Dorian Gray ist reich und schön und der Traum der ewigen Jugend manifestiert sich in seiner Person. Sein Geheimnis ist ein Porträt, das statt seiner altert und in das sich die Spuren seiner Sünden und Verbrechen einschreiben. Während Dorian Gray immer noch jung und makellos erscheint, wird er immer maßloser und grausamer. Es ist der einzige Roman des irischen Schriftstellers Oscar Wilde. Doch Dorian Gray sollte Synonym für all das werden, was den Zeitgeist um 1890 prägte. Der ausprägte Hedonismus 1 im Viktorianischen Zeitalter, die Dekadenz der englischen Oberschicht und als Form von Lebenshaltung und Kunstanschauung unter der Flagge des Ästhetik.
Oscar Wilde selbst sollte das Buch ein paar Jahre später zum Verhängnis werden. Wilde ging für damalige Verhältnisse sehr offen mit seiner Homosexualität um und erzürnte so den den Marquess von Queensberry weil er unter anderem eine Beziehung zu seinem Sohn Lord Alfred Douglas unterhielt. Der beleidigte Wilde in der Öffentlichkeit als „posierenden Homosexuellen“, woraufhin der ihn wegen Verleumdung verklagte. Doch das Blatt wendete sich, Oscar Wilde wurde vom Kläger zum Angeklagten. Offenbarungen aus seinem Privatleben wurde vom vormals Angeklagten Queensberry zur Verteidigung eingesetzt und führten letztendlich zu einer Verurteilung wegen Unzucht.
Homosexualität war im viktorianischen Großbritannien nicht verpönt, sondern sexuellen Handlungen zwischen Männern sogar unter Strafe gestellt 2 was dazu führte, das der gebrandmarkte Homosexuelle Oscar Wilde, der im Prozess genau wegen dieser Unzucht verurteilt wurde zur unfreiwilligen Ikone einer Bewegung mutierte und der den Stereotyp des homosexuellen Mannes nachhaltig prägte. Ein feiner englischer Humor, Wortgewandtheit, Leidenschaft für Ästhetik in Kleidung und Inneneinrichtung sowie eine exzentrische Persönlichkeit sollte zum Beweis der Homosexualität werden. Männer in England, die genau so lebten, wurde als „Oscar“ beschimpft.
Aus der Geschichte des nicht alternden Dorian Gray wurde ein Mythos. Er reifte zu Krankheit 3, die die seelische Unfähigkeit beschreibt zu altern oder zu reifen, woraus ein gestörtes Selbstbild und die Ablehnung der eigenen Gestalt resultieren kann. Die Folgen in unserer heutigen Zeit lassen sich an der Anzahl der Schönheitskliniken und Beautyfarmen ablesen. Mag sein, das sich das ebenfalls in einem intensiven Hang zur eigenen Vergangenheit äußert, wer weiß.
Die spannende Geschichte hingegen beschäftigt auch immer wieder die Filmemacher. Gleich sechs mal wurde sie verfilmt, erst 2009 als Kinoproduktion mit Colin Firth und Ben Barnes in den Hauptrollen, der trotz schlechter Kritiken: „Das Bildnis des Dorian Gray ist oberflächlicher und schauderhaft reaktionärer Gothic-Horror, der die Narzissmus-Parabel des Originals bloß noch andeutet, mit einer spielfreudigen Nebendarsteller-Riege und schicker Ausstattung aber immerhin seicht unterhält.“ 4 auch demnächst den Weg in meinen DVD-Player gehen wird, allein schon um dabei gewesen zu sein und vielleicht festzustellen, das es besser war nicht ins Kino zu gehen.
(Bild via This isn’t happiness)
Einzelnachweise
- Eine nur an materiellen Genüssen orientierte egoistische Lebenseinstellung. In diesem Sinne wird der Begriff Hedonismus oft abwertend gebraucht und als Zeichen der Dekadenz interpretiert[↩]
- Der Criminal Law Amendment Act von 1885 war eine Ergänzung des britischen Strafgesetzbuches und richtete sich gegen Prostitution und gleichgeschlechtlichen Verkehr.[↩]
- Vergleiche Publikationen zum Dorian-Gray-Syndrom, von B. Brosig und anderen Autoren, näher bezeichnet im Artikel bei Wikipedia[↩]
- Filmstarts.de: Das Bildnis des Dorian Gray. Filmkritik.[↩]
Der (aktuelle) Film ist für Liebhaber des Buches wirklich ein Alptraum, schon alleine die genialen – nennen wir es hier Zitate – von Lord Henry werden in einer derartigen lieblosen Art eingebaut, dass es regelrecht an die Schmerzgrenze geht. Aber mehr will ich schon nicht verraten, man muss bei vielen Dingen ja dann doch von selbst dahinterkommen, warum man es besser nicht gemacht hätte ;).
Aha, jetzt weiß ich auch wie man einen englischen Markgraf nennt :) Dachte schon du hast das mit dieser infantilen Band verwechselt.
Der Film reizt mich auch, da ich letztes Jahr im Urlaub ein sehr interessantes Gespräch von einigen Film/Theaterstudenten mitgehört habe, die sich darüber ausgelassen haben.
Du kennst das Buch? Würdest du dann einen Vergleich hier veröffentlichen?
Ein großartiger Roman und ein guter Artikel, Spontis! Ich habe noch einiges Neues erfahren über Oscar Wilde – einen meiner Lieblingsschriftsteller.
Ich habe den Film Anfang des Jahres im Flugzeug gesehen. Er war schlecht. Ich fand schon die Schauspielerauswahl übel: Ben Barnes als Dorian Gray sah zwar wirklich entsprechend gut aus, aber das war auch schon alles. Colin Firth fand ich schon optisch eine absolute Fehlbesetzung, aber er konnte auch den Charakter, Spott, Zynismus und „Lebemann“ von Lord Henry nicht im Entferntesten rüberbringen. Und die anderen wesentlichen Charaktere (bis auf den Maler vllt.) waren auch irgendwie schlecht gewählt oder haben schlecht gespielt. Ich stimme da meinem Vorkommentator absolut zu. Wenn man über den Film überhaupt was Gutes sagen kann, so dass z.T. recht schöne Stimmungen erzeugt wurden, schön düster. Aber das ist heutzutage auch kein Kunststück mehr und es war nicht überdurchschnittlich.
Sorry für das harte Urteil. Aber das ist so ein „großes“ Buch, da hat man an einen Film auch große Erwartungen – und da kann man nicht nur Mittelmaß liefern.
Naja, schau ihn dir an, aber kauf ihn dir nicht. Wäre Geldverschwendung.
@niemand: Danke für die Warnung, eventuell werde ich meine Ansprüche noch weiter runterschrauben müssen um nicht enttäuscht zu werden.
@juliaL49: Es gibt eine Band mit dem gleichen Namen? Nein, das Buch habe ich nicht im Original gelesen. Ich kenne die Geschichte darum und schätze Oscar Wilde als Quergeist seiner Zeit. Aber vielleicht wäre ein Vergleich interessant. Wobei sich mir die Frage stellt, was besser ist. Zuerst das Buch oder der Film? In der Regel „enttäuscht“ ja der Film immer, da Bücher natürlich sehr viel umfangreicher erzählen und die Charaktere des Films nicht mehr wirklich zu denen passen, die man sich nach dem Buch in seiner Phantasie ausmalt. Gleichwertige Werke sind selten, so kenn ich bis jetzt nur die Kombination „Der Name der Rose“ und „Verblendung“ als Buch/Film Vergleich.
@shan_dark: Vielen Dank für die Blumen, ich wollte den Film glücklicherweise nur mieten. Wie ich bei Julia schon kommentierte ist ein direkter Vergleich natürlich schwierig. Ich denke aber schon aus der „Entfernung“ das du mit deiner Einschätzung Recht hast – allein die Charaktere aus der Vorschau passen nicht zu dem Bild was ich mir bis jetzt gemacht habe. Ich finde Wilde aber auch als zeitgeschichtliche Person äußerst interessant, worauf dieser Artikel auch im eigentlich beruht. Kennst du eine bessere filmische Umsetzung der Romanvorlage? Immerhin gibt es einige Filmemacher die sich daran versucht haben.
Ich persönlich kenne nur die Verfilmung aus den 1940ern, die mir sehr gut gefallen hat. Gerade die bissige Art Lord Henrys finde ich sehr unterhaltsam.
Müsste es als Billig-DVD zu einem Spottpreis geben.
Ist aber natürlich ein typisches Kind seiner Zeit und daher stellenweise nach modernen Maßstäben etwas schleppend und langatmig, aber ich kann mich nicht vorstellen, dass du vom modernen Popcorn-Kino verdorben bist :)