So mache ich das jetzt immer. Wenn mir ein Festival aus unserem Underground-Guide zusagt und ich mich nicht entscheiden kann, zu welchen ich denn nun fahren soll, bitte ich die Veranstalter um ein Interview und bringe in Erfahrung, ob hier jemand mit Leidenschaft bei der Sache ist. Das doofe bei der Sache ist, dass ich bis jetzt noch niemanden getroffen habe, der ohne Herzblut, Fleiß und der Bereitschaft, Stunden der eigenen Freizeit zu opfern, etwas auf die Beine stellt.
Am Rande des Kalte-Sterne-Festivals, das ich im Mai in Oberhausen besuchte, traf ich Nina, die sich als Veranstalterin des Mini-Cave Festivals in Münster (20. bis 22. September 2019) outete. Ich kannte das Festival zwar schon vom Namen her, hatte mich aber nie wirklich damit beschäftigt. Während unseres kleinen Plausches über das Festival erfuhr ich einige Dinge, die ich so nicht erwartet hatte. Grund genug, ihr ein paar Fragen zu schicken.
Nina Horstkamp ist ein Kind des Ruhrgebiets, lebt in Essen und ist in Dorsten aufgewachsen. Bereits vor einiger Zeit vermisste sie ihre geliebte Gitarrenmusik auf den Festivals der Republik. Sie beschloss, selbst was auf die Beine zu stellen, was letztendlich im Mini-Cave Festival mündete. Stillhalten zählt sowieso nicht zu den Stärken der quirligen Spät-Dreißigerin. Mit ihrer Tribal Style Dance Gruppe MaidendanZ betanzt sie regelmäßig Mittelaltermärkte in ihrer Umgebung und organisiert auch in dieser „Szene“ regelmäßig Events und Workshops. Als wäre das noch nicht genug, engagiert sie sich ehrenamtlich im Foodsharing und stallt Legehennen aus, die aus „wirtschaftlichen Gründen“ nicht mehr gebraucht werden.
Ihr besonderes Verhältnis zu Lebensmitteln spiegelt sich auch in ihrem Mini-Cave Festival wieder, denn anstatt sich auf einen Catering-Service zu verlassen, nimmt sie zusammen mit Freunden die Verpflegung der Gäste und Künstler selbst in die Hand – oder besser gesagt in den Topf. Aber Eins nach dem Anderen:
Spontis: Nina, wie kam es überhaupt dazu, Dein eigenes Festival auf die Beine zu stellen?
Nina: Es ist irgendwie passiert *lach*. Mit der Minicave Party- und Konzertreihe habe ich 2011 zusammen mit Frank (DJ Linearnetrik) begonnen. Zu Beginn alle 2 Monate, bis wir merkten, dass das mal eben so nebenbei zu einer beruflichen Tätigkeit zu viele Ressourcen frisst. Dann sind wir auf eine halbjährige Veranstaltung umgestiegen. Irgendwann kam der Entschluss, dass wir die Zusammenarbeit beenden wollen und da wir von Beginn an ein internationales Publikum angesprochen zu Gast hatten, wollten wir die letzte Party mit einem großen Event beenden, das sich auch für die Gäste mit weiter Anreise lohnt. Also sind wir auf 2 Tage umgesattelt und was soll ich sagen?
Die Erde hat gebebt, das Triptychon war eine Tropfsteinhöhle, das Festival ein voller Erfolg. Ich konnte nicht anders, als allein weiterzumachen, schließlich ist Minicave mein „Baby“. Ich habe damals die Location ausgesucht, den Namen und das Konzept entstehen lassen und überhaupt hing mein Herz zu sehr an dem Event und den glücklichen Gesichtern der Besucher. Frank hatte nichts dagegen, dass ich allein weitermache und so ist das Minicave-Festival entstanden, wie ihr es jetzt kennt.
Spontis: Wie läuft das ab, wenn man ein Festival wie das Mini-Cave auf die Beine stellt? Wie wählst du aus, welche Bands spielen sollen und wie stellst du dann den Kontakt zu den Bands her?
Nina: Vermutlich gehe ich hier ganz unkonventionell vor. Ich lasse es entstehen und entscheide überwiegend intuitiv. Passt die Band zum Minicave-Spirit? Passt sie ins diesjährige Line-Up? Werden die Minicave-Gänger die Musik mögen? Passiert ordentlich was auf der Bühne und bringt die Band ordentlich Energie mit? Hat die Band mich live schon mal begeistert? Und natürlich: Ist die Band bezahlbar? Wie läuft die Kommunikation im Vorfeld, werden plump Worte dahingekritzelt ohne „Hallo“ und „Tschüß“ und ein paar einleitenden Worten oder gibt es einen netten Austausch, der durchblicken lässt, dass hier Menschen hinter stehen, die ihre Musik lieben und gut zur Minicave-Familie passen werden?
Mein Vorgehen an einem Punkt festzumachen kann ich gar nicht. Es ist ein Mix aus all den aufgeführten Fragen, die mir durch den Kopf gehen. Für mich wichtige Kriterien, um eine gute Festival-Stimmung sicherzustellen. Dazu habe ich die große Ehre und das große Glück, dass die Bands überwiegend auf mich zukommen und ich selten eine Band von mir aus kontaktieren muss. Sollte dem sein, tue ich dies direkt, sobald ich Kontaktdaten habe. In der heutigen Zeit gehört dies wohl zu den einfachsten Tätigkeiten bei der Organisation eines Festivals.
Spontis: Um was musst Dich im Vorfeld des Festivals alles kümmern? Organisierst du Unterbringung und Reise der Bands und Künstler selbst?
Nina: Für ein Festival gibt es viele, viele Dinge, die vorab organisiert werden müssen. Es fängt an mit der Buchung der Location, Zusammenstellung des Line-Ups, Werbung, Flyerdesign, Security, Technik, Licht, liebe Menschen, die mir vor Ort helfen, Minicave-Merchandise, Stellplatz für Camper, Band-Catering, und, und, und. Da kommen gefühlte tausend, oft auch kleine Dinge zusammen.
Die Anreise organisieren die Künstler selbst. Das ist einfacher, da die Bands selber besser wissen, wann sie zum Beispiel losfahren können. Ich hätte auch gar nicht die Kapazitäten, Fahrdienste zu übernehmen. Um die Unterbringung kümmere ich mich überwiegend, es sei denn die Bands nehmen das Eigenständig auf ihre Kappe. Hin und wieder kümmere ich mich auch um die Unterbringung eines Gastes, wenn jemand Unterstützung braucht.
Spontis: Du hast mir erzählt, dass du Dich um die Verpflegung der Bands und der Gäste selbst kümmerst, stundenlang vor- und zubereitest. Ich finde das recht ungewöhnlich. Warum nimmst du nicht einfach ein externes Catering?
Nina: Lebensmittel sind für mich ein sehr wichtiges Thema. Ich bin ehrenamtlich bei Foodsharing aktiv, rette seit einigen Jahren genießbare Lebensmittel vor der Mülltonne und baue mein Gemüse so gut es geht selbst an. Dadurch ist für mich der Wert und die Bedeutung von gesunden und frischen Lebensmitteln enorm gestiegen. Ich möchte nicht, dass die Bands eine fettige und schwere Pizza essen müssen (nichts gegen Pizza 😉 ) und danach mit voller Power auf der Bühne stehen sollen. Wir alle wissen, wie schwer uns fettiges und ungesundes Essen im Magen liegen kann. Dazu isst der eine gern vor dem Gig, der andere danach und der nächste gern die ganze Zeit (hihihi). Die Bands sind oft den halben Tag mit mir vor Ort. Da soll dann auch die ganze Zeit was Gutes bereitstehen. Wenn ich das Essen selbst zubereite, weiß ich, was drin ist und dass es 100% vegan oder vegetarisch ist. Da können wir uns sonst ja nie so sicher sein! Zum Glück gibt es auch noch ein paar tolle Menschen, die mich beim Catering unterstützen und jedes Jahr ganz köstliche Gerichte beisteuern. Ich danke euch von Herzen an dieser Stelle!
Und gibt es was Schöneres, wenn du am frühen Morgen/Vormittag den immer noch ausgiebig Feiernden und Tanzenden einen Kaffee plus Brötchen auf die Tanzfläche bringst und sie dich dankbar und freudig anstrahlen. Ich liebe diesen Moment!
Spontis: Hast du Dir Münster als Veranstaltungsort ausgesucht oder wie kam es dazu, das Festival dort zu veranstalten?
Nina: Ich kannte das Triptychon von früheren Veranstaltungen und mir war sofort klar, dass ich nur dort den Spirit, den ich haben wollte, bekommen werde. Da war die Entscheidung schnell getroffen, die Minicave dort zu veranstalten. Ich habe hier viele Freiheiten, die es mir als Veranstalter sehr leicht machen und ich woanders nicht habe.
Spontis: Wieso heißt das Mini-Cave eigentlich Mini-Cave?
Nina: Mini = MINImal – Cave = BatCAVE. Frank und ich wollten damals den Mix aus beiden Musikrichtungen: Gitarre und Synth. Er war Mini und ich bin Cave. So habe ich den Namen mal auf einer Fahrt von Berlin nach Hause kreiert.
Spontis: Welcher Augenblick des Festivals ist für die der spannendste?
Nina: Hm…..gute Frage….es gibt so einige. Sehr spannend ist für mich, wenn die Türen aufgehen, wie viele Menschen kommen werden. Ergreifende Momente sind für mich, eine tanzende und feiernde Menge gut gelaunter Menschen während der Konzerte und der anschließenden Party zu sehen. Denn schließlich organisiere ich das Festival, damit viele Menschen gemeinsam Spaß haben können.
Spontis: Ist auch schon mal was richtig schief gegangen?
Nina: So wirklich richtig schief gegangen ist noch nichts. Zumindest kann ich mich nicht erinnern. Irgendwann 2013 oder 2014 kam die Stadt Münster auf die Idee, dass wir Vergnügungssteuer nachzahlen müssen. Das war uns bis dahin nicht bekannt. Der Prozentsatz ist in Münster recht hoch und es wird nicht an den „Gewinnen“ berechnet, sondern an der Anzahl der anwesenden Gäste. Ohne die grandiose Bereitschaft der Minicave-Gänger und ihrer Spenden damals, hätten wir nicht weiter gemacht. Das war nämlich eine richtig ordentliche Summe!
Spontis: Wirft so eine Veranstaltung einen Gewinn ab, ist es eine Null-Nummer oder musst Du auch schon was drauflegen?
Nina: Drauflegen muss ich zum Glück schon länger nicht mehr und auch meine Unkosten sind gedeckt. Wenn Gewinne bleiben, verteile ich diese an die Bands oder es geht in die Finanzierung des nächsten Festivals/der nächsten Konzerte.
Spontis: Wie hat sich das Mini-Cave Festival in den letzten Jahren verändert? Sicherlich wirst du aus Fehlern gelernt und auf die Bedürfnisse der Gäste eingegangen sein.
Nina: Definitiv habe ich viel lernen dürfen und gehe manche Dinge anders an. Ich prokrastiniere nicht mehr und fange rechtzeitig an, alles vorzubereiten und in die Wege zu leiten. Mein Lieblingshobby früher war nämlich, alles auf dem letzten Drücker zu machen. Doch mehr Struktur bringt Entspanntheit in die Organisation. Was die Bedürfnisse der Bands angeht und welche Unterstützung ich vor Ort benötige ist ebenfalls gewachsen und kann ich gut im Vorfeld steuern. Ansonsten machen ich alles noch so wie am ersten Tag, mit viel Herzblut und Leidenschaft!
Eine Sache hat sich allerdings deutlich verändert. Egal wo ich hinkomme oder mit wem ich schreibe, bekomme ich das Feedback, dass die Menschen das Minicave-Festival kennen und/oder bereits davon gehört haben. Das finde ich immer wieder überwältigend und kann kaum glauben, dass es sich rund um den Globus herumgesprochen hat. Wahnsinn!!
Spontis: Wobei lässt Du dir bei der Organisation des Festivals helfen?
Nina: Da gibt es zwei ganz große Bereiche. Im Vorfeld lasse ich mir beim Flyer- und Merchdesign helfen. Ich bin kein Computermensch und komme mit den meisten Softwareprogrammen nicht zurecht. Zum Glück teilen viele talentierte Menschen den DIY-Gedanken und helfen mir hierbei.
Vor Ort bin ich sehr auf die Hilfe und Unterstützung lieber Menschen angewiesen und bin überglücklich, dass mich jedes Jahr ein tolles Minicave-Team unterstützt, mit anpackt, dekoriert, das Catering startklar macht, an der Kasse sitzt und mir zur Seite steht. Ich liebe euch dafür! Denn machen wir uns nichts vor: Allein geht das nicht!
Das Mini-Cave Festival 2019 findet vom 20. bis zum 22. September im Triptychon in Münster statt. Dieses Jahr spielen Geometric Vision, VVL, Ben Bloodygrave, Parade Ground, Varsovie, Date at Midnight, The Foreign Resort, Readership Hostile, Stockhaussen und die Traitrs live auf der Bühne. Die Karte für beide Tage kostet 46,50€ und kann bei Positive Records bestellt werden.
Super ! Danke dass weckt Ideen !!
Martin Phoenix : Ich bin gespannt, welche Idee aus Dir heraus sprudel :) Wenn du dein eigenes Festival machen möchtest, würden wir uns freuen davon zu hören ;)