Mit seinem riesigen Karton Knallkörper, den der Knoblauchzopf in einem roten Bollerwagen hinter sich herzieht, rumpelt er die Straße zum Marktplatz hinunter. Verbrannte Erde soll er hinterlassen, hat Alana Abendroth gesagt, doch jetzt bei der Ausführung seines Schicksals hadert er mit seiner Wahl der Umgebung, denn auf dem Marktplatz ist ja überhaupt keine Erde. Also biegt er rechts ab und klappert zum Stadtpark, in dem gerade der Herbstmarkt eröffnet wird. Blöd nur, dass zur Eröffnung ein großes Feuerwerk abgebrannt wird und lächerliche Kleinstmenge billig eingekaufter Knallkörper eher wie feuchter Furz wirken. Auch diesen Plan bricht der Knoblauchzopf ab und tritt entnervt und immer noch wütend die Rückreise zum Quartier an. Am kleinen Weiher, der das Ende des Stadtparks markiert, bricht allerdings das rechte Rad des Bollerwagens und die Ladung landet zwischen Enten – die sich lautstark beschweren, im Wasser. Der Wut-Zopf schreit unter dem Lärm des Eröffnungsfeuerwerks noch ein paar üble Flüche in den Abendhimmel, von denen niemand Notiz nimmt. Heute gibt es jedenfalls keine verbannte Erde mehr.
80s80s Listening Session: Backstage Bericht aus Berlin
Wie einige von Euch mitbekommen haben, war ich an Allerheiligen bei der 80s80s „The Cure“ Listening Session mit dabei, um mir gemeinsam mit anderen Leuten das neue Album „Songs Of A Lost World“ vom Großmeister der Dunkelheit anzuhören. Orphi Eulenforst war Backstage dabei und hat ein kleines Video zusammengestellt, der diesen Tag in Berlin noch einmal toll zusammenfasst. Ich hatte im Anschluss an die Session auch nochmal Gelegenheit, meine Meinung zum Album ausführlicher darzustellen und mich den bohrenden Fragen meines Ehegruftis auszusetzen. Vielleicht ist das ja für den ein oder anderen interessant.
Mit einer eigenen Zusammenfassung für diesen Abend fasse ich mich kurz, den das Meiste erzähle ich bereits im Video. Es war ein sehr anstrengender, aber auch interessanter Tag in Berlin. Ich habe eine Menge spannender Leute getroffen und gesprochen und irgendwie auch ein bisschen „Radioluft“ geschnuppert. Gerne hätte ich noch mehr Leute in Berlin besucht, doch leider war unser Aufenthalt zu kurz, am Samstag haben wir uns gleich frühmorgens wieder auf den Weg gemacht.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die dabei waren. Roberto Broch, Martin Strasser, Wilco Fleischauer, Jens Knüpfer, Thomas Thyssen und Sabine Beck. Dank auch an Edda und Lina und das Team von der Technik, bei Euch fühlte man sich äußerst gut aufgehoben. Vielleicht kann man ja sowas in Zukunft nochmal wiederholen.
Mit den 4 Imaginary Boys werde ich in den nächsten Wochen nochmal ein Interview starten, die waren einfach supersympathisch und haben mich neugierig hinterlassen. Auch mit Wilco Fleischauer und Knüpfi machen wir bestimmt in Zukunft noch was. Bleibt gespannt.
Übrigens: Bei 80s80s gibt es jetzt auch ein paar ganze frische Rückblicke des Abends. (Danke Thomas)
80s80s Listening Session – The Cure „Songs of a Lost World“ am 1.11.
Mittlerweile dürfte es auch in die letzte Gruft gedrungen sein, dass „The Cure“ an Allerheiligen ihr neues Album „Songs Of A Lost World“ veröffentlichen. 80s80s Radio machen am 1. November dazu eine „Listening Session“, die ab 19:00 in einem Video-Live-Stream zu sehen sein wird. Ich habe die Ehre, auch dabei zu sein und neben 5 richtigen Experten auch meinen Senf zu den einzelnen Songs beizusteuern!
80s80s Listening Session – Was ist das?
Bei so einer Listening Session sitzt man im Kreise Gleichgesinnter und hört sich alle Lieder eines Albums an, um sich nach jedem Song über das Gehörte auszutauschen. Das hat 80s80s Radio bereits 2023 beim Depeche Mode Album „Memento Mori“ vor Publikum im Meistersaal der Berliner Hansastudios gemacht und wollen das erfolgreiche Format nun mit „The Cure“ wiederholen. Diesmal allerdings in einem Studio ohne Publikum und vor laufenden Kameras. Über Social Media Kommentare könnt ihr auch Fragen stellen oder selbst eure Gedanken zu den gehörten Songs teilen. Einige Fragen werden sicherlich auch an die Experten weitergereicht und möglicherweise Live beantwortet.
80s80s Listening Session – Wer ist mit dabei?
Man hat für ein „beeindruckendes“ Aufgebot von The Cure-Experten gesorgt, wie 80s80s vollmundig behauptet und tatsächlich offenbart die Liste spannende Gäste. Martin Strasser und Roberto Broch von den Four Imaginary Boys, Deutschlands gefragtester und Europas meistgebuchter The Cure-Tributeband, Wilco Fleischauer, Veranstalter regelmäßiger The Cure Partys und Thomas Thyssen, DJ, Musiker, Musikjournalist und Konzertveranstalter in der schwarzen Szene und meine Wenigkeit, Robert Forst von spontis.de – ich bezweifle allerdings, dass ich spannend bin und überlasse das gerne den anderen ;-) Moderiert wird das Ganze von Sabine Beck.
80s80s Listening Session – Wann und Wie kann ich das sehen oder hören?
Am 1. November 2024 ab 19 Uhr könnt ihr den Video-Livestream bei 80s80s.de starten, der von Sabine moderiert wird. Um an der exklusiven Videoübertragung teilzunehmen, benötigt ihr einen 80s80s Supporter-Login (den bekommt ihr hier auf 80s80s.de oben rechts über Login). Dann könnt ihr uns beim Hören des neuen „The Cure“ Albums auch sehen. Wie genau das aussehen wird, kann ich Euch ehrlicherweise auch nicht verraten.
Wer an Allerheiligen nicht kann, weil er vor dem heimischen Altar das von Grabkerzen erhellten Antlitz von Robert Smith anbetet, kann die Sendung am 2. November 2024 ab 20 Uhr auch nochmal im Radio hören. Ich bin mir sicher, das wird es später auch nochmal als Podcast geben.
Gemeinsam reingehört – Mit Kennern der Szene
Ich bin mit Sicherheit kein Cure-Experte, das habe ich auch dem Radiosender gesagt, allerdings kann ich sicher einige Anekdoten über die Fans der Band zum Besten geben. Vielleicht hat man mich ja deshalb eingeladen :) Ich bin mir aber sicher, dass einige Gäste diese Lücken mit fundiertem Fachwissen auffüllen können.
„The Cure“ waren für mich immer eine ikonische Band, vor allem durch die Beiden Alben Pornography und Desintegration habe sie das, was für mich musikalische Melancholie ausmacht, immer definiert. „Cold“ ist beispielsweise DER Gothic Track schlechthin – das findet nicht nur Robert Smith. Ich habe allerdings auch einige Alben der Band überhaupt nicht gemocht und „Bloodflowers“ beispielsweise nie als würdigen „dritten“ im Bunde der bereits genannten Alben gesehen, ganz im Gegensatz zur Band. The Cure ist natürlich auch nicht dafür da, mir mein „Gothic-Gefühl“ über 30 Jahre zu erhalten, daher habe ich ihre „poppigen“ Ausflüge immer respektiert.
Nun schickt sich „Songs Of A Lost World“ allerdings an, eine würdige Trilogie mit den beiden gruftigsten Alben der Band zu bilden. Ich bin gespannt, ob das passiert.
Wenn ihr Live dabei sein wollt, wie ich im Radio blamiere und über den Gott der Finsternis schwärme, schaltet am Freitag gerne ein :-)
Konzertbericht: Von verpassten WGT Bands und Cure-Vergleichen
Am 21. September 2024 lud die Moritzbastei auf ihr Dach, zum Open Air mit Klez.e, The Foreign Resort und Lament. Anfänglich war ich etwas unsicher, ob ich diesen Artikel schreiben soll, habe ich es gleich mit drei Bands zu tun gehabt, deren Musik absolutes Neuland für mich ist und war. Die Zweifel, meine Worte könnten weder der Musik noch den Auftritten gerecht werden, waren groß. Nachdem aber im Artikel zu Klez.e nochmal der Vergleich mit The Cure Thema wurde, dachte ich mir, ich wage es einfach. Alleine schon um meinen persönlichen Eindruck wiederzugeben.
WGT – Festival der verpassten Gelegenheiten
Bereits zum diesjährigen WGT hätte ich die Möglichkeit gehabt, diese 3 Bands entdecken zu können. Aber ich möchte ehrlich sein, den Volkspalast empfand ich als schreckliche Location, sodass ich beim Konzertbeginn von The Foreign Resort geflüchtet bin, wodurch auch Klez.e hinfällig war. Und Lament hatte ich einfach nicht auf dem Schirm gehabt. Anscheinend war aber das Universum der Meinung, ich müsste unbedingt diese drei Bands sehen und gab mir die Möglichkeit dies nachzuholen. Und wo, wenn nicht in der Stadt des WGTs, sollte das Ganze stattfinden!?!
Bereits am frühen Nachmittag traf ich dann erneut in Leipzig ein. Nachdem ich im Hotel eingecheckt hatte, machte ich mich auf die Suche nach etwas essbaren. Mein Weg führte mich dabei an der Moritzbastei lang, wo schon fleißig der Soundcheck lief. Und natürlich nutzte ich die Gelegenheit, mir einen kleinen Vorgeschmack auf den Abend zu holen, bevor ich wieder in meinem Hotelzimmer verschwand.
Einlass sollte dann 17 Uhr sein, also ging ich rechtzeitig zur Veranstaltungslocation los. Mein Ziel pünktlich erreicht, konnte ich schon die ersten Schwarzen Gestalten erblicken, und es sollten nach Einlass noch weiß Gott mehr werden. Als die Pforte zum Dach sich öffnete, erblickte ich eine professionell hergerichtete Bühne, die nicht nur Equipment für Aufnahmen besaß, sondern auch die Bühnendeko für die erste Band.
Open Air auf der Moritzbastei
Man muss dazu sagen, dass bereits ein gutes Vierteljahr vorher die Moritzbastei schon einmal ein Open Air veranstaltet hatte, mit Nikita Curtis, Freunde der Italienischen Oper und Die Art. Damals war der komplette Aufbau noch recht schlicht gehalten, was dem Event aber keinen Abbruch tat, sondern seinen persönlichen Charme verlieh. Die Zeit schritt nun also voran und immer mehr aufgehübschte Gruftis betraten das Dach. Diese hatte ich im Juni, bei Die Art, etwas vermisst.
Klez.e – Warum immer diese Cure-Vergleiche?
Auf die Minute genau ging es dann mit den Jungs von Klez.e los, deren Bühnendeko spiegelartige Leinwände waren, die auf der Bühne verteilt standen. Ich muss gestehen eigentlich kein großer Freund von deutschsprachiger Musik zu sein, aber die Band schaffte es mich für sich zu gewinnen. Umso schade fand ich es, dass der Gesang immer wieder unter der Lautstärke der Instrumente unterging und ich somit die Texte teilweise schlecht verstand.
Ihr Set bestand neben dem Lied „Herbstherz“, vom aktuellen Album Erregung, auch aus „Flammen“, welches förmlich dazu einlud, sich dem Sound hinzugeben und selber wie eine Flamme von einer Seite zur anderen zu schwingen. Immer wieder schafften die sanften, teilweise verträumten Klänge der Stücke, dass man die Augen schloss und einfach in die Musik eintauchte.
Eine Frage begleitete mich aber den Auftritt über, und zwar die „Wieso der Vergleich mit The Cure?“ und wo nun die Parallelen liegen sollen. Vor mir stand ein Sänger, der weder optisch noch in seiner Performance mich groß an Robert Smith erinnerte. „Wild toupierte Haare haben nicht wenige.“ dachte ich mir. Die Texte von ihm gefühlvoll und melancholisch vorgetragen, während der Gesang von Smith für mich doch vielmals weinerlich klingt. Und ja, auch die Klangfarbe der Stimmen brachte wenig Übereinstimmung. Das einzige waren kleine Nuancen in der Melodie, wo man Mal kurz dachte „Das könnte Richtung The Cure gehen“. Oder das Stilmittel, die Worte auf eine bestimmte Art langzuziehen.
Aber um ehrlich zu sein, fiel das für mich nicht ins Gewicht, um zu sagen, „Ja, das ist eine 1:1 Kopie von The Cure bzw. Robert Smith“. Es scheinen tatsächlich die Feinheiten zu sein, die Klez.e doch etwas Eigenständiges geben, was ich sehr begrüße.
The Foreign Resort – Kraftvolle Band mit Haltung
Nach etwa 45 Minuten war der Gig vorbei und auf der Bühne begann ein wildes Gewussel von Künstlern und Technikern. Man bereitete den Auftritt von The Foreign Resort vor, die als Nächstes an der Reihe waren. Nachdem alles aufgebaut war und Bandmitglied Steffan liebevoll das Bandshirt über das Schlagzeug von Lament gelegt hatte, konnte es auch losgehen.
Gerade noch bei Klez.e auf sanften Tönen gebettet, stand nun wildes abtanzen auf dem Plan. Von der ersten Minute an gab es kraftvolle und dynamische Klänge, bei denen man nicht still stehen konnte. Viele der gespielten Stücke waren neue Sachen der Band. Bei einem der Lieder verriet Sänger Mikkel, der an diesem Abend eigentlich Steffan das reden überlassen wollte, weil er nach eigener Aussage beim Konzert am Vorabend zu viel geredet hatte, dass die kürzlichen Wahlen von Sachsen und Thüringen, Anregung dafür war. Das passende Statement, ein Männlein, welches ein Hakenkreuz wegschmeisst, trug er auf seinem Shirt.
Wie ich finde ein gutes und wichtiges Statement in heutiger Zeit. Für kleine Erheiterung im Publikum sorgte der regelmäßige Platz- und Instrumententausch von Mikkel und Bandkollege Steffan. Aber leider ging auch hier immer Mal wieder der Text durch die Instrumente unter.
Lament – Die perfekte Mischung
Den Abschluss an diesem Abend sollte die Leipziger Gruppe Lament machen. Durch technische Probleme der Aufnahmegeräte, verzögerte sich zwar der Konzertbeginn etwas, dafür war dieser aber umso schöner gestaltet. Die Bühne fing an sich in Nebel zu hüllen und ein sanftes, fast schon verträumtes, Intro erklang.
Schemenhaft erkannte man die Bandmitglieder, die ihre Positionen einnahmen und nach einem kurzen Moment der Stille setzte ein kraftvoller und zugleich schwermütiger Sound ein. Im Set wechselten sich Energie geladene Lieder mit gefühlvollen ab. Die perfekte Mischung, wie ich fand. Und schnell hatte ich auch Sänger Sebastian ins Herz geschlossen. Vor mir stand ein extrem sympathischer Mann. Manchmal schüchtern und leicht verlegen wirkend, erinnerte er mich an einen kleinen Jungen, der aber auch zu Schabernack aufgelegt war. Zum Beispiel als er sich bei „Last Dance Of Sumer“, hinter Gitarrist Tom stellte und mit den Fingern Hasenohren andeutete. Und immer wieder tänzelte er leicht beschwingt zum Sound des Liedes über die Bühne.
Die Besonderheit an diesem Abend war, dass der Lament Frontmann Geburtstag hatte, wie Klez.e Sänger Tobias innerhalb seines Auftrittes verriet, und so gab es aus dem Publikum sogar ein kleines Geburtstagsständchen. Auch wenn ich in einem Artikel aus dem Jahr 1999 gelesen habe, dass die Band den Vergleich mit The Cure nicht mag, muss ich zugeben, dass ich sowohl bei Performance als auch beim Klang, immer wieder mal an Robert Smith denken musste. Eine gewisse Ähnlichkeit war hier und da schon vorhanden.
Das musikalische Highlight und somit auch der Abschluss sollte dann „Hold On“ werden. Ein mehr als gefühlvolles Lied, welches im letzten Part nochmal richtig kraftvoll wird. Als würde der anfängliche Schmerz, den man fühlt, plötzlich bahnbrechen. In diesen Song hatte ich mich prompt verliebt und so lief er die Tage darauf bei mir in Dauerschleife. Toll fand ich auch diese enge Freundschaft zwischen den drei Bands, die man spürte, als Sebastian alle noch einmal auf die Bühne holte. Und wie er berichtete, schienen die Jungs von Klez.e und The Foreign Resort sofort begeistert gewesen zu sein, als er von seinem Vorhaben, dieses Konzert machen zu wollen, erzählte.
Fazit: Keine Minute bereut
Mein Fazit ist, egal ob nun bewusst oder unbewusst, Bands wie Klez.e und Lament Parallelen zu The Cure bzw. Robert Smith aufweisen, das Wichtigste ist, dass die Musik gefällt und was sie in einem auslöst. Persönlich stört mich das nicht und ich gebe auch nichts auf die Kritik, die manch einer alleine wegen der Gleichheiten äußert. Vielmals geben die Bands doch auch ihre eigene Essenz, in die Musik, dazu. Ich bin an diesem Abend auf meine Kosten gekommen und habe keine einzige Minute bereut.
Info:
Klez.E kann man am 29.10.24 mit Lyschko in der Berghain Kantine sehen, am 31.10.24 im Grend in Essen, am 01.11.24 in Reutlingen und am 2.11.24 in Wien. Guckt mal hier. The Foreign Resort sind am 2.11.24 in Hannover, am 13.12.24 in Chemnitz und am 14.12.24 in Berlin live zu sehen. Guckt mal gerne hier.
Ein menschlicher Schädel im Regal – Der Traum jedes Gothics?
Der Besitz und Handel von Menschenschädeln ist nicht illegal, aber zumindest fragwürdig, wie eine Dokumentation des NDR Magazins Panorama zeigt, vor allem wenn es sich um Schädel aus der Kolonialzeit handelt. Schädel, die damals auch von deutschen Kolonisten geraubt und nach Deutschland gebracht wurden, um als Forschungsobjekte an anderen „Rassen“ verwendet zu werden. Mich erinnert die Sache an eine E-Mail, die ich Anfang des Jahres bekam und die im Zusammenhang jetzt nochmal neue Fragen aufwirft.
Der gestohlene Schädel von FW Murnau
Vor einem halben Jahr bekam ich eine spannende und gleichzeitig merkwürdige E-Mail von Alex, einem Filmemacher aus Berlin. Der arbeitete an einem Film über den Stummfilmer Friedrich Wilhelm Murnau (1888-1931), der den legendären Film „Nosferatu – Symphonie des Grauens“ gedreht hat, und war im Zuge seiner Recherche auf eine seltsame Geschichte gestoßen. Im Juli 2015 wurde der Schädel aus seinem Grab auf dem Stahnsdorfer Friedhof gestohlen, viele vermuten – so schrieb Alex – die Täter*innen kommen aus der Gothic-Szene. Er hat sich daraufhin gemeldet und um Mithilfe gebeten, das Rätsel zu lösen. Ich konnte ihm natürlich nicht behilflich sein und vermutete auch, dass es sich um ein Gerücht handelte, das aufgrund von Klischees befeuert wurde, die immer wieder über die Szene im Umlauf sind.
Und obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass sich überhaupt jemand an einem Grab zu schaffen macht, um sich einen echten menschlichen Schädel zu besorgen, gab es sicher in der Vergangenheit einige Spinner in der Szene, die sich mit solchen Dinge profilieren. Aber dazu später mehr.
Die Dokumentation „Makabere Sammelleidenschaft in Deutschland“
Die Dokumentation über die makabre Sammelleidenschaft hat die Erinnerung an diese E-Mail Austausch nochmal an die Oberfläche gespült und ich war fasziniert und gleichzeitig schockiert, welche bizarren Ausmaße die Leidenschaft an menschlichen Schädeln nehmen konnte. Es geht zwar in der Hauptsache um den Handel von Menschenschädeln aus der Kolonialzeit, aber zwischen diesem Extrem, wo ein Schädel schnell mehrere tausend Euro kosten kann und der ganz normalen Suche nach menschlichen Überresten aus medizinische Lagerauflösungen liegt ein offensichtlich sehr lebendiger Markt.
Guckt Euch einfach mal die Dokumentation an:
Ich finde, gestohlene Schädel aus der Kolonialzeit, in der so ziemlich jede europäische Nation so richtig viel Mist gebaut hat, sind absolut indiskutabel. Die sollten umgehend wieder dahin zurück, wo man sie einst gestohlen hat.
Ein menschlicher Schädel im Regal – Der Traum jedes Gothics?
Ich war abseits der dunklen Vergangenheit unseres Landes aber auch erstaunt, wie der Handel mit menschlichen Überresten zu blühen scheint und wie „normal“ das Publikum auf großen Märkten – wie der gezeigte in Belgien – zu sein scheint. Keine Spur von schwarz gekleideten Gruftis oder Gothics, sondern erstaunlich bunt.
Aber reden wir jetzt über menschliche Schädel im Allgemeinen. Totenköpfe, Knochen und andere morbide Devotionalien stehen in der Szene hoch im Kurs. Auch unsere Fensterbank zierte eine ganze Zeit lang ein Totenkopf, allerdings ein künstlicher. Särge, Totenköpfen und Knochen gehören zu symbolischen DNA der Szene. Sie dominieren die Ausdrucksformen der Szene in bedruckten Textilien, als Schmuck, als Tattoo oder eben auch als Einrichtungsgegenstand aus Kunststoff. Liegt da der Gedanke fern, dass ein echter menschlicher Schädel die ultimative Krönung ist?
Und um die Vergangenheit und das geschändete Grab von FW Murnau nochmal aufzugreifen. Möglicherweise gab oder gibt es auch geltungssüchtige Szene-Mitglieder oder Spinner, die meinten, sie wären Gothics, die sich auf Friedhöfen an Grabsteinen und möglicherweise auch menschlichen Überresten bedient haben. Mir ist zwar kein konkreter Fall bekannt, aber unmöglich ist das sicher nicht.
Da wie gesagt der Handel und Besitz von Schädeln nichts Illegales ist, spricht ja auch gesetzlich nichts dagegen, menschliche Überreste im Regal aufzubewahren – im Internet kann man ganz einfach welche kaufen. Aber wie sieht es moralisch aus und lassen wir bei dieser Überlegung einmal die krassen Fälle von gestohlenen Schädel, wie in der Doku zu sehen, einmal weg.
Mich würde interessieren, wie ihr das Thema seht und wer von Euch einen menschlichen Schädel sein Eigen nennt? Gehören solche Dinge als dekorative Elemente, in jeden anständigen gruftigen Haushalt? Ist der echte menschliche Schädel ein Traum?
Spontis-Magazin 2024 – Jetzt mithelfen und Magazin sichern!
Heute ist der Startschuss für das Spontis-Magazin 2024. Wir haben bereits einige Artikel, Beiträge und Geschichten gesammelt, um sie wieder zu einem hoffentlich fantastischen Heft zu bündeln, das wir Euch am Ende des Jahres zuschicken möchten. Dazu bedarf es Eurer Mithilfe, denn eine gedruckte Ausgabe wird erst durch Euch und Eure Unterstützung möglich. Das Magazin, das ursprünglich an die Besucher des Spontis-Family-Treffens ausgehändigt wurde, erscheint zum Jahreswechsel und wird mit der Post verschickt.
Jeder gibt, was er will!
Wir gehen wieder nach dem altbewährten Prinzip vor: Jeder gibt, was er mag, und wir machen das Beste daraus. Jeder Cent, den Ihr uns zukommen lasst, geht zu 100 Prozent in das Magazin, die Herstellung der Buttons und in die Portokosten für den Versand. Wir werden und wollen damit kein Geld verdienen, sondern Euch etwas anbieten, das ihr als Erinnerung für dieses Jahr mitnehmen könnt. Sollte Geld übrig bleiben, fließt es ins nächste Magazin oder die Weiterentwicklung dieser Internetseite.
- Für die Basisversion des Magazins mit 24 Seiten in einer Auflage von 250 Stück müssen rund 1035 Euro zusammenkommen (Druck+Versand).
- Kommt mehr Geld zusammen, vergrößern wir schrittweise den Umfang des Magazins.
- Kommt noch mehr zusammen, machen wir noch Buttons oder sogar wieder die beliebten Stoffbeutel.
Solange der Vorrat reicht, bekommt jeder ein Magazin – unabhängig von der Höhe der Zuwendung und sogar unabhängig davon, ob er überhaupt Geld gibt. Wer im Ausland wohnt, muss aber die Versandkosten übernehmen. Genauere Infos findet ihr in den FAQ.
Besonders großzügige Leser erhalten natürlich die limitierten Extras, wie Stoffbeutel, Aufkleber oder Buttons bevorzugt, da sie auch die Leute unterstützen, die sich Magazin und Versand nicht leisten können oder wollen.
Anmerkung: Wegen eines vollen, privaten Terminkalenders wird es wahrscheinlich NICHT zu Weihnachten in Eurem Briefkasten liegen, sondern eher Anfang 2025.
Spontis-Magazin: Was erwartet Euch inhaltlich?
Dieses Jahr ist uns sehr schwergefallen, Autoren zu finden, die etwas beitragen möchten oder können. Daher werden wir in diesem Jahr wieder verstärkt auf eine Blog-Nachlese und die Aufarbeitung beliebter Themen setzen und deutlich weniger Fremdartikel platzieren können. „Back to the Roots“ könnte man es nennen. Meine Lieblings-Archäologin hat allerdings wieder ihre erfolgreiche Serie fortgesetzt und ich habe auch außerhalb des Bloggeschehens einige Geschichten gesammelt. Auch ich werde sicherlich noch einen Schwank aus meinem Leben beisteuern, da bin ich mir sicher!
Für das Cover-Design des Spontis-Magazins konnten wir mit Franziska Blinde sogar eine waschechte und super-talentierte Illustratorin gewinnen, die Vorderseite und Rückseite des Magazins gestaltet hat. Das Artikelbild gibt einen kleinen Einblick auf die fantastische Arbeit! Katharina Noire hat in diesem Jahr wieder eine tolle Grafik für den diesjährigen Button entworfen, einige Leser erinnern sich vielleicht an ihren ersten Button, den sie vor 10 Jahren (!) gezeichnet hat.
Falls doch noch Artikel bis zum Redaktionsschluss am Sonntag eintrudeln, werden diese natürlich berücksichtigt und hier nachgereicht.
Spontis-Magazin FAQ – Was ihr sonst noch wissen möchtet
Solltet ihr Fragen haben, könnt ihr diese im Kommentarbereich stellen. Die häufigsten Fragen der letzten Jahre habe ich hier zusammengefasst:
Jetzt mithelfen und Spontis-Magazin sichern
Wichtig für alle Spender, die Paypal nutzen. Bitte füllt nach Eurer Unterstützung unbedingt das Formular aus, damit wir Eure Unterstützung zuordnen können und Eure Adresse für den Versand haben. Alle die NUR spenden möchten, schreiben bitte eine kurze Nachricht zu Eurer Unterstützung. Danke :-)
Videointerview mit „The Cure“ – Robert Smith verkündet das Ende seiner Karriere
In einem jüngst veröffentlichten Interview auf der Homepage der Band spricht Robert Smith über die Zukunftspläne von „The Cure“ und kündigt neben zwei weiteren Alben, die auf das am 1. November erscheinende Album „Songs of A Lost World“ folgen sollen, auch das Ende der Band an. Diesmal aber wirklich, sagt er. In dem 100 Minuten langen Video (!) verrät der Baron der Finsternis auch viele Details zur Entstehungsgeschichte des kommenden Albums.
Das ist nicht das Ende, doch das Ende ist nah!
Das 14. Album, das die Band an Allerheiligen veröffentlichen will und in einer exklusiven Releaseshow im Londoner „Troxy“ präsentiert, soll nicht das letzte gewesen sein. Gleich zwei weitere Alben sollen folgen, eines davon – so Smith – ist fast fertig. Das Album soll sogar noch vor der Tournee veröffentlicht werden, die Smith für den Herbst 2025 ankündigte. Der Band seien wohl auch Festivalauftritte für den Sommer angeboten worden, die hätte man allerdings abgelehnt: „Das nächste Mal, dass wir auf der Bühne sind, wird im Herbst nächsten Jahres sein„, so Smith im Interview. Auch für die folgenden Jahre hat der Fürst der Traurigkeit ambitionierte Pläne. „Dann werden wir wahrscheinlich bis zum nächsten Jahrestag – dem Jahrestag 2028 – relativ regelmäßig spielen.“ 2018 hatte er bereits über die Feierlichkeiten zum Bandjubiläum nachgedacht, damals allerdings – so gibt er verlegen zu – scheiterten konkrete Pläne. „Jetzt denke ich „2028 muss ich die Dinge auf die Reihe bekommen“, also auch den Dokumentarfilm und solche Sachen.“
Dann ist aber WIRKLICH Schluss!
„Ich werde 70 sein, wenn 2029 der 50. Jahrestag des ersten Cure-Albums ansteht. Und dann ist Schluss. Wenn ich es so weit schaffe, dann war’s das.“ Wenn er bis dahin wie angekündigt, noch zwei weitere Alben veröffentlicht und ab 2025 auf Tournee geht, dann sollte der Ruhestand durchaus drin sein. „Bis dahin will ich, dass wir Konzerte spielen“, so Smith, denn die letzten 10 Bandjahre, auf denen sie viel unterwegs waren, haben die 30 Jahre davor in den Schatten gestellt. Frei von Zwängen eines Labels die Freiheit zu genießen, war für Smith purer Genuss.
„Da wir in dieser Zeit kein neues Album hatten, haben wir 130 oder 140 verschiedene Songs gespielt, weil wir uns zu einer Live-Band entwickelt haben, die von einem Katalog schöpfen kann. Wir können rausgehen und zwei Shows machen, in denen wir zwei Stunden lang 30 Songs spielen und an beiden Abenden völlig andere Songs aussuchen. Das gibt uns eine gewisse Freiheit.“
Allerheiligen – Kollektive Traurigkeit auf allen Kanälen
Das Konzert im Londoner „Troxy“, das am 1. November stattfindet, soll weltweit auf dem Youtube-Kanal von The Cure zu verfolgen sein. Irgendwann um Mitternacht nehme ich an.
Auf X hat Robert Smith übrigens nochmal klargestellt, dass es für die Tickets für diesen Abend, keine dynamischen Preise geben wird. Darüber hinaus gelten strenge Regeln, vor allem in Bezug auf Weiterverkauf und Übertragbarkeit. Damit macht Smith noch einmal seine Position deutlich, die er bereits 2023 zum Besten gegeben hatte und setzt sie auch in diesem Fall bewundernswert rigoros durch. Der Vorverkauf startet am 17. Oktober um 15:00 (BST) – wer möchte, kann sich in die Warteschlange einreihen.
TROXY ALBUM SHOW: TICKETS PRICED @ £56.61 = £50 FACE VALUE (INC £1 WARCHILD DONATION) + 8% BOOKING FEE (£4) + £1.50 RESTORATION LEVY + 2% TRANSACTION FEE (£1.11) VIA @DICEFM – NO DYNAMIC PRICING – DETAILS HERE: https://t.co/PNiGX770rX
— ROBERT SMITH (@RobertSmith) October 11, 2024
Für alle anderen, die am 1. November nicht nach London können, bleibt nur der Live-Stream, der wahrscheinlich gegen Mitternacht beginnen wird. Allerdings darf ich schon eine kleine Überraschung für den frühen Abend des 1. November ankündigen, auf die ich mich schon freue. Bleibt uns also gewogen, bis wir mehr Informationen für Euch haben. :-)
Wie werdet ihr das neue Cure-Album zelebrieren? Seid ihr Robert Smith Verehrer?
Rückblick: Deine Lakaien – Planetariumskonzert in Jena
Die Band „Deine Lakaien“ sind aktuell auf einer Planetarium-Tournee, bei der die Band – neben ihrer Musik – eine speziell entwickelte 360 Grad Projektions-Show zur Visualisierung ihrer Songs präsentieren. Für unsere Autorin Maren war klar, dass sich bei einem solchen Konzert dabei sein wollte und so nahm sie die 470km bis in Planetarium nach Jena gerne in Kauf, um sich verzaubern zu lassen. Wir freuen uns sehr, dass sie ihre Erlebnisse aufgeschrieben hat.
„Our pale reason hides the infinite from us.“ (Jim Morrison)
Sehnsucht danach, sich einfach in der schwarzen Unendlichkeit des Universums zu verlieren. Dieses Gefühl machte sich besonders letztes Jahr im Sommer in mir breit. „Deine Lakaien“ lieferten die passende Musik dazu und ließen mich über dunklen Abgründen schweben. Ist es da ein Wunder, dass der Wunsch in mir erwachte, sie live auf einem Konzert sehen zu wollen?
Aber es gab nur drei Auftritte im Zeiss-Planetarium in Berlin hintereinander an einem Wochenende ohne Brückentag. Beinahe Lichtjahre von der Hauptstadt entfernt beheimatet, ließ ich den Gedanken, sie dort zu sehen, fallen. Die Vernunft hatte gesiegt, aber die Sehnsucht nagte.
Dann plötzlich im Juni dieses Jahres die Ankündigung: Deine Lakaien wollen weitere Konzerte in Planetarien anderer Städte geben! Ich wollte und konnte nicht länger warten: Jena ist zwar auch nicht gerade nebenan, aber 470 Kilometer am Wochenende sind machbar!
Präsens zweier Ausnahmekünstler in den Weiten des Universums
Für die Planetariumskonzerte der Lakaien war speziell eine 360°-Projektionen Show zur Visualisierung ihrer Musik entwickelt worden. Dass dies ermöglichen würde, die Songs des Duos noch einmal auf besondere Art und Weise zu erleben, stand für mich außer Frage, aber würden die Projektionen von schwebenden Himmelskörpern nicht die Musiker völlig in den Hintergrund drängen? Wären sie nicht überflüssig bei dieser Veranstaltung, weil man ihre Musik nur einfach zu der Himmelsshow aus der Konserve abspielen könnte? Dass Alexander Veljanow und Ernst Horn in ihrer Experimentierfreude nicht einmal von der Unendlichkeit des Universums verschluckt werden können, wurde schnell klar. Im Publikum zuvor: Gemurmel, Geraschel, Geschwätz, das unnötig Atemluft verbraucht.
Kaum betraten jedoch Ernst Horn und Alexander Veljanov die Bühne, zogen sie alle in ihren Bann. Sie wurden mit Applaus bedacht, danach kehrte ehrfürchtige Stille ein. Horn nahm am Flügel Platz, dem an diesem Abend die einzige instrumentale Begleitung der Songs zugedacht war. Veljanov ging zum Mikrophon. Dabei war eine unglaubliche Präsenz zu spüren. Mit einem schlichten „Guten Abend!“ begrüßte er das Publikum.
Dann entlockte Horn seinem Flügel die ersten Klänge und Veljanov setzte zu einem Song an, der perfekt als Opener für dieses Konzert geeignet war:
„The walk to the Moon“
Ein Text voller Schönheit gepaart mit Trauer und Verzweiflung, vorgetragen von einer dunklen, sanften Stimme, die das schwarze Herz so zu durchdringen vermag, dass man vorher gut daran getan hat, wasserfesten Kajal zu verwenden. Bei seiner gesanglichen Darbietung kam Veljanov ohne jegliche Theatralik aus. Es folgten viele Songs aus dem Repertoire der Lakaien, die ebenso hervorragend zu dieser Reise durchs Universum passten. Dass es dabei nicht immer nur um ein sanftes Schweben durchs All ging, sondern auch einmal atemberaubende Lichtgeschwindigkeit an den Tag gelegt wurde, zeigte sich bei „Dark Star“:
Ernst Horn nötigte hierbei seinem Flügel alles ab. Er malträtierte auch dessen Eingeweide, da der Deckel aufklappbar war und verschaffte diesem unruhigen, düsteren Song so auch ohne Elektronik die passende Instrumentalisierung. Was beide Musiker auszeichnet, ist ihre hohe Konzentration auf das Zusammenspiel von Flügel und Gesang, wiederum passend zum Sternenhimmel. Es gab höchstens mal ein leise gehauchtes „Dankeschön“ von Veljanov ans Publikum, ansonsten keine Interaktion, aber das hätte auch nur die Reise gestört.
Am Ende jedoch lächelte Veljanov sogar, was bei ihm ja auch eher selten vorkommen soll. Mit „Bei Nacht“, der deutschen Version von „One Night“, als Zugabe entließen dann Deine Lakaien ihr Publikum in die Dunkelheit des nächtlichen Jenas. Beide hatten gezeigt, dass sie auch in der erhabensten Umgebung ihre Ausstrahlung als Musiker live voll zur Entfaltung bringen können.
Das Publikum dankte es ihnen mit Standing Ovations
Bewusstseinserweiternder Trip in der Dunkelheit
Die Idee zu dieser Symbiose zwischen der Dunkelheit des Universums und der Musik von „Deine Lakaien“ stammte übrigens von Tim Florian Horn, dem Chef der Berliner Planetarien. Er hatte auch die visuelle Komponente für die Konzerte beigesteuert. Zurückgelehnt in den Sessel, den Blick in die Kuppel gerichtet, konnte man sich der Illusion hingeben, durch die Weiten des Universums zu entschweben und vorbei an Spiralnebeln und Supernovas durch die Dunkelheit zu gleiten, hinein in ein Meer aus unendlich vielen Sternen: „My Goth, it’s full with stars.“
Es gab aber auch geometrische Konstruktionen, in die man eintauchen konnte, um sie durch Öffnungen zwischen Stangen und Rohren zu durchfliegen oder zu Mindmachine in eine riesige Ansammlung räderartiger Gebilde. Gab man sich dem Blick nach oben lange genug hin, konnte man der sensorischen Täuschung eigener physischer Bewegung erliegen. Ein Trip durch Raum und Zeit, der einem ermöglichte, die Nichtigkeit der eigenen Existenz zu überwinden angesichts der dunklen Unendlichkeit im All. Doch trotz der gewaltigen visuellen Illusion, die einen in ungeahnte Sphären mitnehmen konnte, holten Ernst Horn und Alexander Veljanov die Aufmerksamkeit des Publikums immer wieder aus den Weiten des Universums zu sich auf die Bühne zurück.
Zurück mit Veljanovs Stimme im Kopf
Am nächsten Morgen hieß es, die Rückfahrt antreten. Dabei hatte ich noch immer Veljanovs dunkle, eindringliche Stimme in meinem Kopf, spürte noch immer den wundervoll bittersüßen Schmerz und die Traurigkeit, den Deine Lakaien mit ihren Liedern ausgelöst hatten. Dafür war es das jeden einzelnen Kilometer wert, den ich zurückgelegt hatte!
Gruft-Orakel Oktober 2024: Ein Dämon auf Weltverbesserungskurs?
Der Dämon ist ein übernatürliches Wesen, der den Konsum in der Welt der Sterblichen liebte. Er gab Unmengen vom Geld seiner Opfer aus, um sich mit modernster Technik zu bestücken, zuletzt war im Kreise seiner übernatürlichen Arbeitskollegen sogar mit einer VR-Brille gesehen, während er mit einer Smartwatch seine Schritte trackte. Doch gesättigt vom Konsum, vom Überfluss und genervt von der eigenen Existenz suchte er nach neuen Aufgaben. Glücklicherweise kam ihm das aktuelle Gruft-Orakel von Alana Abendroth in die Klauen, die ihm riet, die Welt zu verbessern. Aus dem erst so absurden Gedanken, schließlich ist da, um die Menschheit zu unterjochen, wurde aber im Verlaufe eines Nachmittags eine fixe Idee. Die Menschheit, so seine Beobachtung, unterjocht sich selbst und sorgt obendrein noch für die eigene Ausrottung. Dann wäre er zwar unsterblich, aber arbeitslos. Und das wäre doof. Also will er ab jetzt die Welt retten. Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, wenn man so möchte. Schlauer Dämon!
ARTE Tracks: Schon wieder eine Gothic Renaissance?
Bei ARTE Tracks war jüngst ein spannender Beitrag über die „Gothic Renaissance“ die wieder einmal von eine Wiedergeburt des Szene handeln soll. Im Mittelpunkt stand die aktuelle Londoner Szene rund um Parma Ham, die Gothic für sich interpretieren, ausleben und erweitern. Für manche ist das ein Stilbruch ohne inhaltliche Bezüge zu Szene, für andere eine neue und spannende Dekade gruftiger Weiterentwicklung.
Vielen Lesern dürfte Parma Ham kein unbekannter sein, schon 2018 haben wir ihn schon in einem Interview vorgestellt, seit dem ist er zu einer Art Stilikone für „Neo-Gothic“ geworden, wenn man diesen Ableger so nennen möchte. ARTE hat eine Gruppe von jungen Leuten, Künstlern und Fotografen in der britischen Hauptstadt London besucht, um anhand dieser Entwicklung die Wiedergeburt der Szene zu dokumentieren. Funfact: Bereits 1998 hat ARTE schon einmal über die Rückkehr der Gothics berichtet.
Gothic Renaissance? Völliger Unsinn!
Das die Szene gerade jetzt wieder auferstanden sein soll, ist für mich völliger Unsinn, denn die Szene war im Grunde genommen nie wirklich weg oder tot und muss demnach auch nicht wiedergeboren werden. Sie ist nur in den letzten Jahren wieder in den Fokus gerückt, seit dem stilprägende Filme und Serien wieder auf der Mattscheibe zu sehen sind. Wednesday, Beetlejuice und die Neuverfilmung von „The Crow“ sind nur die Spitze des Eisberges. Diese Produktionen haben wieder für einen modischen und zum Teil auch inhaltlichen Trend gesorgt, in dessen Fahrwasser auch die Gothic-Szene wieder verstärkt in den Mainstream geschwappt ist.
Allerdings finde ich die Auswahl der Leute für den Inhalt dieser ARTE-Tracks Sendung sehr gelungen, denn mit dieser neuen Interpretation unserer Subkultur wurde eine neue Dekade der Szene eingeläutet. Ich habe an anderer Stelle bereits von meiner Theorie geschrieben, dass sich die Szene meine Ansicht nach etwa alle 10 Jahre „neu erfindet“ und neue Einflüsse und Interpretationen assimiliert. Der Verbreitungsgrad dieser Doku ist jedenfalls Indikator dafür, dass viele von Euch sie bereits gesehen haben:
Zankapfel der Szene – Kurzzeitiger Trend oder neuer Bestandteil?
In den Kommentarspalten streitet sich die Szene. Einige können sich so gar nicht mit dem Inhalt der Dokumentation identifizieren und halten das für einen Trend von Posern, andere finden, dass die Szene hier nur weiterentwickelt wird. Dass das einigen nicht gefällt, liegt in der Natur der Veränderung. Das ist aber auch nicht weiter tragisch, denn schließlich ist Gothic für einen das, womit man sich einst identifiziert hat. Gruftis aus den 80ern sehen die Szene ein Stückchen anders als Gruftis aus den 90er oder den 00ern. Die Wurzeln der eigenen Szene-Identität sind nun mal festgewachsen. So weit, so theoretisch.
Wirklich neu ist der visuelle Eindruck, über den sich viele echauffieren, allerdings nicht. Aufmerksame Szenefans werden überall Versatzstücke früherer Generationen erkennen, die hier nun gebündelt auf den Körpern der Protagonisten gemischt werden. Haare aus den 80ern, BDSM-Elemente aus den 90ern, Cyber-Einflüsse aus den 00ern, Gender-Bending aus den 10ern. Wobei sich auch diese Elemente wieder untereinander befruchtet haben und auch schon immer irgendwie in der Szene schlummerten. Auch musikalisch ist das alles keine Überraschung, „Techno“ war bereits Ende der 90er auf den Plattentellern schwarzer Clubs zu finden. Woher kommt also die Ablehnung?
Aus den Kommentaren zur Doku, die bei Facebook zu finden sind, möchte ich folgende zitieren:
Es ist für mich eher Sci-Fi-Punk, aber kein Goth und macht für mich kaum das aus, was für mich Goth ist.
„Goth“ ist ein sehr individuelles Zugehörigkeitsgefühl, das vor allem musikalisch und inhaltlich verwurzelt ist. Ich verstehe jeden – wie in diesem Zitat – für den das, was in der Doku zu sehen ist, nicht „sein Gothic“ ist. Auch für mich geht das ein meiner persönlichen Definition vorbei, spricht aber den Leuten aus der Doku in keinster Weise ihre Daseinsberechtigung ab. In einem anderen Kommentar heißt es:
So ganz ehrlich: welche kreative Jugend hat schon Lust es exakt so zu machen wie der angehende Rentertrupp, der den größten Teil der schwarzen Szene in den letzten 10 Jahren auszumachen scheint?
Das ist der Punkt. So funktioniert Abgrenzung oder auch Rebellion und Interpretation. Es eben nicht so zu machen, wie die Leute, die schon waren. Daraus wächst dann wohlmöglich ein eigener Wertekompass von dem, was Gothic für einen ausmacht.
Reduziert man Parma Ham und die Leute aus dem Video nur auf einen Aspekt ihrer Interpretation – also auf die Musik, das Styling oder auch die inhaltliche Agenda, mag die Kritik gerechtfertigt sein. In der Gesamtheit funktioniert die äußerlich und Inhalte Provokation doch letztendlich genauso, wie in jeder Dekade der Szene. Immer ein bisschen krasser, als vorher.
Heute fällt man so schon garnicht mehr auf, insofern kann ich nachvollziehen daß die Ausdrucksformen einfach krasser sein müssen, und – hey, funktioniert ja gut wenn man sich ansieht wie viele sich hier jetzt echauffieren
Dabei liegt die Messlatte für die neuen Gruftis deutlich höher, denn die müssen sich nicht nur vom Mainstream abgrenzen, sondern auch von den Vorgängerversionen der Subkultur, der sich zugehörig fühlen.
Ich persönlich finde das alles spannend und großartig. Ich habe keine Lust darauf, die Szene, die immer schon den Mainstream auf eine passive Weise konterkariert hat, als Kopie der Szene wahrzunehmen, in der ich mich durch sie sozialisiert habe. Allerdings gestehe ich jedem zu, „seine Szene“ zu schützen, schließlich ist das ein Refugium nach ganz eigenen Maßstäben und Wertevorstellung. So wie bei Parma Ham und seinen Freunden. Die bringen so ein eigenes Magazin mit Artikeln, Gedichten, Gedanken und vielen Bildern heraus.
Rebellion mit guter Laune?
Eine Sache fand ich allerdings dann doch noch spannend. Wie ich bereits erwähnte, gehören meine Wertvorstellung zu „meiner Szene“. So wie Traurigkeit, Melancholie und ja, Pessimismus. Allerdings sagt Parma Ham am Ende der Dokumentation:
„Ein Punk-Slogan war ’no future und das fühlte viele Leute damals so. Das ist der große Unterschied zu heute. Viele Leute aus meinem Umfeld sind viel optimistischer. Und dieser Optimismus kommt von einer gewissen Vorfreude auf das, was als nächstes kommt, um daraus die Zukunft zu formen.“
Auch wenn ich das nicht so sehe, finde ich das irgendwie spannend. Denn ist das nicht die Gegenrichtung zum aktuellen Mainstream? In den 80ern haben wir uns gegen eine Spaßgesellschaft gestemmt, die alles neonfarben-bunt in Grund und Boden gefeiert hat. Gegen eine Gesellschaft, die angesichts der damaligen Ereignisse und Entwicklungen nicht an ein Ende der Welt geglaubt hat. Heute glauben viele an ein Ende der Welt. Klimawandel, Kriege, Konflikte und Flüchtlingskrisen bestimmen das Weltbild. Der Mainstream ist irgendwie pessimistischer geworden. Ist das neue Refugium dann zwangsläufig der Optimismus? Grenzt man sich durch Optimismus mittlerweile vom Rest der Gesellschaft ab?