Das Radio ist ein unterschätztes Medium, ebenso wie der Totenkopf. Verdammt zur Berieselung unserer Sinne fristen die meisten Radios ein trauriges Dasein in Autoradioschächten, verkümmern als Radiowecker zum schlimmsten Geräusch-Erzeuger der Morgens oder versuchen das Blubbern und Zischen der Kochtöpfe als Küchenradios zu überspielen. Glücklicherweise haben Internet, und die Renaissance des Walkman in Form von Handys und Mp3-Playern dafür gesorgt, dass sich einige wenige wieder ein wenig Zeit nehmen zuzuhören. So machte mich Todesrodler Jan auf eine Sendung des Deutschlandfunks aufmerksam, die sich mit der Gothic-Szene auseinandergesetzt hat. „Vom Subversiven zum Mainstream“ beschäftigt sich mit dem Symbol des Totenkopfes, das einst als Mahnung vor dem Tod galt, und nun zum Fashion-Symbol geworden ist.
Eine Sendung, die auch mich zum Nachdenken brachte. Es ist Fakt, dass Totenköpfe, Skelette und Gebeine niemanden mehr erschrecken, genau wie viele andere Symbole – die vom Mainstream aufgesaugt wurden – auch. Es stellt sich die Frage, wie die Symbole der Abgrenzung heute aussehen? Schwarze Klamotten reichen nicht, soviel ist schon mal klar, heute müssen schwere Geschütze aufgefahren werden, um sich seine Abgrenzung zu erhalten.
Anlass zur Sendung gibt eine Ausstellung im Kassler Museum für Sepulkralkultur, die sich im sogenannten „Sepulkralkaufhaus – Buy now die later“ mit der Tatsache auseinandersetzt, dass die Symbole für Tod und Vergänglichkeit mittlerweile zu Fashion-Elemente geworden sind. Auch die Gothic-Szene hat darunter zu leiden, denn mit die Symbole, die einst der Abgrenzung dienten, sind nun Bestandteil des Mainstreams. Ulrike Neurath, die Kuratorin der Ausstellung, gegenüber dem Deutschlandfunk:
Die Todesmotive tauchen seit einigen Jahren in unserer Alltagswelt auf. Es ist so, dass wir die Todesmotive im Grunde genommen konsumieren. Und wenn man etwas konsumiert, dann passiert das am ehesten in einem Kaufhaus in einer Shopping-Mall. Und deswegen lag es nahe, diese Ausstellung wie ein Kaufhaus zu inszenieren. […] Allen voran die Punkszene, beziehungsweise die sich daraus speisende Gothic-Punk-Szene, die ja eine Affinität, eine Nähe zum Morbiden entwickelt hat und sich dann natürlich auch mit entsprechenden Attributen, mit bestimmten Symbolen umgeben und geschmückt hat. Und der Hintergrund war, sich einmal von einer oberflächlichen Bürgerlichkeit, sich vom Establishment abzugrenzen und natürlich auch eine gewisse Lebenseinstellung und ein bestimmtes Lebensgefühl darüber zu signalisieren.
Auch wenn die Sendung aufgrund ihrer Machart ein wenig steif und trocken daherkommt, ist der Inhalt interessant und inspiriert zu Fragen an sich selbst. Ihr solltet euch die 8:25 nehmen und dann kommentieren, wie eure Gedanken dazu aussehen.
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„Besonders die Gothic-Szene begreift den Tod nicht als Feind, sondern eher als Gefährten.„
Leider ist von diesem Geist viel verloren gegangen, denn genau wie die Symbole der Abgrenzung hat es auch die Szene der Abgrenzung ein Stück weit in den Mainstream geschafft. Allenfalls gelten wir als Freaks oder werden gar belächelt, was in Zeiten, in denen man schwarze Strampler mit Totenkopfsymbolen kaufen kann, nicht wirklich verwunderlich ist. Womit grenzen wir uns heute ab? Damit, dass wir selbst bei 30 Grad in langen schwarzen Gewändern aus Lack und Latex durch die Sonne waten, durch das Verwischen von geschlechtlicher Identität oder durch Symbole und Element der Naziästhetik?
Die „alten“ Gruftis distanzieren häufig sich vom Abgrenzungsverhalten des Nachwuchses und werden damit vielleicht selbst ein Teil des Mainstreams. Eigentlich ein bisschen verlogen. Früher hat ein umgedrehtes Kreuz, Totenkopfsymbole, auffällige Haare oder weiße Schminke dazu verwendet, sich abzugrenzen. Heute gehören Sidecut und Undercut längst zum Standard von Ilses Haarsalon, umgedrehte Kreuze kauft man bei H&M und Totenkopfsymbole sind einfach nur noch niedlich. Ist es nicht verlogen dem Szene-Nachwuchs die heutigen Mittel der Abgrenzung madig zu machen? Sind wir die Instanz die zu bestimmen hat, wo die Grenzen der Provokation liegen? Ich bin neugierig, wie ihr das seht.
Ja, wie sehen die Symbole der Abgrenzung heute aus?
Ich will versuchen, kurz widerzugeben, was mir dabei in meinem Kopf umherschwirrt..
Auch wenn hier von Symbolen die Rede ist, gehört der Habitus mMn. essentiell zum Abgrenzen dazu. Nein sagen, zu Überzeugungen und Einstellungen stehen, sichtbar machen, dass man sich mit dieser Welt nicht mitdrehen will.
Aber komme ich wieder auf die Symbolik zurück. Es wurde deutlich beschrieben, was mir schon seit längerem ins Auge sticht: Ehemals subkulturell aufgeladene Elemente und Symbole wurden in die Popkultur (zurück?)übernommen, der breiten Masse aufgedrückt, die diese ohne diese Dinge zu hinterfragen, konsumiert.
Vor einigen Wochen sah ich hier am Busbahnhof einen „klassischen“ Hipster, fast komplett dem Stereotyp entsprechend, mit einem Cure-T-Shirt durch die Gegend laufen. Von den unzähligen Girlies mit Undercut, „Ramones“, „Nirvana“ etc. ganz zu schweigen. Den wenigsten wird die Bedeutung dieser Symbolik bewusst sein, es ist halt chick…
Doch wie grenze der Grufti von heute sich nun ab? Ich habe kein Patentrezept, denke aber, dass es jedem möglich ist, sich vom optischen Mainstream abzugrenzen. Jeder kennt sich und seine Vorlieben/Vorstellungen am besten, das zu nutzen, was zu ihm am Besten passt, was ihn und seine Weltsicht am besten widerspiegelt.
Das kann zum Einen der ruhige, schlichtere Grufti mit einer „always wear black“-Attitüde sein zzgl. Schmuck (ich habe gehört dass es auch unter uns jene gibt, die eher introvertiert sind und nicht – auch optisch – im Mittelpunkt stehen müssen). Das kann zum anderen aber auch der eher extrovertierte Grufti sein, behangen mit einem Sammelsurium an gruftiger Ästhetik, dem man anhand Deathhawk sofort seine Szenezugehörigkeit ansieht.
Ich meine: Eine entsprechende Kombination gruftiger Symbolik wird auch heute immer noch eine Abgrenzung ermöglichen – auch wenn sie nicht mehr so stark und so scharf, wie vor 20 oder 30 Jahren zu sein scheint. Meiner Meinung nach ist das Geistige mit dem Wechsel der Generationen (und damit des Zeitgeistes) immer wichtiger geworden und mehr in den Vordergrund des heutigen gruftigen Individuums gerückt.
Eben weil u.a. das Optische durch die erwähnte Kommerzialisierung einen Teil seiner Aussagekraft verloren hat. Und – so oder so – menschlich erachte ich das Innere eines Menschen letztlich wichtiger, als sein Äußeres.
Ich grenze mich ab in dem ich extrem gekleidet herum laufe. Nicht schick oder hübsch oder edel sonder schräg,düster,Punk,Gothic. Keine in vorgegebenen Läden gekaufte Kleidung,sondern einfach selbst zusammen gestelltes und inzwischen dank einer Freundin selbst genähtes. Noch sind Fledermaus und Ankh nicht so sehr im Mainstream gelandet. Die Schwarze Szene inspiriert den Kommerz ja schon lange, Rüschen,Spitze,Netz, Totenköpfe sind überall zu finden. Manchmal weiß ich nicht mal wer von wo und wem eigentlich abkupfert. Aber ich denke die Abgrenzung findet viel mehr im innern und im Kopf statt,die Ausstrahlung ist es die klare Grenzen zieht und seines gleichen erkennt :)
Über das Thema hab ich auch schon oft nachgedacht, wenn ich beige Menschen und Klon-Konsumenten erblickt habe, die sich in völliger Dissonanz mit Totenkopfmustern schmücken. Naja, was will man machen. Man kann ja niemandem bestimmte Kleidung verbieten. Wieso auch. Unser „Problem“ (und es ist nur unseres) ist wohl, dass wir Hintergrundwissen haben und uns der Geschichte und konnotativen Aufladung dieser Symbole bewusst sind. Otto Normalkäufer denkt nicht drüber nach, sondern kauft, was im Laden hängt. Siehe die Knieschlitze in den Hosen, die im Moment bei jedem Modeopfer zu sehen sind, da die Modeindustrie vorschreibt, dass das jetzt in ist. Vor zehn Jahren war das noch undenkbar, da hab ich mir die Hosen noch selbst zerschnitten. Sah ziemlich dämlich aus, aber was tut man als Teenie nicht alles, um „anders“ zu sein. Jetzt holt man sie vom Fließband vorgerissen im Laden ab. Bloß kein D.I.Y.! Eine Verhöhnung der Symbole vergangener Rebellion(en) und ein Beispiel dafür, dass die Mechanismen, die einst abweichende, andersartige, alternative Erscheinungen kommerzialisieren, banalisieren und uninteressant werden lassen, immer schneller und kurzlebiger aufeinander folgen. Typische kapitalistische Auswüchse, Kommerzialisierung kennt keine Grenzen. Nichts bedeutet noch irgendwas. Die Mode entdeckt, was die Subkulturen schon seit Jahrzehnten machen. Den Vogel abgeschossen hat wohl diese Marke Killstar. Wie man solch ein Maß an Banalisierung noch übertreffen kann, weiß ich nicht.
Jemandem, der solche Entwicklungen kritisch sieht, fehlt eventuell eine Verbindung zum Zeitgeist, was auch immer das bedeuten soll. Man steckt gedanklich halt irgendwie in der 80er-Schiene fest, sei es, weil man die Zeit miterlebt hat oder weil man von falscher Nostalgie ergriffen ist („falsch“, da man einer Zeit hinterher trauert, die man nicht erlebt hat). Man denkt in Mustern längst vergangener Jahrzehnte. Was bringt es da, krampfhaft zu versuchen, die „eigenen“ Symbole zu bewahren? Mal davon abgesehen, dass diese ja ursprünglich auch nur entlehnt und nicht originär sind/waren: Das Kreuz des Christentums, das Ankh aus Ägypten, etc. Alles ist im stetigen Wandel, nichts ist beständig, es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Statt sich drüber zu ärgern, klinkt man sich vielleicht besser aus, ignoriert dieses Theater und konzentriert sich auf sich in seiner eigenen kleinen Welt, die oftmals so sehr vom Status quo abweicht. „Nostalgia is Negation“, wie Lebanon Hanover es so treffend in Worte fassen…
Bleibt bloß zu hoffen, dass die Grufti-Mode jetzt langsam mal genug ausgeschlachtet wurde. Fehlt eigentlich nur noch, dass Pikes mainstream-tauglich werden. Spätestens dann wäre der Punkt erreicht, an dem ich in Schockstarre und stilles Gedenken verfalle. Oder mich aus Resignation einmauere. (Sarg-)Klappe zu, Sub-Mode tot…
Übrigens sehe ich die Abgrenzung ähnlich wie meine Vor-Kommentatoren heute nicht nur in der Kleidung selbst. Nicht was, sondern wie man etwas trägt, macht die Abgrenzung aus. Das heißt nicht, dass nur innere Werte zählen, sondern dass einzelne Attribute für sich noch keine Abgrenzung ausmachen, da, wie oben erwähnt, die Attribute selbst mittlerweile so gut wie bedeutungslos sind. Es ist eher so eine Gefühlssache. Ausschlaggebend ist, ob das Gesamtbild stimmt und authentisch wirkt. Vielen sieht man sofort an, dass sie sich mit der Geschichte der Subkultur befasst haben oder damals schon selbst dazu gehörten. Andere entwickeln eigene Stilformen, die nicht von der Tradition der letzten drei bis vier Jahrzehnte „abgesegnet“ sind, sich aber trotzdem harmonisch in das Szenebild einfügen bzw. es verändern. Wichtig ist hierbei sicher auch eine gewisse Zeitlosigkeit, die sich den kurzlebigen Trends verschließt.
@Mourant: Ich finde, man sieht immer öfter Schuhe, die stark an Pikes erinnern! Gab es hier nicht doch auch schon mal einen Artikel darüber…https://www.spontis.de/vernetzt/fundgrube/ohne-worte-wenn-designer-pikes-interpretieren/
Ausverkauf von Symbolik beschreibt es wohl am Besten. Was ist schon Mode und Geschmack muss man sich da fragen? Wer bestimmt das und wer macht warum mit? Um dazu zugehören, um trendy zu sein?
Wenn ich mir generell ansehe, was auf T-Shirt als Aufdruck so alles unterwegs ist wundert mich da garnichts mehr. Einige Designer und Träger können wohl weder lesen und grade kucken noch haben sie sich mal Gedanken gemacht, was man damit ausdrückt. Als ich jünger war fand ich das immer dämlich, das in alles irgendwas reininterpretiert wurde, heute ist mir die symbolische Bedeutung von Kleidung, Schmuck etc. viel bewusster. Um so mehr erschreckt mit der gedankenlose Umgang damit. Trend und Mode verleiben sich alles ein, was man irgendwie zu Geld machen kann, aus was man irgendwie einen Renner produziert. Ich finde das erschrenckend wie beliebig und wahllos damit umgegangen wird, wie wenig Inhalt vieles noch hat bzw. wie vieles an Inhalt beraubt wird. Was ist da dann die Abgrenzung? Vielleicht den Inhalt nicht zu vergessen und wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken, sich bewusster werden über Vieles und als Ausdruck verwenden – ist nicht gerade auch das das, was sich die Gruftiszene so gerne auf die Fahne schreibt? In der eigenen Kombination, wie es meine Vorschreiber schon sagten, im eigenen Stil ohne sich davon beeindrucken zu lassen, dass es eben gerade eine Modewelle ist – geht auch wieder weg – gibt man der Symbolik wohl am ehsten ihre Bedeutung zurück und stellt sich gegen deren Ausverkauf. Man kann noch so viel Mode kaufen, wenn die innere Haltung und die Ausstrahlung dazu fehlen, ist es am Ende auch nur ein Totenkopf auf einem Shirt. Rebellion ist dann wohl auch die innere Haltung der Abgrenzung – ich/wir und „die Anderen“ – und allgemein die Sicht auf die Welt, dessen womit man sich auseinandersetzt. Darüber hinaus, Abgrenzung ist das eine, das kann man selbst herbei führen, Provoktion ist es aber doch erst, wenn jemand es als solche auffasst und ich denke, da werden die Spielräume in vielen Bereichen, aber vor allem was Mode angeht, immer geringer.
Übrigens, nicht nur Pike-ähnliche Schuhe, auch Fledermausmotive seh ich in verschiedenen Kontexten häufiger als zuvor. Da macht es also auch keinen Halt vor.
Wir müssen einfach uns selbst Treu bleiben.
Denn das tut der Mainstream nicht Dort kommt gerade eine neue Modewelle an
wird die nächste doch schon wieder geplant.
@Svartur Nott: Das ist sicher richtig, innerliche Individualisten und Abgrenzer sind wir doch alle. :-) Ich frage mich jedoch, wie es den jüngeren unter uns möglich ist sich abgzugrenzen. Wieso Jüngere? Nun, ich denke mit zunehmendem Alter gerät diese Rebellion etwas in den Hintergrund, wird unwichtig und bestimmt nicht mehr das Leben. Wir werden selbst toleranter und berufen uns in unserer Abgrenzung auf eben diese Inneren Werte.
Doch wie machen das die Jugendlichen, die voller Energie, Überzeugung und Unbeschwertheit ihr äußerliches Statement machen wollen? Sie beobachten. Sie werden sehen was den Mainstream echauffiert und greifen genau das auf um ihrer Anti-Haltung Ausdruck zu verleihen. Ich sehe es zum Beispiel als Trend, das eigene Geschlecht zu verwischen. Aus Männern werden Frauen und aus Frauen werden Männer. Rein optisch, ohne irgendeinen Intersexuellen Hintergrund. Eine neue Ausdrucksform? Eine neue Abgrenzung? Denn das ist doch genau das, was unsere Gesellschaft zur Zeit bewegt.
@Verrückte Wölfin: Wie bereits erwähnt stimme ich auch Dir zu. Abgrenzung beginnt im Kopf, die Frage ist: Wie verleiht man seinem Wunsch nach äußerlicher Abgrenzung Ausdruck? Fledermäuse und Ankhs machen das Rennen nicht mehr allzu lange :-)
@Mourant: Wie trägt man denn etwas um sich abzugrenzen? – Abgesehen davon möchte ich auf die DIY-Mentalität eingehen, denn die gibt es immer noch und zwar genau in den Dingen, die heute nicht vom Fließband laufen. Das sind zur Zeit recht wenige Dinge, weil die Industrie nicht müde wird Trends aufzugreifen und zu vervielfältigen. Du schreibst:
Das stimmt nur eingeschränkt. Nazi-Symbolik, Uniformen oder meinetwegen auch islamische oder jüdische Symbole bedeuten eine ganze Menge, jedenfalls in der Beziehung die du meinst. Denn sie bewegen die Gesellschaft, sie spiegeln die Angst vor dem Unbekannten, dem radikalen, dem Terror. Symbole haben immer dann eine Bedeutung, wenn sie polarisieren und im Laufe der Geschichte werden das immer wieder neue Symbole tun. Oder wie siehst du das? Vielleicht tauschen wir die Kreuze gegen Mondsicheln? Du glaubst gar nicht, wie ein einfacher arabischer Schriftzug auf einem T-Shirt für Verwirrung sorgen kann.
@Nachtschwalbe: Punktlandung! Besser hätte ich das nicht verlinken können ;)
Flederflausch: Ui! Jetzt wird es kompliziert, wenn ich deinen Kommentar richtig verstehe.
Ich würde Dir uneingeschränkt zustimmen, wenn da nicht ein „Aber“ wäre. Die Auseinandersetzung mit dem Inhalt, dem Hintergrund oder der Bedeutung ist meiner Ansicht nach erst mit der Zeit gekommen, früher war es nicht anders als heute. Man grenzte sich ab, wollte auffallen und fertig. Vom berühmten „auf die Fahnen schreiben“ keine Spur. Lass Dich nicht in Bockshorn jagen! Mir persönlich wäre es natürlich lieber, wenn man sich mit der Symbolik auseinandersetzen würde, aber das umgedrehte Kreuz fand ich früher toll weil es irgendwie „böse“ aussah. Sein Hintergrund war im damals egal. Schlimm? Ich weiß es nicht. Ich gehöre selbst zu denen die gerne andere verurteilen die „ihren“ Symbolen keinen Hintergrund geben, anders war ich früher wohl aber auch nicht ;-) Doch eins bleibt: Die Grenzen des gesunden Menschenverstands und Nazi-Mist fand ich noch nie toll, ob mit oder ohne Hintergrund.
@Bat Child: Ich bin gespannt, welche Blüten das noch treiben wird. Endlich mehr Damen-Schuhe in Herrengröße? Perücken und künstliche Brüste bei H&M? Vielleicht sogar extra stramme BHs um alles glatt zu bügeln?
Dann fehlen ja nur noch Herren schmink-Kurse und extra realistische aufglebebärte für Frauen.
@Nachtschwalbe
Stimmt, da war ja was… Allerdings sind die ja nicht mal richtig spitz und ich habe von einer richtigen >Trend-Welle< dieser Schuhe nichts mitbekommen, jedenfalls sieht man sowas hier auf der Straße nicht gerade oft bis gar nicht. Wir sind also (noch) auf der sicheren Seite, auch wenn es fünf vor 12 ist. :D
@Robert
Eben das ist ja die Kunst. Da gibt es keine Pauschalisierung, das meinte ich ganz subjektiv und nicht verallgemeinernd. Von Fall zu Fall zu entscheiden, nicht in Schubladen oder eindeutige Definitionen einteilbar.
Natürlich gibt es die vereinzelnd heute auch noch! Wieder war es nicht verallgemeinernd gemeint, sondern bezog sich einfach auf die jeweiligen Käufer. Das sollte die Absurdität, fertig zerrissene Hosen im Laden zu kaufen, verdeutlichen.
Wieder hast du Recht. War mein Kommentar wirklich so missverständlich? Herrje. D: Das mit dem Kommentieren muss ich mir das nächste Mal wohl besser überlegen, bzw. gleich stärker differenzieren…
Ich bezog mich auf das „Übliche“, das viel eines typischen Szenebildes ausmacht/ausgemacht hat: Bestimmte Kleidung, die Farbe Schwarz, Sidecuts, etc. Sowas lockt ja heute niemanden mehr hinterm Ofen hervor, ganz im Gegenteil. Ich habe eher das Gefühl, Schwarz ist mittlerweile eine der bevorzugsten Farben der Mode-Industrie und frage mich manchmal, ob nicht erst die dunkle Welle der 80er diese Kleidungs-Farbe überhaupt erst weitestgehend etabliert und alltäglich gemacht hat.
Jeeeedenfalls: Natürlich gibt es noch aufgeladene Symbole, fragt sich nur wie lange noch.^^ Das wird nicht von heute auf morgen geschehen, aber wenn mir jemand sagen würde, in 10 Jahren laufe die Masse mit Davidstern um den Hals rum, würde ich ihn nicht für verrückt erklären. Dafür sind solche Mechanismen viel zu unvorhersehbar. In der Vergangenheit gab es ja z.B. Kabbala- oder Buddhismus-Trends, weil ein paar Hollywood-Promis es chic fanden, Gebetsketten u.Ä. um die Handgelenke zu tragen. Solche Brüche bzw. Entwertungen können sehr schnell geschehen.
Zunächst würde ich wohl sagen, dass ich eher nicht zustimme. Vieles ist nicht übrig bzw. es kommt nichts Neues nach. Solche Symbole zu etablieren dauert(e) Jahrhunderte (und ja, ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass der Menschheit noch viele davon vergönnt sind). Andererseits… Denkt man an das Hakenkreuz, wird deutlich, dass es auch anders geht. Wobei das ein Extrembeispiel ist. Zum einen weil das Swastika an sich ja schon ein etabliertes, altes Symbol ist, das missbraucht wurde, zum anderen durch die gesellschaftlichen Umstände, in der diese Umwandlung stattfand. Doch hat es damals nur ein paar Jahre gedauert, die Bedeutung dieses Symbols in der westlichen Welt so krass zu pervertieren. Und selbst heute, über ein halbes Jahrhundert später, hat diese Intensität für uns nicht nachgelassen…
Die Verbreitung von Markenlogos funktioniert ja ähnlich schnell. Man siehe nur das Nike-Logo (eine Art zeitgenössisches Swastika? *Achtung, Sarkasmus*), das einem im Alltag unzählige Male begegnet. Von daher würde ich dir theoretisch schon zustimmen…
@ Robert: Auf mich wirkt es nicht so, dass die Geschlechterverwischen-Sache tatsächlich im Trend ist. Klar gibt es in den Medien Personen und Berichte, die sich um dieses und benachbarte (Gender-)Themen drehen (sei es bspw. eine Conchita Wurst). Doch bewegt es die Gesellschaft tatsächlich? Ich zumindest habe in meiner Umwelt (im weitesten Sinne, alles um mich herum, was ich wahrnehme) nie eine Debatte o.ä. mitbekommen. Wenn überhaupt gab es Aussagen nach dem Motto „lass se doch machen, wenns ihnen gefällt“, eine Möglichkeit der Abgrenzung sehe ich da eher in nur begrenztem Rahmen. Dazu müsste die Thematik ernsthaft polarisieren… eben wie bei einschlägigen, bereits genannten Symbolen.
Was die Pikes-Geschichte betrifft: Ich habe in jener 90k-Einwohner-Stadt, in welcher ich aktuell lebe, bisher nur 3 weitere Paar Pikes bzw. ähnliche Schuhe wahrgenommen. Davon gehörten 2 Paar in die Gruftiecke, das dritte Paar zu einer gewöhnlichen jungen Dame, die offenbar Geschmack besaß. Andere Menschen laufen hier mit den üblichen Tretern rum. Ich denke daher, man kann dahingehend gelassen bleiben und kein Herzflimmern bekommen ^^.
Ich wollte mich damit auch weniger auf das romantisch verklärte damals beziehen, sondern eher auf die individuelle Ebene, dass sich jeder einzelne da wieder mehr auf sein Inneres und seine Beweggründe zurück besinnen sollte ;)
Wie angeschnitten, die Auseinandersetzung mit der Symbolik kam bei mir auch erst mit der Zeit^^
Das ist für mich ein Element dessen, was die Szene (heute) mit ausmacht und ein Teil dessen, was ich daran so fasziniert – die Ästhetik.
Ich möchte hier doch auch mal ein, zwei Gedanken hinterlassen.
Zum Einen scheint der Konsens zu sein, dass diese Verniedlichung und Vereinnahmung der szenetypischen Symbolik der Szene ausschließlich von außen aufgedrückt wird. Dann frage ich mich, wer die ganzen Babyklamotten mit Totenköpfen und „lustigen“ Sprüchen oder den ganzen Szenekitsch (Drachenstatuen als Kerzenhalter, verschwurbelte Deko für zuhause) eigentlich kauft und so zur Kommerzialisierung beiträgt: nämlich mit Sicherheit nicht nur szenefremde Personen. Das „Problem“ ist zumindest teilweise hausgemacht.
Zweitens wäre da der andere Teil, der tatsächlich von außen kommt. Ich glaube, Adorno hat gesagt, dass die Gesellschaft Dinge, die als störend oder gar Angst erzeugend empfunden werden, assimiliert und ihnen so die „Gefährlichkeit“ nimmt und so Abgrenzungserscheinungen vermeidet. Soweit ich weiß, sehen Soziologen das ähnlich, und meiner Meinung nach ist das auch hier wieder zutreffend. Die Symbolik wird kommerzialisiert und dem Mainstream einverleibt, eben um die Abgrenzung zu verhindern.
Hah, Elmer, das hast du vollkommen Recht!
Der arme Mensch sucht doch Gefahrvermeidung um sich besser durch’s Leben zu schlängeln. Also: Assimilieren. Begründen. Und schwupps, schon hast du ne Deutung, ne Zuordnung, ne Kaste.
Shit, und der nächste Schritt heißt dann vermarkten. Machen wir aus der Gefahr ein Verkaufsargument!
Soweit so gut, früher war das vll anders. Ich habe Mitleid mit den Leuten die der Kommerzialisierung trotzen und sich das alles selbst mit eigenen Beweggründen ausgesucht haben, vll sogar selbst entworfen haben. Es ist jetzt Mode geworden.
Man muss schon 2x hingucken und auf die gesamte Ausstrahlung schauen um jnd zu erkennen der tatsächlich eine klare Botschaft ausdrückt.
Und doch, vll ist es nicht nur Modeerscheinung sondern vielleicht fühlen sich tatsächlich mehr Menschen entrückt als je zuvor. Das Streben nach Individualismus und die Abgrenzung von der Masse war noch nie verständlicher.
FÜr mich bleibt schwarz die einzige Möglichkeit anders zu sein, und zwar anders nur deshalb weil die „Farbe“ ein Abdriften auf Äußerlichkeiten und dementsprechend auf Assoziationen verhindert und auf die Person lenkt. Es ist also keine FLucht vor erneuten Modewellen nötig.
DIe eine oder andere persönliche Note um sich selber wohler zu fühlen lass ich mir natürlich auch nicht nehmen.
Cheers,
Rob
@Mourant: Das mit dem Kommentieren muss ich mir das nächste Mal wohl besser überlegen – Auf gar keinen Fall ;) Ohne den geschriebenen Gedanken gibt es keinen Fortschritt, weder bei mir noch bei Dir. Symbole mit Bedeutungen aufzuladen dauert keine Jahrhunderte mehr. Mit dem Hakenkreuz hast du ja schon das beste Beipspiel genannt. Das „Peace-Zeichen“ wäre ein weiterer, eher positiver Vertreter. Ich glaube hier spielt nicht die Zeit die Rolle, sondern der Grad der Verbreitung und der Zusammenhang in dem das Symbol erscheint. Und nein, Schwarz war immer schon Liebling der Mode, Chanel machte „das kleine Schwarze“ in den 60ern zum Stil schlechthin. Schwarz ist eben edel und geheimnisvoll und lässt sich mit nahezu allem kombinieren. Ich würde deine Gedanken aber trotzdem aufgreifen, denn es ist immer noch ein Kontrapunkt zur bunten und gelabelten Welt des Mainstream. Das hat sich in sofern nicht geändert.
@Svatur Nott: Möglich, dass meine Angst oder wahlweise Hoffnung, Geschlechterverwischen könnte ein Trend werden meine Wahrnehmung beeinflusst. Im Moment ist es jedoch wieder nicht im Focus öffentlicher Wahrnehmung und wird vom Zeitgeschehen überspielt. Die Gesellschaft wird von dem bewegt, was sie in Zeitungen lesen oder im Fernsehen sehen, nicht etwa von reelen Ängsten oder Gedanken, es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sie sich wieder davon tangiert fühlen. Ich bin jedenfalls bereit ;)
Flederflausch: Welche Ästhetik ist das denn deiner Ansicht nach? Was macht sie aus?
@Elmar Fudd: Absolut. Große Teile der Szene sind eben wieder der Mainstream, dem sie angeblich entgegenstehen. Da kauft man eben hemmungslos Totenkopf-Schlabber-Lätzchen und Strampler im Friedhofsdesign. Hier haben die Käufer die Bedeutung ihrer eigenen Szenezugehörigkeit nicht ganz verstanden. Man sucht sich immer neue Abgrenzungsmöglichkeiten, vor allem innerhalb der Szene. Gelegentlich findet man sogar welche, die nicht assimilierungsfähig sind. Gekalkte Gesichter sind immer noch kein Modetrend ;)
@Robin: Die persönlichen Freiheiten nehmen kontinuierlich zu. Wir leben in Deutschland, können uns nahezu frei entfalten und immer neue Blüten des Individualismus austreiben, die Anzahl derer, die das für sich nutzen, wird immer größer. Vielleicht kommen Dir deswegen immer mehr Menschen „entrückt“ vor. In der Masse der gleichgeschalteten Leistungsbürger sucht man sich eben immer neue Alleinstellungsmerkmale. Das Schwarz auf die Person lenkt, anstatt auf die Kleidung, kann ich nicht unterschreiben. Den Eindruck habe ich eher bei den ganzen Bunten mit ihrer Stangenware. Aber vielleicht irre ich mich auch.