Parallelwelten auf dem Wave-Gotik-Treffen 2023. Zwischen dem viktorianischen Picknick, das am Freitag im Clara-Zetkin-Park stattfand, und dem eigentlichen Wave-Gotik-Treffen klaffen Welten. Was auf der Wiese, unter Bäumen und an Sträuchern fotografiert und publiziert wird, ist meist auf Konzerten, Partys oder auch auf der AGRA nicht zu sehen. Die Presse betrachtet dieses Kostümfest allerdings als Status quo der Szene und verbreitet die Bilder des Picknicks als Symbolbild für das WGT. Damit spannen sie einer Oberfläche auf, durch die die meisten der zusammengetragenen Berichte nicht dringen können. Eine neue Form der Abgrenzung? Ihr findet heraus, mit welchem Bild ihr euch selbst am besten identifiziert.
Leipzig trägt über Pfingsten Schwarz | ZDF
„Die zum Teil sehr teuren Roben oder die Kluft in Lack und Leder sind übrigens keine Kostüme. Die Protagonisten sehen sie als Ausdruck ihres Lebensgefühls. Schwarz ist eine schillernde Farbe – bei dem Wave-Gotik-Treffen ist sie seit nunmehr 30 Jahren ein Zeichen für Lebensfreude und Toleranz. Es ist ein Angebot an alle, die sich darauf einlassen möchten, friedlich mitzufeiern. Und wer es noch nicht weiß: Auch „Depeche Mode“ sind gerade in der Stadt, da gibt es im Felsenkeller nach dem Konzert die passende Party.“
Beim Wave-Gotik-Trefffen ist es schaurig schön | NTV
45 Bilder bei NTV: „Auch beim 30. WGT ist das Wichtigste: sehen und gesehen werden. Das gelingt besonders gut beim Viktorianischen Picknick. In Leipzig treffen sich tausende Fans der düsteren Szene beim weltgrößten Festival dieser Art. Sie laufen mit fantasievollen und sehenswerten Outfits auf.“ Noch mehr Bilder gibt es in der LVZ.
So sexy, so schrill – die krassesten Outfits beim WGT! | BILD
Endlich! Die BILD ist müde geworden, über das WGT zu berichten. Eine einzige Online-Meldung, das wars: „Etwa 20 000 zahlende Gruftis (WGT-Ticketpreis: 170 Euro) kommen unter anderem zu Konzerten im Haus Leipzig oder der Moritzbastei. In der Stadt wird aber mit weitaus mehr WGT-Fans gerechnet. Die meisten verzichten nämlich auf ein Ticket, denn viele Veranstaltungen sind ohnehin gratis.“
Darum fahre ich dieses Wochenende schwarz | BILD
Allerdings ist man in der Lokal-Redaktion der BILD in Leipzig über Susi, die Busfahrerin gestolpert, die während des WGT als Grufti fährt: „„Aber dass ich in diesem Jahr nicht richtig dabei sein kann, stört mich nicht. Ich hoffe schon, dass ich im Job mit WGT-Besuchern kurz ins Gespräch komme und die Stimmung einfach gut ist. Und natürlich bin ich nach Dienstschluss mit Freundinnen in der Stadt unterwegs, im Clarapark oder im Club Darkflower.“ Mit dem Bus kommt sie da allerdings nicht vorbei: Ihre Linie 131 führt vom Hauptbahnhof nach Merseburg. Eine Kollegin, die auch „schwarz fährt“, hat es da besser: Sie ist mit der Straßenbahn-Linie 11 unterwegs – und die fährt bis zum WGT-Hauptquartier an der agra, wo Tausende Fans zelten.“
LVZ-Leser zum ungefragten Fotografieren auf dem WGT: „Keine Zootiere“ | LVZ
„Teilnehmende sind keine Zootiere – „Von Passanten fotografiert“: Genau das ist das Problem. Vieles passiert ungefragt und in dermaßen anstößigen Blickwinkeln. Wir sind keine Tiere aus dem Zoo. Wir machen auch keine Fotos von wildfremden Menschen in Sandalen mit Socken und Senffleck auf dem Hemd. (Lucia Rose, per Facebook)“
WGT 2023 in Leipzig endet mit 20.000 Besucherinnen und Besuchern | Tagesschau
„Insgesamt zählten die Veranstalter rund 20.000 Besucherinnen und Besucher, darunter auch ein jüngeres Publikum und wieder mehr Gäste aus dem Ausland.“ Das Wave-Gotik-Treffen hat sich wieder bei seiner durchschnittlichen Besucherzahl eingependelt. Allerdings scheint die tatsächlichen Anzahl der Menschen in Leipzig, die sich in irgendeiner From beteiligen, größer zu werden. Aber das ist Meinung, kein Fakt.
Wave-Gotik-Treffen 2023: Impressionen eines Neulings | Metal Hammer
Metaller Florian wagt sich als Neuling auf das Wave-Gotik-Treffen. Obwohl ihn Kosmos durch eine Autopanne und eine Lebensmittelvergiftung daran hindern möchte, schafft er es letztendlich. „Nach viel zu kurzem Schlaf prügeln mich die Sonnenstrahlen aus dem Bett. Das Wetter ist, was mir mehrere Menschen später als jedes Jahr wiederkehrendes Ereignis berichten werden, perfekt. Nicht zu warm, nicht zu kalt, und es gibt keinen Regen. Beste Voraussetzung für eine Meute, die am liebsten eine Farbe trägt, welche es in der prallen Sonne schnell unerträglich macht.“
Das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig ist gefangen in Widersprüchen | Neues Deutschland
„Und irgendwie, so gewinnt man im Laufe des Wochenendes den Eindruck, hat sich das WGT auch ganz gut eingerichtet in diesem widersprüchlichen Verhältnis zwischen Jungfrauenversteigerung und subversiven Genderrollen, zwischen Mittelalterkult und Cyber-Futurismus, zwischen Vergangenheit und Retro-Zukunft. Vielleicht sind das Besänftigen solcher Konflikte und das Einfordern eines vermeintlich unpolitischen Standpunktes auch Gründe dafür, dass das Publikum von Jahr zu Jahr mit der Veranstaltung altert. Personen unter 30 Jahren sind auf dem WGT kaum mehr zu sehen.“
Wieviel Jahrzehnte noch sind es immer genau 20.000 Besucher? Ist das noch ein running gag des Veranstalters oder einfach nur Augenwischerei.
Möglicherweise. Ich glaube allerdings, dass die Zahl durchaus hinkommen kann. Es gab in der Vergangenheit ja bereits einige WGTs mit anderen Besucherzahlen. Letztes Jahr waren es beispielsweise „nur“ 15.000, 23.000 beim Jubiläum 2010 und 2018/2019 jeweils 21.000. Die „Szene“ wächst ja meines Erachtens auch nicht wirklich, sondern fluktuiert ständig um eine gewisse Anzahl innerhalb unserer Gesellschaft.
Abgesehen davon: Was sollte der Veranstalter davon haben, sich die Zahl „auszudenken“?
Schmiss Kamelle dä Prinz kütt!
Betrachte diese Entwicklung als !WUT! als auch Trauer. Die Wut kommt daher das hier nur Viktorianische Picknick vermarktet wird.
Es kratzt nicht mal ansatzweise an dem was wir Individualisten, Goth/Gruftie was wir hier in bei diesem Treffen erleben.
“Wir sind nicht Kommerz, kapiert es ihr Mainstreamer“
Mir fehle Interviews zu den Bands die ihre Europa Primäre oder ihre Wiedervereinigung hier beim WGT feiern. Wo sind die nur -.-
Ich nenne hierbei als Beispiel, meine persönliche Lieblings-band “Wingtips“ die es endlich hier aufs Treffen in die Moritzbastei geschafft haben. Einfach großartiges Konzert der anderen Art.
Früheren Teilen des WGT’s gab es Doku’s, kleine Snack berichte mit liebe geschrieben/verfimt! Heute wird gedurckt was sich verkauft. Bäh! Iiigit!
Trauer ist hier zu erwähnen das immer weniger zu uns hier nach Leipzig zum Fest kam dieses Jahr. Irgendwie war die Innenstadt leider nach unserem Gefühl leerer als sonst. -.- Tut weh.
…………………………………………………………………………………………………….
Metallhammer hat es wirklich gut auf den Punkt getroffen was hier alles erlebt werden kann. Welche Gefühle und Ereignisse beim einlassen als “Erstling“ beim Treffen zustande kommen. Ein Bericht so wie ich ihn wirklich mit liebe, wohl sonnen erfüllt.
Sieh es positiv! Wenn sich die Karnevalisten vor Schaulustigen und Fotografen im Clara-Zetkin-Park aufreihen, haben „wir“ unsere Ruhe. Vielleicht ist Dir aufgefallen, dass beispielsweise auf der AGRA unheimliche wenig Pressevertreter und/oder Fotografen waren. Ist es nicht das, was man möchte? In Ruhe gelassen werden? :-)
Sehe ich ähnlich. Solange sich Schauläufer und Medien an Schauplätzen wie dem viktorianischen Picknick, dem heidnischen Dorf, Steampunk und ähnlichem Beiwerk abarbeiten, hat der gruftige Kern seine Ruhe. Eine bessere Schutzmauer kann das tapfer schlagende Herz unserer Subkultur doch gar nicht bekommen.
Oder möchte jemand ernsthaft, dass Schauläufer und die großen Medien beispielsweise beim Spontis-Familytreff aufkreuzen und dort Atmosphäre und Stimmung versauen? Ich glaube doch wohl eher nicht. ;)
Auf der Agra war es wirklich sehr angenehm. Die Fotofritzen konzentrieren sich seit ein paar Jahren auf das VP im Zetkinpark.
Wenn man tatsächlich so sehr gegen Kommerz und Mainstream ist – wieso geht man dann denn überhaupt auf so ein kommerzielles und mainstreamiges Event wie das WGT? Gibt doch echt genug Underground-Events wo man nur eine Spende als Eintritt bezahlt und wo der DIY-Spirit immer noch hochgehalten wird.
Nur eine Spende als Eintritt? Wo finden denn solche Festivals statt? Und das funktioniert? Reisen die Bands auf eigenen Kosten an? Wer bezahlt die Räumlichkeiten? Ich würde gerne mehr darüber erfahren.
Und wenn wir schon dabei sind. Was ist eigentlich ein „kommerzielles Event“?
Festivals natürlich nicht, aber deswegen schrieb ich ja auch „Events“, nicht Festivals. Konzerte und Partys gibt’s da schon viele. Halt in super billigen Locations, oft in ehemaligen besetzten Häusern und so. Wo übrigens auch die Getränke oft auf Spendenbasis funktionieren, wegen der Vermeidung von Gewerbesteuer. EIn Beispiel wär z.B. das hier. Anreise ist meistens nicht so teuer, weil die Bands sowieso auf Tour sind. Diavol Strâin sind zwar aus Chile, aber da zahlt natürlich nicht ein einziger kleiner Veranstalter ihnen den Flug. Und Neon Lies kenn ich auch schon seit Jahren, hab die Musik das erste Mal auf einem Filmfestival gehört und hab da gleich Shazam angeschmissen weil ich’s so geil fand und wissen wollte wer das ist. Der Typ ist wirklich andere als unbekannt und schon recht lang aktiv.
Das ganze ist selbstverständlich eher eine Sache in Großstädten, aber das ist ja bei anderen Musikgenres genauso dass in der Provinz da einfach nicht so viel passiert. Und ich glaub allein schon durch die räumliche Entfernung kriegt man in der Provinz von den Events in der Stadt einfach nicht so viel mit und glaubt deswegen, dass sie gar nicht existieren.
Und kommerzielle Events sind solche, wo ein größerer Schwerpunkt auf dem Verdienen von Geld liegt. Ich hab ja nix dagegen. Nur sollten Leute die dahin gehen und viel Geld dafür bezahlen vielleicht besser nicht auf Kommerz schimpfen. Ist halt nicht glaubwürdig; ist wie jemand der oder die behauptet vegan zu leben und sich dann ein Schnitzel reindreht.
Okay. Das sind natürlich ganz besondere Szenarien, unter denen solche Events auftauchen. Ich fürchte allerdings auch, dass sowas nur in Großstädten funktioniert und kann deine Annahme, dass man davon in der Provinz nicht viel mitbekommt, unterstreichen. Selbst durch das Internet bekommst du davon wenig mit, wenn du nicht Kontakte pflegst und dann auch noch dem Algorithmus ausgeliefert bist.
Ich glaube allerdings, du darfst die Grenzen nicht so streng ziehen und musst „Grabgeflüster“ ein wenig Luft zum Atmen geben.
Ich begreife das WGT als „Brückenevent“, dass durchaus in der Lage ist, völlig unbekannten Bands eine Bühne zu bieten und so eine „Brücke“ zum „Underground“ aufzubauen, so wie du ihn verstehst. Gegenüber andern Events der Szene hat das WGT durchaus ein etwas schwächeren „kommerziellen“ Anspruch. Im Rahmen des WGTs finden dann Events statt, die wiederum noch weniger „kommerziell“ sind und möglicherweise dann irgendwann zu Events führen, von denen du sprichst.
Gerade Szeneeinsteiger entdecken erst nach und nach die Facetten der Kommerzialisierung, daher kann man Grabgeflüsters Eindruck und „Wut“ durchaus nachvollziehen. Da haben sie gerade was entdeckt was über den eigenen Tellerrand hinausgeht und etwas gefunden, durch das man sich abgrenzen kann. Auf diesen Weg sickert man ja stückweise in Richtung Yttrium. :-)
—-
Allerdings bin ich mir dem „Kommerz“ Thema noch nicht ganz durch. :-) Ist eine Band, die ihren Lebensunterhalt mit ihrer Musik bestreiten möchte, kommerziell? Sind Veranstalter, die solche Bands bezahlen, den Rahmen bauen, in dem diese Bands auftreten und letztendlich auch für das Ganze drumherum sorgen, kommerziell?
Ich kenne zahlreiche Events und auch kleine Festivals, die durchaus einen Rahmen aufspannen und Bands/Technik/Drumherum mit Hilfe der Eintrittsgelder finanzieren aber am Ende mit +/- 0 völlig zufrieden sind. Ist dann auch kommerziell?
Ich kann mich dran erinnern, dass eine Eventreihe hier mal mehr Spenden eingenommen hat als sie bräuchte und den Überschuss dann gespendet hat. An eine NGO, die sich um Behinderte in der Ukraine gekümmert hat. Weil die ja nicht so einfach ihre Sachen packen und flüchten können. Also, vielleicht kann man nicht-kommerziell in dem Fall durch non-Profit ersetzen, denke ich mal.
PS: Bei den anderen Berichten kriege ich Langeweile und das Kotzen! (außer Metallhammer)
Auch wenn ich wieder mal mit den Augen rolle, dass das WGT in der Öffentlichkeitswahrnehmung scheinbar seit Jahren nur noch auf das „VicPic“ bzw. Steampunk-Treffen und die dort tatsächlich KOSTÜMIERTEN beschränkt wird, so finde ich den Hinweis doch irgendwie beruhigend, dass diese Events die Schaulustigen und Fotografen-Meuten vom ursprünglichen Teil des WGTs ablenken.
Ich hab schon gar keine Lust mehr, mir die Medien-Berichte im Anschluss anzusehen, weil eh fast nur irgendwelche Fantasy-Figuren, Fetish-Fans und in oft billigen und zugleich BUNTEN Karnevalskostümen steckende Leute gezeigt werden, die nichtmal einen Hauch mit der Goth-Szene zu tun haben, sich einfach mal VERKLEIDEN und vor ner Kamera posieren wollen.
Und wenn man dann vom WGT zurück kommt und von Nicht-Szenekennern gefragt wird, welches fantasievolle KOSTÜM man denn dort getragen hat, könnte ich jedesmal im Sechseck springen….
Vielleicht sollten sie Ticketpreise fürs Picknick und Schaulaufen erheben? 😉
Ehrlicherweise gehe ich fast davon aus, dass das VikPick irgendwann eine eigene Veranstaltung sein wird. Da sind soviele Leute, die extra nur wegen diesem Event kommen, das schreit doch danach, eigenständig zu werden, oder?
Ja , das sehe ich genauso . Laut Medien ist auch schon mal das Picknick die große Eröffnungsversanstaltung des WGT (lach) . Ich war da aber irgendwie noch nie , für mich ist die „Blaue Stunde“ dafür irgendwie schöner und geeigneter ! Aber es stimmt auch , die Fotografen fokussieren sich sehr auf diese Kostüme (das sind für mich wirklich welche) und sind dadurch abgelenkt . Andererseits erhöht sich durch diese Art der Berichterstattung bestimmt auch die Akzeptanz gegenüber dem WGT und all seinen Besuchern .
Du sprichst mir von der Seele. :)
Das Schöne ist ja, dass man weder ungefragt fotografiert noch ständig angequatscht wird, wenn man relativ dezent rumläuft. Ich war ein Mal beim Victorianischen Picknick, weil ich mir das angucken wollte. Das hat mir gereicht. Auch von der Agra halte ich mich möglichst fern. Ganz ehrlich, es gibt so viele nette Ecken mit tollen Leuten, die man treffen und kennenlernen kann und dazu noch guter Musik, da muss ich mich nicht dahin begeben, wo die ganzen Gaffer und Karnevalisten sich herumtreiben. Ich möchte nach dem Pfingstwochenende nicht in irgendwelchen Bilderstrecken auftauchen, sondern einfach die Zeit auf dem Treffen genießen können. Was für ein grusliger Gedanke, dass die Knipser auch noch auf dem Spontis-Treffen auftauchen könnten 😳
Ich fand es sehr schade, dass wir es in diesem Jahr nicht zu Euch auf die Wiese geschafft habe. Wir sind in der Nacht davor auf der 80er Party in Noel’s Ballroom versackt und der Montag war…. Älter werden ist wirklich anstrengend…. 😣
Da ich auch dieses Jahr leider nicht vor Ort war, habe ich mich über das diesjährige WGT durch diverse Medien besudeln lassen. Der Anfang von diesem Artikel über die fast schon Abgrenzung spricht mir fast von der Seele.
Durch die Erzählungen von Freunde und Bekannte bekommt man zum Glück ein anderes Bild vom diesjährigen Familientreffen.
Bei Youtube fand ich einige Videos von diversen „Youtuber“, die dort einige Besucher, besonders vom viktorianischen Gemütlichkeitstreffen interviewt haben. Da kamen oft von vielen Gästen Worte über ihre „Verkleidung“. Ich bin ehrlich, da kommt einem schon etwas die Galle hoch.
Natürlich handelt es sich oft bei ihren Gewänder um eine Art Verkleidung, denn mit einem Horn auf der Stirn wird wohl kaum jemand im Alltag rumlaufen.
Wenn man die ganzen Bildern in den öffentlichen Medien betrachtet, bekommt man den Eindruck von einem Manga-Fantasy-Lord-of-the-Ring Treffen vor.
Jedenfalls habe ich eines dabei vermisst, dunkle Gestalten in Pikes, toupierte Haare oder Iros in diversen Farben, eben das Gefühl von einem „Wave-Gotik-Treffen“ mit dem man sich identifiziert und dem 30. Jährigen Treffen gerechter wäre.
Ich war damals zum ersten viktorianischen Treffen vor Ort und es war auch mein letztes, und zu diesen Zeiten ging es noch etwas angenehmer zu. Ein paar wenige Fotografen und recht wenige neugierige Leipziger. Viele schöne Gewänder und es lag noch ein Hauch von „viktorianisch und Romantik“ in der Luft. Aber die Zeiten haben sich geändert… und zum Glück ist das viktorianische Gemetzel für fast jeden Szene-Kenner nicht das A und O des WGT, wie zum Beispiel die Presse es immer wieder an die Öffentlichkeit verkauft.
Auch wenn es egal ist, was über das WGT berichtet wird, so hinterlässt es trotzdem einen kleinen faden Beigeschmack. Denn eines ist mein persönliches gotisches Auftreten NICHT – eine Verkleidung, sondern eine gewisse Lebenseinstellung!
Danke an Robert für die Zusammenstellung. ;)
Das triffts ganz gut, hat wirklich was von „Fantasy meets Steampunk meets History“-LARP (wobei LARP ja imho für sich gesehen ein cooles Hobby is, das aber halt nix mit Goth zu tun hat).
Ich war nie ein großer Fan des viktorianischen Picknicks, aber ich schätz mal dass das zu Beginn vor vielen Jahren wohl noch ganz ok war für Leute die den sog. „victorian goth style“ mögen und sich da gemeinsam auf ne kleine Zeitreise begeben wollen, aber inzwischen is es ja echt irgendwie nur noch Kitsch-Karneval…
Ich meine damals war sogar Victorian Outfit beim ersten Treffen fast vorgeschrieben. Jedenfalls hatte ich mir damals dafür passende Kleidung angefertigt bzw. besorgt.
Ah, ok – Das kann ich mir gut vorstellen. Du hattest mal erzählt dass du vor Jahren auch dort vorbeigeschaut hast, aber in welchen Klamotten wusst ich jetzt nicht mehr. :)
Das mit dem angesprochenen Überaltern des Publikums find ich interessant. Weil nach Aussage des Pressesprechers nämlich durch den Trend zu Postpunk und Coldwave eben grade wieder ein jüngeres Publikum angezogen worden wäre. (Quelle)
Ja gut, vielleicht ist das von seiner Seite eher Wunschdenken. Wobei die eigentliche Szene in meinen Augen wirklich kein Nachwuchsproblem hat, grade auf Konzerten von eher jungen, angesagten Bands sind da doch massig Kids. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass jüngere Leute kein Interesse an so einem Massenauftrieb wie dem WGT haben. Wobei das aber vielleicht auch Wunschdenken von meiner Seite ist.
Paradoxerweise stimmt beides, wie ich finde. Die Szene spiegelt im Grunde nur die Überalterung der Gesellschaft und da die Gothic-Szene „Erwachsenenfreundlich“ ist, bleiben die „Alten“ ihr einfach länger erhalten. Es ist allerdings auch richtig, dass jüngeres Publikum nachkommt. Da hat der Pressesprecher schon recht.
Ich glaube, dass populäre Events häufig „Einstiegsdrogen“ in eine vielschichtigere Szene sind. Ohne WGT und „Mainstream“ gäbe es letztendlich dann doch die beschriebene Überalterung der Szene.
So, ich hab’s jetzt endlich mal angegangen, meinen persönlichen WGT-Bericht zu verfassen – auch weil im WGT-Forum bemängelt wurde, dass diese Tradition langsam ausstirbt… Falls es wen interessiert – ist ziemlich lang und ausführlich – hier ist’s nachzulesen:
https://www.wave-gotik-treffen.de/forumwgt3/viewtopic.php?t=25735
Schon „spannend“, und allerdings genauso erheiternd und gleichfalls ernüchternd ärgerlich, wie die Aussendarstellung und Rezeption der „Szene“ in der breiten Gesellschaft ankommt. Irgendwas zwischen „Die Addams Family feiert Karneval/Halloween auf Burg Schreckenstein“, „Picknick im frivolen Lustgarten der Lady Chatterley“ und „Der gnadenlose Metal-Donnergott grunzt aus dem Schwarzwald“. Hui-Buh.
Dazu gesellen sich Charterfolge diverser allzu medioker Gruft-Schlagerbands a la Mono Inc. und Lord Of The Lost, die mächtig im Klischeebedienungs-Vehikel Gas geben. Und damit auch irgendwie eine Art „Goth for the masses“ mit Mitklatsch-Potential kreieren. Der (alternde) Goth zwischen Bierzelt-Musi und Jahrmarktsrummel.
Da bleibt natürlich einiges an Ernsthaftigkeit und (von mir aus) „Authentizität“ auf der Strecke. Und daß man bei dem schalen Rummel als Jugendlicher, oder zumindest mit U30 nicht unbedingt mitmischen möchte, kann ich nur sehr gut nachvollziehen.
Natürlich ist die „Szene“ ein Stück weit nicht ganz unschuldig an diesen Auswüchsen. Die Aussicht auf die berühmten 15 minutes of fame hat schon den einen oder anderen Szeneinvolvierten schwach gemacht…
Jedoch aber auch der Umstand, daß eine Zeit lang Tür und Tor aufgrund aus der Bahn geratener „Toleranz“ für alle möglichen Strömungen aufgehalten wurden. So kam einiges hereingepoltert, dem man irgendwann nicht mehr Herr wurde, und mit dem man sich nunmal jetzt (u.a.) um die Deutungshoheit kloppen darf. Das Leid und Ungemach darüber wird ja immer wieder mal hochgekocht und (nicht nur) zu prime-WGT-Zeiten heftig diskutiert.
Ok, womit „identifiziere“ ich mich? Gute Frage. Irgendwie und -wo als (beinahe schon neutraler) Beobachter des Dramas in gebührender Distanz. Mit dem musikalischen Ohr an den Strömungen, die mir interessant und bis zu einem gewissen Grad „innovativ“ erscheinen. Und auch für mich gilt: Wunschdenken. Daß nicht nur solch „alte Säcke“ wie ich sich so dann und wann zu Konzerten der nachgewachsenen „Coldwave“-/“Postpunk“-Musikergeneration ein Stelldichein geben, sondern es diesen tatsächlich auch gelingen möge, deren Altersgenossen in ausreichender Zahl mobilisieren zu können. Who knows? Jedenfalls werden nach meinen Beobachtungen zufolge diese schon von Fall zu Fall etwas zahlreicher. Und die müssen ja nicht in Schwarz und „gestylt“ wie ihre Altvorderen rumrennen, und ein WGT brauchen die „Kids“ ja auch nicht unbedingt mehr…