Wer schon immer wissen wollte, wer oder was für die deutschen Szenen des Punk, New Wave oder NDW verantwortlich ist, sollte sich Jürgen Teipels Buch „Verschwende deine Jugend“ einmal genauer ansehen. Teipel hat innerhalb von 3 Jahren alle für ihn wichtigen Protagonisten der 1977 erstmals aufflammenden Punk Bewegung interviewt und diese in chronologisch sortierter Form in ein Buch gebracht. Das Buch liest sich daher wie eine Dokumentation, ohne den Versuch Fakten zu schaffen.
Interessanterweise gibt es in vielen Interviewausschnitten Überschneidungen mit den Darstellungen anderer, so das sich innerhalb dieser dokumentarischen Ansicht viele kleine Geschichten und Anekdoten herauskristallisieren. Teipel verknüpft die Geschichten geschickt und stellt so unterschiedliche Ansichten der gleichen Begebenheit dar. Die Natürlichkeit der Sprache hilft dabei, authentisch zu sein ohne ein einziges Mal als allgemeingültig oder gesamtdeutsch zu erscheinen. Fakten spielen eine untergeordnete Rolle, die Geschichte und Anekdoten stehen im Vordergrund.
Vereinzelt gestreute Fotos aus jener Zeit versuchen der Geschichte zu einem Bild zu verhelfen, werden diesem Anspruch aber nicht gerecht und verkommen so zu einem netten Mitbringsel. Das Buch versucht nicht Punk oder Jugendkulturen zu erklären, sondern bietet einen sehr authentischen Rückblick in die Blütezeit des deutschen Punk. Über 100 Gesprächspartner und ein penibel geführter zeitlicher Verlauf machen das Buch zu einer Wissensgrundlage, die in keinem Bücherregal fehlen sollte.
Trotzdem habe ich da eine volle Bierdose an den Kopf gekriegt. Und zwar von der Schlagzeugerin von X-mal Deutschland […] Das war nicht nur die Quittung dafür, dass ich New Wave gemacht habe und weniger grölig war als Punk. (Thomas Fehlmann von Palais Schaumburg)
Erschienen ist es bei Suhrkamp, Neupreis des Buches ist übrigens 12,50€. Bei Amazon habe ich es als Mängelexemplar für 5 Euro bekommen. Auf Jürgen Teipel Internetseite Gesellschaftsinseln gibt neben Leseproben auch viele andere interessante Informationen und wer möchte kann sich den (sehr guten) passenden Soundtrack auf CD gleich mitbesorgen.
Zum Thema gibt es übrigens einen sehr sehenswerten aber leider wenig beachteten Film gleichen Namens („Verschwende Deine Jugend“). Dort spielt zwar der maßlos überbewertete Robert Stadlober mit, aber nichts desto trotz ist das Werk durchaus sehenswert. Es geht um einen jungen Mann, der aus seinem spießbürgerlichen Leben als Bankazubi ausbrechen möchte und ein Konzert mit DAF im Münchener Zirkus Krone veranstalten will – allerdings ohne dass DAF etwas davon weiß ;) Mein Fazit aus dem Film: Selbst die verrücktesten Träume können wahr werden, wenn man nur feste genug daran glaubt UND hart genug dafür arbeitet…
Die Aussage die Du aus dem Film ziehst teile ich uneingeschränkt. Leider bin ich über den Film geteilter Meinung. Für mich als Fan und Kind der 80er ist eine schön gemachte Zeitreise, wenngleich der Film auch nicht meinen persönlichen Geschmack widerspiegelt. Leider zeigt der Film ein ganz anderes Bild dieser Zeit der NDW, als es ich (weniger) oder meine Schwester (eher mehr) in Erinnerung haben. Damals wurde nicht so wild gehüpft, gesprungen und gejubelt. Das Publikum war sehr viel reservierter und skeptisch neuem Gegenüber. Auch der Umgang war sehr viel härter, man hat doch eher einen gepflegten Pogo hingelegt :)
Nichts desto trotz hat der Film mich prima unterhalten, auch wenn ich meines schauspielernden Namensvetter genauso wenig leiden kann wie du. Dafür gewinnt der Film durch Ulmen als Musikredakteur. Selbst der Soundtrack ist sehr hörenswert und bietet nicht den typischen NDW Einheitsbrei sondern dank XTC oder Human League auch ein schönes Rahmenprogramm.