Von Thüringen weiß man nicht viel, von Thüringen kennt man nicht viel. In Thüringen fängt die Wildnis in der Regel unmittelbar hinter der Stadtgrenze an und windet sich in verschlafene Dörfer und kleine Nester. Leipzig, Dresden, Berlin sind die Städte, die einem in den Sinn kommen, denkt man an den Osten – Ilmenau ganz sicher nicht. Ilmenau kennt man, wenn man Strecken fährt, die dort vorbei führen oder wenn man bei der Suche nach einem Studium auf die technische Hochschule dort gestoßen ist – oder wenn man den Campus Noir kennt. Ein Festival zum lieben – klein, fein, familiär und mit sehr viel Herzblut auf die Beine gestellt. Mehr als genug Gründe um hier vorgestellt zu werden und mit den Veranstaltern zu quatschen.
Am 24. September 2016 findet in Ilmenau der sechste Campus Noir statt, was erwartet die Besucher?
Als Allererstes? Herzblut an allen Ecken und Enden des Campus. Und dann natürlich wieder ein sehr abwechslungsreiches Programm und jede Menge Spaß.
Der Campus Noir ist ja in erster Linie eine große „Familienfeier“. Der Hauptgedanke liegt auf der Party mit allen. Das bezieht auch Bands, DJs, Künstler und alle anderen Beteiligten mit ein. Drei Clubs, drei Partys – Ein schwarzer Campus! Das hat sich als Motto durchgesetzt und mit der „Oldschool-Celebration“ im bc-Club, „All Styles of Dark Electronics“ im bh-Club und der „Schwarzromantischen Tanznacht“ im bi-Club ist im Prinzip auch für jeden aus der Szene was dabei. Wenn man mag, kann man in zwei Minuten im nächsten Club sein und über seinen eigenen Tellerrand hinausschauen. Dazu haben wir auch in diesem Jahr eigentlich nur wirkliche „Live-Schmankerl“, die man selten in so familiären Clubs sieht. Sei es unser Lineup-Neuzugang No More, die nun schon seit Ende der 70er aktiv sind oder der Shooting-Star Henric de la Cour aus Schweden, der in seiner Heimat eigentlich schon Kultstatus genießt. Matthias Ambré und Marcus Testory als Die Kammer – minimized ist auch etwas ganz besonderes als rein akustisches Singer/Songwriter-Duo und zu guter letzt noch das (wahrscheinliche) Abschiedskonzert der Gothrocker von Burning Gates.
Ganz besonders freuen wir uns, dass sich auch in diesem Jahr wieder Freunde aus allen Ecken Deutschlands angekündigt haben – von Dresden bis Leverkusen, von Berlin bis Frankfurt am Main. Es ist wirklich eine große Familie, die sich über jeden Neuzugang freut! ;)
Wie kam es zu der Idee dieses Festival auf die Beine zu stellen?
Ursprünglich wollten wir von LabelLos.de eine 5-Jahres-Geburtstagsparty unserer Plattform im bc-Club feiern. Das war 2011 und sollte eine reine Oldschool-Goth-Veranstaltung werden. Da es damals eine terminliche Überschneidung mit dem Moon Light Dance gab (der monatlichen schwarzen Party im bh-Club), haben wir uns kurzerhand, zusammen mit den Clubs, dazu entschlossen, die Party gleich auf beide Locations auszuweiten. So wurde es von Beginn an möglich, ein breites musikalisches Spektrum abzudecken.
Was hat sich im Laufe der Zeit geändert?
Da die erste Ausgabe erfolgreich war, versuchten wir für 2012 unser Konzept zu verfeinern. Mit dem Einstieg des bi-Club als Dritten im Bunde, konnten wir uns noch breiter Aufstellen, neue Möglichkeiten ausloten. Ziel war und ist es immer noch, alle Kern-Facetten der Gothic-Szene einzubeziehen, ähnlich wie es in den 90ern auf nahezu jeder schwarzen Party war. Da hatte jedes Genre seine „Runde“ und dann bist du halt Bier holen oder Knutschen gegangen oder hast dir mal was Neues angehört. Bei uns wird dies nun eben in drei Locations zelebriert, die nur einen Steinwurf voneinander entfernt liegen – Party-Hopping leicht gemacht.
In den letzten Jahren kam dann auch noch das bc-Studentencafé dazu, das sich um die Ausrichtung des „Schwarzen Katerfrühstücks“ am Tag danach kümmert. Somit sind mittlerweile vier von fünf Sektionen des Ilmenauer Studentenclub e.V. am Campus Noir beteiligt. Natürlich ist dadurch auch das Organisationsteam gewachsen. Ein gutes Dutzend Leute kümmern sich fast ein Jahr lang um die Vorbereitung und Planung, dazu kommen am Veranstaltungstag selbst nahezu 100 Helfer aus den Clubs und von extern. Ohne das ehrenamtliche Engagement vom Organisationschef bis zum Einlass wäre die Veranstaltung nicht möglich. Lediglich die Künstler und unsere Soundfirma werden für ihre Mühen entlohnt und das muss auch so sein.
Und für die Zukunft – was ist geplant?
Wir werden auch in der Zukunft versuchen, nicht langweilig zu sein. Es ist immer unser Ziel, neue Akzente zu setzen, sei es, in dem wir den ein oder anderen Live-Act buchen, den man noch nie auf einer Bühne in unserer Gegend gesehen hat, oder indem wir plötzlich im Außenbereich wieder völlig andere Ideen umsetzen. Es muss natürlich auch machbar sein. Wir sind keine kommerzielle Veranstaltung und das soll auch so bleiben. Also muss man mit begrenzten Mitteln arbeiten können und das fehlende mit Herzblut und Kreativität ausgleichen.
Was treibt euch an, dass ihr den Campus Noir immer wieder ausrichtet?
Naja, wenn wir ehrlich sind, gibt es ab und zu einen Punkt, an dem du sagst „Jetzt wird’s mir zu anstrengend! Das ist aber das allerletzte Mal!“. Warum dann alle doch wieder weiter machen, sind die vielen schönen Erinnerungen an die Veranstaltungsabende selbst – wenn du merkst, dass alle Spaß haben und sich freuen, dass die Stimmung super ist und dass sie noch Wochen oder Monate darüber reden. Und dass man natürlich selbst immer wieder viele Freunde trifft, die man teilweise ein Jahr lang nicht gesehen hat, und viele neue Freunde kennenlernt. Wenn dann noch das Feedback von den Bands passt, sind wir einfach nur zufrieden und weiter geht’s.
Wie sucht ihr die Bands eigentlich aus?
Oh, die empfiehlt uns das Ilmenau-Orakel. ;) Nein, Spaß beiseite. Ich glaube, da gibt es kein so festes Schema. Natürlich versuchen wir, Bands ranzuholen, die man nicht alle Tage hier sieht. Gerade im Oldschool-Bereich ist Thüringen beinahe totes Land. Das wollen wir gern ändern. Und dann müssen wir einfach auch persönlich davon überzeugt sein. Manchmal siehst du einfach eine Band live oder auf Video und bist gleich geflasht. Dann muss die eben irgendwie her. So ging es uns beispielsweise 2013 bei Scofferlane aus Russland, die noch nie im westlichen Europa gespielt hatten. Die kannte hier quasi niemand, haben sich aber bei vielen ins Gedächtnis gebrannt.
Ilmenau ist ja eigentlich ein richtiges Nest, was meint ihr, warum sich die Szene dort derartig etabliert hat?
Ilmenau hat schon länger eine recht gut funktionierende Szene für eine Stadt dieser Größenordnung. Hinzu kommt, dass in den letzten Jahrzehnten natürlich auch immer wieder neue Leute durch die Technische Universität angelockt wurden. Mit den Studentenclubs, die seit mittlerweile über 40 Jahren die Kultur in der Stadt mit gestalten, hat man gute Voraussetzungen, neue Ideen recht „risikofrei“ und kreativ umzusetzen.
Der Rest ist Eigeninitiative und ein funktionierendes Netzwerk nach außen. Aber wer einmal unser kleines Ilmenau besucht, die Leute hier kennengelernt und Spaß hat, der kommt auch gerne wieder.
Und das ist kein bisschen gelogen. Wen es jetzt also packt oder wer spontan Zeit hat: bis Sonntag 18.09. (BH-Club) und vom 19.09-23.09 (Bc-Studentencafé) können Karten im lokalen Vorverkauf erworben werden. Online-Tickets zum Ausdrucken gibt es bei TixforGigs. Und nach dem Katerfrühstück kann die Heimfahrt nur laufen.
Hach ja, eines der kleinen und symphatischen Festivals, auf die ich so gerne mal fahren würde… Das Lineup dieses Jahr sieht nett aus, für mich wären die Burning Gates definitiv Programm (schade, dass sie sich auflösen, warum eigentlich?)
Naja, wenn nicht dieses, dann doch nächstes Jahr. Irgendwann komme ich mal wieder raus.
Warum gibts im Süden Deutschlands eigentlich keine Festivals? Grmpf
Btw, der Sänger von Scofferlane hat keine schlechte Stimme… Danke für den Tip, muss ich mal weiter reinhören.
Sieh an, was sich in dem kleines Nest verbirgt. Dort war ich erst vor drei Wochen und niemals hätte ich dort ein schwarze Szene vermutet. Im Gegenteil, ich habe mich dort eher als Fremdkörper gefühlt. Wie so oft sieht man als Touri leider nicht die Schätze, die sich vor einem ausbreiten, wenn man unvorbereitet in einem Ort ankommt. Er lag auf unserer Reisestrecke und hatte anfangs durchaus einen gewissen Reiz ausgestrahlt.
Tja, da war ich wohl drei Wochen zu früh vor Ort, das Festival klingt sehr interessant und einladend. Ich wünsche viel Erfolg.
@Svartur Nott: Du musst mal wieder rauskommen :) Das Young & Cold in Augsburg fand ich schon toll. Wäre das nichts für Dich?
@Gabrielle: Das geht mir auf Reisen immer ganz genau so. Ohne einen Ortskundigen Begleiter hätte ich die schwarze Szene in Berlin auch nicht gefunden. Nur vermutet :)
@Robert: Ja, das sehe ich ja auch ein… nur, die Ungewissheit… -_- Ich will endlich mal wieder eine sichere Lebensgrundlage haben, planen können. Sofern das abgehakt ist, kann ich das Y&C angehen, welches tatsächlich in meinem Fokus ist – oder eben auch andere kleine Festivals bzw. Gigs…