Musikalischer Briefkasten #22: Vermeintliche Poser, alten Hasen, experimentelle Amerikaner und Bremer Mischmasch

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Der musikalische Briefkasten ist diesmal ein Befreiungsschlag von den Fesseln einiger Mailing-Listen einschlägiger Labels, denn mittlerweile bekommen wir immer mehr direkte Angebote und Hörproben von den Bands zugeschickt, was mich sehr erfreut. Was mich darüber hinaus erfreut, ist das „Drumherum“ um solche Zusendungen, denn es hat sich etabliert, Presse-Beschreibungen, Bilder und Hörproben in irgendwelche Clouds hochzuladen, mit denen wir dann arbeiten können. Das macht es deutlich leichter, über die Bands zu berichten, denn wir müssen entsprechendem Bildmaterial und Hintergrundinformationen nicht mehr hinterherlaufen, sondern können sorgenfrei veröffentlichen. Das ist voll cool, liebe Bands und deutlich sinnvoller, als einfache Bandcamp-Links, hinter denen man zwar eure Musik findet, aber keinerlei Randinformationen und vor allem Bilder, die man verwenden kann und darf.

Rabengott – Sleepwalker

Ja, man könnte die Band „Rabengott“, über die ich vor einigen Artikeln berichtet habe, durchaus als kontrovers bezeichnen, wenn man die zahlreichen Kommentare Revue passieren lässt. Jedenfalls kann man nicht behaupten, die Band würde ihre weiteren Schritte nicht machen, denn nachdem sie im musikalischen Asgard von Bruno Kramm angekommen sind, habe sie gleich Nägel mit Köpfen (oder Särge mit Nägeln?) gemacht und das Album „Sleepwalker“ fertiggestellt, das am 11. April 2025 auf Danse Macabre Records erschienen ist. Als Sahnehäubchen gibt es dann auch noch einen Auftritt in Walhalla – um der Mythologie zu bleiben – das landläufig auch als WGT bekannt ist. Ich habe schon ein Ohr in das kommende Album gelegt und stelle fest, dass man sich weiterentwickelt hat und durchaus Abwechslung ins Spiel gebracht hat. Immer noch ist die Verwandtschaft zum Sound von den Sisters of Mercy offensichtlich, allerdings mit einer ganz eigenen Note. „Black Rose“ und „In The Moonlight“ könnten auch von Billy Idol kommen, was in diesem Fall positiv gemeint ist. Allerdings muss ich auch Kritik üben, denn bei „Satans Hochzeit“ hat man die Abwechslung etwas überspannt und bei „Heartbreaker“ ist mir zu viel Bon Jovi drin. Trotzdem bleibt ein positiver Gesamteindruck, auch weil man seiner Linie und seinem Stil treu bleibt. Das Vorab-Video zum Stück „Sleepwalker“, das im Shadow in Leverkusen entstanden ist, rundet das Gesamtbild ab. Jetzt können wir uns in den Kommentaren wieder streiten, ob die „Poser“ aus Köln ihren Platz in Asgard verdient haben :-)

Mono/XYD

Aus Bremen kommt eine ganze frische Band, die auf den kryptischen Namen „Mono/XYD“ gekommen sind, um ihrem „wilden, düsteren und elektronischen Mischmasch“ einen Namen zu geben. Erst 2024 haben sie Anna und Kay auf einem Festival kennengelernt und beschlossen, musikalisch gemeinsame Wege zu gehen. Herausgekommen ist „My Neighbours‘ Balcony“, das nicht nur ziemlich gut klingt, sondern auch noch visuell ansprechend aufbereitet ist. Der Sound erinnert mich ein bisschen an Ladytron und könnte auch in der Zukunft interessant werden. Wer mehr über die Beiden erfahren möchte, wir in diesem Interview von schwarzesbayern.info fündig. Die erste EP der Band erscheint Mitte April 2025 auf SOIL Records.

Theodoros – Every Day I Die

Wenn man den Bandnamen liest, denkt man spontan an eine englische Aussprache „The Odoros“ und rätselt, woher der Name der Band wohl stammt, bis man dann den Absender der Mail liest, die mich vor ein paar Wochen erreicht hat. Theodoros Dimitriou kommt aus Griechenland und hat schon 1984 mit seiner Band „Lefki Symphonia“ Musik gemacht und bringt jetzt eigene Sachen heraus. Im neu erschienen Stück „Every Day I Die“ erkennt man schnell, dass hier ein alter Hase am Werk ist, auch das dazu passende Album, das man sich bei Bandcamp anhören kann, steht dem Eindruck in nichts nach. Auch die anderen Songs vermitteln ein wohlig-warmes Post-Punk-Gefühl. Kann man sich gut anhören!

Latex – Defective

Wer denkt bei Darmstadt nicht sofort an Post-PunK? Genau! Seit 2022 hat sich das offenbar geändert, denn da gründet sich um Johanna Amberg die Band „Latex“. Dem Debüt-Tape, das Anfang 2024 bei ICHI ICHI erschienen ist, folgt nun die EP „Defective“, die auch unseren elektronischen Briefkasten erreicht. Ich habe reingehört, fühle mich aber leider nicht abgeholt vom Sound aus Darmstadt. Obwohl die Auskopplung „Defective“ durchaus spannend und hörbar ist, mangelt es der EP aber meiner Ansicht nach an Abwechslung. Spannend fänd ich einen Remix, mit dem man Ambergs „Stil“ noch ein wenig zur Geltung bringen könnte.

Circuit des Yeux – Halo on the Inside

Die US-amerikanische Künstlerin Haley Fohr hat mit ihrem Avantgarde-Pop Projekt „Circuit des Yeux“ ihr mittlerweile siebtes Studio-Album herausgebracht, das einmal mehr dem selbst auferlegten künstlerischen Anspruch gerecht werden will. Die Fakten: Die Sängerin, Komponistin und Singer-Songwriterin Haley kommt aus Chicago, ist aber 1988 in Lafayette (Indiana) geboren. Mit 20 Jahren veröffentlichte sie ihr erstes Album und gleich von Anfang klargemacht, dass sie mit ihrer eindrucksvollen Stimme keine „normale“ Musik macht, sondern „eindringliche, emotional komplexe Musik, die sich auf die menschliche Verfassung bezieht„. Jenseits der wortreichen Beschreibung bleibt allerdings ein experimentierfreudiges neues Album zurück, das stellenweise durchaus in der Lage scheint, mich zu interessieren, aber irgendwie zu unterschiedlich klingt, als mich in Gänze zu begeistern. Bleiben wir also beim typischen Assimilation-Verhalten der Szene und spielen „Megaloner“, das durchaus Atmosphäre bietet.

Kalte Nächte in Athen – Ein Kurztrip in die griechische Musikszene

Hi, ich bin Flo, ein Grufti aus Bremen, und das hier ist mein erster Artikel bei Spontis, um euch von meiner Reise nach Athen und musikalischen Fundstücken zu erzählen. Vielen lieben Dank an Robert für die Unterstützung beim Veröffentlichen!

Im Februar 2025 habe ich, wohl ziemlich untypisch mit Schal und Mütze, eine Woche in Athen verbracht. Die griechische Underground-Szene hatte mich schon lange neugierig gemacht und ehrlich gesagt hätte es keinen besseren Monat geben können, um dort Zeit zu verbringen. Die Orte der Antike, wie etwa die Akropolis, waren nicht total überrannt und 35°C und mehr taugen mir im Sommer eh nicht.

Erst diesen Winter, im November 2024, erschien bei Geheimnis Records mit “Path to Nowhere“ eine schöne Compilation von aktuellen griechischen synth/wave Bands, die sich hauptsächlich während oder nach den Covid-19 Lockdowns formiert haben. Geheimnis Music Productions wurde 2010 von Panos Dread gegründet und bietet stets spannende Veröffentlichungen. Schlendern wir also durch das winterliche Athen und werfen einen Blick auf zeitgenössische, aber auch auf ältere musikalische Geheimnisse aus dem Land der Philosophen, der großen Denker und der Demokratie.

Wo soll ich anfangen? Es gibt unglaublich viel zu entdecken! Die im Athener Fabrika-Label beheimatete Band Selofan ist den meisten sicherlich ein Begriff und bedarf keiner erneuten Vorstellung. Zusammen mit den anderen beiden Duos She Past Away und Lebanon Hanover sind sie fester Bestandteil der Szene weit über Griechenland hinaus. Spannend ist daher ein Besuch in der Athener Selofan Bar (Σελοφάν Μπαρ), in der auch regelmäßig passende Musik gespielt wird (danke für den Tipp an Chloé von Persona Grata).

Die von mir meistgehörteste Band aus Griechenland ist wahrscheinlich ΟΔΟΣ 55 (ODOS 55) mit dem Track Αττική Βικτώρια (Attiki Victoria). Passenderweise war ich dank meinem Kumpel Timon sogar in der Nähe der Victoria Station untergebracht und konnte den dystopisch programmierten Sound der 2010 in Athen gegründeten Band in der Metro auf mich wirken lassen.

Leider sind ΟΔΟΣ 55 nicht mehr aktiv und lassen sich auch nicht auf einen Repress ihres gleichnamigen Albums ein. Immerhin konnte ich die 7 Inch ausfindig machen, womit wir auch schon bei meinem nächsten Reisetipp wären:

Im eher hippen Stadtteil Kypseli befindet sich Stellage, ein Vinyl-Store und ein Ort für Live-Performances. Zur Zeit gibt es dort einmal pro Woche einen Performance Abend und als ich dort war, gab es Experimental Noise von Nihilist Ambush, Lorenzo Abattoir und Sister Overdrive. Shop-Inhaber Dimitris Papadatos aka Jay Glass Dubs kennt sich bestens in der Athener Szene aus und wusste auch direkt, wie mir mit meinem Wunsch nach einer ΟΔΟΣ 55 Platte geholfen werden konnte. Es macht einfach Spaß, Plattenläden von und für die Szene zu besuchen.

Beim Auftreiben einer Platte der nächsten Band hatte ich leider kein Glück und vielleicht hätte es dazu einen Exkurs nach Thessaloniki gebraucht, wo das Minimal-Synth-Projekt Regressverbot bekannt geworden ist. Besonders “Kids of December” hat Charme. Leider hat es seit 2020 nichts Neues gegeben und mit dem Umzug von Pantelis Theodoridis nach Athen ist er nun als Athens Computer Underground unterwegs und hat seinen Stil nun eher im Drum and Base gefunden.

Wenn wir schon dabei sind wild die Orte zu wechseln: Night in Athens ist das Soloprojekt der in London lebenden griechischen Solo-Künstlerin Tina Boleti. Der Titel “Metropolis” findet sich auch auf der eingangs erwähnten Geheimnis Records Compilation. Als Besucher des Grauzone Festivals 2025 in Den Haag hatte man das Glück, Night in Athens live sehen zu können und ich möchte auch ihr neuestes Album “Wasted Reflektions” empfehlen. Vor allem ihre melancholischen Vokals bei “Words Unspoken” haben es mir angetan.

Athen Exarchia

Kommen wir zurück nach Athen und vor allem ins Exarchia Viertel, in dem die alternative Szene zuhause ist und das als Zentrum von anarchistischen Autonomen gilt. Plakatierte und mit Graffiti bemalte Häuserwände prägen hier das Straßenbild. Im November 1973 begann hier der Aufstand an der Polytechnio Universität gegen die Herrschaft der Militärjunta, der nach einigen Tagen blutig niedergeschlagen wurde. Bei Ausschreitungen im Jahre 2008 starb der 15-jährige Alexandros Grigoropoulos durch den Schuss eines Polizisten. Noch heute finden dazu jährlich Gedenkdemonstrationen statt.

Mittlerweile hat Exarchia aber auch von vielen Reisemagazinen den Status erlangt, eines der coolsten Viertel der Welt zu sein und daher ist die Hochburg anarchistischer Bewegungen heute auch ein touristischer Hotspot. Proteste gegenüber Airbnb-Wohnungen sind nicht zu übersehen und auch der Bau einer U-Bahn-Station auf dem zentralen Platz von Exarchia stößt auf Widerstand.

Ich finde, dass es sich in diesem rebellischen Viertel trotz vermehrten Tourismus wunderbar leben lässt und die zahlreichen Bars, Cafés und Bücherläden eine kulturelle Vielfalt bieten, die Athen wirklich besonders lebenswert machen.

Von hier lohnt sich zudem ein Spaziergang auf den Strefi-Hügel, um einen guten Ausblick auf das weit ausgedehnte Athen zu bekommen.

Aussicht auf Athen vom Strefi-Hügel
Aussicht auf Athen vom Strefi-Hügel

In Exarchia befindet sich auch Le Disque Noir, ein weiterer Plattenladen, den ich hier besonders hervorheben möchte, da ich mich wirklich gut austauschen konnte und mir einige Schätze sogar aus dem Keller geholt worden sind. Darunter eine signierte Platte der 1985 gegründeten Band ΣΥΝΘΕΤΙΚΟΙ (Synthetiki). Ich habe nicht allzu viel herausfinden können, allerdings wurde wohl 2023 beim Thessaloniki Film Festival sogar eine Dokumentation über die Band vorgestellt. Bei mubi ist der Film nicht mehr verfügbar, vielleicht hat jemand von euch ja einen Hinweis für mich.

In einem Interview von 2018 erzählt Synthetiki, wer in “Stavros Kosma Petris” gemeint ist. Es sei der Name eines Aussteigers, den es auf eine Insel zieht, um nicht länger den Bedürfnissen der Gesellschaft gerecht werden zu müssen. Schließlich hielt er es aber nicht mehr in der Isolation aus und begann eines Wintermorgens Selbstmord. Diese Legende wurde der Band 1991 von einem Cafébesitzer in Drapetsona erzählt. Daraufhin gingen Synthetiki sofort in ihr nahegelegenes Studio und haben in nur einem Tag zuerst den Text geschrieben und dann die Musik. Seht und hört selbst:

Erster Athener Friedhof

Grab mit schwarzer Katze
Erster Athener Friedhof. Viel Marmor und viele Katzen.

Ich wäre natürlich kein Klischee-Grufti, wenn ich nicht noch über Friedhöfe reden würde. Neben der Akropolis und anderen antiken Bauwerken sind nämlich auch die Friedhöfe Athens sehenswert. Timon und ich haben uns den Ersten Athener Friedhof angeguckt und haben viele Katzen und noch mehr Marmor gesehen. So viel Marmor, dass neben uns auch regelmäßig Student*innen der Bildhauerei dort zu finden sind.

Der Bildhauer Giannoulis Chalepas hat eine besonders sehenswerte Skulptur “Die Schlafende” in Form der liegenden Sofia Afendaki hinterlassen, die wie viele Skulpturen auf dem Friedhof vom Klassizismus des Antonio Canova beeinflusst sind.

Disko-Terrorista im Gagarin Club

Zum Abschluss meiner Woche in Athen erwartete uns im Gagarin Club noch ein kuratierter Abend vom Jung-Vampir Eddie Dark, der mit Disko-Terrorista im November 2024 ein Album veröffentlicht hat in dem er all seine Wut gegen Athen, die griechische alternative Musikszene, enttäuschte Liebe, Bars & Partys, und vor allem gegen sich selbst heraus lässt. Das ist schon deutlich mehr EBM als noch bei seinen Debüt und da ich gerade sehr verliebt in Athen bin, bleibe ich eher Fan von seinen früheren Stücken “Plastiko” oder “Λουλούδια”. Das Publikum konnte Eddie Dark aber vollumfänglich für sich begeistern, auch durch seine starke Bühnenshow; die Stimmung war wirklich sehr ekstatisch.

Zum Line-Up zählten an diesem Abend außerdem Blakaut, Dancing Plague und Kalte Nacht, die ich alle sehr empfehlen kann. Besonders Nychta Skia von Kalte Nacht gefällt mir richtig gut und ich freue mich schon, wenn ich sie im Sommer live auf dem Prague Gothic Treffen wieder sehen kann.

In Trance 95

Neben ΟΔΟΣ 55 ist mein absoluter Favorit aus Griechenland In Trance 95. Gegründet im Mai 1988 von den damals 18-jährigen Alex Machairas und Nik Veliotis, die sich zufällig auf einem Konzert von Blaine L. Reininger getroffen haben. Bis 1992 veröffentlichten sie die 7inch “Desire to Desire/Brazilia” und die LP “Code Of Obsession”. Dann war es lange still geworden, aber wie bei so vielen obskuren elektronischen Bands der 70er und 80er ist es Veronica Vasicka vom Minimal Wave Label zu verdanken, dass es 2011 zu dem remastered Album “Cities of Steel And Neon” gekommen ist und In Trance 95 wieder ausgegraben wurde. Im Dezember 2024 waren In Trance 95 dann sogar als Trio mit Doric live auf der Bühne des Ombra Festivals in Barcelona.

Dokumentationsfilme von Nikos Chantzis

Richtig toll ist, dass sich der Videograf und DJ Nikos Chantzis der griechischen Underground-Szene widmet und neben Musikvideos für griechische Bands wie Doric, Incirrina, Kalte Nacht, oder Paradox Obscur bisher schon zwei Dokumentationsfilme produziert hat. Seinen ersten Film “Music For Ordinary Life Machines” (2019) stellt er mittlerweile sogar auf YouTube frei zur Verfügung. Ein echtes Juwel griechischer Minimal Synth & Synth Punk Geschichte in der wir auch die von mir bereits angesprochenen Bands Οdos 55, Blakaut, In Trance 95, Kalte Nacht, Regressverbot, Selofan und viele weitere wieder finden.

Leider habe ich zu spät gesehen, dass Nikos Chantzis Ende März 2025 im Babylon Berlin seinen zweiten Film “Return of the Creeps” als Teil des dort stattfindenden Greek Film Festival zeigen wird. Die beiden Vorstellungen sind leider bereits ausverkauft. Chantzis reist hier zurück in das Athen von 1982, wo irgendwo zwischen den Stadtteilen Kypseli, Patisia und Exarchia das unabhängige Plattenlabel Creep Records geboren wurde. In den vier Jahren seines Bestehens hatte Creep Records einige der wichtigsten Bands der griechischen New-Wave-, Post-Punk- und Dark-Wave-Szene im Programm. Neben den persönlichen Erzählungen des Gründers von Creep Records, Babis Dallidis, kommen in dem Film auch Mitglieder der Bands zu Wort, die mit dem Label aufnahmen. Hoffentlich wird der Film auch noch an anderer Stelle zu sehen sein! Den Trailer findet ihr auf YouTube.

Diskografie

Ich bin mittlerweile wieder zuhause in Bremen, aber ich hinterlasse euch hier nochmal chronologisch zum Stöbern eine Liste der Bands, die mir aufgefallen sind und die mich auf meiner Athen-Reise begleitet haben. Zum Reinhören habe ich einen Mix auf Mixcloud hochgeladen. Schreibt mir gern in die Kommentare, was mir unbedingt noch so aus Griechenland fehlt! Es wäre schön mal wieder Musik zusammen zu sammeln statt das ständig den Empfehlungsalgorithmen zu überlassen.

  • Κλόουν (Clown, Athen, 1981)
  • Lena Platonos (Athen, 1981)
  • Metro Decay (Athen, 1981)
  • Statues In Motion (Athen, 1981)
  • Χωρίς Περιδέραιο (Choris Perideraio, 1982)
  • Alive She Died (Athen, 1984)
  • Αρνάκια (Arnakia, 1984)
  • ΣΥΝΘΕΤΙΚΟΙ (Synthetiki, Piraeus, 1985)
  • Fear Condition (Thessaloniki, 1986)
  • In Trance 95 (Athen, 1988)
  • ΟΔΟΣ 55 (ODOS 55, Athen, 2010)
  • Selofan (Athen, 2012)
  • Strawberry Pills (Athen, 2012)
  • Doric (Athen, 2013)
  • Regressverbot (Thessaloniki, 2016)
  • Blakaut (Athen, 2017)
  • Convex Model (Thessaloniki, 2017)
  • Data Fragments (Athen, 2017)
  • Grey Gallows (Patra, 2017)
  • Ηχοτοπία (Hxotopia, Athen, 2017)
  • Incirrina (Athen, 2017)
  • Kalte Nacht (Athen, 2017)
  • The Man & His Failures (Athen, 2018)
  • Dramachine (Athen, 2019)
  • Radio Sect (Athen, 2019)
  • The Black Comedies (Thessaloniki, 2021)
  • Night In Athens (Athen/London, 2021)
  • Eddie Dark (Athen, 2022)

Labels: Creep Records, Fabrika, Geheimnis, Werkstatt, uvm.

P.S. Das Death Disco Athens Open Air Festival findet jährlich statt, dieses Jahr am 20. + 21. September 2025. Vielleicht seid ihr ja nun inspiriert nach Athen zu reisen. Jásas!

„Das war nie Rebellion – das war Haltung“: Anja Huwe über ihren Weg mit Xmal Deutschland

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Xmal Deutschland erreichten in der 80er-Jahren einen gewissen Kultstatus, Frontfrau Anja Huwe prägte durch ihren Gesang den kühlen und düsteren Sound einer heranwachsenden Gothic-Szene. Jetzt ist Anja Huwe musikalisch zurück und brachte neben einigen Wiederveröffentlichungen auch ihr Solo-Album „Codes“ heraus. Jetzt gibt es eine weitere Veröffentlichung, zu dessen Anlass wir die Gelegenheit ergriffen haben, mit ihr ein Interview zu führen.

Möchten wir ein Interview mit Anja Huwe?

Anfang März erreichte uns die Anfrage, ob wir ein Interview mit Anja Huwe, der ehemaligen Sängerin von Xmal Deutschland, machen möchten. Unbedingt! Anlass war die Veröffentlichung der neuen Zusammenstellung „Gift – The 4AD Years“, die am 9. Mai 2025 erscheinen wird. Im Anschluss habe ich direkt mit dem Verantwortlichen beim Plattenlabel Kontakt aufgenommen und mein Interesse bekundet.

Am 27.03.2025 war es so weit. Ich habe mir kurz Sorge gemacht, ob die Technik funktioniert, denn das Interview fand digital via Zoom statt, doch die Verbindung funktionierte einwandfrei. Da ich fast keinen Bezug zu den Werken von Xmal Deutschland hatte, habe ich mich im Vorhinein mit Anjas Solowerk „Codes“ auseinandergesetzt. Die Reflektion über dessen Inhalte, Fragen zur Positionierung innerhalb der Gothic-Szene, Musik im Allgemeinen und den Liveauftritten findet Ihr in dem folgenden Interview. Viel Spaß beim Lesen!

Anja: Dieser Hund da draußen, hörst du den?
Marc: Ja, ich habe hier auch einen, der guckt schon ganz kritisch.

Du bist nicht in der Gothic-Szene, aber du bist damals in einer Art Szene gelandet, als du jung warst. Wie würdest du das beschreiben?

Anja: Als wir angefangen haben, Musik zu machen, wurden wir irgendwann in eine Szene gelabelt. Aber wir haben uns da nie gesehen. Das fing an mit dieser Zeit, in der wir in London waren. Da gab es das Bat Cave. Dann haben wir diese ganzen Freunde gehabt, The Mission und die Sisters und so. Das war halt mehr oder weniger unser Umfeld. Die genau das gleiche auch sagen. Wir haben Musik gemacht, aber wir wollten uns nicht labeln lassen. Ist irgendwann trotzdem passiert. Das ist natürlich auch der Weg, das muss man akzeptieren. Aber wir haben uns da nie explizit gesehen. Wir haben uns als Musiker gesehen, als Künstler. Das ist einfach passiert.

Die Bandmitglieder von Xmal Deutschland posieren auf einer Brücke 1987
German goth band Xmal Deutschland, Hamburg, 1987 | (c) Kevin Cummins

Wenn man so lange einer Szene zugeordnet wird – kommt man aus der Ecke nicht schwer wieder raus?

Anja: Das hast du sehr gut erfasst. Ich spiele nicht auf den kommerziellen Gothic-Fesitvals. Ich werde jedes Jahr gefragt und ich habe nichts gegen die Szene, aber ich habe was gegen diese Hardcore-Vermarktung. Genauso wie man damals die Musik in die Neue Deutsche Welle adaptiert hat und wurde kommerzialisiert. Ich lehne das ab. Ich will eher in einer anderen Liga sein, ich will nicht sagen Underground, aber ich möchte irgendwas ein wenig anderes machen. Das ist ein Fakt.

War damals Rebellion ein Thema für dich?

Anja: Rebellion ist nicht das richtige Wort. Wir hatten eine gewisse Antihaltung. Zu der Zeit, als wir anfingen, das waren noch die Ausläufer der Nachkriegszeit. Klingt komisch, aber es ist so. Das war alles sehr konservativ und man hatte gewisse Erwartungshaltungen an Mädchen gehabt. Wir kamen alle aus gutem Haus. Und natürlich hat man erwartet, dass ich mein Kunststudium anfange und nicht auf einmal sage: Haare ab, ich gehe nach London. Das war für meine Eltern eine harte Nummer. Da war eine gewisse Antihaltung, eben nicht das zu machen, was erwartet wurde. Meine Eltern waren nicht konservativ, trotzdem haben die echt geschluckt, als sie mitkriegen, ich verhalte mich nicht so, wie sie es von mir erwartet haben.

Hat Deine Antihaltung zu Problemen mit deiner Familie geführt?

Anja: Natürlich gab es Probleme, aber ich war schon immer anders. Das fing schon mit meiner Geburt an. Sagen wir mal, ich war ein süßes Mädchen, aber ich war nicht einfach. Ich habe es meinen Eltern wahrscheinlich nicht leicht gemacht, weil ich hätte einen anderen Weg gehen können, aber das hat mich gar nicht interessiert. Ich wollte die Welt und andere Leute kennenlernen. Das war mir alles zu langweilig – da in diesem Vorort. Deswegen bin ich irgendwann zu meinen Freunden in die St. Pauli WG gezogen. Da ging es um Sachen, die ich total interessant fand. Musik und Kunst. Und man ging aus und entdeckte Orte, die man früher gar nicht besuchen durfte oder die zum Teil viel zu gefährlich waren. Man war unbedarft, man war total naiv. Und man entdeckt Dinge und das fand ich aufregend. Ich bin nach wie vor so, ich entdecke gerne Dinge, ich gehe immer nach vorne. Ich schaue nicht zurück, so richtig. Das war die Entwicklung, sowohl bei mir wie bei meinen Mitmusikerinnen. Das war ähnlich.

Ihr seid Vorreiter hier in Deutschland. Den Ruf habt ihr heute zumindest.

Anja: Zumindest haben wir den Ruf. Wir haben das eine Zeit lang gemacht und zack, waren wir weg. Und das hat einen gewissen Mythos kreiert. Bei anderen Bands geht die Geschichte gleichbleibend weiter oder es entwickelt sich in eine andere Richtung. Da ist kein Bruch, wo man sagt, was ist denn jetzt passiert. Das glaube ich, hat das ganze Ding unglaublich angefahren über die Jahre.

Kannst du dich an deinen ersten Liveauftritt erinnern?

Anja: Ich hatte gerade gestern darüber mit Fiona (Anm. d. Red.:Fiona Sangster war Gründungsmitglied der Band Xmal Deutschland) gesprochen. Das ist ganz lustig, ich habe drei, vier Fotos aus der Zeit und sie hat tatsächlich den Flyer gefunden, der diesen ersten Gig beinhaltet. Ich wollte nie live spielen und dann haben die anderen diesen Gig im Künstlerhaus organisiert. Das war Silvester und da war ich fällig. Dann musste ich und habe mich dem gefügt. Haben ja nicht lange gespielt, eine halbe Stunde oder so, aber ich kann mich nur daran erinnern, weil ich diese Fotos habe.

Xmal Deutschland auf der Bühne
Xmal Deutschland auf der Bühne | (c) Mick Mercer

Weißt du noch, wie du dich gefühlt hast? Viel Aufregung?

Anja: Ja, ich war ganz aufgeregt. Doch.

Welche Bedeutung hat Musik für dich?

Anja: Ich habe Phasen, in denen ich intensiv Musik höre. Im Moment höre ich gar keine Musik. Ich beschäftige mich mit Musik und dem Musikschreiben. Auch dadurch, dass ich mein Album gemacht habe. Das hat schon eine emotionale Bedeutung. Ich höre anders Musik. Ich höre nicht das neue Album von dem oder dem, sondern ich höre eigentlich mehr Sounds. Mich interessieren Dinge, die mich emotional einholen. Dadurch, dass ich Musik heute verstehe, verstehe wie man Musik schreibt, habe ich natürlich einen anderen Zugang zu Musik. Früher war das ein natürliches Excitement, wo man dachte, wie toll – oder eine Explosion. Heute hörst du anders. Und ich finde zum Beispiel ein tolles Album ist das neue The Cure‑Album und die ganze Attitude, die damit zusammenhängt. Ich find’s super. Ich finde es ganz toll, was er da gemacht hat. Ich mag The Cure sowieso, aber das ist super, das Ding. Da kann ich nur sagen: Hut ab!

Ich muss gestehen, ich habe es nicht gehört.

Anja: Hör’s dir mal an!

Mach ich. Ich höre Musik nie im Hintergrund, sondern sehr bewusst, meistens beim Bewegen.

Anja: Das ist interessant, dass du sagst, bewegen. Bewegung in Verbindung mit Musik, das funktioniert bei mir ebenfalls, aber mich hinzusetzen und eine Platte aufzulegen, das mache ich gar nicht mehr.

Kannst du beschreiben, was in dir abläuft, wenn du Musik hörst?

Anja: Das löst bei mir gewisse Bilder aus. Ob das nun Farben sind, was mein Ding ist. Ich höre am liebsten Musik ohne Vocals. Das inspiriert mich. Dann kommen mir Gedanken und Ideen und mir fallen Sachen ein oder ich setze ein, was ich damit assoziiere und verbinde.

Wenn du zurückschaust, gibt es Dinge, wo du sagst, die hättest du gerne anders gemacht, wenn du in der Lage gewesen wärst, sie anders zu machen? Ich kann das mit nein beantworten, weil ich nicht wüsste, wo ich heute stehen würde. Du weißt nie wohin geht die Reise – in dem Moment, wenn du dich anders entscheidest.

Anja: Ich bin da ganz genauso. Es gibt Sachen, die sind mir in meinem Leben passiert, die eine Wegkreuzung waren. Das hatte nichts mit meiner Persönlichkeit oder meiner Sicht der Dinge zu tun. Dass waren andere Dinge, die von außen dazu kamen. Die einschneidenden Erlebnisse waren. Aber ich würde gar nichts anders machen – weil „I don’t regret anything I’ve done“ (erste Zeile des Stückes Skuggornas aus Anjas Soloalbum). Das ist mein Weg und mein Weg war konstant. Ich bin niemand, der zurückschaut. Manchmal macht man das, wenn man bestimmte Erlebnisse hat. Zum Beispiel, wenn du Menschen verlierst, wie deine Eltern, da hat man Momente, wo man denkt, ich gerne gewusst, wieso war das so? Das ist ein Ansatz, den verwerfe ich schnell, weil es ist, wie es ist. Was soll ich machen? Du kannst nichts mehr zurückholen. Aber ich würde nicht unbedingt Dinge anders machen. Nee, denn das hat mich dahin gebracht, wo ich heute bin.

Wie beantwortet jemand die Frage, der halt nicht gut dasteht. Der zwei, drei Mal eine falsche Entscheidung getroffen hat und mit sechzig Jahren da gelandet ist, wo es kein Zurück mehr gibt?

Anja: Das sehe ich genauso. Es gibt Schicksale, da kannst du nichts machen. Wie sollst du Menschen einen Ratschlag geben? Das hättest du mal anders machen sollen! Es gibt Leute, wo du denkst, reflektier doch mal, geh doch mal nach vorne. Das ist ganz schwierig. Da halte ich mich trotzdem zurück, das da steht mir nicht zu. Es ist bitter, aber es ist so.

Man muss den Leuten beim Untergang zusehen. Du kannst ihnen keinen Rat geben, die hören eh nicht drauf. Macht jeder, was er will. Ist deren Recht. Kenne ich von mir selbst.

Anja: Ja, und weißt du, ich will das auch nicht unbedingt für mich. Wenn jemand zu mir sagen würde, warum machst du das nicht so oder so, das ist in Ordnung als Rat. Aber ich möchte nicht gewertet werden. Das lehne ich komplett ab. Ich bin autark. Ich mache meine Sachen so, wie ich will. Ich schade niemandem. Ich ziehe mein Ding durch und versuche das sehr unabhängig zu machen. Ich will nicht hören: Da hättest du mal, da solltest du Mal!

Du übernimmst in dem Moment Verantwortung für die Person. Wenn du sagst, mach es so und es geht schief, dann bist du schuld.

Anja: Und der Stress geht los. Ich finde, man kann sich austauschen über Dinge. Man lernt, indem man miteinander redet. Ich finde, das ist gefährlich, wenn man sagt, du solltest das mal so oder so machen, dann gibt es Schwierigkeiten.

Man findet doch recht spät zu sich selbst? Am Ende geht es gar nicht so sehr darum, zu sagen das will ich, sondern das will ich nicht. Das passiert recht spät. Wieso nicht früher? So dass man das ganze Leben etwas davon hat?

Anja: Ich finde das eine gute Frage. Ich glaube, viele sind schon fertig, nach einer ganz kurzen Zeit, da kommt nicht mehr viel. Da kenne ich Leute. Das war immer so, das habe ich immer so gemacht und mehr passiert nicht. Ich glaube Menschen, die in einem kreativen Prozess oder Leben stecken, die entdecken Dinge neu und fügen sie ein. Und fallen auch mal auf die Fresse. Und daraus lernt man. Ich finde das schwierig zu sagen, man ist irgendwann erwachsen und weiß, wie die Dinge laufen. Leider weiß man es irgendwann. Es gibt oft Dinge, wie die mit dem Musik hören. Ja, kenne ich schon alles, weiß ich schon. Ich finde, das ist ernüchternd. Ich gehe gerne neue Wege, um eben dazu zu lernen. Das ist ein konstanter Prozess, durch den wir durchgehen. Wir sind nicht fertig. Ich glaube, wenn wir fertig sind, sind wir tot. Nicht körperlich, sondern geistig. Dann ist da nichts mehr.

Das halte ich für wichtig. Und ich finde, das sind persönliche Erfahrungen. Du hast dieses eine Leben, diese Zeit, dieses Zeitfenster und das ist schnell vorbei. Ich fühle mich eigentlich noch wie in dieser Anfangszeit, als ich erwachsen wurde. Das hat mit meinem ganzen Lebensstil zu tun. Ich bin völlig unabhängig. Ich mache mein Ding. Ich mache weiter und ich finde das fast erschreckend, dass man irgendwann denkt: Hä? Wann war das? Vor 35 Jahren? Das kann ich verstehen. Dass die Zeit unglaublich schnell läuft. Das macht mir nichts aus. Ich denke daran, dass meine Eltern früher gesagt haben, an Kindern sieht man, wie die Zeit vergeht. Das ist ein Fakt. Ja.

Durch gewisse Erlebnisse oder Erfahrungen merkt man, dass das so ist. Es sterben inzwischen unheimlich viele Leute, die sind einfach nicht mehr da, wo du denkst, der war doch immer da. Musiker und Freunde. Da habe ich Momente, wo ich zögere, und denke nö, ich habe noch so viel vor, das akzeptiere ich nicht.

Das ist ein guter Weg, das nicht zu akzeptieren. Goethe hat auf seinem Sterbebett gesagt, jetzt wäre er so weit, sein Leben zu leben. Erst jetzt weiß er, was man wissen muss, um sein Leben in vollen Zügen auszuschöpfen.

Anja: Das ist tatsächlich so. Das ist wahrscheinlich eine altersmilde Weisheit. Die Betrachtung des Faktors Zeit, den man, wenn man jung ist, gar nicht wahrnimmt. Ich kann mich erinnern, als ich noch keine 18 war, da habe ich gedacht, wann werde ich 18? Bitte, kann ich endlich 18 werden? Das war ewig noch, diese zwei Jahre. Und heute? Zack, schon wieder ein Jahr rum. Wahnsinn.

Wie verarbeitest du deinen Entdeckungsdrang, deiner Energie in deinem Alltag?

Anja: Ich mache sehr viel Sport. Ich mache täglich Sport. Es gibt gewisse Dinge, die ich völlig übergehe, weil ich sie nicht will. Ich mache es einfach. Ich habe eine Menge Energie. Ich bin in der Lage, die Dinge abzulegen und dann geht’s los. Ich setze mich auf mein Fahrrad, mache meinen Sport und das ist genauso wie mit Arbeiten. Ich höre nicht auf. Das ist ein Problem. Ich stehe morgens um sieben auf, mache Sport, dann fange ich an zu arbeiten. Ich habe ein US-Label, da geht’s ab 16 Uhr los und bis nachts weiter. Wenn ich nicht den Break mache und sage, ich gehe nicht mehr online, dann mache ich weiter und da stoppt mich nichts. Und das ist natürlich ungesund. Ich habe Momente, wo ich denke, nun mache ich mal zwei Tage Pause – die ich mir nicht unbedingt gönnen kann. Aber das ist schon so, ich habe eine Menge Energie und darüber habe ich viele Sachen kompensieren können. Zumindest noch – weiß man ja nicht, wie sich das alles entwickelt.

Worauf basiert der Name Xmal Deutschland?

Anja: Der Name basiert auf einem Buchtitel. Das ist ein Buch von Rudolf Walter Leonhard. Das war ein Journalist. Es wurde nach dem Krieg geschrieben und es ging um die verschiedenen Versionen von Deutschland und wie sich die ganzen Gebiete im Laufe der Zeit entwickelt haben. Damals gab es Bands wie die Deutsch Amerikanische Freundschaft und Modern English und wie die alle hießen. Und dann kamen wir eben auf diesen Namen und haben ihn gewählt. Heute würde ich das nicht mehr machen.

Xmal Deutschland posieren
Xmal Deutschland | (c) Mick Mercer

Ihr seid nach langer Abstinenz zurück auf die Bühne?

Anja: Das bin ich als Solo-Künstlerin. Ich spiele auch einige von den alten Sachen. Das sind Retouches. Die sind sehr einfach gestrickt. Um die den Codes ähnlich zu machen, musste man sie ein wenig elektronisieren. Es sind nur diese ganz alten Sachen, die wir adaptiert haben. Eine Handvoll. Natürlich wissen die Leute, ich komme aus dieser Band, daher haben wir diese Kombination gewählt. Eine Fifty-fifty Geschichte. Ich arbeite mit Mona Mur und einem englischen Gitarristen. Und Olaf war bei Mutter, eine interessante Band. In Summe eine sehr gute Kombi. Aber es ist nicht mehr Xmal Deutschland. Manuela (Anm. d. Red.: Manuela Rickers war auch Gründungsmitglied) macht noch ihre eigenen Sachen aber will nicht auf eine Bühne gehen und das muss man akzeptieren. Das ist nicht jedermanns Sache, das ist ganz schöner Stress. Das muss man letztlich wollen.

Ein wenig Aufregung ist nicht verkehrt.

Anja: Ja, das ist schon da. Da gehört Mut dazu, das zu machen. Für mich war das so. Ich kann mich abspalten. Ich sehe das wie eine Theaterbühne. Ich sehe mich nicht als Sänger. Ich bin ein Performer. Punkt. Und ich kann da rausgehen und habe eine sehr klare Linie. Nee, ich habe keine Angst davor. Aber das war schon krass, nach 35 Jahren auf eine Bühne zu gehen – und das Ding war voll. Was ganz toll war, waren die Emotionen. Das war irre, was da rüberkam. So was habe ich noch nie erlebt. Ehrlich gesagt. Die Leute haben zum Teil geweint. Ich hätte fast mitgeweint. Dann hätten wir alle geweint, das wäre nicht so gut gewesen.

Wenn das nach vielen Jahre auf diesem Weg zu einem zurückkommt, ist besonders.

Anja: Ich war fast demütig. Ich habe gesagt, ey Leute, was ist los mit euch? Das war irre. In Paris war es genauso. Das war kleiner. Da war es ebenfalls so. Die waren dankbar. Das ist ein doofes Wort. Aber es war emotional aufgeladen. Ich war fertig. Ich bin krank geworden danach. Ich konnte gar nichts mehr. Ich war zwei Wochen krank. Ich konnte gar nichts mehr machen. Das hat mich umgehauen.

Das war ein richtig schönes Interview. Vielen Dank!

Anja: Ja, ich bedanke mich auch. Und vielleicht läuft man sich mal über den Weg. Irgendwann, wenn wir irgendwo spielen oder so, ne?

Die Kompilation „Gift: The 4AD Years“ erscheint am 9. Mai 2025 beim Label 4AD, die LP-Box mit farbigem oder transparenten Vinyl gibt es bei Amazon oder JPC zu kaufen, auch eine Doppel-CD ist erhältlich und ein rein digitaler Download steht auch zur Verfügung




Fetisch
A1. Qual
A2. Geheimnis
A3. Young Man
A4. In Der Nacht
A5. Orient
B1. Hand In Hand
B2. Kaempfen
B3. Danthem
B4. Boomerang
B5. Stummes Kind

Tocsin
C1. Mondlicht
C2. Eiland
C3. Reigen
C4. Tag für Tag
D1. Augen-blick
D2. Begrab Mein HerzD3. Nachtschatten
D4. Xmas in Australia
D5. Derwisch

Incubus Succubus II
E1. Incubus Succubus II
E2. Vito

Qual
F1. Qual – 12” Remix
F2. Zeit
F3. Sehnsucht

Gruft-Orakel April 2025: Liegt ein Werwolf in der Badewanne

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Wenn ihr den Geruch eines nassen Hundes schon schrecklich findet, solltet ihr erst den Werwolf riechen, der seit einer geschlagenen Stunde in der Badewanne liegt. Schon sämtlich ätherischen Öle der Hölle, wie Leichenduft, Verwesungsparfüm, Balsamierungssalbe und Knochensalz haben die Mitbewohner mit einem freundlichen Lächeln und mit angehaltener Luft in die Wanne gekippt. Und immer noch riecht es nach nassem Werwolf. Wer ist schuld? Natürlich Alana Abendroth, die orakelt hat, er würde nur Ruhe in der Badewanne finden. Der Werwolf selbst findet es allerdings großartig, denn den eigenen Gestank nimmt er gar nicht wahr. Entspannung pur! Zufrieden grummelt er sich ins Fell und der zunehmende Mond, der vom bevorstehende Start in die nächste Vollmond-Nacht zeugt, interessiert ihn gar nicht mehr. Jetzt bräuchte er nur noch einen Sklaven des Fegefeuers, der ihm das dichte Wolle am Bauch mal ordentlich durchkrault.

Doku: Wie viel Tod gehört zum Leben?

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Wie normal kann der Tod sein? Dieser Frage geht eine dreiteilige ZDF-Dokumentation nach, die seit dem 24. März in der Mediathek zu finden ist. Man möchte herausfinden, wie man sich aktuell mit dem Tod auseinandersetzt und beleuchtet die Themen Suizid und Palliativmedizin, spricht mit Bestattern und Psychologen und versucht einen Blick auf Formen der Trauer zu dokumentieren.

Das ZDF bereitet mit Leon Windscheid, einem Psychologen, das Thema Tod auf. „Rund eine Million Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr, 3.000 pro Tag. Doch meist wird der Gedanke an den Tod verdrängt. Warum ist das so?“ Ist das denn so? Allein beim Blick in die Nachrichten ist das Thema doch allgegenwärtig. Schafft man es unter dem Dauerfeuer der Berichterstattung überhaupt, den Tod zu verdrängen? Und wann bricht diese Mauer der Verdrängung? Schauen wir, was die Doku bringt, die sich in jedem Teil einer anderen Facette des Todes widmet:

Kapitel 1 – Warum Suizid uns alle angeht

Das Sprechen über Suizid gilt immer noch als gesellschaftliches Tabu. Damit will Familie Kelter brechen. Vor zehn Jahren verliert sie ihren damals 19-jährigen Sohn Nico.  Psychologe Leon Windscheid spricht in der ersten Folge der Staffel „Wie viel Tod gehört zum Leben?“ mit den Kelters über den schmerzhaften Verlust und die Folgen bis heute. Und er geht der Frage nach, welche Warnsignale und Risikofaktoren es für Suizid gibt.

Das Statistische Bundesamt belegt, dass jährlich mehr Menschen durch Suizid sterben, als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen zusammen. Warum der Suizid uns alle angeht, liegt möglicherweise an diesem Satz: „Das Ansprechen suizidaler Gedanken kann Leben retten. Viele Betroffene erfahren eine Entlastung, weil jemand das Tabuthema offen anspricht und zuhört.

Kapitel 2 – Gibt es gutes Sterben?

Inhaltlich geht es hier um Palliativmedizin und um die Menschen, die wissen, dass sie der Tod jeden Tag treffen könnte. „Der Tod wird von den meisten Menschen verdrängt. Doch was ist, wenn man ihm nicht mehr ausweichen kann? Wie leben Menschen mit ihrem nahenden Tod? Und gibt es gutes Sterben? Um diese Fragen zu beantworten, trifft Psychologe Leon Windscheid in der zweiten Folge die todkranke Nadja Seipel und begleitet Palliativpflegerin Michaela Bayer bei ihrer Arbeit.“ Ja, diese Einblicke sind durchaus emotional berührend und zeichnen in gewisser Weise ein friedliches, gefühlvolles Bild vom Tod. Carla Fliegner, die die meisten wohl als Ratte kennen, ist mit 52 Jahren in so einer Pflegeeinrichtung gestorben.

Die Frage bleibt für mich jedoch unbeantwortet, da sie auch viel zu individuell ist, um sie mit einem simple „ja“ oder „nein“ abzuschmettern. Die Komplexität zwischen Palliativmedizin und Sterbehilfe und zwischen Leid und Erlösung ist viel zu groß, um eine abschließende Antwort zu finden. Für mich jedenfalls.

Kapitel 3 – Der Tod ist mein Job

Bestatter ist ja der vermeintliche Traumberuf für Grufties. Meine Erfahrung kann das allerdings nicht bestätigen. Luis Bauer saß schon als Vierjähriger neben seinem Vater im Leichenwagen und zählt jetzt zu den jüngsten Bestattern der Branche.

Im Jahr 2023 starben in Deutschland laut statistischem Bundesamt mehr als eine Million Menschen. Aber kaum jemand in unserer Gesellschaft möchte sich mit dem eigenen oder dem Sterben nahestehender Menschen auseinandersetzen. Warum fällt uns das so schwer?

Nachtrag

Erst jüngst erlangte das Thema „Tod“ eine neue Bedeutung, als Elizabeth, eine Spontis-Leserin und das einzige italienische Mitglieder der Spontis-Family überraschend gestorben ist und ich bei einer Beerdigung eingeladen war, bei dem das Leben des Verstorbenen so abrupt endete, wie damals bei Kämpfer, dem Szene-Urgestein und Besitzer des „Art of Dark“.

Es fühlt sich in diesen Situationen an, als wäre der Tod ein Arschloch, der völlig willkürlich das Leben von Menschen beendet hat, die meiner bescheidenen Meinung nach noch eine ganze Weile diesen Planeten bereichert hätten. Machen wir uns nichts vor, jeden von uns kann es treffen und nicht immer stützt sich der Tod auf ein lange gelebtes Leben oder bringt eine lange Zeit des Verarbeitens mit, sondern kommt abrupt und unvorhersehbar.

Ich habe allerdings festgestellt, dass die Beschäftigung mit dem Tod – wie es in der Szene möglicherweise üblicher ist, zwar die Neugier stillt und auch den Umgang mit dem Thema verändert, aber noch lange nichts an dem ändert, was der Einzelne empfindet, wenn er dann jemanden verliert. Emotionen sind eben doch stärker als Logik, Wissen und Fakten.

 

Konzertrückblick: Musikalisches Wiedersehen mit Nikita Curtis

Bereits 2024 berichtete ich über die Newcomer Band Nikita Curtis, die ich damals im Rahmen einer Open Air Veranstaltung als Vorband erleben durfte. Seit dem ist viel Wasser die Elbe und Weiße Elster heruntergeflossen und die Band hat inzwischen ein ordentliches Pensum an Konzerten absolviert. So spielten sie zum Beispiel dieses Jahr auf dem Owls ’n‘ Bats Winterfest in Detmold. Ein guter Zeitpunkt, die Leipziger Jungs ein weiteres Mal unter die Lupe zu nehmen.

Timing ist alles!

Bereits zum Jahreswechsel musste ich die Auswahl treffen, für welche schon bekannten Veranstaltungen ich mir Urlaub nehme. Für den Februar fiel meine Entscheidung auf Klez.e, sodass ein Besuch bei Nikita Curtis am 20. Februar in Leipzig unsicher war. Drei Wochen vorher sah der Schichtplan vielversprechend aus und so habe ich mir ein Hotelzimmer und eine entsprechende Karte gesichert. Jetzt durfte auf der Arbeit nur keiner krank werden!

Eine Fügung des Schicksals, dass ich es selber war, die sich eine Woche vorher einen fetten Schnupfen einfing. Nun hieß es schonen, beruflich etwas kürzertreten und ganz viel Vitamin C zu sich nehmen. Der Plan ging auf und so konnte ich am 20. Februar nach Feierabend meine Reise Richtung Leipzig antreten.

Der Winter erwischte Nikita Curtis eiskalt

Spielstätte war die Halle D des Werk 2 in Leipzig, die vielen von Euch durch das Gothic Pogo Festival ein Begriff sein dürfte, das jährlich parallel zum WGT stattfindet. Um 19 Uhr sollte Einlass sein und halbwegs pünktlich kam ich dort auch an. Man hörte noch die Band proben und am Eingang erfuhr ich, dass sich der Einlass verschiebt, da die Gruppe mit Verspätung eintraf. Also hieß es bis halb 8 warten und dann endlich öffnete sich die Tür.

Nach einer weiteren dreiviertel Stunde betrat die Band die Bühne. Wie Sänger Paul im Laufe des Konzertes erzählte, stellte sich der tschechische Schnee ihnen in den Weg. Dieser musste bei der Heimreise erstmal bezwungen werden. Am Vorabend hatten sie nämlich in Prag einen Auftritt absolviert.

Alles andere als Nachwuchsprobleme

Dass die Musik der 4 Leipziger großen Anklang findet, konnte ich schon vor der Halle erahnen. So versammelte sich ihnen dann beim Konzert ein Riesen-Publikum vor der Bühne, das vorwiegend aus jungen und alternativen Leuten bestand. Mit Einsetzen der ersten Töne von „The Traitor“ fingen die Leute an zu tanzen. Nicht nur das, es wurde das Konzert über heftig gepogt.

Bei „Transit“ lies Paul dann das Publikum teilen, um es auf Handzeichen aufeinander zu stürmen zu lassen. Anschließend wurde es mit „No Tomorow“ etwas ruhiger. Dieses Lied bestritt er mit Antonio, und Hilfe ihrer beider Gitarren, zu zweit. Bei „Gateways“ war das Quartett wieder komplett und stimmliche Untersützung kam aus der Leipziger Band „Nil“ dazu.

Bevor es bei „Where The Water Ends“ noch einmal actionreich wurde, weil Paul sich zum Stagediving in die Masse begab, verkündete er, dass ein neues Album geplant sei. Nach einer Stunde wilder Party sollte „Finally Monday!“ den Abschluss bilden. Doch bevor die Instrumente erklingen durften, nahm der junge Sänger nochmal einen Augenblick Zeit, um etwas ernstere Worte an das Publikum zu richten.

Da er im schulischen Umfeld gleich zweimal mit dem Thema Suizid konfrontiert wurde, gab er mit auf den Weg, dass man füreinander da sein solle und es immer eine Lösung gibt. Und dem kann ich nicht viel hinzufügen. Wir leben in einer Zeit und Gesellschaft, wo der Druck von Außen enorm ist. Wo man funktionieren muss und keine Schwäche zeigen darf. Wo Themen wie psychische Probleme immer noch zu wenig Beachtung finden. Schweigt nicht, vertraut euch an! Und wer im Familiären bzw. Freundeskreis keine Anlaufstelle findet, hat noch die Alternative des Sorgentelefons, wo man anrufen kann!

Ein gelungener Abend für alle

Die Jungs haben seit dem ersten und gleichzeitig letzten Auftritt, den ich von ihnen erleben durfte, nichts an Dynamik verloren. Energiegeladen erklingen die Instrumente und kraftvoll der Gesang. Sänger Paul kam mir im Umgang mit dem Publikum sogar souveräner und selbstsicherer vor. Dass beide Seiten, sowohl Publikum als auch Band, den Abend als gelungen wahrnahmen, konnte man nicht nur während, sondern auch am Schluss des Konzertes sehen, als die Jungs sich gegenseitig umarmten.

Neben vielen bekannten Liedern, der aktuellen Platte, gab es auch Stücke, die (mir) neu waren. Und bei „Vanished“ und „Where The Water Ends“ erwies sich das Publikum als relativ textsicher.

Besonders gefiel mir die Interaktion mit dem Publikum und dass man etwas geboten bekam. Für mich sind solche Konzerte, wo man sieht, dass die Künstler auf der Bühne aufgehen und die Zuschauer miteinbeziehen, die Besten.

Dass wir meiner Meinung nach eine neue Ära des Post-Punk schreiben, zeigt sich nicht nur anhand des Publikums, sondern auch am Stil des Leipziger Quartetts. An dieser Stelle wird wohl manch Altgrufti sein geliebtes Schwarz vergebens suchen. Nikita Curtis revolutionieren den Post Punk eben nicht nur inhaltlich, sondern auch ästhetisch und ich persönlich finde es gut. Weiter so Jungs!

 

Lokalzeit Ruhr: Erinnerungen ans Zwischenfall in Bochum

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In der WDR-Lokalzeit Ruhr gab es am 11. März eine kleine Erinnerung an das Zwischenfall, die legendäre Discothek in Bochum, die 2011 einem Feuer zum Opfer gefallen war. Schriftsteller Klaus Märkert, der seinerzeit im Zwischenfall aufgelegt hat, erinnert sich zusammen mit Radiomoderator Mike Litt, der damals als Thekenkraft dort gearbeitet hat, an die Discothek im Herzen des Ruhrgebiets.

14 Jahre ist es her, da ist die Discothek in Bochum Langendreer dem Löschwasser eines Brandes zum Opfer gefallen, das in den oberen Stockwerken des Gebäudes ausgebrochen war. Technik und Räumlichkeiten waren völlig zerstört, das Gebäude selbst nicht mehr nutzbar. Inzwischen wurde es abgerissen und durch eine „schicken“ Neubau ersetzt. Dort wo früher Gruftis vom Bahnhof in die Disko schlurften, bietet jetzt ein Discounter sein Waren an.

In der Lokalzeit Ruhr hat man sich an das Zwischenfall erinnert und zwei erfahrene Bochumer eingeladen, ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen. Klaus Märkert, der damals dort als DJ tätig war und seine Zeit im Zwischenfall und später als Discothekenbetreiber in autobiografischen Romanen verarbeitet hat, erinnert sich: „Auf jeden Fall alle in Schwarz. Manche waren total gestylt und hatte die Haare wegstehen wie ein Hubschrauber.

Er wird von Mike Litt unterstützt, der damals hinter der Theke gearbeitet hat: „Die Leute, die dort hingekommen sind, haben wie ich die Woche darauf hingefiebert, dann auch da zu sein. Es war ein magischer Ort zu der Zeit.

Natürlich kratzt ein etwas über 4 Minuten langer Bericht nur an der Oberfläche des damaligen Kults und der Szene als solches, trotzdem hat man sich bemüht, einer eher liebevolles Bild zu zeichnen. Ein bisschen Zwischenfall-Nostalgie, ein bisschen Szene-Beschreibung und natürlich auch ein bisschen Erinnerung an den angeblich ungewöhnlichen Tanzstil der Gruftis.

Klaus Märkert: „Da waren auch tolle Tänzer dabei, die wirklich ausdrucksstark getanzt haben, aber da waren auch welche, die sind nur vor- und zurückgelaufen. Bis zur Wand, dann haben sie so einen Knicks gemacht…

Ich fand, die haben alle toll getanzt und der „Totengräbertanz“, wie man den Stil beschreibt, von dem Klaus erzählt, ist der Anti-Tanz der die Szene und ihre Inhalte eben am besten spiegelt. Es folgt noch ein kurzer Abriss der Szene, der bis Wave-Gotik-Treffen reicht, bevor er mit Robert Smiths gehauchten Zeilen „I will always Love you…“ endet.

Ein kleines Häppchen Nostalgie, das viele Zuschauer berührt hat, wie man in den bisherigen Kommentaren bei YouTube und anderswo nachlesen kann. Die letzten Jahre des Clubsterbens haben darüber hinaus gezeigt, dass solche „Zeiten“ wohl nicht mehr zurückkommen werden. Ich seufze ausgelassen, und spule gleich zurück zum Anfang des Videos.

Wochenschau: Gen Z hat Gothic zurückgebracht

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Gen Z, liebe Leser, das sind junge Menschen, die zwischen 1997 und 2012 geboren sind und demnach zwischen 13 und 28 Jahre alt sind. Die sind, wie ein Artikel in dieser Wochenschau verrät, für die Rückkehr des Gothics verantwortlich. Ich vermute allerdings, dass die Ideologie, wenn man das so nennen kann, der Szene nie aus der Mode kommt, solange die Menschheit von der einen in die nächste Katastrophe schlittert. Es ist das Zulassen von Ängsten und Emotionen, das Erleben von Traurigkeit, Melancholie und Weltschmerz, ohne in einen Automatismus des Verdrängens zu verfallen. Natürlich wünschen wir der Generation Alpha, die zwischen 2013 und 2025 geboren sind (oder werden) eine schönere Zukunft, allerdings beweist die Menschheit regelmäßig, dass sie das offenbar gar nicht will. Theoretisch klingt das für die meisten toll, wenn man von Frieden, Klimaschutz, Nächstenliebe und Respekt spricht, in der Praxis hapert es allerdings mit Umsetzung. Ich prophezeie der Gothic-Szene eine blühende Zukunft!

Placebo: Brian Molko vor Gericht – Kontroverse um politische Äußerung

Wie monkeypress.de berichtet, hat sich Brian Molko, der Frontmann der Band Placebo mit der italienischen Ministerpräsidentin angelegt: „In einem aufsehenerregenden Rechtsstreit muss sich Brian Molko, der charismatische Frontmann von Placebo, vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni während eines Konzerts im Stupinigi Sonic Park in Nichelino verbal beleidigt zu haben. Mit den Worten: “Giorgia Meloni, ey. Stück Scheiße, Rassistin, Faschistin, fick dich!” – löste er unter dem Applaus von rund fünftausend Fans eine hitzige Debatte aus, obwohl bei den Shows von Placebo normalerweise eine No phone policy gilt. Ein aufmerksamer Fan konnte den Vorfall filmen, was nun für zusätzlichen medialen Wirbel sorgt.“

„Der Friedhof wird eine Renaissance erleben“

Sagt jedenfalls ein Steinmetz in einem Artikel beim RND: „Die Zahl der Urnengräber auf grünen Wiesen ohne Grabstein ist in den zurückliegenden Jahren angestiegen. Mehr und mehr, so scheint es, wird die aufwendige Pflege eines Grabes mit dem Pflanzen und Gießen von Blumen von den Angehörigen als Belastung empfunden. […] Steinmetzunternehmer Alexander Hanel kennt diese Entwicklung – und sagt dennoch entschieden: „Der Friedhof wird eine Renaissance erleben.“ Zwar verändere sich die Bestattungskultur kontinuierlich, ihre starke symbolische Bedeutung könnten Gräber jedoch nie verlieren. Der Abschied am offenen Grab, das Herablassen eines Sarges – das führt einem die physische Endgültigkeit vor Augen.“ (Danke, Silke)

Depeche Mode – More Than A Band (Part 1)

Am 17. März 2025 erscheint das neue Buch „Depeche Mode – More than a band Part 1“ von Jürgen W. Müller, einem langjährigen Fan der Band. Dieses Werk konzentriert sich auf die ersten zehn Jahre von Depeche Mode bis zum bahnbrechenden Album „Violator“. Das Buch bietet einen einzigartigen Einblick in die Geschichte der Kultband durch exklusive Interviews mit etwa 30 Wegbegleitern, darunter ehemalige Manager, Produzenten, Tontechniker und Visual Directors1. Zu den prominenten Interviewpartnern zählen:

Wayne Hussey (The Mission), Joachim Witt, Mitglieder von Clan Of Xymox und Front 242, Tim Simenon (Produzent von „Ultra“), Steve Lyon (Tontechniker von „Violator“), Emil Schult (ehemaliges Kraftwerk-Mitglied), Phil Burdett (ehemaliger Bandkollege von Martin Gore), Ben Watkins (ehemaliger Kollege von Alan Wilder), Adam Spector (Cousin von Vince Clarke), Mitglieder von Leæther Strip und Elegant Machinery.

„Depeche Mode – More than a band Part 1“ ist der erste Teil einer geplanten Buchreihe und wird ab dem 17. März 2025 im Buchhandel und online erhältlich sein15.

Die Gen Z hat Gothic zurückgebracht – und in diesen gruseligen Zeiten ist es politisch relevanter denn je

Auf „mysteriöse“ Weise, so der Artikel im britischen Independent, scheint die Gothic-Szene wieder eine Rolle unter den jüngeren Menschen zu spielen. „Ein Grund für seine bemerkenswerte Langlebigkeit ist, dass es bei Gothic immer um mehr ging als nur um Musik oder Mode. Als Genre hält es seiner Zeit und seinem Ort einen Spiegel vor. In den 1980er Jahren fiel seine Popularität mit globaler Unsicherheit, politischem Extremismus und dem Trauma einer möglichen nuklearen Vernichtung zusammen. […] Heute ist die Gesellschaft wohl in größeren Schwierigkeiten als seit den 1980er Jahren. Wie in den frühen Tagen von The Cure und The Sisters of Mercy ist der Weltfrieden bedroht. Doch statt der nuklearen Zerstörung ist es der drohende ökologische Kollaps, der jungen Menschen schlaflose Nächte bereitet. Das erklärt vielleicht, warum sich viele neue Gothic-Bands von der Natur inspirieren lassen.

Ihr liebt Musik und erwartet Nachwuchs? Hier kommen die besten Baby-Namen

Der Rolling-Stone hat ein paar Vorschläge für euch: „Eine weitere Möglichkeit ist, auf eingedeutschte Namensvarianten zurückzugreifen – wer möchte nicht Maik Jäger als Namensvetter haben? In Anlehnung an Jimmy Hendrix kann sich auch Hendrik sehen lassen. An diesem Punkt können sich junge Eltern direkt zu deutschen Vornamen bekennen. Manfred bietet zum Beispiel Interpretationsraum, ob Krug oder Mann gemeint ist. Oder einfach Kurt. Wer es klassisch mag, kann sich für Johann, Richard oder Wolfgang entscheiden.

Gothic-Shops jetzt als Übersicht bei Spontis

Vor ein paar Wochen schrieb eine Leserin, ob ich Läden in Nürnberg kennen würde, die Gothic-Kleidung verkaufen. Ich musste passen. Im Strudel des Onlinehandels sind auch bei mir „echte Läden“ in Vergessenheit geraten. Allerdings muss ich schon zugeben, dass der Klamottenkauf im Internet schon ein bisschen bescheuert ist. Man hat die Sachen noch nicht in der Hand oder an der Haut gehabt, hat keine Ahnung über den Schnitt und geschweige die richtige Größe. Ihr kennt das Problem. Doch gerade bei Szene-Kleidung wünscht man sich die Möglichkeit, Sachen auszuprobieren, oder? Ich habe mich jedenfalls entschlossen, eine Liste mit Gothic-Shop zusammenzubauen. Unter der Menüpunkt „Gothic Shops“ findet ihr alle Läden in Deutschland – und dem nahen europäischen Ausland – wo man Szene-Kleidung kaufen (und anprobieren) kann. Im Laufe der Zeit kommt wahrscheinlich noch eine Karte dazu. Nutzt gerne die Kommentare, um darunter „Euren“ Shop zu präsentieren.

Inside Berlins „Spaceship“ – Eine Tour durch das verlassene ICC

Da muss erst „fremde Leute“ kommen und eine spannende Dokumentation über eines der spannendsten Gebäude Berlins machen. Stellt euch mal vor da eine STAR TREK CONVENTION zu veranstalten!

Zurück in die Zukunft – The Power Of Popkultur

Funfact, gleich zum Einstieg dieser Doku, die jüngst bei ARTE im Programm zu sehen war, und die jetzt in der Mediathek zu finden ist: „In „Zurück in die Zukunft 2“ eskaliert die Situation, als Biff Tannen den DeLorean von Marty McFly und Doc Brown klaut, um in der Zeit zurückzureisen und „Amerikas Volksheld“ zu werden. Er erlangt in der beinahe dystopischen Welt enormen Reichtum, legt sich eine neue Föhnfrisur zurecht und wird zum „Gott segne Amerika“-Patrioten. Parallelen, die eine eindeutige Referenz zu Donald Trump ziehen.

Eine Nacht mit Lacrimosa – Hamburg LOGO 06.03.2025

Es war ein sonniger Tag in Hamburg, der die kalten Geister des Winters vertrieb, um dann in eine sternenklare Nacht zu münden. Man hätte sich keine bessere Zeit auswählen können, um ein Konzert der etwas anderen schwarzen Art zu geben. Zum 35-jährigen Bandjubiläum von Lacrimosa haben sich Tilo Wolff und Anne Nurmi etwas ganz Besonderes ausgedacht.

Während viele Bands der Schwarzen Szene gerne mal mit vollständigen Orchestern in großen Hallen oder auf Festivals ihre Musik im neuen Gewand präsentieren, wählten Lacrimosa einen ganz anderen Weg. Um ihr neues Album ihren Fans vorzustellen, wählten sie den besonders intimen Rahmen eines kleinen Clubs, reduzierten ihr Set auf rein akustische Instrumente und boten für diese Band ungewohnte unplugged-Klänge. Nackt und verletzlich. Zum ersten Mal sah man Lacrimosa ohne Keyboard, glitzerndes Drumset, E-Bass und E-Gitarre. Anne Nurmi bezauberte allein mit ihrer Stimme und Tilo Wolff griff (anstatt wie bei einigen Live-Gigs zu seiner weißen E-Gitarre) zur Trompete. Die Erfahrungen des Drummers Julian Schmidt, die er in einer Latin-Gruppe gesammelt hatte, kamen ihm an diesem Abend natürlich zugute. Und passend zur Offenheit der Veranstaltung trug er auch seine hüftlangen Haare offen.

Eine minimalistische Bühne mit ein paar Barhockern, einer Gitarre und einigen Effektgeräten
Die Bühne war minimalistisch ausgestattet, an diesem Abend ging es um die Musik und die beiden Musiker Tilo Wolff und Anne Nurmi | (c) Jette Lorenz

Die Frage, welches Ereignis denn in der Nacht vor dem „Morgen danach“ vorausgegangen war, das den Anlass bot, den Song zu schreiben, beantwortete Tilo mit einem herzlichen Lachen und breitete die schützenden Flügel des Schweigens darüber. Er wolle den Zauber der eigenen Interpretation des Songs, den jeder Fan für sich gefunden habe, nicht zerstören. Dafür plauderten die Vollblutmusiker an anderer Stelle aus dem schwarzen Nähkästchen. So erfuhren wir, dass Anne Nurmi ihre und einen Großteil der Bühnenoutfits Tilos selbst entwirft und selbst schneidert.

Aber Lacrimosa haben sich nicht nur die Mühe gemacht, die neuen und ein paar eigene Klassiker in Akustikversionen zu wandeln, sondern gaben ihren Fans die Möglichkeit in drei Q&A Blocks Fragen an die Band zu stellen. Einige Fans haben dazu weite Reisen auf sich genommen, um diese einmalige Gelegenheit beim Schopfe zu packen. Selbst schüchterne Fans unter anderem aus der Ukraine, Spanien und Mexiko, aber natürlich auch ein paar nordische Jungs und Deerns fassten ihren Mut zusammen und griffen nach dem Mikrophon, um ihre Fragen loszuwerden. Thilo und Anne nahmen sich die Zeit, jede einzelne davon liebevoll zu beantworten.

Tilo erzählte von den Anfängen seiner Musikkarriere und dass er es mit seiner Idee Metal und Gothic zu verknüpfen anfangs alles andere als leicht hatte. Kaum war ein Label gefunden, wollte dieses seine Musik umgestalten und ihn zu englischen Texten drängen. Glücklicherweise ließ er sich nicht reinpfuschen, sondern verfolgte er seinen eigenen Weg und gründete ein eigenes Label unter dem Namen „Hall of Sermon“.

Das neue Album schließt die aus den Alben Testimonium, Leidenschaft und Lament bestehende Trilogie ab. Bei Lament geht es um Lamentieren in einem heilsamen Sinne. Der Betrachtung der dunklen Seiten des Lebens, die jeder Mensch durchläuft. So werfen die zehn auf dem Album befindlichen Songs Licht in das Dunkel, vertreiben die Schatten und geben den Blick auf das Wesentliche frei. Der Abend entließ uns innerlich mit einem guten Gefühl. Dem Gefühl, etwas ganz Besonderes erlebt zu haben, was vielleicht einmalig bleiben wird. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Tilo und Anne denken nach 35 Jahren Bandgeschichte noch lange nicht ans Aufhören. Im Gegenteil scheinen in den Köpfen der Beiden bereits neue Ideen zu schlummern, die umgesetzt werden wollen. Erstmal konzentrieren sie sich aber auf die vier Termine der Albumvorstellung und dann auf die anstehende Welttournee.

Lacrimosa-Termine:

25.09. HAMBURG – Markthalle
26.09. LEIPZIG – Felsenkeller
27.09. JENA – F-Haus
28.09. BERLIN – Columbia Theater

Tickets kann man hier erwerben.

SOKO Leipzig: Real Life Vampire und ein Mord auf dem WGT

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In der kommenden Folge der Kriminalserie „SOKO Leipzig“, die am Freitag, dem 14.03.2025 ausgestrahlt wird, hat man sich der schwarzen Szene und dem Wave-Gotik-Treffen angenommen, denn während des Leipziger Gothic-Festivals – so die Geschichte –  findet man die „zur Szene gehörende Miriam Batista“ tot in einer Fabrikruine. Wir unterziehen die Folge einem ausführlichen Szene-Check!

SOKO Leipzig: Erst erklären, dann ermorden

Die Folge beginnt, wie könnte es anders sein, mit einem erklärenden Intro. Ein Bericht über das WGT in Leipzig, der auf einem Tablet abgespielt wird, geht mit einem gekonnten Schwenk zu zwei jungen Leuten, die sich aufbrezeln, um selbst zum Festival zu gehen. Der Vater und Kommissar, der in der SOKO-Folge mitspielt, platzt ins Zimmer. Jojo möchte zusammen mit Lotte, der Tochter des Kommissars, auf einem „Science-Slam“ (gibt es wirklich), der im Rahmen des WGT stattfinden soll, unbedingt von Rechtsmedizinerin „Tamara Hansen“ sein Buch signieren lassen. Gewisse Parallelen mit Kriminalpsychologin Lydia Benecke dürften offensichtlich sein, obwohl Forensik ja eher das Fachgebiet ihres Ex-Ehemanns Mark Benecke sein dürfte. So weit, so Goth.

In der folgenden, vagen Eröffnungssequenz tanzen zwei Gruftis in privatem Ambiente zum Song „Dance for me“ von Madrugada. Dass die Wahl auf die norwegischen Indie-Rocker gefallen ist, kann durchaus als erfrischend gesehen werden, obwohl er ein bisschen so klingt wie Leonard Cohen in Grufti-Klamotten. Man sieht ein Skalpell blitzen und ein paar Tropfen Blut tropfen. Einige Sequenzen später ist eine der Beiden tot und wird von den Ermittlern der Soko in besagter Ruine gefunden.

Achtung, ab jetzt könnte gespoilert werden. Wer sich also die Spannung aufsparen möchte, guckt die Folge jetzt schon mal in der Mediathek oder wartet bis Freitag.

Bei der Obduktion der Leiche findet man zahlreiche frische und alte Schnittwunden, die für die Ermittler den zunächst vermuteten Selbstmord ausschließen. Also geht es ab zu Miriams Partner, der sichtlich geschockt von der Nachricht vom Tod der „Liebe seines Lebens“ ist. Es kommt allerdings heraus, dass Miriam mal wegen Depressionen in Behandlung war und obendrein auch noch schwanger gewesen ist. Bei Depressionen klingelt gleich der Klischeealarm, aber es sind erst 7 Minuten rum, halten wir uns also zurück.

Die Schnittwunden auf ihrem Rücken hat sie sich freiwillig zufügen lassen, gibt Leo, der Partner, zu Protokoll. Er hat allerdings keine Ahnung warum, „Miriam wollte nicht danach gefragt werden„. Eine solide Partnerschaft, wie ich finde.

Die Kommissare ermitteln jedenfalls fleißig, was es mit freiwilligem Blutabzapfen auf sich hat und kommen auf Umwegen zu einer Internetseite von Real Life Vampiren, die „Sippe des Blutes“ genannt werden. Okay, massiver Klischeealarm! Die Möchtegern-Vampire, über die ich an anderer Stelle schon berichtet habe, sind kein Szenestandard. Mir schwant Böses! Wenn das so weitergeht, endet diese Folge in einem Klischee-Desaster.

Real Life Vampires sind eine kleine abgeschottete Untergruppe der Gothic-Szene und definieren sich darüber, dass sie Menschenblut trinken.“

Ich muss brechen. Genau dasselbe passiert übrigens auch vielen Menschen, die Blut trinken. Leute, die das Bedürfnis haben, Blut zu trinken, sind Leute, die eben Bock auf Blut haben. Mit Gothic hat das erstmal überhaupt nichts zu tun. Allerdings lässt sich nicht abstreiten, dass eine thematische Nähe (von wegen Vampire und so), durchaus vorhanden ist. Selbst vor über 100 Jahren, war Blutrinken bereits Teil von Penny Dreadfuls, alten Schauercomics aus dem viktorianischen London.

Weiter im Text. Nach einiger Recherche nach Ex-Partnern und Leuten, mit denen die Ermordete Kontakt hatte, geht es auf eine anständige Gothic-Party in einer Scheune! Die ist dann eher traurig in Szene gesetzt. So strömt doch tatsächlich Tageslicht in die Bude, in der ein paar Leute eher gelangweilt herumsitzen.

Als jedoch DJ „BaTista“ (LOL), der Ex-Partner von Miriam, der auf der Party den heißen Scheiß auflegt, ein Video von Miriam zeigt, wendet sich das Blatt. Im Video regt sich Miriam über den Auftritt einer rechtsradikalen Neofolk Band auf einem ihrer Lieblingsfestivals in Gera auf, ruft zum Boykott der Tickets auf und forderte auf, die Veranstalter des Festivals mit DM’s zu bombardieren. Wow! Das sollte mal für das WGT Schule machen, wenn schon wieder der sinnlose Verkaufsstand von diesem rechtsradikalen Verlag seinen Schund anbietet. Auf jeden Fall wird es jetzt spannend.

Tamara Hansen, die Buchautorin, von der sich JoJo ein Autogramm holen wollte, wird jedenfalls verhört, weil sie sich als Leiterin der „Sippe des Blutes“ entpuppt und aussagt, das Blut von Miriam abgezapft zu haben. Das haben wir bereits am Anfang der Folge ja andeutungsweise gesehen. Mit dem Mord will sie allerdings nichts zu tun gehabt haben.

Als der von Grusel-Storys aus der Gothic-Szene aufgeladene Kommissar nach Hause kommt, und mit Lotte, seiner Tochter (die vom Anfang) über den Tag spricht, fällt der Satz des Tages:

Die sind alle lieb und so schon schön, alle total unterschiedlich schön. Mal dünn, mal super-curvy, mal im Rollstuhl, manche sind autistisch oder bipolar oder depressiv.

Und bevor ihr jetzt aufschreit, damit möchte der Dialog nur die gelebte Inklusion der Szene aufzeigen. Ich weiß allerdings nicht, welche Wirkung das auf den Zuschauer oder die Betroffenen hat. Ich bin also unsicher, ob ich das gut finden soll, oder eher gefährlich, wenn alles so in einen Topf geworfen wird. Ich tendiere aber zum „gut finden“.

Als Lotte aber offenbart, dass sie zu einer „exklusiven Party“ mit eben verdächtigter Buchautorin eingeladen wurde, kommt aber der Papa durch. Schließlich ist der ein bisschen aufgeladen von der Tatsache, dass die Rechtsmedizinerin, die auch Bücher schreibt, Blut trinkt. Fast schon irgendwie verständlich für einen Papa, aber Lotte dribbelt den Papa gekonnt aus. In der folgenden Szene kriegt dann der Kommissar auch noch seine Packung, als ihm seine Kollegin, der er die Geschichte erzählt, mal kurz den Kopf wäscht.

Es gibt da einfach viele Menschen, die wissen, was Ausgrenzung bedeutet, weil sie es selber erlebt haben. Und deswegen gucken sie einfach ein bisschen sensibler und liebevoller auf Andere.

Toller Satz.

Das Drehbuch von Luci van Org hilft SOKO Leipzig zu mehr Tiefe

Wir überspringen den Teil ohne Szene-Bezug und landen wieder auf der Gothic Party von Tamara Hansen, zu der Lotte eingeladen wurde. Wieder in der alten Scheune, diesmal deutlich besser gefüllt und mit „Dark Allies“ von Light Asylum auch anständig musikalisch untermalt. Es passiert aber nichts Aufregendes, Papa kann beruhigt sein. Vielleicht noch ein Hinweis an die SOKO-Macher, die bestimmt nochmal irgendwann die Szene zum Thema machen: Grufti-Partys auf dem WGT finden zu 99% NICHT bei Tageslicht statt!

Jetzt geht es aber Leo Jung, dem Partner von Miriam, an den Ermittlungskragen. Denn in einem Social-Media-Beitrag von Luci van Org, die zu einem Konzert im Rahmen des WGT einlädt, taucht Leo zusammen mit Miriam im Hintergrund auf. Kurz vor dem Mord! Aha! Funfact: Luci van Org hat auch das Drehbuch zu dieser SOKO-Leipzig Folge geschrieben, daher wundert es nicht, wenn einige Dinge aus der Folge gar nicht so doof erscheinen.

Allerdings wird jetzt ordentlich recherchiert und alle Spuren verlaufen scheinbar im Sande. Toll. Jetzt kommt das einsame-Ermittlerin-vor-der-Tafel-Ding, die sich die Nacht um die Ohren schlägt, während im Hintergrund „Sacrifice“ von London After Midnight reinplätschert. Die findet dann auch eine Spur, die sich als goldrichtig, Entschuldigung, silberrichtig, erweist. Ob man dafür die ganze Nacht braucht, bleibt aber fraglich.

Den Rest könnt ihr allerdings selber herausfinden.

"SOKO Leipzig - Schwarz ist alle Farben": Tamara Hansen und Heiner Bassmann haben Leo Jung in ihre Mitte genommen. Sie legen ihm trösten eine Hand auf die Schulter. Alle außer Tamara stehen mit dem Rücken zur Kamera. Tamara blickt mysteriös zurück.
Tamara Hansen (Claudia Mehnert, l.) und Heiner Bassmann (Cornelius Schwalm, r.) umsorgen scheinbar selbstlos den Freund des Mordopfers Leo Jung (Leo Meier, M.). – © ZDF/Steffen Junghans, Honorarfrei – nur für diese Sendung inkl. SocialMedia bei Nennung ZDF und Steffen Junghans.

Auf jeden Fall endet die Folge hier. Gar nicht so schlecht, wie ich zunächst vermutete. Ich bin zwar unsicher, ob der Zuschauer die Differenzierung der einzelnen Szene-Themen, die dort zusammengepfercht werden, hinbekommt, oder ob nicht einfach wieder zurückbleibt, dass es sich bei Gothics um latente Bluttrinker handelt. Ich finde, ein bisschen weniger thematische Vielfalt hätten dem Durcheinander ein wenig mehr Substanz verliehen.

In der Kürze der Folge bleibt für den oberflächlichen Zuschauer zurück: „Die Gruftis auf dem WGT saufen Blut.“

Dennoch merkt man, dass eine Szenekennerin wie Luci van Org ihre Finger im Spiel hatte. Gerade einige Dialoge und Zusammenhänge sind sehr treffend formuliert und so hat diese Folge dann doch mehr Tiefe, als es auf den ersten Blick erscheint. Letztendlich passt dann auch der abschließende Satz von Lotte, die sich wieder in bunter Kleidung ihrem Vater präsentiert, gut ins Bild und könnte wohl als Stempel der Drehbuchautorin gedeutet werden.

Ich hatte einfach mal wieder Lust auf was Buntes […] Aber freu dich nicht zur früh, im Herzen bleibe ich Goth„.