Ganze Fotoarchive von Bildern vermögen es nicht, alle Erinnerungen an die Pfingsttage in Leipzig festzuhalten. Auf den Festplatten vieler Besucher schlummern unbenannte, digitale Oasen, deren Zuordnung im Laufe der Jahre immer weiter verblasst, persönliche Erlebnisse werden in den Köpfen abgelegt und schaffen nie den Sprung zum reflektierenden Wort.
Die Berichterstattung in Medien und Zeitung ebbt ebenso schnell ab, wie sie einst als Flut der Informationen die Strände überspülte und glänzt dabei nicht immer durch den Willen, das Treffen in seiner ganzen Pracht zu präsentieren. Das Pfingstgeflüster möchte diese Lücke füllen: „Aus dem Wunsch heraus, das unvergleichliche, während der Pfingsttage in Leipzig vorherrschende Flair für uns und andere länger zu bewahren und die Schwermütigkeit zu mildern, entstand die Idee, einen umfassenden Rückblick mit großformatigen Bildern, Stimmen und Stimmungen und Schilderungen persönlicher Erlebnissen zu gestalten.“ 1
2005 wurde das Pfingstgeflüster geboren. Zum nunmehr sechsten mal versucht Marcus Rietzsch eben dieses Gefühl zu konservieren, indem er in Eigenregie und nur ein paar Wochen nach Ende des Treffens, das Magazin herausbringt. Ähnlich wie bei vielen weiteren Publikationen ist er dabei in der Lage eine Vielzahl von authentischen Stimmen einzufangen, die ihre persönliche und eigene Sicht der Dinge zu Papier bringen.
Am 25. Juli erscheint nun nach viel leidenschaftlich und aufopferungsvoller Arbeit das Pfingstgeflüster für 2011. In 14 Beiträge wird versucht, neben einem Blick auf das jüngst vergangene Treffen, auch einen Blick auf 20 Jahre WGT zu wagen um herauszufinden, was aus dem weltweit größten Treffen dieser Art geworden ist.
Dabei ist es Rietzsch gelungen, auch bislang ungehörte Stimmen zum Treffen einzufangen und den Worten eine Plattform zu bieten. So ist es ihm gelungen, den sonst so schweigsamen Initiator des WGT, Michael Brunner zu vergangenen Zeiten einige Worte abzuringen. Alexander Nym geht der Frage „Schwarzbunter Karneval oder untergründiges Kulturerlebnis?“ nach und auch der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig kommt zu Wort. Die Vollständige Beschreibung ist verheißungsvoll:
Präsentiert werden Einblicke in die Arbeiten der im Rahmen des Wave-Gotik-Treffens lesenden und ausstellenden Künstler wie beispielsweise Christian von Aster, Klaus Märkert, Ronald Galenza, Sara Horwath und Sebastian Rühl. Ein ausführlicher Beitrag über die Gäste des WGT mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen – teils großformatig – verdeutlichen den Facettenreichtum der Szene und interessante Meinungen stellen die Vielfalt aber auch die Gemeinsamkeiten der Besucher dar. Farbige Konzertfotografien von Andreas Liem und Michael Küper erinnern an unvergessliche Auftritte und geben einen kleinen Ausschnitt der auftretenden Künstler wieder. Michael Brunner, der Initiator des WGT, berichtet u.a. von „vergangenen Zeiten”, dem Aufwachsen in der DDR und dem Enthusiasmus aller in den ersten Jahren mit der Organisation des Treffens Betrauten. Einzigartige fotografische Augenblicke aus der Vergangenheit des Treffens – eingefangen von Gerd Lehmann, dem Schöpfer der Gestus-Kalender – erfreuen das Auge. Zusätzlich gibt ein Text über das Schaffen des Fotokünstlers interessante Einsichten. Außerdem widmeten wir uns dem Menschen Gustav Mahler. Eine umfangreiche Presseschau von Robert Forst auf 20 Jahre WGT-Berichterstattung ist ebenso enthalten wie ein Gespräch mit dem Sänger der allerersten beim WGT aufgetretenden Band „Age Of Heaven”. Alexander Nym, Herausgeber und Autor der Bücher „Schillerndes Dunkel” und „Black Celebration“ berichtet von seinem persönlichen Treffen inklusive der Frage: „Schwarzbunter Karneval oder untergründiges Kulturerlebnis?“. „Love Like Blood”, die nach über einem Jahrzehnt Abstinenz wieder eine Konzertbühne betraten, um sich gebührend zu verabschieden, kommen ebenso zu Wort wie der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Burkhard Jung. Guldhan riskiert einen bittersüßen Blick auf das Damals und das Heute. Ein Beitrag der Dramaturgin Bettina Bartz über die Oper „Elektra” runden die diesjährige Ausgabe ab.
Aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass auch Guldhan und meine Wenigkeit die Ehre zu Teil wurde, einen Beitrag für das Magazin schreiben zu dürfen. Über die Internetseite des Pfingstgeflüsters und per Bestellung über den Buchhandel oder in einschlägigen Szeneshops kann das Heft zum Selbstkostenpreis von 8,90€ bestellt werden, dabei möchte ich betonen, das Preis in keiner Relation zum eigentlichen Wert des Heftes steht, sondern in erster Linie die Selbstkosten der aktuellen Ausgabe trägt. 750 Hefte werden erscheinen, wer sich ein Exemplar sicher will, sollte sich jetzt schon eins bestellen.
Marcus Rietzsch, der sein Licht so gern unter den Scheffel seiner Gastautoren stellt, macht dieses Magazin aus einem Antrieb heraus, die ich nicht nur bewundere, sondern die mir auch den allerhöchsten Respekt einflößt, denn wer schon mal einen kleinen Blick unter die Haube eines solchen Heftes werfen durfte, kann sich sicherlich gut vorstellen, wie viel Arbeit so etwas bereiten kann. Es müssen Gespräche geführt, Interviews aufgeschrieben, Bilder gemacht und unzählige E-Mails geschrieben werden um die Autoren immer wieder an einen Zeitplan zu erinnern. Ein Layout muss geschaffen werden, die Aufteilung bestimmt und Bilder ergänzt werden. Rietzsch arbeitet nicht gewinnorientiert, sondern zum Selbstkostenpreis und ist damit ein leidenschaftlicher Fels in der Brandung der Kommerzialisierung.
Einzelnachweise
- Marcus Rietzsch in: Black Celebration – 20 Jahre Wave-Gotik-Treffen, Jennifer Hoffert / Alexander Nym, Plöttner Verlag 2011, S. 131[↩]
Das Pfingstgeflüster ist eine Institution und als solche handlungsprägender und zur Reflexion anregender Akteur des schwarzen Lebensstils! Ich freue mich schon sehr auf die neue Ausgabe und schreibe nach der Lektüre einen Leserbrief zu euren Beiträgen :-)
Ich muss gestehen, dass ich vor dem Angebot keine Ahnung von jenem geflüsterten Nachruf hatte. Zum einen, da ich damals gerade in dem Jahr wieder beim WGT Stellung bezogen hatte, an dem die Ausgabe aussetzte.
Und zum anderen, da man so etwas selten im Vorbeigehen erfährt. Da solche Eigeninitiativen gerne vom allgemeinen Rummel ignoriert werden. Völlig zu unrecht, aber wer heutzutage nicht mit dem Megaphon auf dem Platz auf und nieder springt und lauthals »Hier stehe ich« durch den Verstärker dröhnen lässt, findet kaum noch Gehör.
Ebenso verblüfft war ich über die Ansammlung großer Namen, die schon das eine oder andere Wort innerhalb des Pfingstgeflüster gelassen hatten. Und eine wunderbare Einheit mit der ebenfalls darin befindlichen »Stimme von nebenan« bilden.
Jedenfalls bin ich auf die Ausgabe gespannt Vor allem, da darin die von mir hochgeschätzten Gerd Lehmann und Christian von Aster präsent sind. Und ich bald die Weisheiten des Spontis-Wortführers auch in gedruckter Form vor mir liegen haben werde.
Tobikult: Leserbriefe finde ich toll! Jetzt mal ganz ehrlich, das geht doch in unseren schnelllebigen und meckergewohnten Zeit total unter! Wer macht sich denn noch wirklich die Mühe zu schreiben, wenn ihm etwas gefällt? Einfach so, ohne die Aussicht auf kostenlose Produktproben und Gratispackungen.
Guldhan: Wie immer treffen deine Worte in gewohnter Manier den Kern der Sache. Auch ich bin überrascht, einen Text von Dir lesen zu dürfen. Gedruckt, für die Ewigkeit, zum in der Hand halten. Ich freue mich sehr. „Völlig zu unrecht, aber wer heutzutage nicht mit dem Megaphon auf dem Platz auf und nieder springt und lauthals »Hier stehe ich« durch den Verstärker dröhnen lässt, findet kaum noch Gehör.“ Und wenn dann jemand diese Methoden benutzt wird er dann doch eher belächelt, als erhört.
Beim Lesen der Zeilen auf dieser Seite bin ich sicherlich etwas rot geworden. Ich fühle mich überaus geschmeichelt. Aber was wäre das Pfingstgeflüster ohne seine großartigen Gastautoren und -fotografen? Ich bin glücklich und dankbar, wiederholt Menschen gefunden zu haben, die meine Leidenschaften teilen und eigene Gedanken vortrefflich für das Pfingstgeflüster zu Papier gebracht haben.
Guldhan: An ein Megaphon habe ich bisher noch gar nicht gedacht. Aber in Ermangelung eines Megaphons und der nötigen Zeit während der Pfingsttage und darüber hinaus der Abneigung im Rampenlicht stellen zu müssen, werde ich diesen Bekanntmachungsansatz wohl nicht weiter verfolgen.