Der Zeichentrickfilm „Unten am Fluss“, der 1978 in Großbritannien unter dem Namen „Watership down“ erschien, gehört auch heute noch zu den kontroversesten Kinderfilmen, die bislang mit einer „FSK 0“ Einstufung zu sehen waren. Kritiker nennen den Film eine „Einbahnstraße zur posttraumatischen Belastungsstörung„, weil darin Kaninchen auf vielfältige Art und Weise ums Leben kommen. Für andere ist der Film ein realitätsnahes und moralformendes Drama, das zeigt, dass in der Natur nicht immer alles „Friede-Freude-Eierkuchen“ ist.
Unten am Fluss – Eigentlich ganz schön idyllisch
In einem Bau auf dem idyllischen englischen Land lebt der junge Rammler namens Hazel zusammen mit vielen Artgenossen. Ihr Leben scheint sorglos zu sein, bis Hazels schmächtiger Bruder Fiver Visionen von einer drohenden Katastrophe hat. Er drängt Hazel, die Heimat so schnell wie möglich zu verlassen. Obwohl Hazel zunächst zögert, beschließt er schließlich zusammen mit Fiver und einigen anderen Kaninchen gegen den Willen ihres Anführers aufzubrechen. Bald darauf wird ihr Bau von Menschen ausgeräuchert und zerstört. Die meisten zurückgebliebenen Kaninchen werden durch den giftigen Rauch, den die Menschen in den Bau geleitet haben, getötet…
Bereits hier bröckelt die heile Welt der Kaninchenwelt erheblich, bevor sie im weiteren Verlauf des Umzugs in einen neuen Bau vollständig zusammenbricht.
Als der Film 1978 zum ersten Mal in die Kinos kam, bestand der Regisseur des Films, Martin Rosen, darauf, dass das Bild auf dem Werbeplakat die Zuschauer davor warnen sollte, dass es sich nicht um einen niedlichen Zeichentrickfilm über ein paar Hasen handelte. In einem Interview sagte er dazu:
„Ich dachte, eine Mutter, die ein Kaninchen in der Schlinge sieht, dem Blut aus dem Maul kommt, würde ihrem sensiblen Kind einen solchen Film nicht zumuten und denken: ‚Das ist vielleicht nichts für Charlie – das ist ein bisschen zu hart‘“
Dennoch vergaben die britischen Aufsichtsbehörden eine „U“ Kennzeichnung, die hierzulande mit der „FSK 0“ Einstufung gleichzusetzen ist und darauf hinweist, dass der Film selbst für kleinste Kinder geeignet ist. Was folgte ist eine ganze Generation von Kindern, die bei der sanften Melodie von Art Garfunkels vorgetragenem Titelsong „Bright Eyes“ für immer Schreckensvisionen von blutrünstigen Schoßtieren vor Augen hatten.
Jetzt, 45 Jahre später, hat das „British Board of Film Classification“ (BBFC) seine Meinung über den Film geändert, der nach einer Wiedervorlage als „Einbahnstraße zur posttraumatischen Belastungsstörung“ bezeichnet wurde.
Immer wenn ein Verleiher den Film erneut herausbringt oder veröffentlicht, überprüft ihn die BBFC nach ihren aktuellen Richtlinien. Das kann zur Folge haben, dass ein Film mit einer höheren oder niedrigeren Einstufung zu kennzeichnen ist. Der aktuelle Bericht der Kommission räumt ein, dass Teile des Films „beunruhigend“ sein können. Er warnt vor sichtbarer Gewalt, Blut und Schrecken:
„Ein Kaninchen ist in einer Schlinge gefangen und beginnt zu ersticken, wobei Blut aus seinem Maul schäumt. Man sieht, wie Kaninchen mit Zähnen und Krallen gekratzt und zerrissen werden, und es gibt eine Szene, in der ein Hund einen Kaninchenbau angreift, wobei kurz Blut und Verletzungsdetails zu sehen sind. […] Es gibt beängstigende Szenen und Momente der Bedrohung, darunter Kaninchen, die von Raubtieren gejagt werden. Ein Kaninchen hat eine beängstigende Vision von blutüberströmten Feldern, und in einer Sequenz, in der die Zerstörung eines Bauwerks durch menschliche Bauarbeiter gezeigt wird, werden mehrere Kaninchen in Tunneln eingeschlossen und sterben.“
Nach den aktuellen Richtlinien der Behörde erhält der Film nun eine „PG“ Einstufung, die besagt, dass solche Filme nur unter elterlicher Aufsicht zu sehen sein sollen, was in Deutschland einer „FSK 6“ Einstufung gleichkommt.
Gegenüber dem Guardian verteidigt die Behörde ihre damalige Einstufung: „Wir waren der Meinung, dass der Film Kinder zwar während der Laufzeit emotional berühren kann, sie aber nicht ernsthaft beunruhigen kann, wenn der Bann der Geschichte gebrochen ist.“
Zuletzt zeigt „Channel 5“ den Film „Unten am Fluss“ 2016 im Nachmittagsprogramm des Oster-Sonntags und löste damit einen Shitstorm bei Twitter (X) aus: „Who the hell thought it a good idea to put Watership Down on Easter Sunday? ‘Hey kids let’s watch dead Easter bunnies!“
Unten am Fluss – Dramatische Realität zur Prägung eines Weltbilds?
Es gibt allerdings nicht nur negative Meinungen zu diesem Film, sondern auch viele Stimmen, die in dem Film die bittere Realität abgebildet sehen. Es ist der Mensch – sinnbildlich dargestellt durch den Bauunternehmer – der den Lebensraum der Kaninchen einschränkt, allerdings gibt es in der Natur selbst eine schonungslose Brutalität, die so gar nicht in die kindgerechte, und hauptsächlich von Disney dargestellte Welt, passen mag.
Die grausame Darstellung der Natur ist die schonungslose Ehrlichkeit dieses Ökosystems, in der es gilt zu fressen und gefressen zu werden. Doch auch darüber hinaus gibt es in dem Film einige positive Dinge zu entdecken. Die Gerissenheit von Hazel, der Mut von Bigwig und der dramatische Kampf für ein friedliches Dasein kann kindliche Phantasie durchaus beflügeln.
Neben dem Realismus gibt es auch übernatürlich Andeutungen einer Kaninchengottheit, sowie amüsante Fabelanspielungen auf die Kaninchenmythologie. Diese Mischung aus der dreidimensionalen Welt und der Verheißung von etwas Jenseitigem hat mich immer tief bewegt.
Die ganze Welt wird dein Feind sein, Fürst mit tausendfachen Feinden, und wann immer sie dich fangen, werden sie dich töten. Aber zuerst müssen sie dich fangen, Gräber, Lauscher, Läufer, Fürst der schnellen Warnung. Sei schlau und voller Listen, und dein Volk wird niemals vernichtet werden.
Der Zeichentrickfilm „Unten am Fluss“ ist vor allem eins. Traurig und wunderschön. Auch wenn klassischer Trickfilm ein wenig in die Jahre gekommen zu sein scheint, so verströmt er dennoch einen ganz eigenen Charme und hat mich „positiv traumatisiert“.
Welche Zeichentrickfilme habe Euch geschockt oder nachhaltig beeinflusst? Haltet ihr es für sinnvoll, solche Film im Alter einzuschränken und überhaupt, habt ihr den Film überhaupt schon gesehen?