szene der späten 80er und frühen 90er. Ein Video aus dem Jahr 1991 weckt für vielen Gruftis, die dabei gewesen sind, nostalgische Gefühle. Was für viele ohne das Internet undenkbar erscheint, war früher Realität. Über selbst kopierte Flyer, durch Mundpropaganda oder weil man es irgendwo aufgeschnappt hatte, verbreitete sich das Treffen schnell durch die damalige Szene.

Reibungslos ging es damals freilich nicht immer zu, denn die Domplatte war auch Treffpunkt für Punks und Prollos und auch viele Fußballfans, die vor oder nach dem Spiel unterwegs waren. Wenn dann einer mit dem Ärger anfängt, wird schnell pauschalisiert und verhaftet. Hagen erinnert sich:

1992/93 gab es nach dem Treffen in verschiedenen Clubs in Köln noch Partys oder man fuhr in den Z-Fall. Dort sollte DJ Zöller auflegen der aber auf der Domplatte verhaftet wurde nach dem es Palaver mit FC Köln Fans und Punks gab. Irgendein Idiot hat das große Seitentor vom Dom vollgesprüht.

Übrigens: Morgen gibt es von Hagen eine Geschichte darüber, das früher dann doch nicht alles so viel besser war, warum es uns trotzdem so vorkommt und was heute irgendwie entspannter ist. Vorbeischauen lohnt sich!

Ein Kostüm namens Orphi – WGT Vorbereitungen in der Midlife Crisis

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Ich werde dieses Jahr 48 Jahre alt. Das allein ist ja schon ein Grund, panisch im Kreis zu rennen, aber zusätzlich droht mal wieder das WGT mit all seinen wunderschönen subkulturellen Geschöpfen. Alle perfekt geschminkt, großartig angezogen oder wenigstens so abgerissen und zernetzt, dass man die Szene schon aus der Ferne riechen kann. Und ich?

Eine nicht näher benannte Ziege aus meinem Umfeld hat mir neulich entgegen gemeckert: „Boah, Du siehst aus wie ne alte Hausfrau!“ Stimmt ja auch. Der Job verbot mir einen allzu undergroundigen Stil. Gewicht + Alter fordern und fördern Doppelkinn und Schlupflider. Ich brauche eine Brille, wenn ich meine mehrfach quergefilterten Fotos bei Instagram oder Facebook hochlade und überhaupt ist der Lack ab. Ich erzähle Euch diese – für Gruftis unterhalb der 40-Jahre-Grenze langweiligen – Leiden nur, um eine gewisse Grundstimmung für die folgenden WGT-Vorbereitungen zu erzeugen.

Es begann damit, dass ich mir kurz nach dem letzten WGT vornahm, bis zum WGT 2019 ganze 25 Kilo abzunehmen. Dünn ist super. Da kann man alles tragen. Das Alter spielt kaum eine Rolle, wenn man coole Klamotten anhat. Ich will schon solche Klamotten tragen, seit ich in den 80ern Nena in ihrer schwarz-weiß gestreiften knallengen Skinny Jeans gesehen habe. Seither sind viele Jahre vergangen, in denen ich diese Hose NICHT tragen konnte. Und eigentlich auch keine andere coole Hose. Jetzt, einen Monat vor dem WGT 2019, fehlen jedenfalls nur noch 35 Kilo und ich habe mein Ziel erreicht. Prima! Okay! Figur ist für dieses Jahr durch. Aber man hat ja genug schwarze Samtsäcke im Schrank.

Hausfrau mit grünen Haaren

Ich brauchte also einen anderen Ansatz für ein gelungenes Outfit. Dank einer frisch gewonnenen Selbstständigkeit konnte ich mich dem Spielfeld der Haare widmen. Kein Chef, keine Einschränkungen. Also schnappte ich mir das grünste Grün und schaute mir 300 YouTube Videos von wirklich schönen Influencern an, die mit der Leichtigkeit frischgeborener Schmetterlinge ihre Haare in die intensivsten Farben tunkten und tiefgrün, türkis, rosa oder sonstwie schillernd ihre  verwendeten Produkte verlinkten. Kann ja nun nicht so schwer sein, wenn 14jährige das schon können. Ich machte mich enthusiastisch ans Werk. Zwei Wochen später saß ich beim Friseur. Mit der Hilfe der Fachfrau kam zumindest ein Hauch von Grün ins Haar, bei der zweiten Sitzung ging es dann endlich. Diese Mission war erfüllt. Nun sah ich aus wie eine alte Hausfrau mir grünen Haaren.

Perlen gehen immer

Was konnte man noch anstellen? Perlen! Diese Perlen aus dem 80ern, die Nick Beggs von Kajagoogoo immer in den Haaren hatte. Die hat keiner und ich fand die immer so schön. Nach stundenlanger Suche im Internet fand ich sie endlich irgendwo bei Ebay und bestellt sie aus Janzweitwech. Als sie endlich angekommen waren, fummelte ich sie mir kunstvoll ins grüne Haar, flocht Zöpflein, steckte hier hoch und dort weg. Das Ergebnis war ein rumdrucksender Robert, der irgendwas von „jaaneeeisokaywenndumeinstdannmachweißnicht“ murmelte. Kajagoogoo war gescheitert. Und nu?

Kontaktlinsen! Farbige Kontaktlinsen könnten mir einen ganz neuen Look geben. Ich fand immer die Kombination aus schwarzem Haar und blauen Augen super. Nun hatte ich aber als einzige Errungenschaft bislang meine grünen Haare. Also grüne Kontaktlinsen? Natürlich mussten die SOFORT her und deshalb holte ich sie im Karnevalsshop nebenan. Sie waren SEHR grün und nach etwa drei Stunden waren dann die sehr grünen Kontaktlinsen in meinen mittlerweile sehr roten Augen. Ich hatte vorher noch nie Kontaktlinsen getragen. Was für eine Fummelei! Nunja, sah nach Karnevalsshop aus, aber WGT… is okay. Nach drei Minuten wollte ich die Scheißdinger wieder rausreißen. Was für ein ekliges Gefühl in den Augen. Mein Kontaktlinsen-Experiment war halb gescheitert, aber es fehlte noch das Urteil des Gatten. „Jaaneeeisokaywenndumeinstdannmachweißnicht“ – Kontaktlinsen GANZ gescheitert. Und nu?

Wimpern! Lange Wimpern pimpen die Augen auf und lenken von der erschlaffenden Haut ab. Außerdem kann ich keinen Lidstrich. Das schmiert immer so. Schwarze, lange Wimpern. Aber was ist mit dem Kleber? Den finde ich schrecklich. Der brennt im Auge. Ich hatte doch neulich was von Magnetwimpern gelesen. Kurze Zeit später hatte ich mir 465 YouTube-Videos zum Anbringen von Magnetwimpern angeschaut. Sah ganz einfach aus. Wenn die das alle können, kann ich das auch! Schon bald brachte der Postbote mir die ersehnten Retter meiner blassen Augen. Ich verbrachte Stunden damit, die Dinger wieder vom Fußboden, aus meinen Kleidern und Haaren zu sammeln. War doch nicht so einfach. Ich holte mir den Tipp, die unteren Wimpern zu zerschneiden und stückweise anzubringen. Sah dann aus wie stückweise Augenwimpern mit Unterbrechungen. Mal abgesehen davon, dass die oberen Wimpern quer überm Auge hingen. Lange Rede, kurzer Sinn: Falls jemand sehr viele sehr kleine Wimpernteile braucht. Ich hab da was über. Und nu?

Fingernägel! Fingernägel gehen immer und man kann auch nicht viel falsch machen. Ich bestellte mir Stilettos, klebte und lackierte, feilte und trocknete, um dann zu merken, dass man mit den Dingern nicht tippen kann. Und ich bin ja nunmal ständig an der Tastatur. Ich übte, mit den Nagelspitzen zu schreiben. Das war ja schließlich nun mein neuer Look und es sah unbeschreiblich weiblich aus. Fast wie bei den ganzen blutjungen Influencern mit ihrem perfekten Styling (wenn man nur auf die Finger schaute jedenfalls, ein Teilerfolg?). Nach 15 Minuten und einem Toilettengang gab ich auf. Stilettos gescheitert. Ich hatte noch die geniale Idee, kürzere Fingernägel auszuprobieren, die mir dann nach 30 Minuten wieder abgeflogen sind. Ich bin eben ein Naturtalent. Und nu?

Was mir unter die Haut geht

Langsam gingen mir die Ideen für mein „WGT-Kostüm“ aus. Piercing! Ich könnte mir ein Piercing machen. Piercings sehen nicht nach alter Hausfrau aus. Nach langer Recherche kannte ich Löcher aller Gefahrenstufen mit Namen und hatte mir 213 Mal bei YouTube angeschaut, wie bildschöne und sehr junge Frauen der Szene sich an den unterschiedlichsten Stellen piercen ließen. Örks. Ich kramte trotzdem Roberts Piercing-Vorrat heraus, klemmte mir die Ringe mal hier und mal dorthin und fand heraus, dass ich Snakebite-Piercings ganz hervorragend finde … wenn man einen anderen Mund hat als ich … und Nostril ist auch schön. Wenn man eine andere Nase hat. Eigentlich will ich gar kein Piercing. Und nu?

Ein Tattoo! Nein, gleich zwei Arme voll Tattoos. Ich recherchierte im Internet, welche Studios in der Nähe eventuell meine Trash-Polka-Sleeves stechen könnten und machte in Gedanken schon Entwürfe. Allerdings fragte ich mich, wie wohl coole Trash-Polka-Eulen in Kombination mit Sherlock Holmes und Sprüchen aus meinen Lieblingsbüchern auf dicken Oma-Winke-Armen aussehen würden. Ich suchte nach Bildern von alten Frauen mit dicken Armen und Tätowierungen im Netz. Das Ergebnis war niederschmetternd. Außerdem habe ich gar keine Kohle für Tattoos und bis zum WGT wird das eh nix mehr. Und nu?

Ich erspare Euch jetzt die traurige Geschichte der vergeblichen Suche nach neuen Klamotten. Ach ja, eine schöne Eulen-Haarspange habe ich mir noch bestellt. Leider hat mir der Shop versehentlich statt der Spange eine dämliche Kreuzkette geschickt. Neee, ist ja auch fast das Gleiche. Kann man schonmal verwechseln.

Habe ich eigentlich schon erzählt, wie ich versucht habe, mir nach Anleitung einer sehr schönen Youtube Beautytussi die Schlupflider wegzuschminken? Hat super funktioniert. Nach einer halben Stunde war aber alles verwischt und ich sah aus wie ein Waschbär. Und habe ich schon erwähnt, dass ich beinahe so blöde Lifting-Tapes fürs Gesicht gekauft hätte?

Noch etwas mehr als ein Monat bis zum WGT. Ich geh dieses Jahr als alternde Orphi im Samtsack. Alt sein ist nix für Feiglinge!

Nicole Scheriau bringt ihre alten Zillo-Comics von 1989-1996 als Buch heraus.

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Das Internet vergisst nie. Nichtsahnend las Nicole Scheriau vor ein paar Jahren ihre Nachrichten, bis sie über die Frage einer Freundin stolperte: „Was haben die Leute eigentlich immer mit Deinen Comics?“ Sie erinnert sich: knapp 20 Jahre ist es nun her, das sie ihren letzten Comic für das Zillo-Magazin zeichnete. Nicole war völlig perplex. Besagte Freundin wies auf einige Einträge im WGT-Forum hin, in denen die User „Alte Pizza“, „Vince31“ und „melitta_dilemma“ sich an eben diese Comics erinnerten. In einer Mischung aus Schock und Rührung ließ sie der Inhalt der kurzen Unterhaltung nicht mehr los.

Die Idee, ihre Comics tatsächlich in einem Buch zusammenzufassen setzte sich wie ein Parasit in ihrem Kopf fest und nervte sie so lange, dass es 3 Jahre später soweit ist. Unter dem mystischen Titel „Alle Comics“ bringt Nicole Scheriau alle ihre alten Zillo-Comics und bisher noch unveröffentlichte Werke in einem selbst verlegten Buch heraus.

Ich finde es erstaunlich, wie einige Kommentare, die am Rande einer Diskussion über das Szene-Magazin Zillo abgegeben wurden, für solche Entwicklungen sorgen. Hätte Nicole nicht Kontakt zu mir aufgenommen, wäre die Veröffentlichung auch an mir völlig spurlos vorbei gegangen. Sie schrieb mich vor ein paar Wochen an und fragte mich verstohlen, ja fast schon heimlich, ob ich nicht das Erscheinen des Buchs in der Wochenschau verbreiten könne. Ich witterte Morgenluft, ergriff den kleinen Finger den sie mir bot und zog ein bisschen fester. Die Früchte dieser Arbeit können Leser im bald erscheinenden Spontis-Magazin 2019 bewundern, aber davon will ich nicht zuviel spoilern. Ich habe das Buch dann gleich 3 mal bestellt, einmal für mich selbst und 2 mal für Euch die Leser, die das Buch in den Kommentare gewinnen können.

Comic Nicole Scheriau Teil 1
Teil 1: Eine interessante Quiz-Frage wäre auch gewesen, welches Lied hier dargestellt wird. Das wäre aber möglicherweise zu schwierig gewesen. Die Lösung: Front 242 – Tragedy For You

Die feinsinnige Beobachterin

Die Comics von Nicole sind mir schon aus einigen alten Ausgabe des Zillo bekannt, obwohl sie natürlich im Schatten der allgemein bekannteren „Dead Comics“ von Uwe Roesch“ stehen. Ich finde, nicht ganz zu Recht, wie die gesammelten Werke schamlos offenbaren. Sie entpuppt sich als Zeichnerin mit scharfer Zunge, spitzer Feder und als feinsinnige Beobachterin ihres damaligen gruftigen Umfelds. Die Geschichten, die sie zeichnet, sind stets direkt oder indirekt an eigene oder überlieferte Ereignisse geknüpft und fühlen sich auch nach 20 Jahren in einigen Cartoons völlig zeitgemäß an. Sie selbst sieht das ein wenig anders und räumt im Vorwort des Buches ein:

„Schwierig daran war besonders die wirklich nicht schmerzfreie Begegnung mit meinem jüngeren Selbst. Zeichnerisch finde ich alles noch ganz OK, aber inhaltlich lässt mich vieles von dem, was ihr gleich sehen werdet, heute wild mit den Augen rollen und/oder rot anlaufen. Aber das war damals so. ICH war damals so.

Neben den Comics, die im Zillo erschienen sind, präsentiert Nicole auch zahlreiche unveröffentlichte Cartoons und Zeichnungen, die immer wieder durch Kommentare einen Hintergrund bekommen. Ich finde den Zeichenstil im übrigen Weltklasse, es gibt wohl niemanden sonst, der das Wave & Gothic Gefühl der 90er so wunderbar zu Papier bringen kann. Nach spätestens der Hälfte aller Zeichnung beschleicht mich dann auch dieses triefend schwere Nostalgiegefühl. Vermutlich ist es der Autorin beim Zusammenstellen ihrer Werke genauso gegangen. Ich finde es einfach herrlich, wie manche Menschen die Szene wahrnehmen und sie so großartig in Bild und Text festhalten können.

Comic Nicole Scheriau Teil 2
Teil 2: Tatsächlich wurde das Gerücht, das wir alle aus kaputten Verhältnissen kommen, Depressionen hätten oder Drogenabhängig wären, den Gruftis häufig von außen angedichtet. Irgendwie mussten sich die Leute ja erklären, wie wir rumlaufen.

1993 beginnt die damals 25-jährige Nicole eine fordernde Ausbildung zur Krankenschwester. Ihr damaliger Freundeskreis wurde mit Abschluss des Abiturs immer dünner und so blieben irgendwann Inspiration und Erlebnisse auf der Strecke. 1995 war dann Schluss mit lustig. Jedenfalls mit den Comics im Zillo. 20 Jahre später erinnert sie das Internet an ihre Jugendsünden, doch anstatt die Stimmen zu ignorieren, folgt sie dem Impuls, ihr „damals“ in Form eines gezeichneten Buchs zu veröffentlichen. Eine gute Entscheidung.

In ihren Emails, die sie mir schrieb, hat sie übrigens nichts von ihrem Witz und ihrer Art von Humor eingebüßt. Zwischen den Comics von damals, den Kommentaren in ihrem Buch und den E-Mails aus diesem Jahr liegt eine faszinierende Authentizität, das ich es fast ein wenig schade finde, das sie das Zeichnen an den Nagel gehangen hat. Ich habe sie auch gefragt, wie sie sich selbst sieht.

Was die Autorin über sich selbst denkt:

Nicole wurde 1968 geboren und wuchs im ländlichen Ostholstein auf. Sie rutschte 1988 in die Schwarze Szene, von der sie sich bis dato nicht hat trennen können (sie sieht auch keinen Grund dazu); heute würde sie sich am ehesten als „Alt-Waver der schnörkellosen Variante“ einordnen, nennt sich aber aus Bequemlichkeit meistens „Altgrufti“. Sie ist Krankenschwester und lebt in Hamburg, wo sie ihre Freizeit mit Lesen, Radfahren und Nähen verbringt.

Comic Nicole Scheriau Teil 3

Das 60 Seiten starke Machwerk der Hamburgerin findet ihr portofrei für 10,95€ bei BooksOnDemand oder auch bei Amazon. Aufmerksame Leser können durch das Abgeben eines Kommentars hier im Blog und die Beantwortung der Frage: „Wie groß ist die Protagonistin im obigen Cartoon?am Gewinnspiel teilnehmen und sich so 1 von 2 vorhandenen Exemplaren sichern. Zwischen allen Kommentaren mit der richtigen Antwort, die bis zum 1. Mai abgegeben werden, entscheidet das Los. Die Angabe einer gültigen E-Mail Adresse ist dazu zwingend notwendig. Sonst kann ich Euch ja nicht benachrichtigen.

Noch 44 Tage: Doku Countdown zum WGT – Wave Gotik Treffen 2007

An Ostern ist das WGT schon verdammt nahe, aber auch irgendwie noch verdammt weit weg. So unwirklich erscheint mir das in den letzten Wochen vor Pfingsten immer, dass es bald wieder soweit sein sollte, dass ich es mir nicht wirklich vorstellen kann. Gleichzeitig verfalle ich in dezente Planungspanik. Ist die Campingausrüstung noch in Schuss? Brauche ich noch etwas? Lässt sich die Schlafstätte noch optimieren? Hab ich genug tragbare T-Shirts, Hosen, Röcke, Blusen, Cardigans? Genug warme Klamotten, wenn es durchgehend kühl bleibt? Genug zum wechseln, wenn wir bei 30 Grad im Schatten durchgekocht werden? Was ist eigentlich mit meinen Schuhen? Überleben die 5 Tage Dauerbelastung? Hab ich überhaupt genug Zeit neue einzulaufen, wenn ich doch noch welche ersetzen muss? Aber geübt wie ich bin, schiebe ich diese Frage immer schön in den Mai um dann in Aktionismus zu verfallen, obwohl ich doch eigentlich alles habe. So hab ich genug Zeit für das nächste Video des Doku-Countdowns als kleines Special zu Ostern. Noch 44 Tage.

Der Festivalbericht zum Jahr 2007 stammt vom CarpeNoctemTV. 2004 bis 2010 waren die Macher*innen viel unterwegs. Vor allem auf dem Summer Breeze, aber auch auf dem Mer’a Luna. Mehr Informationen außerhalb des YouTube Kanals finden sich leider nicht, aber das Team hat es geschafft, einen kurzweiligen Einblick in das Festivalgeschehen und eine gute Mischung aus sehen, hören, erläutern und ausleuchten zu geben.

Teil 2 | Teil 3 | Teil 4

Übrigens gab es in diesem Jahr zum letzten Mal den Sampler: Silberling – Künstler zum Wave Gotik Treffen als Beilage im Pfingstboten. Etwas ganz Besonders in diesem Jahr muss auf jeden Fall die Eröffnungsveranstaltung am Völkerschlachtdenkmal gewesen sein. Mit einer Lichtinstallation untermalt von den Klängen von „In The Nursery„, die Stücke von Grieg, Liszt, Mahler und Wagner interpretierten.

Auffällig für mich, vermehrte Besucher in Uniformen. Wurden Uniformen in dieser Zeit so langsam zur Mode in der Szene? Hat man sie in den vorherigen Videos gar nicht wahrgenommen, sieht man nun immer wieder Kleidung im militärischen Stil. Dabei wurden Elemente oder ganze Uniformen von Künstlern der Szene schon lange aufgegriffen. Diskussionswürdig ist das alle mal.

Klar hält die Kamera auch hier vornehmlich auf die aufwändig gestylten Besucher drauf. Vielleicht entspricht das meiner selektiven Wahrnehmung, aber irgendwie scheint mir das Gesamtbild bunter und krasser zu werden. Unter den sich Abgrenzenden versucht man noch weiter sich abzugrenzen. Hier finden wir dann auch einen Hinweis auf die „True“ und „Untrue“ Debatte, die zumindest für mich zur damaligen Zeit unglaublich präsent war und eigentlich auch heute noch genau so hochgekocht wird wie damals.

„Was ist das für ein Helm?“
„Das ist ein GSG9 Helm. Von der Polizei.“
„Wie bist du denn an den gekommen?
„Ebay“
„Ebay. Kein C&A Grufti, sondern ein Ebay Grufti“

Erinnert ihr euch? Damals als H&M und C&A Kleidung, die man als Gothic-angehaucht bezeichnen konnte verkauften und massenweise Teenager ihr Taschengeld für diese Klamotten ließen? Nein? Nicht schlimm. Zwischenzeitlich wurde das Geld auch mal bei XtraX und EMP gelassen. Heute sind es Killstar oder Restyle. Kann man machen, muss man nicht. Wäre aber auch mal ein Gedankenspiel wert, wie solche Shops, die Bekleidungskultur „der Szene“ verändern oder wie sie mit dem ästhetischen Geschmack in Beziehung stehen. Ändert sich die Mode, weil sich der Geschmack ändert, oder ändert sich der Geschmack, weil sich die Mode ändert und das entsprechende Angebot da ist?

Video 1990: „Was feiert ihr hier eigentlich? – Robert Smiths Geburtstag!“

Robert James Smith wurde am 21. April 1959 im britischen Blackpool geboren. Mit 17 begann er Musik zu machen, 2 Jahre später gründete er „The Cure“ – Eine Band, mit der er die spätere Gothic-Szene maßgeblich beeinflusste. Für viele wird der Brite zu einem der Götter der schwarzen Subkultur, obwohl der seine Beteiligung auch nach 35 Jahren noch vehement abstreitet. Seinen Jüngern ist das egal. Sie feiern Robert Smith und seinen Geburtstag Jahr für Jahr. Vor allem heute, denn da wird Smith 60 Jahre alt.

Auch in der DDR wurde Robert Smith verehrt. Als 1989 das Album „Disintegration“ erscheint, zerfällt passenderweise auch die Mauer. Ein Jahr später, der Prophet ist gerade 31 Jahre geworden, sind Dokumentarfilmer auf der Suche nach der Stimmung des Umbruchs im wiedervereinigten Deutschland. Die Grenzen der DDR sind offen, die trennende Mauer ist im November 1989 gefallen. Es ist eine Zeit der Freude, der Unsicherheit, der Verwirrung und der Orientierungslosigkeit – denn wirklich daran geglaubt hatte niemand. Doch über Nacht ändert sich die Geschichte. Die DDR zerbricht, die sogenannte „Allianz für Deutschland“ treibt die Wiedervereinigung voran, Neuwahlen stehen bevor, die alte Währung abgeschafft. Irgendwo in diesem Chaos trifft die besagte Filmcrew unter einer Brücke auf eine Gruppe Jugendlicher, die zu den Klängen ihrer Musik und im Nebel des Alkohols den Geburtstag ihres Idols feiern: „Was feiert ihr hier eigentlich? – Robert Smiths Geburtstag!

Theatralisch bewegen sich die Kids zu „Lullaby“, wiegen sich selbst in einen Schlaf. Möglicherweise liegt es aber auch am russischen Wodka, dass man sich so ausgelassen vor der Kamera präsentiert. Robert Smith, so sagen sie, sei der depressivste Mann der DDR! Natürlich korrigiert man sich, denn schließlich weiß man ja, das der aus England kommt. Depression ist für sie das Wissen, dass das Leben irgendwann ein Ende hat und das man selbst nicht mehr wiederkommt. „Wir haben ’ne Band gegründet, die heißt „Die Greifer und die Simulanten“. In den Lieder beschreiben wir, dass man schon tot ist bevor man lebt und dass es absolut scheiße ist wenn man lebt, weil man dann genau weiß, dass man irgendwann stirbt und nicht mehr da ist.

Jugendliche, die nicht wissen, wohin die Reise geht. Der eingegrenzte Lebensweg und die vom Sozialismus vorgegebene Lebensweise sind nicht mehr existent. Alles scheint möglich und doch scheint nichts erreichbar. So treffen sie sich unter einer Brücke, trinken russischen Wodka und lauschen den Klängen ihres Idols. Man fragt sich, was hinter dem Schleier des Alkohols in den Köpfen der Jugendlichen vorgeht, welchen Weg sie gegangen sind und wie ihr Leben nun aussieht.

Vor der Wende haben wir eigentlich gar nicht so schlecht gelebt“ wirft einer der Jugendlichen ein, lediglich die Bonzen der Führung seien das Problem gewesen. Allen voran Erich Honecker, der sich seine Taschen vollgemacht habe und nach Russland geflohen sei: „Ein ehrlicher Honecker wäre astrein gewesen!“ Also lieber doch keine Wende? Kein Zurück mehr. Die Jugendlichen von damals dürften heute etwa 40 Jahre alt sein, ich wäre neugierig, wie es ihnen heute geht.

Die vollständige Dokumentation, die das Leben einiger Bürger während des Umbruchs porträtiert, ist ebenfalls sehr interessant. Gibt es doch einen genaueren Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt derjenigen, für die sich damals alles änderte. Der MDR hat sie im Zuge seiner Sonderreihe „25 Jahre Einheit“ veröffentlicht.

(Der ursprüngliche Beitrag zu diesem Video ist aus dem Jahr 2015. Aufgewärmt will man meinen, doch ein guter Eintopf schmeckt beim zweiten mal eben auch einfach besser.)

Formel Goth: Isländischer Okkultismus trifft amerikanische 80er Ästhetik, während die Spanier an Füßen knabbern.

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Kælan Mikla – Draumadis

Bestachen die Isländerinnen bislang vor allem durch ihren teilweise mystischen und brachialen Sound, so hat sich die Band mit dem Dark Fantasy Video zu „Draumadis“ einen Wunsch erfüllt, wie Regisseur Hilmarsson erzählt: „…create a short surreal narrative set in a place where occult rituals are used as technology and human sacrifice has unusual results. It is a dark fantasy, stylistically inspired by ’60s and ’70s Italian Horror, but really I think it is mostly a comedy.

Boy Harsher – Come Closer

Wie keine zweite Underground-Band scheinen Boy Harsher momentan die Wirkung von Videos für sich zu entdecken. Fernab von üblichen Erzählmustern schaffen es die Amerikaner, neben ihrer eindrucksvollen synthetischen Musik auch das Auge mit Input zu füttern. Dabei bei gelingt es ihnen scheinbar mühelos, die rare Aufmerksamkeitsspanne des Netzbewohners für die Dauer des Songs zu fesseln.

SDH – I Mean

Einen visuellen Traum für Fuss-Fetischisten liefern die Spanier von SDH in ihrem Stück „I Mean“, das auch die Göttin des musikalischen Erzählung Anne Clark zu einer hochgezogenen Augenbrauen verleiten könnte. Fast so spannend wie die Entschlüsselung ihre Bandnamens: „Semiotics Department Of Heteronyms“ – Müsst ihr mal auseinandergoogeln, macht Laune. Sind bestimmt Linguistik-Studenten die da Musik machen ;)

Sextile – Hazing

Ein visuell herausforderndes Video hat die amerikanische Synth-Band „Sextile“ produziert. Nicht nur die Outfits, die jeden New Romantic vor Neid erblassen lassen, sind eindrucksvoll, sondern auch das Arrangement. Regisseur Garbriel Francez beschreibt es aber besser: „The video is about a dream. The idea was to represent the blurriness of it, where all of the perception is altered and images come one after the other. […] It’s an odyssey within the dream where the character is tested by his subconscious.