Kaliméra! Das Griechenland nicht nur in der Antike mit Kultur geglänzt hat und uns nicht nur durch die negativen Schlagzeilen der jüngeren Vergangenheit auffallen sollte, möchte uns der neu gegründete Kasseler Kulturverein Schwarts eindrucksvoll näherbringen. Am 5. und 6. Mai präsentiert man das diesjährige Partnerland im Panoptikum in Kassel in einem schwarzen Kaleidoskop (auch griechisch) mit Bruchstücken aus Kunst, Musik und Kultur. Eigentlich wollte ich dieses Mini-Festival „nur“ in unserem entsprechenden Kalender präsentieren, aber die Idee, die schwarze Szene in einer länderspezifischen Sichtweise zu präsentieren, finde ich mehr als gelungen.
Mir ist klar, das diese Veranstaltung nur einen regionalen Teil meiner Leser ansprechen dürfte, doch gerade hinsichtlich des schleichenden Szene-Pessimismus halte ich diese Art von kreativer Macher-Tätigkeit für mehr als interessant und empfinde sie als Steilvorlage für andere Engagierte. Zur Veranstaltung:
Schon am Freitag beginnt man ab 18:00 mit einer Kunstausstellung, die beispielsweise Werke der in Athen geborenen Fotografin Marilia Fotopoulou präsentiert die sicherlich spannende Einblicke in die dortige Szene geben. Auf schwarts.de heißt es: „Diese Ausstellung präsentiert „Schnappschüsse“ welche in den letzten 5 Jahre, den sogenannten „Krisenjahren“ aufgenommen wurden. Ungeachtet der turbulenten Zeiten hat die Szene ihre Kreativität beibehalten können, welche sie ästhetisch mit Ihrem Objektiv festhalten konnte.“ Der ebenfalls aus Athen stammende DJ Rise&Fall, der auch den Internetradiosender „Die Seele“ betreibt, legt für den anschließenden Abend ein Set aus griechischen Darkwave, Coldwave, Synth und Experimental zurecht, das er zudem aufnehmen wird, um es dann in seiner Sendung „Transmission“ zu präsentieren.
Der Samstag wird ausschließlich von griechischen Liveacts beschallt, die mit Kriistal Ann, Paradox Obscur und Selofan eine erlesene „schwarze“ Auswahl des Landes repräsentieren. Paradox Obscur und Kriistal Ann, die ich bisher noch nicht kannte, finde ich nach dem ersten reinhören richtig klasse, obwohl ich natürlich kein Wort verstehe, weil auch hier mutig in Muttersprache gesungen wird. Für mich eine erstaunliche Entwicklung, die seit der türkischen Band „She past Away“ nicht mehr abzureißen scheint. Nicht nur mutig, weil man dadurch natürlich den Kreis der Hörer einschränkt, sondern auch authentisch, weil es in der Muttersprache einfach viel leichter ist, Botschaften, Gedanken und Emotionen in der Musik zu transportieren. Die Künstlerin Melatonini soll, laut der Ankündigung auf der Seite des Kulturvereins, die Veranstaltung mit einer eigens entwickelten Bühnenperformance überraschen.
Und weil das noch nicht rund genug erscheint, sorgt für das leibliche Wohl die Griechin Maria Stafylaraki, die in Kassel das Szenelokal EatBar betreibt. Für 25€ im VVK eine ganze Menge Griechenland, die ich in dieser Zusammenstellung einmalig finde. Ich bin jetzt schon neugierig, ob sich der Verein Schwarts bereits Gedanken über das nächste Land gemacht hat, um uns die nationale Vielfältigkeit der Szene näher zu bringen. Ihrer Beschreibung werden sie jetzt schon gerecht. „Wir sind ein frisch in Kassel gegründete Kulturverein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat Musik, Kunst und Mode einer subkulturellen Szene, der „schwarzen Szene“ zu fördern um diese ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken und somit Brücken zwischen uns und anderen Kulturschaffenden sowie Interessierten aus anderen Umfeldern zu schlagen.“ Wie findet ihr die Idee eines solchen Kulturvereins und die Intention der Veranstaltung, einem europäischen Land und der dortigen Szene eine besondere Bühne zu bieten?
Die Idee die jeweiligen „Schwarzen Szenen“ anderer Länder vorzustellen, finde ich klasse. Hatte vor dem Artikel schon ein paar Lieder der vorgestellten Bands gekannt, gefielen mir sehr gut, auch wenn ich die Sprache nicht kenne, die Stimmung kommt ja trotzdem rüber. Sonst könnte ich ja auch keinen französischen Coldwave hören. Allgemein finde ich spontis.de eine ausgesprochen interessante Seite und ich finde es spannend, diese Mischung aus Aspekten der Szene der 80er und was aktuell so alles passiert, mitzubekommen.
Die Leute von Schwarts sind klasse! Sowas zu organisieren, da gehört schon einiges an Mut dazu.
Allgemein muss man sagen, dass die Szenen und Griechenland und Italien zwar sehr klein sind, aber kulturell kommt in den letzten Jahren extrem viel aus diesen beiden Ländern. Allein aus Griechenland fallen mir ad hoc gut 15-20 fantastische Szene-Acts ein, was für so ein kleines Land schon recht beachtlich ist.
Ungeachtet? Muss man nicht eher „gerade weil“ sagen? Ist es nicht immer so, dass der Untergrund und die Kreativität in Krisen, in Zeiten des Umbruchs seine Blütezeit hat? Aus Rebellion, um ein Gleichgewicht zu schaffen, als großes Trotzdem, als Ventil, am Abgrund tanzen…
Da Selofan mittlerweile zu meinen Lieblingsbands gehört, finde ich die Entwicklung der griechischen Szene interessant, die zwei anderen verlinkten Bands machen auch Lust auf mehr, werde mich mal weiter reinhören. Danke für den Tipp.
Die Idee des Vereins find ich auch sehr cool, das Ganze wirkt authentisch und als neu gegründeter Verein direkt sowas Anspruchsvolles auf die Beine zu stellen ist wirklich beeindruckend. Na dann bleibt zu hoffen, dass es im Kasseler Raum genug Interessenten gibt, um das Ding am Laufen zu halten.
Ich erlaube mir, Roberts Beitrag noch Ergänzungen hinzuzufügen: Die als „Solo-Künstlerin“ umtriebige Kriistal Ann alias Anna Michailidou ist auch Co-Sängerin und -Mitglied der als Duo fungierenden Formation Paradox Obscur (die Beiden haben noch ein Ding am Laufen, das aber etwas mehr Indie/Gothlastig ist…). Also, nicht wundern, wenn gewisse (musikalisch vernehmbare) Ähnlichkeiten zwischen beiden im obigen Artikel erwähnten Projekten zu verorten sind…
Und, anders als bei den als Beispiel erwähnten She Past Away, sind die Texte von Kriistal Ann und Paradox Obscur nicht alle in deren griechischer Muttersprache gehalten, sondern auch in Englisch, auffallend ist dabei jedoch Frau Michailidous recht herber, aber durchaus charmanter Akzent. Aber das ist bei gewissen einschlägigen deutschen/französischen/italienischen/etc. Bands/Künstlern ja auch nicht anders, oder? Und an sowas haben wir uns z.B. im Falle Laibach ja eh schon gewöhnt (und wollen das auch gar nicht anders haben und/oder hören wollen, nicht wahr?).
Im Allgemeinen ist jedoch zu beobachten, daß Bands/Künstler aus den „üblich verdächtigen“, bzw. „klassischen“ „Szene“-Vertreter-Ländern vermehrt „Konkurrenz“ aus allerlei (Indie/Pop-)Musik-„Exoten“-Ländern bekommen haben – und das auf hohem Niveau. Waren dies früher im Verhältnis gesehen wirklich noch aufsehenerregende Ausnahmen, so sind qualitativ auf hohem Level und Augenhöhe produzierende „Szene“-Künstler aus „aller Herren Länder“ mittlerweile keine Seltenheit mehr – was gut so ist. Und beinahe ist es schon soweit, daß man eher überrascht reagiert, wenn zwischendurch mal wieder etwas einschlägig „Gescheites“ aus England oder Deutschland zu vermelden, bzw. zu vernehmen ist…
T.S.: Mit der Beobachtung gehe ich vollkommen d’accord! Bei meinen Veröffentlichungen sind Länder wie Griechenland, Italien, Australien, Russland, Polen aber auch die USA an der Tagesordnung. Gerne auch Frankreich. Aber so aus den klssischen Ländern Deutschland, UK und Skandinavien finde ich kaum noch spannende Bands. Klar, wir haben tolle Bands in Deutschland wie Aeon Sable, La Scaltra, Monowelt, Bleib Modern, Salvation AMP etc. Aber nach 30-40 Bands muss ich dann schon überlegen. Das ist für ein großes Land wie Deutschland schon schade.
Nun, Axel, vielleicht sind wir (gerade auch subkulturell) mittlerweile eher ein „Volk“ von ach-so-„detailliert-vielfältigen“ (und ungeheuer „individualistischen“ – siehe „Japan-Diskussion“…) Konsumzombies geworden, die sich lieber berieseln lassen (gerne auch mal auf „hohem Niveau“…), anstatt selber (gerade auch „subkulturell“) künstlerisch aktiv zu werden…
Vielleicht liegt es aber auch an den veränderten und verschobenen (eher verflachten) breiten, bzw. breiteren (auch derer, die „subkulturell“ sich bestimmt angesprochen fühlen – höhö…) aktuellen Hörgewohnheiten, daß man als hiesiger Künstler mit einem gewissen Anspruch es vielleicht sich zweimal überlegt, einer Masse von Deutschpop-Schlafwandlern und schlageraffinen sich-belullern-Lassern, wahlweise auch Härteposer-Prolls (auch gewissen subkulturellen – oder denjenigen, die sich dafür halten!) Perlen vor die Wutzen zu streuen…
Vielleicht ist die große (gerade auch „subkulturelle“) „glorreiche“ Zeit der großen (gerade auch gewiss subkulturellen) „glorreichen“ Namen (Einstürzende Neubauten, Der Plan, X-mal Deutschland, Belfegore, Klopferbande, Haus Arafna, 39 Clocks, Stimmen der Stille, Mask For, etc.etc.etc. – aber bestimmt möchte ich wohlgemerkt NICHT so welche wie Blutengel, Dorsetshire, Lackiermichihrwisstschon, Nachtmahr, Eisb(r)echer, etc.etc.etc. dazu zählen…) längst vorüber… (jaja, „sic transit gloria mundi“ und das Sitzen auf den Schultern von Giganten, ihr wisst schon…)
Vielleicht hat der eine oder die andere, es mit einer anachronistischen Tunnelblick-„Szene“ zu tun zu haben, aber auch vollkommen „über“…
Immerhin gibt es hierzulande aber zum Glück immer noch rührige und engagierte Klein- und Kleinstlabels nebst Veranstaltern, die uns „Connaisseuren“ (auch ohne selbst künstlerisch aktiv zu sein… – oder es zu können…) immer noch die (sub-)kulturelle Welt zu Füssen legen können (und Nein! – Labels, die uns mediokren Pseudo-„Underground“-Humbug wie Nachtmahr und Konsorten kommerziell um die Ohren schlagen wollen, meine ich damit ganz bestimmt nicht!)
Und vielleicht guckt man sich auch mal relativ frische Bands wie z.B. Die Nerven, Messer, Karies, Drangsal, Isolation Berlin, etc. an – da geht doch noch was aus deutschen Landen (auch wenn es nicht gerade so typischer „hasch-mich-oder-ich-fress-dich-Goth“ ist. Aber ich dachte, „Post-Punk“ – wenn auch Neo-Neo-Neo- ist doch sowieso der neueste Sch***, oder?)
Kultige Post-Punk, Coldwave- oder was-auch-immer – Bands waren (oder sind es schon wieder, sofern nach jüngsten Compilation-Veröffentlichungen vielleicht wieder neues Material hinzukommt) auch immer die griechischen ALIVE SHE DIED und FEAR CONDITION, und ich denke da gab es sicher auch noch mehr in den Achtzigern, was es Wert wäre, wieder ausgegraben zu werden.