Kritiker unken, dass der gemeine Mittelaltermarkt und die weit verbreiteten Ritterfeste nichts, aber auch rein gar nichts mit dem Mittelalter als solchem zu tun haben. Ich sage: Das ist mir egal. Es ist eine Wohltat zwischen all den Zelten und Lagerfeuern im Duft von gebackenem Brot zu dem Geklimper von Schellenbändern über die Märkte zu wandeln, während im Hintergrund eine mittelalterliche Band ihre Interpretation einen handfesten Zeit mit Sackpfeifen und Trommeln zelebriert. Der Sommer (wenn er denn stattfindet) ist die klassische Saison für diese Oase der alternativen Kultur, und nahezu an jedem Wochenende findet man irgendwo ein entsprechendes Refugium.
Wo mittelalterliche Musik, Schmuck und Accessoires aus längst vergangenen Zeiten locken, das sind die Gothics nicht weit, wen wundert es, dass die schwarzen Gestalten von kaum einem Markt mehr wegzudenken sind und fest zum Zielpublikum der Händler und zahlreichen Stände gehören. Auch hier könnten Kritiker unken, dass die Kommerzialisierung wieder auf dem Vormarsch ist, denn schließlich geht es auf solchen Märkten um den Umsatz. Dem möchte ich entgegensetzen, dass hier das Geld oftmals bei den richtigen landet, nämlich den kleinen und privaten Händlern, die oft in Handarbeit und mit viel Leidenschaft für den Großteil ihrer Kreationen verantwortlich sind. Ich habe mit einigen Händlern gesprochen und weiß, wie viel Arbeit hinter etwas stecken kann und wie hart das Brot ist, dass man sich damit verdient.
Doch genug von den ideellen Hintergründen, wohin gehe ich denn nun am Besten, schließlich haben nur wenige Feste eine Beachtung in überregionalen Zeitschriften und Veranstaltungskalendern und gehen oft genug spurlos am einzelnen vorüber.
Tipp: Auf der Internetseite der Zeitschrift Karfunkel, findet sich eine umfangreiche Termin-Datenbank, die versucht, alle Märkte, Feste und Turniere in Deutschland und im angrenzenden europäischen Ausland auf einem Veranstaltungskalender festzuhalten. Einen ähnlichen Service bietet die Seite Marktkalendarium, die von privater Hand in liebevoller Kleinstarbeit gepflegt wird.
Am kommenden Wochenende, dem 6. und 7. August, findet beispielsweise an den Fühlinger Seen in Köln das Spectaculum statt, das auch dieses Jahr mit eine hochkarätigen mittelalterlichen Band-Besetzung lockt. So spielen am Samstag neben den Irrlichtern und dem Duivelspack auch Saltatio Mortis und Faun. Doch Fans der Bands seien gewarnt: In der Regel spielen besagte Bands ein rein mittelalterliches Set und verzichten auf elektronische oder rockige Hymnen, die man von den Alben her kennt.
Die Veranstaltungsreihe die sich selbst als „das größte reisende Mittelalter Kultur Festival der Welt“ bezeichnet, mach auch in diesem Jahr in vielen anderen Städten in Deutschland Station, mit jeweils wechselnden Bands und Rahmenprogramm. Der Preis für den Samstag beträgt happige 18€, was sich aber angesichts dem gebotenen Spektakel durchaus rechtfertigen lässt.
Ein Sonnenuntergang am See, während im Hintergrund mittelalterlich Stimmung in Form von Musik und Geruch aufsteigt, ist eine Reise und den Eintritt wert. Finde ich jedenfalls.
In den häufig gestellten Fragen der Internetseite der MPS (Mittelalterliches Phantasie Spectaculum) findet sich übrigens eine ganz nette Erklärung, warum so viele „schwarz gewandete“ Besucher auf Mittelaltermärkten zu sehen sind:
In den letzten Jahren tauchen immer mehr schwarz gewandete Gäste, die so genannten GOTHICS oder auch GRUFTIES beim MPS auf und genießen die einmalige Atmosphäre unseres MITTELALTER- KULTUR – FESTIVAL mit den phantastischen Bühnenprogrammen. Wir sind überaus erfreut über den immer stärker werdenden Zulauf dieser Gäste und werden auch in diesem Jahr in den bekannten Szene Magazinen dieser Gäste unser Spectaculum bewerben. Vor diesen Gästen muss sich wahrlich kein anderer Besucher fürchten, diese Gäste sehen natürlich ganz anders aus als der “ normale deutsche Einheitsbürger “ aber diese Gäste sind für unsere Veranstaltungsreihe sehr, sehr wichtig.
Sie sind sehr freundlich, sehr zuvorkommend, immer nett und lieb, sie sind an unseren Marktständen sehr umsatzfreudig und es hat mit diesen Gästen in den vergangenen Jahren bislang nicht einen einzigen negativen Vorfall gegeben. Das kann ich leider vom Typ „normaler deutscher Einheitsbürger“ nicht behaupten, mit dieser Spezies, speziell in stark angetrunkener Form, mussten wir uns doch bei einigen Veranstaltungen leider schon heftig herumärgern. So etwas hat es bei unseren “ schwarzen Gästen “ bislang überhaupt noch nicht gegeben (…)
Vielleicht sieht man sich in Köln auf einen Ritterfladen, ich würde mich freuen, wenn der ein oder andere zu sehen ist. Die Sonne ist auch herzlich eingeladen und wenn sie meiner Einladung folgen könnte, würde ich das ausnahmsweise mal großartig finden.
Ich bin ein solcher Kritiker, wie du sie im ersten Satz erwähnst – ein leidenschaftlicher :)
Aber spätestens seit sich mein Lieblingsprofessor in der Altgermanistik als „Mittelalter“-Markt-Fan geoutet hat (und der weiß nun wirklich wie’s damals tatsächlich war) hab ich das alles nochmal überdenke müssen und bin zu dem Schluss gekommen:
Ein Etikettenschwindel, der für mich als Living-History-Darsteller ärgerlich ist, ja, aber an sich schon eine schöne und entspannende Sache. Man muss halt nur versuchen auszublenden was man über das tatsächliche Mittelalter weiß. Das ist einfach ein anderes Thema bzw. ein anderer Anspruch und hat beides seine Berechtigung.
Das ist für mich persönlich aber ungefähr so schwierig wie die Herr-der-Ringe-Filme zu sehen ohne sie mit den Büchern zu vergleichen: An sich betrachtet sicherlich klasse, aber im Vergleich mit dem Original ein absoluter Witz – nur leider kriege ich das Original selten aus dem Hinterkopf…
Für mich persönlich war es daher eine Wohltat auf der Webseite einer grandiosen Burg folgende Zeilen zu lesen:
„Wegen der Inflation solcher Mittelalterfeste landauf landab (an manchen Wochenenden bis zu 30 Termine!) […] haben wir dieses Burgfest aus unserem Programm genommen.
Stattdessen findet seitdem […] im zweijährigen Rhythmus ein „Living History“-Wochenende statt, das aber nicht mit einem Markt verwechselt werden darf.
[…]
Bei dieser Veranstaltung geht es nicht um Ritterklamauk und Schwertgeklirr, es können auch keine Schnabelschuhe und selbstgesiedete Seife gekauft werden, sondern es werden authentisch verschiedene Aspekte des Alltagslebens im späten Mittelalter auf einer Burg gezeigt und erklärt.“
Das ist meine Welt – und es ärgert mich zugegebenermaßen mehr als es sollte wenn die Leute mich und meine Gruppe in eine falsche Schublade packen wenn sie hören dass wir „Mittelalter machen“.
Aber naja, was soll man da machen… :)
Es ist schön, wenn solche Veranstaltungen (wie die von dir letztgenannte) dann das Wort „Phantasie“ im Namen tragen, das ist dann einfach ehrlicher. Und ihre Gothic-Politik finde ich mal vorbildlich.
So kann’s doch auch gehen :)
Mir geht’s wie Dir Robert … wie sagte Edwin Ball (auch bekannt als Marktgraf) vom MPS so schön treffend: „Würden wir das reale Mittelalter darstellen würde schon wegen des Gestanks kein Besucher mehr kommen, und woher sollten wir auch die ganzen Ratten nehmen?“ … auch meine Wenigkeit geniesst das Ambiente, schlägt sich den Magen voll (das Brot ist wirklich sehr lecker) und gibt hin und wieder viel zuviel Taler aus.
Natürlich kann ich Florian verstehen und seine Bedenken sehr gut nachvollziehen, ganz besondern dann wenn es um das genannte Schubladendenken geht (kennen wir das ja schon zu Genüge), jedoch ein Nebeneinander (und wie beim MPS eine klare und deutliche Stellungnahme) zwischen Phantasie und Real-Mittelalter finde ich passt ganz gut. So kann sich jeder das aussuchen was er mag ;-)
Wenn das Wetter mitspielt freue ich mich wieder auf Hamburg im September :)
Ich schlage mich mit auf die Kritiker-Seite, finde aber auch daß wenn das Etikett stimmt, sprich Fantasy-Mittelalter drauf steht, das auch drin sein darf. Ärgerlich für „uns“ Darsteller ist eigentlich immer diese Falschetikettierung. Klar kann man mit dem was einem heute an Material zur Verfügung steht keine wasserdichte 100%-Darstellung machen, es ist aber eine recht ärgerliche Fehlinformation wenn Polyester-Prinzessinnenkostüme auf Brautreifrock beispielsweise als authenthisch 18. Jahrhundert dargestellt werden – nachdem ich keine MA-Darstellung mache, sind mir da die Auswüchse in „meinen“ Epochen natürlich präsenter. Sogar bei den Auftritten mit unserer Renaissance-Tanzgruppe hier erlebt man bisweilen Haarstäubendes. Schätze mal, Herr von Karnstein kann da ebenso Bände füllen an Anektoden wie ich.
Abgesehen davon mag ich Mittelaltermärkte aber auch – Gelegenheit das Sortiment an Räucherwerk um ein Harz oder Kraut zu erweitern das man woanders nicht findet, mit nem Tässchen herben Met die neueste Darbietung der Dreynschläger zu bestaunen – bin ein echter Fan der Jungs, die sind verdammt gut und irre witzig. Oder man findet auf den Märkten auch teilweise arg schönen Schmuck, der mit Historie auch null zu tun hat.
Mittendrin gibts aber auch durchaus Stände wo man die historische Ausstattung aufstocken kann – gerade wegen der Mischung liebe ich den Markt auf Burg Rabenstein, bei uns um die Ecke. Hab da auch meinen Stamm-Händler – der weiß was er anbietet, macht auch einiges selbst und ist preislich absolut akzeptabel. Ich freu mich jedes Mal bei ihm im Wagen zu versumpfen und mich festzuquatschen.
Bei uns gibts dann noch das Festival Mediaval – so ziemlich das einzige Wald- und Wiesenfestival das ich wirklich gern mag, auch wenn ich letztes Jahr das erste Mal da war. Hab schon gedacht mein Männchen ist kaputt als er sagte, er will da hin und er will Klamotten für haben – wir sind jetzt über 8 Jahre zusammen und abgesehen vom letzten Mediaval waren wir ein grandioses Mal zusammen auf Festivals, und rausputzen? Stoisch im Ledermantel ausharren und gegebenenfalls den Haargummi aus der Mähne zupfen reicht ihm normalerweise :D
Jedenfalls – die Veranstalter des Mediavals sehen das auch eher als „kreatives Mittelalter“ an, die Bandauswahl hat mit Omnia und Faun ihre musikalischen Stammgäste die von Anfang an da aufgetreten sind und jedes Jahr wieder kommen. Und neben dem handelsüblichen Mittelalter-Rock findet man auch die eine oder andere Neoklassik-Band. Letztes Jahr warens Ataraxia – ein grundgenialer Auftritt der leider aber kaum Beachtung hatte, beim WGT ist es ein ausgewachsener Kampf zu einem Ataraxia-Konzert zu kommen wegen Andrang. Finde ich aber trotzdem gut daß die Veranstalter das Musikangebot so breit fächern und es dennoch schaffen im thematischen Rahmen zu bleiben. Es sind auch immer wieder Künstler aus anderen Kulturkreisen dabei die ihre traditionelle Musik zum Besten geben.
Aus der Neoklassik-Ecke ist heuer Daemonia Nymphe dabei, und ich freu mich schon wieder arg auf das Festival. Die Händler-Buden sind dabei eigentlich auch typisch MA-Markt. Vom Hippieschmuck bis zu historischen Repliken ist alles dabei – auch mein Lieblingshändler. Fühl mich da sehr wohl und kann das Festival wirklich sehr empfehlen.
Die andere Seite – auch bei uns gibt es auf der Veste Coburg eine Veranstaltung die sich mehr auf historische Fakten und deren Darstellung stützt. Das sind zwar meistens militärische Geschichten, aber meine Meinung dazu ist: das ist genauso Geschichte. Eine gute Darstellung wird früher oder später nicht nur mit Rumkloppen beschäftigt sein, sondern auch die Lebensumstände drumherum rekonstruieren.
Die Darsteller bewegen sich hauptsächlich zwischen spätem Mittelalter und frühem 17. Jahrhundert – Stichwort 30-jähriger Krieg.
Stände mit dem MA-Markt üblichen Zeug gibt es da nicht, den Besuchern wird wirklich in erster Linie fundiertes Wissen demonstriert, und das ist schon spannend. Hat freilich eine ganz andere Atmosphäre als ein Markt – insbesondere wenn einem ne Steinbüchse mit 80cm Kalliber trotz Ohren zuhalten die Trommelfelle um die Kniekehlen wickelt) – sprich – sowohl ernstzunehmende Darstellung als auch Fantasy-MA haben ihren Reiz, man sollte nur deutlich klar machen was man mit seiner Veranstaltung anstrebt. Das Publikum ist leichtgläubig, und wenn der Polybrokat-Elfenfummel als authentisches Mittelalter wahrgenommen wird, weil die richtige Etikettierung fehlt, dann muss ich doch mal Motzen :D
… gleiches gilt auch für die ganzen „Barock“-Feste die es so gibt. Nichts gegen ein wenig Hauch von venezianischem Maskenball. Mach ich bei meiner Ausgehgarderobe im Prinzip und einfach gesagt ja auch. Aber weißer, verendeter Plastikpudel auf dem Kopf und Gardine über Reifrock sind *nicht* authentisch 18. Jahrhundert. Als moderne Interpretation: mirwegen gerne. Dann sollte man das aber auch wissen.
Zum Schluss: die Erklärung von der MPS-Page ist toll und mehr als bezeichnend was die Szene angeht. Hoffen wir daß es so bleibt …
Ja die „Mittelaltermärkte“…ich beschäftige mich schon lange mit dem realen Mittelalter und weiß, dass diese Veranstaltungen nichts damit zu tun haben. Trotzdem gehe ich gerne hin, weil es sich für mich um die nette Darstellung einer Fantasiewelt handelt. Aber auch diese Fantasiewelt will gut gemacht sein….weil Billiggebamsel ruiniert die Stimmung.
Karnstein: Schubladen, lieber Karnstein, die sind wir doch gewohnt. Ob wir uns schwarz anziehen, oder ob wir uns als Teil einer lebendigen Geschichte sehen. Ich betrachte diese Märkte von einer weiteren,positiven Seite, denn oftmals kommt so wieder altes Handwerk auf den Ladentisch und auch sehr Leidenschaftlichen Mittelalter-Fans können sich mit ihrem Hobby etwa dazuverdienen. Schmuck, Lederwaren, gefilzte Kleidung, Schmiedekunst, Kunst, aufwendige handgemachte Kleider, Seifen, Kerzen, Weine und das alles das ist alles ein breiter Markt, der nun auch vom Otto-Normal-Verbraucher entdeckt wird und entsprechende Umsätze in die Kassen spült. Es freut mich, wenn der kleine Winzer aus Bingen mit ein wenig Mittelalter etwas dazu verdienen kann und wir so die Möglichkeit bekommen ausgezeichnetes aus Deutschland zu genießen. Natürlich muss man auch hier vorsichtig sein, denn mittlerweile kaufen auf hier gewiefte Händler in Fernost ein, um den Gewinn zu maximieren, das kann natürlich nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Vielleicht ein neuer Blickwinkel.
Steffi: Ja, wir bekennen uns. Auch wenn es dieses Jahr ganz furchtbar geregnet hat, hat dass das Vergnügen kaum gemildert, vielleicht sogar noch ein bisschen mittelalterlicher Gestaltet. Ich genieße das, ich mag das und ich möchte darauf nicht verzichten. Ich machen mir aber bewusst, dass das mit dem Mittelalter als solches nichts zu tun hat :)
@Rosa: Wieder einmal ein tolle und ausladende Sichtweise, ganz so, wie es dein Kleidungsstil suggeriert. Ich bin entzückt. Ich teile deine Meinung, wie bereits bei Karnstein geschrieben, und denke das beides voneinander abhängig ist. Die populären Mittelaltermärkte und Bands sorgen stets für potenten Nachwuchs, der sich vielleicht durch ein einfachen Markt irgendwann mal für die echte Geschichte interessiert, ich denke, die meisten werden wohl so angefangen haben. Wichtig ist, das man sich gerade als „Darsteller“ die Offenheit bewahrt, sich auch mit unwissenden aber wissbegierigen auseinanderzusetzen um so vielleicht die Lust auf „mehr“ zu wecken. Ich weiß, dass diese Menschen bei Dir an der richtigen Adresse sind.
@Alsuna: Richtig, das MPS ist hier ein sehr gutes Beispiel. Hier legt man viel Wert auf ein breites Angebot an qualitativer Fantasy-Stimmung. Ohne jetzt Werbung für den Verein zu machen.
Gibt es Kritiker? Das Mittelalter stellt den Menschen sicherlich besondere Herausforderungen, aber das Mittelalter bietet den Menschen um so viel mehr als die heutige Zeit. Ich Persönlich bin vom Mittelalter begeistert und kann nicht erklären, weshalb es dahingehend Kritik geben sollte. Jede Zeit hat seine Vor- und Nachteile. Vielmehr sollte die heutige Moderne kritisiert und in Frage gestellt werden. Aber man muss das Beste draus machen und durch, denn zurück kommen wir nimmer. Beste Grüße Artur Nietsch