Am 19. Februar bei Amazon: „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ als 8-teilige Miniserie

Am 19. Februar startet auf Amazon Prime die 8-teilige Miniserie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo„, die sich als „moderne Interpretation“ der Buchvorlage aus den 70ern sieht, die damals das Leben der Christiane F. in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion um die Drogenproblematik in Deutschland stellte. Ich finde es allerdings fraglich, ob eine solche Neuauflage eine ähnliche Wirkung entfalten kann wie Anfang der 80er, denn Deutschland, Zeitgeist, Drogenkonsum und letztendlichen die Jugendlichen selbst haben sich in den letzten 40 Jahren deutlich verändert.

Die Originale – Buch erscheint 1978 und die erste Verfilmung 1981

Die neue Miniserie steht vor enormer Konkurrenz der Vergangenheit. Das 1978 erschienene Buch von Kai Hermann und Horst Rieck führte damals 95 Wochen lang die Bestseller-Liste, wurde in viele Sprachen übersetzt und verschaffte der Drogenproblematik der späten 70er eine lang verpasste Diskussionsgrundlage in der Öffentlichkeit. Der 1981 erschienen Film zum Buch, erhebt die Geschichte der Christiane Felscherinow zum visuellen Mahnmal einer verlorenen Jugend, die aufgerieben zwischen Zukunftsangst und Hoffnungslosigkeit im Rausch endet, der die Probleme des eigenen Lebens in den Hintergrund rückt. Die ganze Geschichte zum Buch und zum Film findet ihr in meinem Artikel vom Juni 2010 „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo„. Darin auch Informationen, was aus Christiane F. geworden ist.

Zeitgeist und Wirkung

Das Berlin der frühen 80er hat mit der heutigen Hauptstadt nicht mehr viel gemein. Die geteilte Hauptstadt ist damals ein erdrückender Schmelztiegel. Für Kinder und Jugendliche, die in Berlin aufwachsen, ein unwirklicher Ort. Der Film von Uli Edel, der genau in diesem Umfeld gedreht wurde, erzeugt eine beeindruckende Authentizität und vermittelt in schonungslosen Bildern erstmals Zugang zu der bizarren Welt von Jugendlichen, die damals in Berlin leben und der Drogensucht verfallen.

Allerdings trafen Buch und Film auf geteiltes Echo, denn Kritiker befürchteten zu Recht (so stellte sich später heraus), dass es Jugendlichen zum Drogenkonsum animieren könnte. Bei mir sorgte der Film – und im Nachgang auch das Buch – für das exakte Gegenteil. Mit Drogen wollte ich nie etwas zu tun haben.

Neuerzählung der Buchvorlage durch Amazon

Die angekündigte Miniserie mit 8 Folgen möchte die Geschichte der Christiane neu erzählen, dabei soll auch erstmals die 2013 erschiene Buch „Mein zweites Leben“ berücksichtigt werden, in der Christiane über die Zeit nach Original-Buch und Film erzählt. Bisher gibt es nur einen kurzen Serien-Trailer, der nicht viel verrät und nur einen vagen Einblick in die „Neuinterpreation“ geben kann.

Zeitgeist ist nicht wiederholbar

Es gibt Geschichten, die sind unmittelbar mit der Zeit verbunden, in der sie spielen. Daher ist die Miniserie in meinen Augen zum Scheitern verurteilt. Christiane lebt damals in einem geteilten Berlin, sie schwärmt für David Bowie und die Droge Heroin ist in Deutschland gerade auf dem Vormarsch. Die Themen jugendlicher Drogensucht, Beschaffungskriminalität, Prostitution von Minderjährigen waren gesellschaftlich Tabu-Themen, die keinen Platz in der öffentlichen Diskussion fanden und auch in der Politik kaum Gehör fanden.

Das wird daran deutlich, dass man dem Buch, das Kai Hermann und Horst Rieck geschrieben hatten, keine Chancen im Markt gab. Renommierte Verlage lehnten das Manuskript ab. Daher erschienen Teile des Textes zunächst im Magazin Stern. Das Echo war gewaltig, sodass man das Buch 1978 im Stern-Verlag herausbrachte. Allerdings wurden auch hier einige Teile der Originalvorlage entfernt, die Rieck für essenziell hielt. Der Rest ist Geschichte. Das Buch wurde rund 4 Millionen mal verkauft und in 15 Sprachen übersetzt, der 1981 gedrehte Film mit Natja Brunckhorst als Christiane F. wurde zum schockierenden Kino-Hit.

Seit dem sind 40 Jahre vergangen. Die Themen, die damals schockierten, sind längst in die öffentliche Wahrnehmung gesickert. Es gab zahlreiche und noch schockierende Filme über Drogenmissbrauch (wie beispielsweise Trainspotting) und natürlich auch neue Drogen, die bei Jugendlichen großen Anklang fanden. Heroin ist zwar immer noch ein Suchtmittel, aber andere Süchte und auch Drogen sind ebenfalls zu einem, vielleicht sogar noch größeren Problem geworden.

Was beim klassischen Kriegsepos auch nach 80 Jahren mit seinen Helden und historischen Ereignissen funktioniert, wirkt in der Geschichte einer persönlichen Tragödie, wie die von Christiane F., deplatziert. Denn diese Geschichte kennt keine Helden, sondern nur Verlierer. Keine romantische Liebesgeschichte zwischen Christian und Detlef, sondern nur Abhängigkeit und Sucht.

Trotzdem anschauen?

Auf jeden Fall. Denn bisher besteht meine Sicht nur aus Vorurteilen und Erwartungshaltung. Ich wünschte, ich würde mich täuschen und die Miniserie schafft es, zwischen Nostalgiegefühl, Aufklärung und Biografie die bittere Wahrheit zu zeigen (So wie beispielsweise „Chernobyl“ vom Sender HBO) und nicht zu einem schlechten Abklatsch von Trainspotting zu verkommen.

Christiane ist eine Anti-Heldin, die ihre Drogensucht bis heute nicht in den Griff bekommen hat und alles, was das Leben ihr bot, verloren hat. Einschließlich ihres Sohnes, der 1996 zur Welt gekommen ist.

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Tanzfledermaus
Tanzfledermaus (@guest_59728)
Vor 3 Jahre

Der Trailer spricht mich überhaupt nicht an. Zum einen wieder mal eine viel zu schnelle Bildwechselfolge, zum anderen diese surrealen Momente und unglauwürdigen Szenen wie Partymachen in der U-Bahn.
Wenn ich einen Film sehe, der auf einer realen Geschichte basiert, brauch ich keine künstlich aufgemotzten Sequenzen und unrealistisch überdrehten Szenen.

Der Kinofilm ist top, ohne Frage, da wirkt jeder Moment realistisch und glaubwürdig, so dass man sich gut hinein versetzten kann. Er hatte auf mich übrigens die gleiche abschreckende Wirkung wie auf Dich, Robert. Es ist mir unverständlich, wie anhand des gezeigten Elends und Verwahrlosung überhaupt jemand dazu verleitet werden konnte, Drogen zu nehmen, denn beschönigend ist an dem Film so gar nichts (und am Buch natürlich auch nicht).

Die Serie hingegen scheint mehr auf die Faktoren Spaß und abgefahrene Erlebnisse – real wie im Rausch hervorgerufen – zu setzen, so dass ich mir hier eher einen Nachahmungseffekt vorstellen könnte. Zumindest vom Trailer her, der mehr auf das Abgedrehte als auf die Kehrseite setzt. Da mag ich mich täuschen, denn ein Trailer muss nicht die gleichen Qualitäten haben wie ein Film – häufig findet man aber in Trailern schon die besten Szenen eines Films, und wenn dies auch hier der Fall sein sollte… nun ja.

Das Buch habe ich mit elf oder zwölf Jahren erstmalig gelesen, den Film kurz darauf gesehen und seitdem sowohl Buch als auch Film alle paar Jahre mal wieder hervorgeholt. Mit Trainspotting konnte ich übrigens überhaupt nichts anfangen.

Letzte Bearbeitung Vor 3 Jahre von Tanzfledermaus
Daniel
Daniel (@guest_59729)
Vor 3 Jahre

Ich habe den Originalfilm schon mit zehn Jahren gesehen – und damit wesentlich früher als von der FSK empfohlen. Hat aber seine Wirkung nicht verfehlt, was meine Haltung zu Drogen anbelangt. Bei diesen Hochglanz-Bildern, die ich in dem Trailer gesehen habe, fehlt mir allerdings eben dieses bedrückende Moment.

Ich mag kein zu schnelles Urteil fällen, da 45 Sekunden Filmmaterial nicht wirklich aussagekräftig sind. Aber mich beschleicht das Gefühl, dass die glatt polierte Oberfläche des Films die Drogensucht vielleicht sogar in ein komisches Licht rückt, es vielleicht nicht glorifiziert, aber irgendwie ästhetisiert. Das fände ich aber fatal.

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