Silberne Hochzeit. Vor rund 25 Jahren gaben sich das Wave-Gothic-Treffen und die Stadt Leipzig das Ja-Wort, auch wenn beiden Seiten damals noch nicht ahnten, worauf sie sich eingelassen hatten. 800 Besucher waren 1992 dem Ordnungsamt gemeldet worden, 2000 Gruftis aus der ganzen Republik versammelten sich im und um den Eiskeller im Stadtteil Connewitz um sich selbst und ihre Subkultur zu feiern. Im Laufe der Jahre durchlebte man alle Höhen und Tiefen einer Ehe und überstand auch die Ehekrise im Jahr 2000, als das Treffen drohte zu zerbrechen. Inzwischen sind es rund 20.000 Besucher aus aller Welt, die jedes Jahr zu Pfingsten nach Leipzig strömen und das WGT zum festen Bestandteil des städtischen Kulturkalenders gemacht haben. Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig hat dieses Jubiläum zum Anlass genommen, eine Sonderausstellung vorzubereiten. Ende letzten Jahres starteten auch wir einen Aufruf für das Museum, um Menschen zu finden die bereit waren, ihre Erinnerungsstücke und Geschichten zur Verfügung zu stellen.
Am 9. März 2016 ist nun endlich soweit. Die Ausstellung „Leipzig in Schwarz“ öffnet im Stadtgeschichtlichen Museum (Böttchergäßchen 3, Leipzig) ihre Pforten und versucht, einen genaueren Blick auf die 25-jährige Beziehung zu werfen. Es ärgert mich sehr, das ich trotz Einladung, die ich freundlicherweise per Post erhielt, bei der Eröffnung am 8. März nicht dabei sein kann. Nicht etwa um schwarze Odeuvre zu genießen oder an einem Sekt zu schlürfen, den ich nicht mag, sondern um die Menschen kennen zulernen, die die Ausstellung möglich und hoffentlich interessant gemacht haben. Die Ankündigung im Flyer und auf der Internetseite liest sich schon mal spannend:
Die Ausstellung „Leipzig in Schwarz“ erzählt nicht nur die Geschichte des Gothic-Festes mit seinen wichtigsten Zäsuren. Sie erzählt vor allem Geschichten rund um das WGT. Besucher und Organisatoren berichten von ihren Erfahrungen und Erlebnissen, von Enttäuschungen und Glücksmomenten. Sie erzählen auch davon, was „Goth“-Sein für sie bedeutet, wie sie sich mit den Fragen unserer Gegenwart, mit Leben, Tod, Krieg und Religion auseinandersetzen. Und natürlich geht es auch um die beiden Hauptthemen des Treffens: Musik und Mode. Gezeigt werden extravagante Kleider, Accessoires und originale Bühnenoutfits – die bunte Vielfalt der „Schwarzen“. Konzertmitschnitte spiegeln die künstlerische Bandbreite des Treffens wider.
Doch damit nicht genug. Während der gesamten Zeit der Ausstellung versuchen zahlreiche Veranstaltungen dem Besucher etwas mehr zu vermitteln, als das die Ausstellungsstücke vermögen. Thematisch geordnete Kuratorenführungen, Workshops (unter anderem mit DEAD-Comics Zeichner Uwe Roesch) und Gesprächsrunden wollen die Ausstellung ein wenig erlebbarer machen. Zum WGT im Mai gibt es täglich gleich 4 kurze Führungen, auch in englischer Sprache.
Als wäre das nicht schon genug, haben sich Jennifer Hoffert-Karas und Alexander Nym (gemeinsam hat man bereits an Büchern wie Black Celebration und Schillerndes Dunkel gearbeitet) erneut zusammengesetzt und ein Buch zur Ausstellung vorbereitet. Inhaltlich kann ich noch nicht viel zum Buch „Leipzig in Schwarz“ machen, ich hoffe aber, das ich bald an ein Exemplar herankommen, über das ich dann natürlich ausführlich berichten werde.
Die Ausstellung hat ab dem 9. März immer Dienstags-Sonntags von 10-18 Uhr geöffnet. Jeden 1. Mittwoch im Monat ist der Eintritt frei, ansonsten bezahlen Erwachsene 5€ (ermäßigt 3,50€). Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben grundsätzlich freien Eintritt. Zum WGT über Pfingsten ist der Eintritt mit dem Festivalbändchen ebenfalls frei.
Veranstaltungskalender
- Dienstag, 8. März: Eröffnung der Ausstellung um 18 Uhr
- Donnerstag, 10. März: Schwarz und schön. Mode in der Gothic Szene. Kuratorenführung mit Dr. Johanna Sänger. Beginn ist um 17 Uhr.
- 14. – 20. März: Veranstaltungen im Rahmen der Leipziger Buchmesse unter dem Motto „Leipzig liest„
- Samstag, 19. März: Leipzig in Schwarz. Buchvorstellung in der Buchhandlung Hugendubel mit Gesprächsrunde
- Donnerstag, 24. März: Gesprächsrunde „Leipzig in Schwarz“. Ab 16 Uhr wird das Buch zur Ausstellung vorgestellt. Mit dabei sind Jennifer Hoffert und Alexander Nym, die sich für das Buch verantwortlich zeigen.
- Donnerstag, 31. März: Spitze, Samt und Lackkorsett. Führung ab 17 Uhr.
- Samstag, 2. April: Familienworkshop. Ab 14 Uhr zeigt Comic-Zeichner Uwe Roesch anhand seiner DEAD Comics den Siebdrucktechnik.
- Samstag, 9. April: Stricken Schwarz Romantisch. Ein Strick-Workshop – nicht nur für Profis ab 14 Uhr.
- Donnerstag, 14. April: Sehnsucht nach Schwarz. Kuratorenführung mit Kerstin Sieblist, die im Bereich Musikgeschichte tätig ist. Beginn 17 Uhr.
- Samstag, 23. April: Im Rahmen der Museumsnacht in Halle und Leipzig unter dem Motto „Zauber“. Beginn ist 18 Uhr.
- Donnerstag, 28. April: Schwarz und schön. Mode in der Gothic Szene. Kuratorenführung mit Dr. Johanna Sänger. Beginn ist um 17 Uhr.
- 7. – 8. Mai: Von geheimnisvollen Tinkturen, versteckten Zeichen und verrückten Frisuren. Workshop für Familien, an beiden Tagen ab 10:30 Uhr – Anmeldung erforderlich!
- Donnerstag, 19. Mai: Todessehnsucht und Lebensrausch. Kuratorenführung mit Kerstin Sieblist, die im Bereich Musikgeschichte tätig ist. Beginn 17 Uhr.
- Sonntag 29. Mai: Schwarze Mode aus Leipzig. Festlicher Abschluss der Ausstellung „Leipzig in Schwarz“. Beginn ist um 16 Uhr.
Besonderes Programm während des Wave-Gotik-Treffens
- Freitag, 13. Mai: Leipzig in Schwarz – Wie alles begann. Um 15 Uhr werden dazu einige Gesprächspartner anwesend sein, auch Michael Brunner, einer der Mitbegründer des Treffens.
- Samstag, 14. Mai: Kurze Führungen durch die Ausstellungen um 13:00 und 14:00, um 15:00 Uhr und 16:00 Uhr auch in englischer Sprache mit Jennifer Hoffert-Karas
- Sonntag, 15. Mai: Kurze Führungen durch die Ausstellungen um 13:00 und 14:00, um 15:00 Uhr und 16:00 Uhr auch in englischer Sprache mit Jennifer Hoffert-Karas
- Montag, 16. Mai: Kurze Führungen durch die Ausstellungen um 13:00 und 14:00, um 15:00 Uhr und 16:00 Uhr auch in englischer Sprache mit Jennifer Hoffert-Karas
Danke für die detailierten Infos. Der Besuch der Ausstellung steht bei mir an oberster Stelle.
Am 8.3. werde ich der Eröffnung beiwohnen … was aber bestimmt auch nicht mein letzter Besuch während der drei Monatigen Öffnung sein wird.
Einige Leihgaben ( Leihgaben im Wert von 1565 Euro laut Museum ) werden von mir mit in die Ausstellung einfließen … und das was ich bis jetzt gesehen habe , ist wirklich sehenswert und auch die Arbeit die dahinter steckt ist zu Würdigen !
Danke für den Tipp :) Mal sehen ob wir es schaffen die Ausstellung während der Leipziger Buchmesse zu besuchen.
Ich habe auch 4 Paar Pikes beigesteuert und werde, sofern ich am Pfingstmontag in Leipzig beim Spontis-Treffen bin, vorher auf jeden Fall die Ausstellung besuchen. Das, was ich durch die nette Kuratorin, die die Schuhe bekam, bislang über die Ausstellung erfahren habe, macht wirklich neugierig. Die haben sehr viel recherchiert und sind der Szene gegenüber sehr offen und positiv eingestellt, wichtig war ihnen auch, viel über die Szene-Wurzeln zu erfahren und zu zeigen.
Ja, Pikes habe ich auch beigesteuert ;-) … und ich denke es wird wirklich eine sehr interessante Ausstellung werden . Nicht so wie vor 2? oder 3? Jahren , die im Keller mit den Portraits Aufnahmen .
Hier gibt es Bilder mit einigen bekannten Gesichtern.
https://www.lvz.de/Thema/Specials/Wave-Gotik-Treffen/WGT-News/Vernissage-Leipzig-in-Schwarz-25-Jahre-Wave-Gotik-Treffen
Ich war gestern in der Ausstellungseröffnung und fand sie eigentlich wirklich gut. Einige waren der Meinung, sie wäre zu oberflächlich, das würde ich so allerdings nicht sagen. WENN man sich alles durchliest (es ist nicht zu viel und nicht zu wenig Text), dann geht es durchaus in die Tiefe. Es wird mit Klischees aufgeräumt, es ist viel tolle Kleidung zu bewundern, die Geschichte des WGTs kommt auch vor, steht aber zum Glück gar nicht so sehr im Mittelpunkt. Daneben werden Kultbands vorgestellt; deren originale Vinylscheiben und die Kultfilme der Szene können in Vitrinen bewundert werden. Man kann also in die Ausstellung gehen und sich lediglich die paar kurzen Haupttexte an der Wand durchlesen und die Ausstellungsobjekte bewundern, man KANN sich für noch mehr Inhalt allerdings auch die vielen kleinen Texte antun und die überall die kurzen Videos (Interviews) mitnehmen. ;)
Auch der kritische Ton kommt meiner Meinung nach nicht zu kurz. Zwar etwas versteckt in der hinteren Ecke aber nicht unbedingt kurzgeraten, wird auf Provokation und Rechtsoffenheit der Szene eingegangen. Dort liegen auch Originaldokumente wie Artikel über Neofolk u.a.
Bemängelt wurde von anderen schwarzen Besuchern auch allzu schnell, dass ja offensichtlich „Leute ohne Ahnung“ die Ausstellung gemacht hätten: Sicher, der Leiter des Museums überzeugt nicht unbedingt durch Gruftigkeit, liest man sich aber den „Dank“ im ausstellungsbegleitenden Buch durch oder konnte man der Eröffnungsrede lauschen, stellt man fest, dass das so nicht ganz stimmt.
Kritisch wurde auch von vielen erwartet, wie sehr wohl auf die WGT-Jahre 1999/2000 eingegangen wird. Nunja. Mehrmals wird an unterschiedlichen Stellen in der Ausstellung auf das Dilemma hingewiesen, vielleicht auch ein wenig zu schwammig? (Die Ausstellung wurde ja auch von den ehemaligen Veranstaltern unterstützt, soweit ich weiß…) Ich persönlich kenne nur die Geschichte, der Veranstalter sei mit dem Geld abgehauen und konnte dazu konkret leider nichts genaueres in der Ausstellung entdecken, schon gar keine Stellungnahme. Beim Blick in das begleitende Buch schien dem Kapitel etwas mehr Text/Inhalt gewidmet zu sein, dort wurde ganz klar dementiert, dass überhaupt noch Geld dagewesen wäre; all das seien Gerüchte, die bei den alleingelassenen Besuchern des Festivals entstanden sind. Ist auch wieder vorstellbar, aber stimmt das jetzt auch zu 100%?
Die Ausstellung war was den Raum betrifft zwar etwas klein, dafür aber mit sehr viel Liebe fürs Detail gemacht. Toll war zum Beispiel die Patchouli-Duftprobe oder die vielen Bilder aus den 80ern. Die Säulen im Raum sind stilecht als schwarze ‚gruselige‘ Bäume verkleidet und nach Eintritt empfängt einen gleich eine Sarg- und Grabsteinlandschaft. Gewünscht hätte ich mir vielleicht noch, dass bestimmte Schlagworte für die bunten Besucher noch etwas besser erklärt werden. Wie viele ‚Bunte‘ wissen denn wirklich mit New Romantic etwas anzufangen? Oder können sich vorstellen wie Neofolk oder Industrial klingt? Das ist dann auch gleich das eigentliche Problemchen, was ich mit der Ausstellung hatte: Lag es an mir, oder gibt es tatsächlich nirgends Hörproben oder ähnliches? Bei einer auf Musik basierenden Szene hätte ich soetwas erwartet. Gut, es gibt an einer Stelle kleine Bullaugen in der Wand, durch die man auf Bilder von WGT-Konzerten schauen kann und das ist auch wirklich eine süße Idee… aber ich hatte mir das irgendwie so vorgestellt, dass an einer Wand vielleicht sogar eine Art musikalischer Stammbaum ist und eine „Hörsäule“ oder ähnliches mit Kopfhörern und Knöpfen mit Beispieltracks. Oder ist das jetzt wieder zu interaktiv? Vielleicht eine falsche Erwartung meinerseits gewesen?
Zumindest bin ich froh, dass man in dieser Ausstellung auf keine Videos von der Wiesn -äh- der Flaniermeile trifft, wie sie in unzähligen WGT-Dokus des MDR zu sehen sind. Ich finde, man kann der Szene als Aussenstehender mit einem Besuch recht nahe kommen und einen guten Eindruck gewinnen und auch für Schwarze gibt es tolle Ausstellungsstücke zu entdecken. Ich war zum Beispiel unendlich begeistert, die berüchtigte Fotostory aus der Bravo vorzufinden. Oder Ausschnitte aus dem von mir lang gesuchten DEFA Film. (Hat den irgendjemand zufällig vollständig? Ich suche eigentlich nach allem was mit Grufties in der DDR zu tun hat :D) Und gehört eigentlich irgendjemandem aus diesem Umfeld hier das mittig ausgestellte Waver-Outfit? Das war wirklich sehr hübsch!
Schlussendlich aber war das definitiv Beste die aussprachetechnisch missglückte Anekdote der Eröffnungsrede, dass ja ‚die Szenedroge [Mett] sei‘. Tja, darauf ein Hackepeter-Brötchen. Aber bitte mit Honig.
Danke für das nette Lob und auch die Kritik an unserer Ausstellung. Kleiner Hinweis zur DEFA-Dokumentation „Unsere Kinder“: Wir haben die DVD „Mauerkinder DEFA-Wende-Dokus“ direkt beim Vertrieb Icestorm gekauft, es sind vier Filme über jugendliche Subkultur in der DDR und nach der Wende. Siehe hier:
@Zahaebron: „Bemängelt wurde von anderen schwarzen Besuchern auch allzu schnell, dass ja offensichtlich “Leute ohne Ahnung” die Ausstellung gemacht hätten: Sicher, der Leiter des Museums überzeugt nicht unbedingt durch Gruftigkeit, liest man sich aber den “Dank” im ausstellungsbegleitenden Buch durch oder konnte man der Eröffnungsrede lauschen, stellt man fest, dass das so nicht ganz stimmt.“
Gut erkannt. Denn tatsächlich ist das die erste Ausstellung, bei der man seinen „Horizont“ verlassen hat und sich tatsächlich ein wenig Hilfe geholt hat. Neben Jennifer Hoffert-Karas und Alexander Nym, die auch das begleitende Buch auf die Beine gestellt haben, hat man sich auch innerhalb der Szene in vielen Kanälen bedient um sich inspirieren zu lassen. Für mich ist das die erste Ausstellung, bei der eine Art Symbiose zu Stande gekommen ist und bei dem man nicht das Gefühl hat, dass irgendwelche Gelehrte mit Lupen auf den schwarzen Spielplatz starren um den Sinn der Bewegung zu erkennen, sondern dass man sich bewusst darauf eingelassen hat.
Die Anregungen kann ich gut nachvollziehen und eine Multimedial erlebbare Ausstellung (Hörproben, Videos) hätte die Sache möglicherweise abgerundet. Leider ist das natürlich nicht immer vollumfänglich möglich, aber vielleicht nimmt man diesen Vorschlag ja ernst und denkt über so etwas zum 30-jährigen Jubiläum nach ;)
Für die DEFA-Dokumentation hat Dir Johanna ja bereits den Link gepostet. In diesem Artikel habe ich auch darüber berichtet. Wenn du Dich für Gruftis in der DDR interessierst, kommst du an der Doku „Mauerkinder“ nicht vorbei!
Die Fotostorys der Bravo kann ich Dir ebenfalls hier anbieten: Ratte macht die Fliege (alle 8 Teile) oder auch Martin (1992) – Einfach mal stöbern ;)
@Zahaebron: Danke für Dein Lob für das „mittig ausgestellte Waver-Outfit“. Das nehme ich ´mal für mich in Anspruch. Ich habe Frau Dr. Sänger schon zugesagt, dass eine Ausstattung im Museum bleiben kann – bestimmte Klamotten habe ich schon lange nicht mehr getragen und ich denke, dass sich das nicht ändern wird. Wahrscheinlich passe ich in die Hose eh nicht mehr ´rein…
@ Malte: Ich protestiere weiterhin vehement dagegen, dass Du die Klamotten im Museum läßt! Da kommen sie eh nur in den dunklen, feuchten Keller ins Magazin (Ich habe nur feuchte Keller in meiner Leipziger Zeit erlebt.) zu 10.000 anderen Gegenständen und zu den Motten. Da sollen Deine Erinnerungen landen? Und dass Du nicht mehr rein passt, ok;) Aber ich pass‘ da gut rein:)