Vampirfilm: Only Lovers Left Alive – Düsternis und Schwere mit seidiger Leichtigkeit

Ein sich drehendes Firmament. Kleine helle Punkte, die formiert im Schwarzen einen sanften Reigen tanzen. Schweife ziehen, Linien bilden und im Schwarz zu einer Schallplatte verschmelzen. Sqürl – Funnel of love. Ein Stück 60er. Verrucht und mystisch anmutende Gitarrenmusik. Leises Klingen und eine whiskeygeschwängerte, verrauchte Frauenstimme – „Here I go falling down, down, down. My mind is a blank. My head is spinning around and around, as I go deep into the funnel of love“ – breitet sich aus über eine sich sanft drehende Oberansicht eines Zimmers. Gedämpfte, warme Beleuchtung, dunkle, schwere Teppiche. Auf dem Boden vor dem Bett, umgeben von unzähligen Büchern, eine blasse, blonde Frau, die Hände neben sich gelegt, die Augen geschlossen. Wie im Rausch. Wie in einer anderen Sphäre auch der Mann auf dem antik anmutenden Sofa in den nächsten Bildern.

In entspannter Haltung zurückgelehnt, eine Laute auf dem Schoß, die Hände daneben ausgebreitet. Beinah antike Elektrogeräte auf den alten Teppichen, fahles Licht. Düsterschwere Leichtigkeit und der Geschmack von damals, vor langer Zeit. „It’s such a crazy, crazy feeling, I get weak in the knees, My poor old head is a reelin‘, As I go deep into the funnel of love.“

Kling.

Unsere Protagonisten, Eve (Tilda Swinton) und Adam (Tom Hiddleston), erwachen aus ihrer Trance und nehmen uns mit, in das nächtliche Tanger und das nächtliche Detroit.
Only Lovers Left Alive (Regisseur Jim Jarmusch) ist die wundervolle Liebesgeschichte zweier Vampire in sanften Tönen und gedeckten Farben, ohne dabei übertrieben kitschig zu sein (und wenn doch ist es zu verkraften). Seit vielen Jahrhunderten ein Paar, haben sie ihre dritte Hochzeit schon vor einigen Jahrzehnten vollzogen und leben auf verschiedenen Kontinenten, aber immer verbunden im Geiste und durch moderne Kommunikationsmedien. Eve verbringt die Nächte mit ihren Büchern und ihrem alten Freund Marlow. Adam mit seiner Musik und seinem Agenten Ian, der ihm Instrumente und Zubehör besorgt. Als Eve erfährt, dass sich Adam mal wieder schwer in seiner Depression, der Verzweiflung über den Zustand der Menschheit (den Zombies) und das was sie aus sich und der Welt (und ihrem Blut) gemacht haben, versinkt, begibt sie sich auf den Weg nach Detroit, in welchem sie auch auf ihre unliebsame Schwester Ava trifft.

Noch ein Vampirfilm – dachte ich und hatte ernsthaft etwas Angst mir den Film anzusehen, trotz aller Lobeshymnen der Kritiker. Ich ertrage Eves Stimme nicht zwei Stunden lang – dachte ich, als ich die erste Filmsequenz gesehen hatte, diese leidend-pathetisches Gesäusel. Ich möchte diesen Film immer wieder sehen – denke ich jetzt.
Only lovers left alive lässt einen eintauchen in eine düsterne Leichtigkeit, die einen ganz tief nach unten zieht und auf einen sanften Fluss treiben lässt. Der Film lebt von seinen Bildern, von kleinen Ausschnitten, wenigen Gesten, sparsamen Worten und von seiner großartigen Musik. Er malt ein faszinierendes Bild der Welt in der Dunkelheit, der Einsamkeit der Nacht, den essentiellen Fragen des Lebens und ist dabei ebenso, schwer, wie wunderbar leicht und verspielt und von einer ganz eigenen Komik.

So nimmt uns der Vampirfilm mit auf einen nächtlichen Spaziergang. Durch das nächtlich beleuchtete Tanger (Marokko), Adam und Eve unterwegs im nächtlichen Tanger durch schmale Gassen in einem orientalischen Viertel in denen nachts Gemüse verkauft wird und Männern in Hauseingängen den Passanten „wir haben was du brauchst“ entgegensäuseln. Durch das nächtliche Detroit, eine sterbende Metropole , vorbei an leeren Fabrikgebäuden und ausgestorbenen Vierteln. Ins Michigan Theater, mit seiner großartigen Deckenkonstruktion, das nunmehr nur noch ein Schatten seiner selbst ist und als Parkhaus dient. In ein Gefühl von Leere und Melancholie in dass es uns die tiefe Verbundenheit zweier Wesen stellt. In sanften innigen Gesten, getragen von den wabernden, tiefgehenden Klängen der Musik . Immer mit einem Fingerzeig auf geschichtliche Ereignisse, die der Filme gerne für seine Zwecke nutzbar macht und damit nur knapp der Gefahr der Überstilisierung entgeht – und manchmal muss man doch kurz mit den Augen rollen. Nicht selten aber auch ernsthaft schmunzeln oder tatsächlich lachen.

Sie versprüht dabei den stillen Charme einer sanften Femme Fatale und die freudige Leichtigkeit eines Kindes. Er hüllt sich in tiefe Melancholie und Weltschmerz, komponiert auf den Gitarren tragend schwere Trauermusik. Adam und Eve sind Metaphern, so Jarmusch, „für den gegenwärtigen Zustand menschlichen Lebens – sie sind zerbrechlich und in Gefahr, empfindlich für die Gewalt der Natur, und für das kurzsichtige Verhalten derer, die an der Macht sind“.

Wenn ich den Text jetzt wieder lese und über den Film nachdenke, dann habe ich das Gefühl, dass alles nicht ansatzweise beschreiben zu können und unglaublich viele kleine Details, Stimmungen, Deutungen und so weiter nicht beschrieben zu haben und nicht ansatzweise die Großartigkeit dieses Filmes rüber zu bringen. Und ich habe noch immer viele Fragen an den Film, die ich mir nicht beantworten kann und teilweise auch nicht beantworten will. Bleibt also nur eins: anschauen!

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Elmer Fudd
Elmer Fudd (@guest_50616)
Vor 9 Jahre

Was man unbedingt erwähnen sollte: Jim Jarmusch hat hier meiner Meinung nach einen neuen Typ Vampir geschaffen, der zwar bekannt, aber doch noch mal ganz anders ist. Adam und Eve sind nicht die typischen Film-Vampire, die sich sich nur für sich selbst interessieren, für das Top-Raubtier halten und sich bei jeder Gelegenheit den nächtsten Happen schnappen oder (leider mittlerweile auch recht häufig seit Buffy, Twilight und True Blood) nur aus reiner Liebe nicht zu beißen. Mehr kann ich leider ohne Spoiler nicht verraten… ;)

Mr. Niles
Mr. Niles (@guest_50646)
Vor 9 Jahre

Ich finde den großartig – meine Freundin so: „Najaa“

Sequest(a)r
Sequest(a)r (@guest_50967)
Vor 9 Jahre

Ich liebe diesen Film, obwohl ich Vampiren sonst überhaupt nichts abgewinnen kann. Doch Jarmusch inszeniert hier so wunderbar tief, entrückt und melancholisch… und Swinton spielt mit einer Grazie, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Einfach zum Sterben schön! ;)

Allerdings besteht für ohnehin depressive Gemüter eine erhebliche Triggergefahr!

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