Eine Karikatur ist die komisch überzeichnete Darstellung von Menschen oder gesellschaftlichen Zuständen. Der Ian von Nierenstein ist so ein Karikaturist, der seine Vorlagen in einer der ernstesten, tiefgründigsten und humorlosesten Subkulturen findet, die dieser Planet zu bieten hat – der Gothic-Szene. Ian ist 25 Jahre alt und ein kreativer Tausendfüßler. Als Sänger und Songwriter der Band „Kaeltekammer“ machte er musikalische Schritte, mit dem „Mondboten„, seinem schwarzbunten Nachrichtenblog, hat er sich ein schreibendes Standbein geschaffen, während er mit den „Gotikaturen“ seinen zeichnerischen Talenten den Weg ebnet. Zu allem Überfluss sieht sich der Mann mit dem breiten Grinsen auch noch als Teil dieser Subkultur und ist mit über 400 größtenteils geistreichen Kommentaren auch hier in diesem Blog sehr aktiv. Es ist offensichtlich, dass Ian von Nierenstein – den seine Freunde Jan-Erik nennen – einem erhöhten Mitteilungsbedürfnis Rechnung trägt und seine Umwelt mit einem der zahlreichen Projekte bereichert. Doch dann diese infame Unglaublichkeit! Nicht nur, dass Jan-Erik sein Pseudonym „Ian“ dem gruftigsten aller Sänger geklaut hat, neulich erdreistete sich der Schmierfink auch noch, mich – den Wizard of Goth – auf ein Blatt Papier zu bannen, zu überzeichnen, zu karikieren… Dem Leser dürfte an dieser Stelle nicht entgangen sein, dass ich mich meiner überspitzten Darstellung der Tatsachen eigentlich nur von der Tatsache ablenken möchte, dass ich mich wahnsinnig gefreut habe eine solche Karikatur über mich zu sehen. Ich bin sogar ein bisschen gerührt. Ein kleines bisschen. Genug Gründe, dem in der Nähe von Karlsruhe lebenden Studenten für Medien- und Kommunikationsinformatik ein paar bohrenden Fragen zum Thema Gotikaturen zu stellen.
Wie bist du überhaupt dazu gekommen, „Gotikaturen“ zu zeichnen?
„Ich habe ja schon ewig gezeichnet, meine Eltern behaupten immer noch, ich hätte schon mit zwei Jahren ihr ganzes Papier vollgekritzelt und soweit ich persönlich zurückdenken kann, war ich immer der, der in Kindergarten, Schule oder sonstwo immer vor sich hingezeichnet hat. Irgendwann habe ich die Welt der Comics für mich entdeckt. Mitte der 90er fing ich an, Micky-Maus-Hefte zu sammeln, vom Künstler Don Rosa, der die Abenteuer des jungen Dagobert Duck als „Graphic Novels“ zeichnete, war ich ganz besonders angetan. Irgendwann kam dann auch noch eine mehrjährige Star Wars-Phase hinzu. Irgendwann habe ich durch die Artworks von Ingo Römling (Monozelle) den Bereich Cover-Gestaltung für mich entdeckt und finde die Kombination Comics und Musik einfach prickelnd. Da ich ohnehin öfters mal Karikaturen zeichne, fand ich die spontane Idee lustig, „Gotikaturen“ von Leuten speziell aus der schwarzen Szene anzufertigen. So sind dann die „Gesichter des Todes“ entstanden, ein Projekt, das ich die nächsten Jahre weiterführen möchte.“
Die schwarze Szene, in der du hauptsächlich deine Motive und Vorlagen findest, steht ja nicht gerade Synonym für Humor und lebendige Satire. Wie passen deine Gotikaturen in das melancholisch morbide Weltbild seiner Anhänger?
„Genau darum! Weil man ja oft, als Außenstehender glaubt, da die „Schwarzkittel“ alle mit hängenden Mundwinkeln herumlaufen, müssen sie auch dementsprechend gestrickt sein. Ich persönlich kann da nur das Gegenteil behaupten. Die durchgeknalltesten und schwarzhumorigsten Wesen, die ich kenne, haben zumindest mit der „schwarzen Szene“ Kontakt. Auf die einen mag es zutreffen, aber irgendeine Art von trockenem Humor hat ja wohl jeder. Andererseits würde ich Karikaturen auch nicht unbedingt als etwas besonders wahnsinnig „lustiges“ betrachten. Sie sind eine verzerrte, übertriebene Darstellung von realen Menschen. Und gerade das skurrille und sarkastische ist ein wichtiges Element, das man im Düsterbereich schon immer hatte. Zumindest sehe ich das so.“
Was hat die Gothic-Szene getan, dass sie einen offensichtlich lebensfrohen und heiteren Menschen wie Dich in ihren Bann gezogen hat? Bist du vielleicht gar nicht so fröhlich und hast noch eine dunkle und düstere Seite?
„Ehrlich gesagt weiß nicht, wieso mich die schwarze Szene so fasziniert. Ich liebe einfach das, was ich darin sehen und hören kann. Ich kann da noch nicht einmal viel reininterpretieren sondern nur sagen, dass ich mich dort „verdammt“ wohl fühle. Ob ich nun ein besonders lebensfroher Mensch bin, weiß ich nicht. Vielleicht ist meine Welt auch eher „Wave“ als „Goth“. Schwarz zu sein gehört für mich jedenfalls dazu, ich möchte es nicht mehr missen. Auch wenn das alles komisch klingt, ich weiß nicht wie ich das sonst sagen soll.“
Deine zahlreichen Projekte, die alle einen schwarzen Einschlag haben, kosten sicherlich viel Leidenschaft und Zeit. Oftmals frage ich mich, was die Menschen dazu bewegt sich für eine Sache so zu begeistern und warum sie soviel Energie in der häufig brotlosen Arbeit verwenden. Was steckt bei Dir dahinter?
„Es bereitet mir einfach Freude ein Stück zur Szene beizutragen. Ich habe einen Kanal für meine Kreativität gefunden, in dem ich natürlich auch die Anerkennung genieße, die mir zuteil wird. Meine Hände sind wie ein Drucker für mein Gehirn, das von der Bilderflut entleert werden will! Ich finde, ich bekomme auch viel zurück, denn die vielen interessanten Menschen, mit denen ich über meine Arbeit ins Gespräch komme, hätte ich sonst wohl nie kennengelernt.“
Wie du bereits angedroht hast, wirst du in der Zukunft unter anderem deine „Gesichter des Todes“ weiterführen. Welche Pläne lauern noch in Deinem düster-lustigen Geist?
„Ich würde gerne mal eine Ausstellung mit meinen Gotikaturen machen. Es haben sich ja bereits einige angehäuft und in Zukunft kommen sicherlich noch weitere hinzu. Auch über einen eigenen Comic habe ich bereits nachgedacht, einen entsprechenden Charakter gibt es schon.“
Ein schönes Interview. Kreativität und Leidenschaft für ein Projekt, ein Hobby oder ein Talent, etwas ausdrücken oder erschaffen sind die Motoren, die auch mich immer wieder antreiben. Und ich bin immer wieder fasziniert, wenn andere Menschen etwas können, für das ich kein Talent habe: Singen zum Beispiel… oder in diesem Fall zeichnen. Ich freue mich auf weitere Werke. Wenn Du Texte zum Comic brauchst… ach neeee, das kannst Du ja selber ;-)
Hach Ian,
wenn du jetzt hier mit den Gotikaturen berühmt wirst kannst du ja auf Pape schonmal verzichten :D
Ein wahrer Künstler. In jeglicher Form! :-)
geniale Karikaturen, Chapeau!
Die Gotikaturen sind in meinen Augen genau das, was der Szene bisher gefehlt hat. Bisschen Humor und Überzeichnung steckt ja auch in jedem von uns. Ich sehe Ian als würdigen Dead-Nachfolge-Kreateur und bin gespaaaaannt auf den Comic.
Dat macht er gut, der Ian…ein Multitalent :)
Mich erinnert’s doch stark an Norman Winters Comic-Zeichnungen, der ja auch für den Bodystyler tätig war. ;-)
Hihi, danke ihr alle :)
hey, Deine Zeichnungen sind echt cool ! :) Sehr erfrischend ist Deine Kunst !
Dunkle Grüße !
Melle
Bin gerade erst auf Jans Gothikaturen getroffen und bin sehr angetan! Gerne würde ich eine Austellung zur jährlichen Gothic-Woche im November auf Mallorca mit dir organisieren. Da sich diesmal auch ein dt. Fernsehsender angesagt hat, würden deine Gotikaturen auch das dt. Publikum zusätzlich erreichen. Mit schwarzen Grüßen! Beatrice de Son Bages