Wenn der Himmel sich verdunkelt und die Welt in ein tiefes Grollen hüllt, das nur von Blitzen für den Bruchteil von Sekunden erhellt wird, fühlen sich Gruftis wohl. Die Stimmung lässt sie ehrfürchtig und glückselig vor den Fensterscheiben ihrer Höhlen hocken, während von draußen der Regen gegen die Scheiben prasselt. Doch das ist nun anders, die Stimmung vieler schwarzer Gestalten ist eine tiefe und klischeehafte Depression gefallen.
Gestern Abend ist gegen 19 Uhr ein Feuer über der Diskothek Zwischenfall ausgebrochen, das vermutlich durch einen Blitzeinschlag ausgelöst wurde, hat das Gebäude in Bochum-Langendreer nahezu unbrauchbar gemacht. Wie „Der Westen“ berichtet, wütete das Feuer so stark, dass der Dachstuhl zwischenzeitlich einzustürzen drohte. Die Bochumer Feuerwehr konnte das schwierig zu erreichende Feuer in dem verwinkelten Gebäudekomplex nur durch den Einsatz von 8 Strahlrohren und 3 Drehleiterfahrzeugen löschen.
Das Löschwasser hat den großen Raum in der ersten Etage des Zwischenfalls vollkommen zerstört, im Erdgeschoss und dem Café sei es „nur nass“. Fast Live berichtete die Diskothek gestern Abend über ihre Facebook-Seite: „Seit 19h steht der Dachstuhl des Hauses, in dem sich der Zwischenfall befindet, in Flammen (sowie von drei weiteren Häusern). Tausende von Litern Wasser wurden seit dem ins Gebäude gepumpt. Blitzschlag ist wohl die Ursache. Da keiner außer der Feuerwehr ins Haus darf, können wir noch nicht sagen wie es bei uns aussieht und ob das Haus zu retten ist.“
Mit dem Tageslicht wird das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich. Feuerwehr, Statiker und Versicherer habe die Räumlichkeiten und die betroffenen Gebäude gesperrt, trotzdem konnte sich Norbert Kurz in den Räumen der Diskothek umsehen und sich ein Bild der Zerstörungen machen. „Wir durften gerade für 5 min rein, um ein paar Sachen zu holen. Katastrophe. Die Decken hängen ca. 1 m runter, voll mit Wasser. Es tropft und plätschert so vor sich hin. Sieht aus wie in einer Tropfsteinhöhle. Kein Feuerschaden. Oben ist wohl komplett hin… Das Café ist „nur“ nass.“ Die Diskothek ist somit vorerst geschlossen, ob und wie es weitergehen wird, ist unklar.
Was folgte, war eine breite Welle der Hilfsbereitschaft, denn für viele ist das Zwischenfall, das sich seit 1985 zu einer der bekanntesten schwarzen Diskotheken entwickelt hat, für viele wie ein zweites zu Hause geworden. Norbert Kurtz, seit 26 Jahren Betreiber der Bochumer Diskothek, brach seinen Urlaub ab und eilte heute Morgen zum Unglücksort. Wie er dem Westen berichtet, mischt sich unter die Trauer über den Verlust seines „halben Lebens“ auch die Freude über die Anteilnahme und Hilfsangebote der Besucher und der benachbarten Diskothek „Matrix“.
Wie es heißt, sei die Brandursache weiterhin ungeklärt, die Feuerwehr schließe Brandstiftung nicht aus. Wie der WDR in seiner Lokalzeit zeigte, ist der gesamte Dachstuhl mehrerer Gebäude betroffen, das Gebäude sei Einsturzgefährdet. Bewohner berichteten, es sei schon am Nachmittag Brandgeruch im Gebäudekomplex wahrnehmbar gewesen sein, ob das aber ursächlich für das gegen 19 Uhr ausgebrochene Feuer sei, ist noch unklar.
„Wie’s nun weitergeht, steht in den Sternen. Norbert Kurz schätzt den Schaden auf über 100 000 Euro, allein durch die Zerstörung der Musik- und Lichtanlage. Aufs Altenteil will er sich nicht zurückziehen: „Ich habe noch genug Energie, um weiterhin einen Club zu betreiben. Also will ich versuchen, eine neue Örtlichkeit zu finden. Doch das wird in Bochum nicht einfach sein.“ (Der Westen)
Die Diskothek Zwischenfall, die vor 25 Jahren ihre Pforten in der Nähe des alten Bahnhofs Langendreer öffnete, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer festen Institution im Ruhrgebiet und erlangte auch über die Landesgrenzen hinweg an Bekanntheit. Das alternative Musikprogramm, das sich konstant den Entwicklungen innerhalb der schwarzen Szene entsagte, sorgte für Stammpublikum aus dem gesamten Bundesgebiet. Wer wissen wollte, wo Gothic musikalisch hergekommen ist, wo sie heute ist und wo sie morgen sein könnte, ging ins Zwischenfall.
Es bleibt zu hoffen, dass die alten Räumlichkeiten wieder hergestellt werden können, oder das es vergleichbare Räume in der Nähe gibt, die eine Fortsetzung unter neue Vorzeichen ermöglichen. Das Bochum alternativlos bleibt, steht außer Frage, denn das Zwischenfall gehört in die Stadt im Ruhrgebiet genauso wie das WGT nach Leipzig gehört.
„Die Schrubber stehen bereit„, schreiben einige Besucher des Facebook-Profils, andere rufen bereits zu Spenden auf oder bieten an, bei der Reparatur des Gebäudes mitzuhelfen. Bleibt zu hoffen, dass der Neuanfang gelingt, denn das Zwischenfall ist eine Sorte von Diskotheken, die vom Aussterben bedroht sind und das letzte seiner Art im Ruhrgebiet.
UPDATE: Auf der Facebook-Seite des Zwischenfalls (siehe unten) läuft derweil Projekt „Phoenix“ und informiert neugierige Besucher hautnah über das, was rund um das Zwischenfall stattfindet. Im Kulturbahnhof Langendreer finden am 16. September eine Benefiz-Disko (die offenbar nun jeden 3. Freitag des Monats geplant ist) und am 14. Oktober ein Auftritt der ebenso legendären Clan of Xymox statt.
Das Gebäude, in dem das Zwischenfall seit den 80er seine Heimat fand, scheint nicht mehr zu retten, zu massiv seien die Beschädigungen an der obersten Etage. In einem bewegenden Interview erzählt Norbert Kurtz von den Problemen und der Vergangenheit: „Diese Zeit kommt nie wieder. „Ich habe noch gehofft“, so Norbert Kurtz, „dass wir über Bestandsschutz im alten Haus etwas Neues machen können.“ Diese Hoffnung wird aber von Tag zu Tag geringer. „Die Kosten laufen aktuell weiter, wir müssen alles abmelden, aber auch ein paar lokale Handwerker haben sich mit uns solidarisiert. Die haben angerufen und gesagt, dass wir uns mit ein paar kleineren, offenen Rechnungen Zeit lassen sollen.““
Videos fangen darüber hinaus noch einige O-Töne ein und zeigt erstmals bewegte Bilder vom zerstörten Innenraum.
Weiterführende Informationen:
- Das Zwischenfall bei Facebook mit aktuellen Informationen (auch Quelle der hier verwendeten Bilder)
- Offizielle Internetseite der Discothek
Mir fehlen immer noch die Worte :( bin selber vor einigen Jahren sehr gerne dahin gegangen, besonders zum Höllentanz- da konnte ich im Basement-bereich endlich mal zu den Sachen tanzen, die sonst selten oder nie in anderen Ruhrpott-diskotheken gespielt werden.
Mich haben, während meiner NRW-Zeit, auch nach einer Weile sämtliche Läden im Ruhrpott angekotzt- bis auf das Zfall, da bin ich immer gerne hingegangen.
Ein Stück wichtige schwarze Zeitgeschichte. Zwar nicht meine Region, aber bekannt sollte der Zwischenfall doch bei schwarzen Seelen sein.
Eine liebe Freundin stammt ursprünglich aus dem Pott, sie ist unter anderem durch ihren Punk-Onkel in die Szene gekommen der in den 80ern wohl im Zwischenfall Stammgast war. Wir hatten uns vorgenommen mal den weiten Weg auf uns zu nehmen um das Zwischenfall zu besuchen. Mit besagtem Onkels Bitte ne Runde für ihn mit zu tanzen.
Hätten wir gern getan.
Doch nicht nur deswegen stimmt mich das Geschehen traurig, schlimmer ist freilich die Tatsache daß hier ein Meilenstein subkultureller Geschichte ausgelöscht wurde.
Requiescat in pace
Ich schätze ein Gebäude, dessen Dachstuhl vom Feuer schon an den Rand des Einsturzes gebracht worden war und dessen darunter liegenden Etage mittels Löschwasser der Garaus gemacht wurde, wird totgesagt bleiben.
Denn selbst wenn eine Versicherungszahlung eine Neueröffnung ermöglicht, so wird eine Rekonstruktion des alten Gebäudes fern des Budgets liegen.
Ewig ist nun einmal nur die Vergänglichkeit. Hierzulande waren es ebenso Feuer und auch Schneemassen, die zwei Veranstaltungsorte in den Ruhestand schickten.
Das ist ja mal der Hammer! o.0
Ich war zwar nie dort aber es war mir
ein Begriff. Kraß…
Dunkle Grüße!
Melle
mir blutet das Herz…..war seit den 80er Jahre bis heute immer im Zwischenfall…ja mein zweites zu Hause.
Nun soll nichts mehr so sein wie es einmal war.
Ich hoffe das ,das Zwischenfall doch noch zu retten ist.
ich wünsche dem Team alles erdenklich gute und viel Kraft für ein neuanfang.
Dunkle Grüsse , Möhrchen Mike
gekämpft gehofft und doch verloren????
Habe so eben erfahren das es das alte Zwischenfall nicht mehr geben wird.
Die schäden am Gebeude sind so groß das alles abgerissen werden muß.
Ich weiss gar nicht was ich denken soll so Traurig macht mich das.
Aber es soll nicht ganz vorbei sein….neue Räumlichkeiten werden jetzt gesucht…wünsche dem Team weiterhin alles gute und viel Kraft.
Dunkle Grüsse , Möhrchen Mike
Der Zwischenfall war für Deutschland so wie das Batcave für London. Ein Stück schwarzes Kulturgut geht verloren.:(
Gibt übrigens ein neues Video: https://www.derwesten.de/video/?bcpid=901960974001&bckey=AQ~~,AAAAtkVbxRE~,pAMCh8og8hLTgOQ8wv1HepXQ5uiLGsoY&bclid=870902733001&bctid=1129985484001
Es ist als wenn ein guter Freund geht.Ich möchte nicht sagen stirbt denn :Eine fast 30 jährige Äera geht an der Alten Bahnhofstr zu Ende.Wird aber hoffentlich auf Grund der vielen Solidartätsbekundungen an anderer Stelle neu entstehen.Es war wie mein zweites Wohnzimmer.Ich habe Mitte 86 meine ersten Gehversuche in Sachen Grufti gestartet, habe beim ersten Umbau geholfen und danach fast 6jahre da gearbeitet.Ich habe dort viele wunderbare Freundschfaften geschlossen sowohl unter den Gästen als auch zu den Musikern die dort auftraten.Aus beruflichen Gründen war ich zwar in letzter Zeit nur sporadisch da aber es war mein Laden.Alle anderen Diskotheken wurden und werden am Fall gemessen.Ich hoffe inständig das alle Solidaritätsbereiten auch wirklich Wort halten.Auch ich werde mein Scherflein beitragen finanziell sowie körperlich.Das Fall darf nicht streben auch wenn es an diesem Ort nicht weiterleben kann.Der tanzende Mann muß weiter tanzen.
Guldhan: Ja, deine Einschätzung scheint goldrichtig zu sein. Ich glaube auch nicht, dass das Gebäude noch zu retten sein wird, oder – ob sich ein Wiederaufbau finanziell überhaupt lohnt.
@Möhrchen Mike: Auch wenn das alte Zwischenfall stirbt, ist das vielleicht die Gelegenheit für einen neuen Anfang, die Fortsetzung muss gedreht werden. Das Zwischenfall war nicht nur eine Discothek, sondern eine ideeller Heimathafen für gestrandete schwarze Seelen.
@Pixella: Das ist ein sehr bildhafter und passender Vergleich, definitiv. Ich stimme Dir uneingeschränkt zu. Vielen Dank für das Video, ich werde es im Beitrag ergänzen.
@Plastisch: „Der tanzende Mann muß weiter tanzen.“ Ich tanze mit, ich muss einfach.
Die Zeit wird es zeigen.
Zumal es oft besser ist, dass etwas abgeschlossen bleibt. In guter Erinnerung.
Man kann im Damals schwelgen und es fühlt sich besser an, als wenn man aus jüngster Erinnerung wüsste, wie versumpft der einst edle Laden heutzutage ist. Rein hypothetisch gesagt.
Gibt es denn Neues oder gar Ersatz zum/ Thema ZWISCHENFALL ??
Norbert macht weiter, Kea sitzt an der Kasse und man trifft viele Leute von früher. Es gibt jeden dritten Samstag im Monat die Lost Sounds im Bahnhof Langendreer mit wechselnden DJs, jeden vierten Samstag 80er Party mit Klaus Märkert und noch weitere, unregelmäßige Veranstaltungen.
Heute abend legt sogar Michael Zöller wieder auf, zusammen mit Klaus Märkert beim David Bowie Abend.