Steht ein Grufti vor der Psychiatrie. So eindrucksvoll unbedeutend und doch vielsagend in seiner Bildsprache beginnt der Film mit dem Titel „Heute bringe ich mich um!!“ aus der alternativen Hamburger Filmschmiede Kino ohne Talent. Es dauert nur Sekunden bis aus der Kombination von „Gothic vor der Psychiatrie“ und dem Titel des Films die übliche Erwartungshaltung gedeiht. Beim Betrachter sausen die vertrauten Bilder durch den Kopf. Man erwartet quasi eine weitere hanebüchene Verbindung von Szene und Selbstmord, psychischen Störungen und Depressionen. Glücklicherweise erfüllt der Film diese Erwartungen nicht. Vielmehr ist es eine DIY-Filmproduktion von alternativen Hamburger Filmemachern, die vor brisanten Themen nicht zurückschrecken und sich dem Thema psychischer Krankheiten auf Augenhöhe nähern.
Die Geschichte
Grufti Marianne ist nach einem 6-monatigen Aufenthalt in der Psychiatrie am Ende. Ein Drogendeal, den sie vor der Einweisung mit ihrer Freundin Katrin durchziehen wollte, ist schiefgegangen. Jetzt hat sie bei den falschen Leuten 20.000 Euro Schulden und hat keine Ahnung, wie sie das Geld auftreiben soll. Die einzige Hoffnung, die sie hat, ist ihr eigener Roman „Heute bringe ich mich um!!“, an dem sie schreibt. Doch anstatt den fertig zu stellen, bricht ihr das Leben unter den Pikes weg.
Der Film
Gedreht wurde der Film im Sommer 2013 mit rund 90 Beteiligten in Hamburg, doch erst zwei Jahre später feierte er Premiere. Jetzt kann man ihn bei YouTube in voller Länge genießen:
Das sagt der Regisseur zum Film
Felix Gerbrod nahm vor einer Weile Kontakt zu mir auf und bot an, etwas über den Film zu diesem Artikel zu ergänzen. Darüber war ich sehr froh, denn es fällt mir als Nicht-Betroffener schwer, den Gedankenwelten der Figuren und dem Konstrukt des Films zu folgen.
„Marianne kommt aus der Psychiatrie. Dort hat sie Mut gesammelt und Handwerkszeug für den Umgang mit Problemen bekommen. Geheilt ist sie nicht, das ist niemand, der aus der Psychiatrie kommt. In der echten Welt scheinen sich alle gegen Marianne verschworen zu haben, dennoch schlägt sie sich trotz aller Rückschläge tapfer. Traum und Realität mischen sich, bis sie kaum noch voneinander unterscheidbar sind. Lediglich ihr Roman gibt ihr einen Lebenssinn.
Im Gegensatz dazu hat Alexander nicht allzu viel aus seinem Aufenthalt in der Psychiatrie gelernt. Seine destruktive Grundeinstellung bringt ihn immer weiter Richtung Abgrund. Spiegelbildlich zu Mariannes Erlangen von (Handlungs)freiheit engt sich seine Welt immer weiter ein. Er schafft es nicht, sich dem Leben zu stellen, bis zwangsläufig die Katastrophe passiert.
Wir erzählen die Geschichte gemächlich. Der Zuschauer soll sich wie Marianne fühlen und in der (neuen) Welt vortasten. Oft ist nicht klar, was echt und was Einbildung ist. Die auswegloser werdende Lebenssituation äußert sich in ihrem Roman, ihrem Erleben, ihrer immer leerer werdenden Wohnung und dem Schicksal Alexanders. Das versöhnliche Ende ist der Dank für Mariannes unablässigen Kampf um ihr Leben.“
Die Meinung
Lassen wir einfach mal den DIY-Charakter des Films außen vor und widmen uns nur dem Inhalt. Wir haben hier einen ganzen Haufen Klischees, die immer wieder den Film fest im Griff haben. Die beiden Protagonisten Marianne und ihr Freund Alexander sind offensichtlich in der Gothic-Szene angesiedelt und haben Probleme in ihrem Leben. Während sich Marianne nach ihrem Aufenthalt in der Psychiatrie geläutert gibt, ist Alexander Alkohol und später auch wieder Drogen nicht abgeneigt. Die beiden reden öfter davon sich gemeinsam umzubringen und kriegen auch sonst irgendwie nichts auf die Reihe. Der Film steigert sich dann auch in seinen Klischees unaufhaltsam weiter. Selbstverletzendes Verhalten, Selbstmord und Leute, die aus Särgen steigen.
Jetzt könnte man sich natürlich umgehend echauffieren, warum Gothics wieder mit solchen Dingen in Zusammenhang gebracht werden und was die Szene mit ebendiesen Dingen zu tun hat. Doch das ist meiner Ansicht nach viel zu Oberflächlich in diesem Fall. Denn tatsächlich finden die Themen „Gothic“ und „Die Szene“ in keinster Weise Verwendung. Einen Zusammenhang zwischen Szene und dem im Film dargestellten Dingen kann man auf sachlicher Ebene einfach nicht herstellen.
Wir haben hier einfach nur einen Film von Leuten aus einer alternativen Umgebung zu tun, die sich im Filmemachen versuchen. Die Geschichte ist möglicherweise aus dem leben gegriffen und schildert eindringlich, wie Verzweiflung und Ausweglosigkeit enden können. Dass es sich dabei um Gruftis handelt, ist eher nebensächlich, als das sich diese Tatsache in den Vordergrund spielt. Ich bin gespannt wie ihr das seht.
Mir hat er gut gefallen, vor allem der Soundtrack der Band Livia, in der auch der Hauptdarsteller Olgé de Waldfee aktiv ist, hat mich begeistert. Schneiderin Chris Yane, die die Marianne spielt, kümmert sich um die Kostüme, Drehbuch und Maske und Felix Gerbrod, der Filmemacher, führt nicht nur Regie, sondern auch die Kamera, macht den Schnitt und letztendlich auch die Produktion. Dass dabei kein visueller und filmischer Leckerbissen über den Bildschirm flimmert, dürfte klar sein. DIY eben. Aber inhaltlich tausendmal besser als die 600-ste Folge einer völlig überflüssigen Krankenhaus-Serie.
Puh. Sagen wir es mal so: Der Film hat seine starken Momente dann, wenn nicht gesprochen wird. Erinnert mich an die cineastischen Bemühungen von Welle Erdball, die ich mindestens genauso grausam fand. Die Idee an sich ist schon okay, aber die darstellerische Umsetzung hält man kaum aus. Ich habe mir den Film in voller Länge angeschaut und werde ihn mir leider nicht noch mal anschauen.
Hmmm, nicht mein „Geschmack“. Was mich an Story interessieren würde: Szene und Karriere, Szene und älter werden, Szene und Familie, Szene und andere „normale/ spießige“ Hobbies…. bla… also eigentlich „buntes“ Umfeld und schwarzes Dasein alleine und/ oder in Beziehung, Freundeskreis, Familie… evtl Eltern werden/sein, Veränderungen usw…. vielleicht „normale“ Erkrankungen, „normales“ Abschied nehmen/Verlust… alles andere mit Sucht, Verschuldung und Co ist mir zuviel Drama. Gibt ja genug normale weniger dramatische Herausforderung, Ereignisse usw. Aber wer will davon schon einen Film machen bzw sehen….
Daniel : Keine Frage, in einigen Passagen grenzen die schauspielerischen Leistungen an Körperverletzung. :) Allerdings glänzt der Film nicht nur dann, wenn nicht gesprochen wird, sondern auch durch seine musikalische Untermalung, wie ich finde. Ich mag einfach die Motivation, selbst etwas auf die Beine zu stellen, statt nur zu konsumieren.
thihihi, schön schrottig, aber irgendwie cool. Schön mit den Klischees als Nebeneffekt, „der menschliche Schädel in ihrer Wohnung“ , haha . Mir gefällt der Film sehr gut, Musik ist klasse, die Marianne ist verdammt hübsch,usw… Ich muss dazu aber auch sagen, dass ich den Namen , ‚Kino ohne Talent‘ ernst genommen hab, ich dachte jetzt kommt ein Helge Schneider Film und wurde echt überrascht.