Als Kunst den Punk infizierte. Das war meine erste Wortassoziation als ich bei Nerdcore über den kostenlos verfügbaren Ausstellungskatalog Punk – No One is Innocent der Kunsthalle Wien gestolpert bin. Beeindruckt zeigt ich mich jedoch vom Inhalt des recht umfangreichen Werkes. Künstler nehmen in der Geschichte des Punks einen ganz interessanten Stellenwert ein, denn Künstler und Modemacher waren es, die die Energie der Jugendkultur für sich entdeckten und so manchen Punk- und Post-Punk Act in den frühen 80er zu einer Vernissage erhoben und sich mit der Non-Konformität und vermeintlichen Avantgarde umgaben. Daher betrachte ich das Phänomen „Kunst“ in Jugendkulturen als zwiespältig und Missverstanden.
Umso erfreuter war ich, das Punk als solches nun eine künstlerische Betrachtung erhält, die es durchaus verdient hat. Der Ausstellungskatalog wie er hier genannt wird, kann mit durchaus beeindruckenden Fotografien und Texten verschiedener Autoren punkten und wird dem Wort „Katalog“ als solcher nicht gerecht. Allein das Bild auf dem Cover, das Gudrun Gut von Malaria! zeigt, als sie etwa 1978 von ihrer Schwester Anja abgelichtet wird, hat meine Neugier geweckt, denn bei Gut handelt es sich nicht um einen Punk im klassischen Sinne.
Die Kunsthalle selbst schreibt dazu: „…Punk interessiert uns als Kunsthalle im Anschluss an die Gitarren-Ausstellung Go Johnny Go! (2003) und die künstlerische Reflexion des Summer of Love (2006) weniger als musikalisches Phänomen, denn als Geste der Negation, als eine Pforte der Wahrnehmung, durch die man eintritt in ein Reich der chiffrierten Botschaften: Signal to Noise…“
Nicht nur ein flüchtiger Blick lohnt sich, sondern auch das Lesen der darin enthaltenen Texte lohnt sich. So finde ich das abgedruckte Gespräch mit dem leider verstorbenen Malcom McLaren für großartig und lasse es mir nicht nehmen daraus einige Textstellen zu zitieren, die mich schon eine ganze Weile beschäftigen:
War man als Punk aufmerksam auf dasjenige, was sich in elitären Kunstszenen Londons, New Yorks oder anderswo abspielte?
Nein. Die Punks waren viel zu beschäftigt mit ihrer eigenen Eitelkeit – ihren Körpern, dem Dreck. Sie interessierten sich nur für Extreme. Sie interessierten sich für nichts, außer dafür, das 20. Jahrhundert zu verlassen und nie wieder ins normale Leben zurückzukehren. Das war ihre Mission. Sie waren elitär und ich war – ohne das beabsichtigt zu haben – dafür verantwortlich.
[…] Die gegenwärtige Internetkultur ist eine Erweiterung des Punk Do-it-yourself Lifestyles: Blogs, Facebooks, Youtube … alle tragen dazu bei. Dort wird heutzutage der Kulturterrorist geboren. Dort wird ein Großteil an Populärkultur vertrieben, die sich nicht länger dem Kapitalmarkt anbiedern muss, oder an ihn gebunden ist. Deshalb ist es heute schwieriger denn je, der jungen Generation etwas zu verkaufen. Aber Punk bleibt so geheimnisvoll wie eh und je und wird über unser Leben hinaus als
etwas so Wildes, Romantisches, für die Jugend sexier als Sex selbst wahrgenommen. Punk ist im Kern all unserer Träume.
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
pff, ohne den kommerziellen Erfolg wäre Punk noch nicht mal aufgefallen.
Malcom litt unter einer unglaublichen Selbstüberschätzung. Meine Träume sind nicht Punk.
hmm, interessante verbindung aufgebaut zwischen dem diy des punk und den veröffentlichungsmöglichkeiten im internet heute … mir kommt da ne idee ;)
@Vizioon: Das sehe ich völlig anders. Der kommerzielle Erfolg kam erst, als man Punk zu vermarkten begann. Wäre Punk nicht aufgefallen, hätte sich auch nie ein kommerzieller Erfolg eingestellt. Ob McLaren unter Selbstüberschätzung litt, lasse ich mal dahingestellt, dazu kenne ich seine Person zu wenig um mir ein Urteil darüber zu erlauben. Der Erfolg, Provokation zu vermarkten, gibt ihm jedoch in monetärer Hinsicht recht.
@tobi: Genau das finde ich übrigens auch, gerade vor dem Hintergrund allgegenwärtiger Vermarktung, denn sämtlich Instrumente sich selbst im Netz darzustellen werden doch Konsequent von der Kommerzialisierung untergraben. Vielleicht wünsche ich mir wieder ein gesunde Spur von Unangepasstheit in der Blogosphäre, es immer etwas anders zu machen als es andere erwarten.
@Robert: Ich nicht :) Der kommerzielle Erfolg kam unter anderem als Malcom auf die Idee kam, eine Punk-Band zu casten, nämlich die Sex Pistols. Und diese entsprechend aufregend zu vermarkten. Und erst da war Punk ein Aufreger. Vorher waren es nur unwichtige Nebenfiguren.
Das bleibt eine Sache der Betrachtungsweise, denn ohne schon vorher aufzufallen wären die Pistols wohl nie von McLaren vermarktet worden. Unbestritten bleibt jedoch die Tatsache, das du McLaren die Vermarktung des Punk begann und damit eine Verbreitung der Idee dahinter. Mut zum Dilettantismus wurde Programm und prägte nachhaltig die Musikbranche. Als McLaren 1975 aus „The Strand“ die Sex Pistols machte, war Punk bereits in den Startlöchern, der Name war weniger geläufig. The Ramones, The Stooges, die New York Dolls brachten eine Richtung in die Musik, die unter den Jugendlichen beliebt war und von Managern wie McLaren entsprechend erfolgreich vermarktet wurden.
Sicher, ohne die Kommerzialisierung wäre Punk nie so schnell populär geworden. Ein Aufreger war es vorher schon, nur blieb das den meisten verborgen. Niemand weiß wie die Entwicklung ohne seine Tätigkeit ausgesehen hätte, vielleicht hätte es ein wenig länger gedauert, doch von unwichtigen Nebenfiguren kann man höchstens in Bezug auf „The Strand“ sprechen, nicht aber vom Punk.
schön an dieser austellung, von der dieser katalog nur sehr wenig beleuchtet, war das künstlerische negation aus der zeit von punk und wave mal vereint war. ein originalset der neubauten, tampon-kunstwerke von throbbing gristle, blitzkids-fotos, non-stop-videos von malaria aus zig monitoren sowie die entwicklung am zeitstrahl in london, berlin, new york. das beste aber waren persönliche erinnerungsstücke, fotoalben, tagebücher etc. von österreichischen punks (im klassischen sinne) im oberen stockwerk.
@ronjaRT: Ich verstehe kein Wort. Ich vermute, daß es um Pseudo-Kunst geht?
@ronjaRT: Davon habe ich leider nichts mitbekommen. Ich bin mir aber sicher, etwas verpasst zu haben. Ich denke auch, das sich Punk hier nicht allein auf ein musikalisches Genre bezieht, sondern vielmehr auf Performance und Handlung. Kunst oder Kitsch lag damals eng zusammen.