Die britische Film- und Miniserienreihe „This is England“ ist eine umwerfende Darstellung des Großbritanniens der 80er-Jahre und zeigt an einer Gruppe von Jugendlichen die sozialen und politischen Änderungen dieser Zeit. Bei ARTE gibt es jetzt die komplette Reihe, die von Shane Meadows geschrieben wurde, als Zeitreise in das England der Thatcher-Ära, die auch durch eine tolle Musikauswahl untermalt wird.
Neben dem Pilotfilm gibt es drei weitere Staffeln, die jeweils eine andere Zeitspanne aufgreifen. Sie zeigen die sozialen und politischen Herausforderungen in Großbritannien, die von Rassismus, Klassenschranken, persönliche Identität und die Suche nach Zugehörigkeit geprägt sind. Die Charaktere reflektieren den damaligen Zeitgeist und greifen jeweils unterschiedliche Aspekte auf. Die Serie bietet auch einen Einblick in die Veränderungen in der britischen Gesellschaft und Jugendkultur während dieser turbulenten Zeit. Da alle Filme mit relativ großem Abstand gedreht wurden (zwischen 2006 und 2015) durchlaufen auch die Schauspieler eine entsprechende Entwicklung, was die Charaktere in vielen Bereichen besonders glaubwürdig macht.
ARTE zeigt die Filme und die Serie allerdings im englischen Originalton mit deutschen Untertiteln, in deutscher Synchronisation findet man die Serie zurzeit nur als DVD/Blu-ray oder vereinzelt auch bei Streaming-Anbietern. Darüber hinaus gibt es noch eine Einschränkung: Ohne Anmeldung und Altersnachweis kann man die Serie erst nach 22 Uhr anschauen, da ARTE den Inhalt für „empfindsame“ Zuschauer nicht geeignet hält.
This is England (Pilotfilm 2006)
Der Pilotfilm zieht uns in das Großbritannien 1983. Der 12-jährige Shaun lebt zusammen mit seiner Mutter, nachdem sein Vater beim Falklandkrieg 1982 ums Leben gekommen ist. Der Außenseiter, der in der Schule oft wegen seiner ärmlichen Kleidung oft gehänselt wird, freundet sich mit einer Gruppe Skinheads an, die den Jungen in ihre Gruppe integrieren. Im späteren Verlauf des Films spaltet sich die Gruppe durch die Vereinnahmung durch nationalistische Einflüsse. Der Film thematisiert den zunehmenden Rechtsruck in der englischen Gesellschaft, weil man Ausländern die Schuld an der zunehmenden Arbeitslosigkeit und der sich ausbreitenden Armut gibt. Über den Film habe ich übrigens an dieser Stelle schon mal berichtet.
This is England ’86 (1. Staffel – 2009)
Shaun ist mittlerweile 15 Jahre alt und steht kurz davor, die Schule zu beenden. Welchen Platz er auf dieser Welt finden wird, ist völlig ungewiss. In Mexiko läuft währenddessen die Fußball-Weltmeisterschaft, Chris de Burgh ist in den Charts auf dem ersten Platz und im von Margaret Thatcher regierten Großbritannien gibt es zu dieser Zeit 3,4 Millionen Arbeitslose. Shauns Freunde, Woody, Lol, Smell, Gadget und Meggie suchen derweil nach Liebe, Unterhaltung und vor allem Arbeit. Combo kommt möglicherweise wieder zurück, das Schicksal von Milky soll sich aufklären und die bevorstehende Hochzeit zwischen Woody und Lol wird abgesagt.
### Hier geht es direkt zu Folge 1 der ersten Staffel in der ARTE-Mediathek ###
This is England ’88 (2. Staffel – 2011)
Weihnachten 1988. In der festlichen Atmosphäre stehen die Bedeutung von Familie, Zusammenhalt und der Wunsch nach einem Neuanfang im Vordergrund. Für die Charaktere ist dieser Abschnitt geprägt von tiefgreifenden Entwicklungen. Die Serie nimmt sich sensibel und authentisch Themen wie Drogenabhängigkeit, familiäre Konflikte, Liebe und Verlust an. Die Charaktere werden in ihrer menschlichen Komplexität und Verletzlichkeit dargestellt, und wir erleben mit ihnen ihre Höhen und Tiefen. Woody startet voller Tatendrang eines neues Leben, das allerdings so gar nicht zu ihm passt, Lol kämpft mit ihren Dämonen und Shaun manövriert seine Beziehung mit Smell an den Abgrund.
### Hier geht es direkt zu Folge 1 der zweiten Staffel in der ARTE-Mediathek ###
This is England ’90 (3. Staffel – 2015)
Shaun ist mittlerweile 19. Smell hat sich von ihm getrennt und er scheint immer noch verloren nach seinem Platz in der Welt zu suchen. Nach den dramatischen Ereignissen von „This is England ’88“ versuchen Lol und Woody eine stabile Beziehung aufzubauen. Die Beziehungen zwischen den anderen Hauptfiguren werden vertieft, und die Dynamik der Gruppe wird auf die Probe gestellt. Die Serie fängt die Stimmung der 1990er Jahre ein, insbesondere die aufkommende Rave-Kultur, und thematisiert die sozialen und politischen Veränderungen dieser Ära. Ohne zu viel vorwegzunehmen, endet „This is England ’90“ mit einer bewegenden Mischung aus emotionalen Höhepunkten und Herausforderungen für die Charaktere. Aufgeteilt in 4 Jahreszeiten führt die Serie Jugendkultur, Jugendliche und ein ganzes Land aus den 80er-Jahren in ein neues Jahrzehnt.
### Hier geht es direkt zu Folge 1 der dritten Staffel in der ARTE-Mediathek ###
This is England – Fazit
Honestly? Falsches Land, meine Zeit. Ich finde so viele Anknüpfungspunkte an meine eigene Jugend, dass sich alles irgendwie vertraut und doch irgendwie fremd anfühlt. Ich habe bei Weitem nicht so viel erlebt und auch mit Sicherheit nicht so viel Mist gebaut wie die Charaktere, kann aber den Zeitgeist, die Stimmung und natürlich auch den Style total nachvollziehen. Allerdings in einem anderen Land.
Für mich die authentischste Serie über diese Zeit. Passendere Schauspieler hätte man nicht finden können und das Drehbuch von Shane Meadows sprüht vor Erfahrungen. Auch musikalisch eine Entdeckungsreise fernab von dem, was man sonst so gehört hat. Natürlich sind Charaktere und Erlebnisse überspitzt und komprimiert, aber so bleibt es wenigstens spannend.
Für Fans der Serie: Ja, ich habe alle Folgen zum 5. mal geguckt. Und ich bin so traurig, dass Smell und Shaun es nicht geschafft haben, dass ich die Wände hochgehen könnte! Das der sich mit dem Mädchen aus dem Schauspielkurs eingelassen hat. Disgusting!
Großartiger Pilotfilm und Serie mit tollen Schauspielern. Man sieht deutlich den Unterschied zwischen England und Deutschland in dieser Zeit. Keine soziale Abfederung nach dem Ende der englischen Montanindustrien und absolute Hoffnungslosigkeit bei der Jugend. Es gibt eine deutsche Serie aus dem Jahr 1983 mit Laienschauspielern die das Leben junger Menschen im Ruhrgebiet zeigt. „Hans im Glück aus Herne 2“. Wenn man sowas heute sieht kann man sich kaum vorstellen, dass es viel zu wenig Lehrstellen und Arbeit gab. So ändern sich die Zeiten.
Der Pilotfilm ist wirklich gut (die DVD hab ich auch), aber das was ich von der 1.Staffel noch gesehen habe (2 oder 3 Teile waren es), hat mir nicht mehr gefallen.
Im ersten Teil war noch eine richtig gute Handlung dabei, aber danach gab es immer wieder merkwürdige Dialoge und Szenen. Schade.
Vielleicht wird es ja später im Laufe der Serie wieder besser… Vielleicht schau ich nochmal weiter rein. Es ist mehrere Jahre her dass ich Film und Fortsetzungen gesehen habe.
Den Pilotfilm habe ich vor kurzem noch mit meiner besseren Hälfte gesehen. Wirklich sehr empfehlenswert, wie ich finde. Besonders hat mir gefallen wie hier die „Unterwanderung“ der Skinszene durch die Faschos dargestellt wurde. Das hat schon auch was aufklärendes, da in der heutigen Zeit die Skinheadszene in der öffentlichen Wahrnehmung quasi mit dem braunen Schmutz gleichgesetzt wird. Das hier eine ursprünglich „harmlose“ Jugendkultur quasi vereinnahmt wurde fällt dabei ja immer etwas hinten rüber.
Von der Serie haben wir bisher nur ein oder zwei Folgen gesehen, doch könnte ich mir durchaus vorstellen sie noch etwas weiter zu verfolgen.
Jedenfalls geben Film und Serie einen wirklich sehenswerten Einblick in die damalige Welt junger Engländer.
Echte Skinheads sind immer noch unkritisch. Es gibt einen Schnürsenkel-Code. Wer weiße Schnürsenkel hat der ist oft (nicht immer), eher der rechten Gesinnung geneigt. Wer rote Schnürsenkel hat, der ist eher links orientiert. Ursprünglich war in den 60ern die Skinhead Bewegung eine Arbeiterbewegung als Gegenpol zu den mittelständischen Hippies. Heute ist das eher aufgeweicht, aber die Masse dürfte immer noch eher derArbeiterschicht angehören. Ihre Themen sind ja meist eher saufen und Party machen. Musikmäßig stehen die meist auf Oi. Die Oi Bands sind auch eher harmlos und die Themen in ihrer Musik handeln auch meist nur vom saufen und das Leben mit den Kumpels, Probleme mit den anderen und vor allem der Polizei usw.
Ja, das Volk weiß recht wenig über solche Rand-Genres.
Vielen Dank für den interessanten Artikel. Schon einige Zeit her, als ich den Film gesehen habe. Definitiv ein Muss mit Kultcharakter, ähnlich wie Romper Stomper oder Made in Britain.
Das es darüber auch noch eine Miniserie gab, war mir gar nicht bewusst. Dann werde ich bei Zeiten mit Chips & Co. die Arte-Mediathek unsicher machen.
Sorry folks, slightly off topic:
R.I.P. Shane MacGowan
https://www.arte.tv/de/videos/110270-000-A/mein-leben-mit-den-pogues/
Das nenne ich Timing: https://www.spontis.de/musik/shane-macgowan/
Sláinte!