Nein, ich glaube das wird keine Rezension, vielleicht ein Appell. Ich muss nämlich zugeben, dass ich voreingenommen bin, habe ich doch mittlerweile zum fünften mal einen Artikel zum Pfingstgeflüster beigesteuert und einige meiner Freunde sind ebenfalls als Autoren vertreten. Darüber hinaus bewundere Marcus Rietzsch, den Verleger und Erfinder des Pfingstgeflüsters, für seine Leidenschaft und die unermüdliche Arbeit, die er seit 2005 in jede Ausgabe des Pfingstgeflüsters steckt, ohne dabei einen einzigen Cent zu verdienen. Die jährlich erscheinende Zeitschrift ist ein Hommage an das Wave-Gotik-Treffen, eine Würdigung der Stadt Leipzig und ein Geschenk an die Menschen die sich jährlich dort treffen. Artikel, die nicht von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst werden, keine langweiligen und unkritischen Interviews mit Bands und Künstler die in anderen Magazinen auch schon zu lesen sind, kein Werbeblättchen für die Veranstalter des WGT und auch kein Reiseführer für die Stadt Leipzig. Soll mir mal jemand erklären, wie man objektiv über eine solche Herzensangelegenheit schreibt. Nein, das kann keine Rezension mehr werden – es ist bereits ein Appell.
Vielleicht kennt ihr das enttäuschte Gefühl, eine Szene-Zeitschrift mit WGT-Special in den Händen zu halten, die euch mit winzigen Bilderstrecken und einer Aufzählung der auftretenden Bands zum Kauf anmiert hat und sich letztendlich doch als Mogelpackung entpuppt. Ein Kaufimpuls der von dem Gefühl des Festhaltens ausgelöst wird, dem Wunsch, etwas Schönes für immer zu konservieren. Genau aus dem Grund entstand das Pfingstgeflüster, wie mir Marcus in einem Interview bereits verraten hat. Auch 2015 konnte der wieder viele Autoren ins schwarze Boot holen und sie dazu animieren, einen Artikel beizusteuern. Ich freue mich immer wie Bolle, wenn ich die druckfrische Ausgabe in den Händen halten kann und lese, was andere beizusteuern hatten und wie die Besucher aussehen, über die ich geschrieben habe. Denn tatsächlich bekomme ich die meisten der „Besucher“ nur als geschriebenes Wort zu Gesicht.
Das Pfingstgeflüster wandert durch meinen gesamten Alltag und ist eine Zeit lang ein ständiger Begleiter. Auf dem Schreibtisch, neben der Badewanne, auf dem Nachttisch, in der Küche oder neben dem Sofa. Überall wo ich mir in der Regel ein wenig Ruhe gönne, um dann 1 oder 2 Artikel zu lesen. Anders als im Blog gibt es keine Kommentarfunktion, ich kann mich also nicht mit anderen austauschen, wie ihnen das Magazin gefallen hat, was sie gut und was sie schlecht fanden, worüber sie geschmunzelt haben und was sie nachdenklich gemacht hat, deshalb suche ich bei alle möglichen Gelegenheiten nach dem persönlichen Gespräch. „Hast du das Pfingstgeflüster schon gelesen?“
Alle meine Bekannten und Freunde kennen es, keine Frage. Doch die wenigsten haben es sich bereits bestellt. Dabei schwelgen die meisten in ihren WGT-Erinnerungen, liken und kommentieren immer und immer neue Alben und einzelne Bilder in den sozialen Netzwerken. Die meisten können es kaum erwarten, so die einhellige Meinung, die Reise nach Leipzig wieder anzutreten. Woran liegt es also, dass so wenige Menschen das Magazin bestellen? Ist es zu teuer? Das Pfingstgeflüster kostet 8,9€ plus 1,6€ Versandkosten, nur einen Hauch teurer als eines der einschlägigen Szene-Magazine. 92 Seiten, kaum Werbung, Hochglanzpapier. Nicht wirklich zu teuer. Ich habe neulich rund 17€ für den Versand von ein paar Pikes aus England bezahlt. DAS ist teuer! Ist es vielleicht zu tiefsinnig? Vielleicht schlage ich Marcus für die nächsten Ausgabe eine Top 10 der schlechtesten WGT-Outfits vor. Das zieht bestimmt.
Ich glaube, man hat den Bezug zum Haptischen verloren. Magazine sind nichts mehr wert, die meisten Informationen findet man, so glauben die meisten, sowieso im Internet und Bilder kann man eigenen Rechner viel besser betrachten. Ich habe den Eindruck, dass niemand mehr gedruckte Erinnerung zu schätzen weiß, klicken verdrängt blättern. Möglicherweise schmunzelt ihr beim lesen deiser Zeilen, weil ich schreibe, was sowieso schon jeder weiß. Das WGT ist auch ein Kommerzfest, vielleicht betrachten die meisten das Pfingstgeflüster als Teil davon. Wenn ihr micht fragt, ein fataler Trugschluss. Fatal, weil so jede Form von Kreativität und Schaffensdrang daran scheitert, dass niemand dafür bezahlen will. Ein Trugschluss, weil das Magazin von Marcus Rietzsch aus dem schwarzen Herzen kommt und niemand damit Geld verdienen möchte. Sowas soll es geben. Das Magazin feiert mit dieser Ausgabe sein 10. Jubiläum, helft dabei, dass es so bleibt. Kauft. Es lohnt sich. Im folgenden die Themen des Heftes, mehr Szene geht nicht.
- Kampf der Nach-WGT-Melancholie (Edith Oxenbauer und Marcus Rietzsch)
- Leipzig – Die schwarze Metropole? (Shan Dark)
- Schicksalsbilder – Nichts ist so wie es scheint (Edith Oxenbauer mit Bildern von Partricia Zschuckelt)
- Frank the Baptist – Ich bin ein glücklicher Mann (Frank Vollmann)
- Alltagsmärchen – Gehörnte Unschuld (WGT-Lesungsbeitrag von André Ziegenmeyer)
- Die Besucher – Treffen der Generationen (von mir)
- Die Kammer – Karneval der Eigentümlichkeiten (Matthias Ambré)
- Geliebter Schmerz – Sommerromanze (WGT-Lesungsbeitrag von David Wonschewski)
- Vinsterwân – Des Dunkels Hoffnung (von Marcus Rietzsch mit Bildern von Lisa Schubert)
- Hexen – Ein Phänomen zwischen Aberglaube und Abwehr (Auszug aus dem Vortrag von Miriam Blümel)
- Gespräche mit Goth – Smalltown Boy (WGT-Lesungsbeitrag von Thomas Manegold)
- Wahre Märchen – Grimm 2.0 (Edith Oxenbauer mit Fotografien von Annie Bertram)
- 1000 Jahre Leipzig – Im Laufe der Zeit (von Guldhan)
- Konzertimpressionen (mit Bildern von Andreas Liem, Michael Küper und Marcus Rietzsch)
- Stille Orte – Jüdische Friedhöfe in Leipzig (von Marcus Rietzsch)
- Die schwarze Romantik – Melancholie und Todessehnsucht (von Mirja Dahlmann)
- Grufti Glosse – Das Bessergoth-Dilemma (von Christian von Aster)
- Museum der bildenden Künste – Mittelalterlicher Totentanz und Erlösungsversprechen (von Sebastian Hainsch)
- Doppelgänger – Das erste mal (von Black CaT)
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Liegt natürlich hier.
Allerdings aus Zeitgründen noch immer ungelesen…. :-/
Ich bestelle mir das Pfingstgeflüster jedes Jahr. Es ist immer ein schöner Rückblick auf tolle Tage.
Allerdings muss ich auch gestehen, dass auch ich es bislang noch nicht geschafft habe, die diesjährige Ausgabe zu lesen *Asche auf mein Haupt*
Robert, ich danke Dir für diesen wundervollen Appell. Deine Worte sind für mich mehr als genug Motivation, um auch im nächsten Jahr – wenn das WGT sein 25jähriges Jubiläum feiert – ein weiteres Pfingstgeflüster in Angriff zu nehmen.
Ich dachte immer, ich sei immun gegen Werbung. Wieso hab ich mir dann sofort eine Ausgabe bestellt… Ach halt, es war nur ein Appell? Na dann… Zu meiner weiteren „Verteidung“ muss ich vorbringen, dass der Pfingstbote schon länger auf meiner mentalen Einkaufsliste stand. Aber wie es oft so läuft: Aus den Augen, aus dem Sinn. Gute Idee also, Robert. ;)
Die Lieferung war übrigens extrem schnell!
Wenn man runterscrollt auf der Pfingstgeflüster Seite kann man sich übrigens die Ausgabe von 2005 kostenlos holen. Man zahlt dafür lediglich die Versandkosten :) netter Artikel
Niemand muss sich verteidigen. Einfach machen, ich denke das Pfingstgeflüster ist es wert. Es ist ja niemand gezwungen ein Magazin zu bestellen und für den ein oder anderen sind selbst 10€ zu viel Kohle. Das ist dann nunmal so. Ich denke jedoch, dass man mit dem Kauf einer solch ambitionierten Zeitung tatsächlich etwas für den Erhalt einer Szene-Kultur tun kann, die sich viele wünschen und die immer ein Teil der Szene war. Sich hinstellen und über den Verfall der Szene meckern ist vermeintlich leicht, wer kennt nicht die Unkenrufen? Noch leichter ist es jedoch, einfach mal 10€ in die Hand zu nehmen und ein Stück Szene-Kultur in den Händen zu halten, darin zu lesen und einfach mal wieder das Gefühl zu genießen, dass die Welt doch nicht ganz so schnell sein muss, wie man sie sich macht ;)
Wieder mal eine lohnenswerte Ausgabe, steht in meiner Bibliothek, direkt neben den Pfingstboten von 1998 an …
Das Pfingstgeflüster ist auf alle Fälle jeden Cent wert . Zu einem ist es nicht so oberflächlich, wie manch andere „Szene“ Magazine , zum anderen ist es ein sehr interessanter und mit Liebe zum Detail´er Rückblick auf ein Festival , was es so in der Art nicht ein zweites Mal gibt….Und 10 Euro für ein hochwertiges Magazin ist wirklich nicht zu teuer , denkt man doch an die ganze Arbeit die darin steckt.
Meins ist gestern angekommen und ich freue mich schon wahnsinnig aufs schmökern. ;)
Schön, dass es Feedback gibt! Fleißig bestellen, lesen und wenn ihr wollt. Könnt ihr hier gerne auch eure Kritik (positiv/negativ) hinterlassen. Das würde nicht nur mich interessieren, sondern sicherlich auch die anderen Autoren und den Verleger selbst, so ein Magazin hat nämlich keine Kommentarfunktion ;)
Ich muss ja kleinlaut zugeben, dass ich es auch verpennt hatte. Hab’s nun nachgeholt und schmökere nun auch darin. :-) Danke für den Appell Robert, oder wollen wir’s gar ganz ungalant „Arschtritt“ nennen ;-D?