Den Einstieg in eine Szene vollzieht sich immer auf die gleichen Wege. Man findet die Musik gut und folgt dem Genre oder einem bestimmten Künstler, Geschwister, Freunde oder Mitschüler gehören bereits einer Szene an, oder ein bestimmter Kleidungsstil animiert dazu diesem auf den Grund zu gehen. Wie weit man jedoch in die Szene abtaucht, hängt von vielen umgebenden Faktoren und der eigenen Überzeugung ab, dem aufgebrachten Willen und der Faszination. „Aber Robert Smith sah ich zum ersten mal. Seine Art sich zu zeigen, sich zu bewegen, zu kleiden, sein Stil, alles an ihm erschien anbetungswürdig. Seine Frisur und sein Make-up, das war es was wir wollten„. 1 Prinzipiell kann man den Grad der Zugehörigkeit in Gruppen einteilen, ich weiß, niemand der wirklich in der Szene ist, lässt sich gerne Kategorisieren, aber manchmal hilft es still und heimlich einen Schritt zurückzutreten und sich das ganze Bild anzuschauen.
Die Zugehörigkeit zu den einzelnen Gruppen verändert sich in der Regel im Laufe der Zeit, Einstiegsalter und Dauer der Szenezugehörigkeit, sowie das soziale und beruflichen Umfeld können hier eine entscheidene Rolle spielen. Ich kenne nur ganz wenige Menschen, die ihrer Jugendszene das ganze Leben auf dem gleichen Level treu bleiben, auf den sie einmal gelebt haben.
Diskussionen über die Echtheit der Szenezugehörigkeit definieren sich meiner Meinung nach durch völlig irrelevante Maßstäbe. Wirklich Echt ist nur der, der keine Rolle annimmt, sondern einfach nur ist wer er ist. Sich die Haare zu schneiden, wenn sie den anderen bis zum Hintern reichen, Theologie zu studieren, wenn die Freunde ihre Zeit im Puff verbringen, Johannesbeersaft zu trinken während andere sich mit Tequila zuschütten. Zu wissen, was man will und selbiges auch durchzusetzen. 2
Ich behaupte, jeder schwarze lässt sich auf diese Art einordnen, verlässt man die Szene, so bleibt man jedoch sicherlich unter den Sympathisanten, die sich auf irgendeine Art und Weise mit der Szene identifizieren. Sei es Musikgeschmack, Interessen oder Kleidungsstil. Auffällig ist, das die meisten Hardliner unter den Jugendlichen zu finden ist, ältere Szenemitglieder sind dort selten zu finden.
Hardliner
Die Kernszene besteht aus den Leuten, die sich vollständig mit der Szene identifizieren. Sämtliche Aspekte ihres Lebens, sei es auf modischer, moralischer oder weltanschaulicher Ebene sind auf die Szene ausgerichtet. Der Freundeskreis verändert sich, fast alle Freunde kommen nun aus der Szene. Sie lesen entsprechende Fanzines, sind über musikalische Neuerungen bestens informiert und sind über den Konsum der Szeneeigenen Modelabels hinaus und kreieren ihren eigenen Style. Damit werden sie zu Trendsettern und anderem zum Vorbild. „Sie sorgen für kulturelle Innovation und geben der Szene Richtung, alles andere wird nebensächlich.“ 3 Andere Szenen werden zwar toleriert, aber ignoriert – das Interesse gilt ausschließlich der eigenen.
Aktivisten
Die Leute der Randszene setzen sich mit dem Style und den Werten, die das Leben innerhalb der Szene prägen intensiv auseinander. Sie agieren aber weit weniger kompromisslos wie die Hardliner und nehmen nicht jede Eigenart der Szene Bierernst. Für Sie ist es mehr eine Orientierung, was sich wie und mit wem in ihrer Freizeit machen, wie sie sich kleiden und welche Musik sie hören. Oftmals finden sich unter den Aktivisten Szenespringer, die sich nicht auf eine Spielart der Szene festlegen möchten. Gothics ist ja auch nur der Oberbegriff für viele kleinere Unterszenen, deswegen sprechen Aktivisten gerne davon Gothic zu sein, ohne das spezielle Genre selbst zu nennen. „Während für die Kernszene Mitglieder die Szene eine Art Religion ist, ist sie für die Randszene-Jugendlichen nicht mehr als ein Spiel.“ 4 Sie sind toleranter und ironischer, gehen lockerer mit den Dogmen einer Szene um und haben durchaus auch Szenefremde Freunde und Bekannte.
Mainstreamer
Sie sind die Konsumenten der Szene, die den Kleidungsstil und die Art sich zu verhalten kopieren ohne sich um den eigentlich Inhalt und die Einstellung innerhalb der Szene zu kümmern. Ihre modischen Ideen beziehen sie aus einschlägigen Katalogen und Läden, sie sind bereit für das adaptieren der Szene Geld auszulegen ohne jedoch dabei jemals Teil der selbigen werden zu wollen. Hardliner und die daran angrenzenden Aktivisten sind eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, die Mainstreamer sind nur eine Gemeinschaft von Gleichgestylten. 5 Von vielen Mitgliedern der anderen beiden Gruppen werden die Mainstreamer sehr kritisch beurteilt oder gar abgelehnt, sie vermuten eine Stückweise Zersetzung der eigenen Werte durch die Gleichgültigkeit dieser Spezies.
Eins haben alle Szenen und Gruppen gemeinsam, man muss sich integrieren um dazuzugehören, ein Stück von seinem Individualismus ablegen und das tun, was andere tun. Aber das ist ein natürlicher Vorgang, den der Mensch ist ein Heerdentier und soziale Kontakte ein wichtiger Bestandteil seiner Existenz. Je schwieriger die Aufnahme in die Szene ist, desto elitärer der Kreis der Menschen, die ihr angehören. Man sollte nur nie vergessen, wer man ist.
Einzelnachweise
- Jörn Ranisch: Le Petit Mort – Sex & Drugs und Mukoviszidose (2007), S. 55ff[↩]
- Bauer, Peter: Die Farbe des Schnees (1996), S. 91[↩]
- Bernhard Heinzlmaier: Szenen, Szenecodes und Jugendtrends, S.21[↩]
- Bernhard Heinzlmaier: Szeneanalysen als neue Grundlage für das Jugendmarketing (1999), S. 29f.[↩]
- Klaus Farin: Jugendkulturen in Deutschland (2006), Band 2, S. 87[↩]
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Schön geschriebene „Einteilung“, wobei ich persönlich Einteilungen in Schubladen nicht so gerne habe, da es immer sehr viele Zwischentöne gibt. Wie du ja schon richtig geschrieben hast, ist nur derjenige „ECHT“, der keine Rolle annimmt, das auch heißen kann das er sich nicht in eine Schublade einordnen lässt.
Richtig, eine Einteilung in Schubladen ist immer schwierig und viele möchte sich nicht einordnen lassen. Eine grobe Kategorisierung ist aber sehr interessant um zu verstehen, wie es innerhalb einer Gruppe zugeht und die eigene Position besser einschätzen zu können, vielleicht erweitert der ein oder andere ja seinen Horizont. Wie ich schon geschrieben habe, würde ich mich als Leser auch nicht einer Schublade zugehörig fühlen. Wenn ich aber einen Schritt zurücktreten und mir das berühmte ganze Bild anschauen, so würde ich wohl am ehesten unter die Aktivisten fallen.
Gerade die von Dir angesprochenen ablehnende Haltung (Individualismus) gegenüber einer Kategorisierung zu einer Szene oder einer Musikrichtung macht es schwierig, wirklich zuzuordnen, wer sich wo am besten aufgehoben fühlt.