Pfingstgeflüster 2019 – Der einzig wahre Rückblick auf das Wave-Gotik-Treffen ist jetzt erschienen

Die 14. Ausgabe des Pfingstgeflüsters ist da. Irgendwas ist anders. Nicht nur das „frische“ Design und die matten Seiten des 92 Seiten starken Magazins wirken anders, sondern vor allem der Geruch. Macht ihr das auch? Wenn ich ein neues Magazin, eine Zeitung oder ein Buch in den Händen halte und auspacke, schlage ich es in der Mitte auf und rieche daran. Druckerschwärze, Farbmittel, Lösemittel, Klebstoff, Papier. Eine mitunter berauschende Mischung. So riecht Wissen, habe ich mir schon in der Schule eingeredet als ich in den neuen Schulbüchern roch. 30 Jahre später weiß ich immerhin, dass Wissen geruchlos ist. Trotzdem stecke ich meinen Riechkolben auch dieses Jahr in das gut gelungene Magazin. Der Geruch stört mich. Riecht so ein bisschen wie Erdnussflips, aber solche, die nach einem Tag an der frischen Luft schon pappig geworden sind. Ist bestimmt umweltfreundlich, ressourcenschonend und hochwertig. Riecht trotzdem anders.

Der Inhalt entschädigt aber in vollem Umfang. Viele interessante und auch fordernde Artikel über das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig und über Kunst, Kultur, Musik und die Menschen, die all das möglich machen. Vor und auf der Bühne. Ich habe das Magazin schon durchgeschmökert und folgende Eindrücke mitgebracht:

  • Murder at the Registry erzählen von ihrem Erlebnis, beim WGT zum ersten mal aufgetreten zu sein und verlieren sich dabei in herrlich authentischen Gedanken, ob sie auftreten sollen: „Und nun? 30 Jahre nach Bandgründung endlich ein Ritterschlag oder gebe ich mich für eine bloße Nostalgieveranstaltung her?
  • Katja Angenent verzichtet auf ihren wohlverdienten Schlaf zugunsten eines Vortrages von Axel Menz, in dem es um den „Symbolismus in the Gothic-Bewegung“ geht. Das meint nicht die plumpen umgedrehten Kreuze an den bleiche Hälsen der Besucher, sondern vielmehr die Kunstrichtung, die sich in darstellender Weise mit Symbolen beschäftigt und diese in Malerei und Bildhauerei zum Ausdruck bringt. Ein paar Seiten später stellt Katja übrigens auch noch die „Regungsart“ von Lisa Billing vor, die dieses Jahr auf der Empore des AGRA-Cafés zu finden war.
  • Die Grufti Glosse von Christian von Aster ist schon ein lieb gewordener Teil des Geflüsters geworden. Diesmal erzählt der Großmeister der Wortkunst von seinem bevorstehenden Lebensabend in Schwarz und warum er sich ein bisschen darauf freut.
  • Für unseren Beitrag zum Pfingstgeflüster, dem Blick auf die Besucher, hat sich vor allem Ines mächtig in Zeug gelegt und wieder Leute ausgequetscht und in Worte gefasst, die das Festival unter dem Strich zu dem machen, was es ist. Zu einem Treffen. Meine Einleitung und der Abspann sind nur schmückendes Beiwerk. Wir hoffen, es gefällt Euch. Wer übrigens wissen will, wie so ein Rückblick aussieht, wird in den kommenden Tagen mit dem Blick auf die Besucher 2017 hier im Blog belohnt. Die Fotos sind übrigens mal wieder großartig geworden. Bilder für die eigene Ewigkeit.
  • Laetitia Mantis bringt uns Kulthäuser nähe und erzählt von dem Konzept „einer neuzeitlichen heidnischen Kultstätte“, die dieses Jahr wieder im heidnischen Dorf zu finden war.
  • Danielle de Picciotto ist zusammen mit ihrem Mann, Alexander Hacke unter dem Namen Hackedepicciotto zusammengekommen um Musik zu machen. Dem Geflüster erzählen sie, wie es dazu kam und warum sie sich gefreut haben, für das Gothic-Publikum spielen zu dürfen. „Dafür danken wir allen Anwesenden und hoffen auf eine erneute Einladung, um mehr von diesem Festival und den vielen bunten Besuchern mitbekommen zu können.
  • „Die Angst vor der Sterblichkeit“ nennen Pia Stöger und Constance Timm ihren Artikel im Pfingstgeflüster, der sich mit Goethes Faust auseinandersetzt und der allzu menschlichen Angst, sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Und auch Faust beendet seine Geschichte mit einem Platz im Himmelreich, denn ein Leben kann nicht einfach so enden, oder?
  • In „Stimmungsbilder vor dem Auftritt“ berichtet Klaus Märkert, ganz zu meiner Freude, von seiner Reise zur Lesung in der Heilandskirche. Diesmal musste er nicht mit dem Zug fahren, sondern wurde von den Eerie Glam Girls im Auto mitgenommen. Gewohnt lebensnah erzählt er, wie die Damen seine selbst geschmierten Käsebrote ablehnen und er laut darüber nachdenkt, warum das so ist. Ich habe aber auch nie fremdgeschmierte Käsebrote gegessen. Die rochen irgendwie anders als die eigenen Käsebrote. Käse hat ja so die Angewohnheit, den Geruch seiner Umgebung anzunehmen und dann schmeckst du in so einem Käsebrot dann schnell mal die halbe Zwiebel, die im Kühlschrank lagerte. Ich verstehe das.
  • Nikolas Schreck widmet sich in „Musik und Magie“ der spirituellen Seite der Musik. An mir geht sein Fazit allerdings völlig vorbei. Kommunikation mit Göttern? Ich wäre ja schon froh, wenn das mit meinem Mitmenschen klappen würde.
  • In der Kurzgeschichte „Advocatus Diaboli“ beschäftigt sich Norman Liebold mit dem Dämon, der ihn in Gesprächen immer dazu nötigt, die Gegenposition einzunehmen. Unabhängig von seiner eigentlichen Meinung versteht sich.
  • Marcus Rietzsch himself widmet sich im Artikel „Die Schwarze Linie“ einer Ausstellung von Inken Stabell und Corinna Seifert, die nicht nur Talent durchblitzen lassen, sondern vor allem von harter Arbeit zeugen.
  • Anja Kretschmer hat Zeit gefunden über ihre Friedhofsführungen über den Leipziger Südfriedhof zu berichten. Die drehen sich bekanntlich nicht direkt um den Friedhof selbst, sondern vielmehr über die Bestattungskultur vergangener Zeiten. Ich mag sie, die Anja. Den Eindruck, den ich auf zwei ihrer Führungen gewonnen habe, verstärken sich durch ihren Artikel auf sehr sympathische Weise.
  • Janus, in Form von Dirk Riegert, erzählt von seiner Beziehung zu Leipzig. Eine Stadt, die ihn immer wieder in seinen Bann gezogen hat. Auch für Janus, seine Band, war die Stadt und vor allem das WGT ein wichtiger Meilenstein, denn hier traten die Musiker auch zum ersten mal auf.
  • Unter dem sperrigen Titel „Tiere als Mittler zwischen der Welt der Lebenden und der Toten“ verbirgt sich ein Vortrag von Parm (Schemenkabinett) auf dem diesjährigen WGT, den er im Rahmen einer Vortragsreihe für die englischen Besucher des Festival gehalten hat. Marcus Rietzsch war da und hat eine deutsche Fassung davon in Pfingstgeflüster gebracht. Endlich hat dieser tolle Vortrag einen würdigen Platz ergattert! Wer nicht genug von den Oheimbs kriegen kann, sollte auf ihrem Blog (siehe oben) vorbeischauen, in dem regelmäßig neue Artikel ähnlicher Couleur erscheinen.
  • Das Modewort des diesjährigen WGT ist ganz klar „Die-In“, obwohl der Anlass alles andere als lustig ist. Der Trauermarsch für aussterbende Arten, der im Rahmen des WGT stattfand, wird hier von Katja Angenent aufgegriffen. Notwendig und wichtig!
  • In „Camera Obscura“ präsentiert Corinna Seifert den Künstler Sighard Gille und seine Bilder, die einige Wahrzeichen von Leipzig in einem völlig anderen Licht erstrahlen lassen.
  • Zwischen lähmender Angst und besonderen Momenten bewegt sich Matt James von der Band Vowws, der nicht nur von der Unsicherheit über die Qualität der eigenen Musik zeugt, sondern auch von einer ausgeprägten Sympathie für das deutsche Publikum.

(Schon) Wieder hat Marcus Rietzsch zusammengetragen, was zusammengehört und sich als WGT-Rückblick in 14. Auflage unverzichtbar gemacht. Wer schon mal versucht hat, mehr als 2 Autoren unter einen Hut zu bekommen, weiß was das bedeutet. Marcus ist irgendwie der perfekte Charakter für diese Aufgabe. Seine beinahe schon stoische Ruhe und die Zielstrebigkeit seines Handelns scheinen ideale Begleiter für diese Herausforderung zu sein. Ich wünsche mir sehr, dass er das auch noch in den nächsten Jahren stemmen wird. Das Magazin bleibt der einzig wahre Rückblick auf das WGT. Nicht weil die Bilder im Kopf bewahrt, sondern das Gefühl im Herzen.

Das Pfingstgeflüster 2019 ist am 9. August erschienen, umfasst wieder 92 großartige Seiten und ist zum Preis von 9,90 Euro bei Marcus im Shop erhältlich. Seltener konnte man sein Mammon sinnvoller und dunkler verteilen, als hier.

Pfingstgefluester 2019

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