Die Dragon Con ist eine der größten Fantasy und Science-Fiction Conventions, die seit 1987 jährlich in den USA veranstaltet wird. Mit über 40.000 Besucher ein spektakuläres Massenereignis, das Cosplayer, Manga-Fans, Fantasyliebhaber, Rollenspieler und Science-Fiction-Verrückte aus aller Welt anlockt. Ein sehr beeindruckendes Video über die Convention und ihre Besucher entdeckte ich in einem anderen Blog.
„Das ist wie Karneval ohne Alkohol!„, las ich in den Kommentaren, dass brachte mich zum nachdenken. Ist das wirklich so? Ich wollte Gefühl der Entrüstung nachgehen und habe versucht zu beschreiben, wo ich den Unterschied sehe. Und natürlich möchte auch das Video präsentieren, denn manche Protagonisten und ihre Kostüme sind reiner Augenzucker.
Mit Karneval kenne ich mich aus, denn hier am Niederrhein bekommt man diese alljährlich Treiben in die Wiege gelegt, es ist schon fast einer religiösen Konditionierung gleichzusetzen. Gemocht habe ich es nie, manchmal bin ich mitgegangen um die Erinnerung an die Ablehnung aufzufrischen. Im Kern besteht der Karneval aus einer alten Tradition, Kostümen und hemmungslosen, verkleideten Ausleben eines mir unerklärlichen Zwanges nach dem Loslassen der eigenen Vernunft. Alkohol spielt eine wichtige Rolle, denn bei vielen Menschen scheint das der Schlüssel zu einem enthemmten Zustand zu sein, in dem das in Ordnung ist, was sonst eben nicht in Ordnung ist. Vernunft weicht selbstauferlegter Unvernunft, „kommt lasst uns Spaß haben und feiern bis der Arzt kommt!“ es wirkt wie ein mehrtägiges Freisprengen von gesellschaftlichen Konventionen. Für mich ist das nichts mehr, vor einiger Zeit beschloss ich endgültig, mich dieser merkwürdigen Tradition nicht mehr zu beugen. 2009 unternahm ich einen letzten Versuch, dieses Fest zu verarbeiten. Ein Fehlschlag, ich werde es nie verstehen.
Und was hat das mit der Dragon Con zu tun? Nichts! Genau das ist der Punkt. Ich bin kein Cosplayer, finde diese Art der Selbstdarstellung aber sehr interessant, spannend und kreativ. Menschen leben ihren Leidenschaften aus, zeigen ihrer Fertigkeiten und Phantasie und haben Freude daran, sich zu verkleiden um in die Rolle ihres Vorbildes zu schlüpfen. Ich glaube nicht, dass ein als Tiger verkleideter Karnevalist einen Tiger als Form einer Fantasy-Figur verehrt oder selbst einmal als Tiger leben möchte. Natürlich geht es bei der Convention um das Sehen und Gesehen-Werden, es ist ein Schaulaufen der Eitelkeiten, eine Leistungspräsentation der Fertigkeiten, doch daran kann ich nichts verwerfliches entdecken. Im Gegenteil. Viele der Teilnehmer benötigen keine Enthemmung in Form von Alkohol, viele der Kostüme sind extrem aufwendig hergestellt. Man kennt die Geschichte seiner Figur, identifiziert sich mit ihren Abenteuern.
Die einzige Gemeinsamkeit mit Karneval bleibt wohl das Verkleiden und das ist auch gut so. Man mag es als infantil betrachten, wenn sich Erwachsene als Comic-Helden verkleiden, mag sogar sein, dass man den gemeinen Gothic mit ähnlichen Augen betrachtet, ich finde das Gegenteil ist der Fall. Für mich ist es weitaus Erwachsener, seinen Leidenschaften nachzugehen, sich weiterhin auszuprobieren und sich sein ganz eigenes Bild von Vernunft und Unvernunft zu schaffen. Muss ich mir von einem als Zahnpastatube verkleideten, volltrunkenen Karnevalisten sagen lassen, eine Dragon Con oder Cosplay wären albern? Manchmal wünschte ich, ein Spiegel gehörte zur Grundausstattung meiner Tasche.
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Wahre Worte Herr Spontis ;D
Zu dem von dir angesprochenen Schaulaufen:
So als Kostümträger hat man zu dem ganzen Schaulaufen auf dem WGT ne andere Einstellung, denn man kennt das sich u freuen, wenn man mal photgraphiert wird, deswegen wirken diese ganzen „Models“ ziemlich unglaubhaft, da es für sie ja angeblich Lebenseinstellung ist. Da fragt man sich schon warum sowas dann zur schau getragen werden muss wenns doch angeblich so normal für jemanden ist ;D
Kann dir also zustimmen Karneval hat nichts damit zu tun, denn beim Karneval gehts eher drum in einem möglichst billigen Kostüm möglichst viel zu trinken, so kostümieren wie für die Dragon Con dagegen erfordert meistens lange und harte Arbeit um sein Ziel zu erreichen.
P.S. Demnächst ist wieder Spaceritter in der Niebuhrg in Oberhausen, wer kommen will sei herzlich dazu eingeladen am Stand der Mandalorian Mercs vorbei zu schauen, außerdem wird es dieses Jahr einen vollständigen Artikel zu geben ;)
Bösartig, wenn man bedenkt, dass viele so aussehen, als wären sie von den jeweiligen Produzenten höchstpersönlich zur »Promo-Tour« dort abgesetzt worden…wenn man sich die Kostüme mal im Standbild in Ruhe anschaut. Vor allem, für mich, jene Rüstungen aus Fallout, Mass Effect, der Aufmarsch der Boba Fetts und weiß der Geier. Man wird bei den Amis wahrscheinlich einiges der Ausstattung recht unkompliziert kaufen können. Aber sicherlich nur einiges.
Der Unterschied zum dumpf pflichtheiterkeitsgetränkten Karneval dürfte ohne Gegenargument klar sein. Wobei wohl auch ein als volltrunkene Zahnpastatube verkleideter Karnevallist damit eine unterschwellige Sehnsucht nach einem solchen Parallelleben zum Ausdruck bringen könnte. Und sich derart stark damit identifiziert, wie all die Bunkerbewohner, jener stählerne Bruder oder die Pixelhelden des Videos.
Die Frage, die ich mir allerdings stellte, sehe ich in dem Aufkommen individuell Kostümierter einen Unterschied zu diversen hiesigen Musikfestivals? Zu dem Video bringe ich meine Anerkennung über all die aufwendigen Kostüme und das Rollenspiel zum Ausdruck. Bei der anderen Berichterstattung stöhne ich über die Masse an herausgeputzten Schauläufern. Doch im Grunde ist das ein und dasselbe, da beide Parteien einzig ihre Darstellung leben.
Lediglich die Intention der Veranstaltung drum herum würde den Unterschied der Emotionen rechtfertigen; denn die Art der Verkleidung ist nicht weniger sinnlos oder aufwendig.
Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht bildet man sich auch nur ein, dass das Rahmenprogramm eine Rolle aufzudrängen hat, an die man sich gefälligst halten sollte. Und somit ein Catwoman bei der DragonCon bestaunt, beim WGT aber »bitter belächelt« wird.
@Schatten: Ich bitte um einen vollständigen Artikel! Sogar nachdrücklich. Vielleicht hast du ja auch Gelegenheit ein paar nette Bilder davon zu machen.
Guldhan: Interessanter Punkt. Wenn wir die Paralleln zum WGT ziehen, kommt das selbstverständlich ein Zwiespalt. Ich entspreche aber teilweise deiner Intention und darüber hinaus habe ich Schaulaufen nie als Teil des Festival-Treibens betrachtet, im Gegenteil, die momentanen Auswüchse gehen in der Tat in Richtung Dragon Con. Da hast du völlig recht. Das war aber nie der Grund für das Festival, im speziellen das WGT. Mittlerweile ist das Schaulaufen ja fester Bestandteil und die „Szeneteilnehmer“ setzen sich genau dafür in Szene. Und das ist hierbei der Punkt. Mir ging es nie darum mich bewusst in Szene zu setzen.
Bei der Dragon Con ist Schaulaufen eigentlich ein GEWOLLTER zentraler Bestandteil. Beim WGT ist es, für mich jedenfalls, ein UNGEWOLLTER Bestandteil geworden. Darüber hinaus finde ich, das es bei der Dragon Con um das Darstellen einer Fantasie-Figur oder der Identifikation damit, während es beim WGT ja im Grunde um das Ausleben des eigenen Ichs geht. Dieser Punkt ist sicherlich, wie so viele andere auch, streitbar.
Ich kann in diesem Punkt nur für mich sprechen, ich werde mich weiterhin über das Schaulaufen und die Aufmerksamkeitserregung auf einschlägigen Festival echauffieren und mich für die Dragon Con begeistern, weil das dort dazugehört.
[…] Mir ging es nie darum mich bewusst in Szene zu setzen.
Bei der Dragon Con ist Schaulaufen eigentlich ein GEWOLLTER zentraler Bestandteil. Beim WGT ist es, für mich jedenfalls, ein UNGEWOLLTER Bestandteil geworden. […]
In der Tat. Das kann man so stehen lassen und als Futter für weitere Missbilligung des aufgetakelten Schauläufers heranziehen.
Ich bin ja mal gespannt, wann sich die Grenzen verwischen und sich auch beim WGT die Paraden etablieren. Wenn sich dann die Sparten zusammenrotten und hinter ihrem Clanbanner durch Leipzigs Straßen ziehend ihre »Kostümchen« präsentieren.
post scriptum: Die deutsche Urheberrechtssprechung schlug bei dem Video wieder in aller Freundlichkeit zu.