Nächsten Monat wäre Ian Curtis, der Sänger von Joy Division, 62 Jahre alt geworden. Leider beendete er durch seinen Selbstmord im Mai 1980 nicht nur sein Leben, sondern auch die Zukunft der Band, die er zusammen mit Bernard Sumner, Peter Hook und Stephen Morris gründete und die für viele Fans ein musikalisches Fundament der späteren Gothic-Szene bildete. New Order, die Nachfolgeband der verbliebenen Mitglieder, war nicht minder erfolgreich, schlug aber nach dem Debüt-Album „Movement“ eine musikalische völlig andere Richtung ein.
Als Designer begleitete Peter Saville beide Bands und ist für die Album-Cover zahlreicher Veröffentlichungen der Bands verantwortlich. Genau diesen Covern widmen die britischen Schuh-Hersteller von Dr. Martens jetzt eine eigene Serie. Die ist allerdings – Stand Juni 2020 – restlos ausverkauft.
Joy Division – Unknown Pleasures (1979)
Im Grunde genommen ist die Idee, die Wellenform des Pulsars CP 1919 für das Cover zu verwenden, gar nicht von Saville, denn die Band selbst hatte dieses Bild in einer Reihe von Vorschlägen zur Cover-Gestaltung abgegeben. Saville entschied sich für die Wellenform, weil sie seiner Ansicht nach so gut zur Band passte: „And it’s both technical and sensual. It’s tight, like Stephen Morris’ drumming, but it’s also fluid: lots of people think it’s a heart beat.“ Das Fehlen von Bandname und Albumtitel war Reaktion auf das der Band selbst. Sie wollten keine Pop-Stars sein, sondern nur ihre Musik machen.
New Order – Power, Corruption & Lies (1983)
Auf der Suche nach einem passenden Cover begab sich Peter Saville in die National Gallery, doch alle Bilder die er fand, waren ihm zu offensichtlich für das, was er transportieren wollte. Also wühlte er am Souvenir-Shop noch in ein paar Postkarten, um nicht mit leeren Händen zu gehen. Seine damalige Partnerin sah die Postkarten, die er sich ausgesucht hatte, zeigte auf das Bild mit den Rosen und meinte „wäre das nicht etwas für das Album?“. Saville fand die Idee großartig, denn Blumen verkörpern seiner Meinung nach die Begriffe des Albumtitels perfekt.
New Order – Technique (1989)
Die Statue, die Saville in einem Antik-Laden in der Pimlico Road in London entdeckte, war für ihn so stellvertretend für die damalige Zeit: „It’s a very bacchanalian image, which fitted the moment just before the last financial crash and the new drug-fuelled hedonism involved in the music scene.“ Seine erste ironische Arbeit, wie er fand, waren doch seine früheren Arbeiten eher idealistisch und utopisch inspiriert, so war die Figur dann doch eher eine Karikatur des Zeitgeistes.
Wer möchte, kann die Schuhe für rund 160€ erwerben. Wer nicht möchte, wartet lieber auf Joy Division Unterhosen, New Order Handyhüllen oder hört lieber eine Platte der Bands und erfreut sich an der Tatsache, das Musik immer genau das ausdrücken kann, was einen gerade beschäftigt.
Ok, dann muß ich wohl die Joy Division-Bekenner-Treter kaufen. Unknown Pleasures-Socken habe ich ja auch schon, und die wollen ja schliesslich adäquat und stilvoll umhüllt sein. Und drüber noch das feine Hoodie und die Cap im gleichen Design, das T-Shirt versteht sich ja schon von alleine… – und ausgeh-, bzw. landfein ist der modebewusste J.D.-Fan von Welt. Natürlich liegen auf meinen Plattentellern auch Slipmats auf, die die berühmten Wellen abbilden. Da macht das Auflegen einer der unzähligen (Vinyl-)Auflagen von „Unknown Pleasures“ doch nochmal so viel pleasure…
Und die kleinen Einkäufe im Supermarkt um die Ecke verstaut man selbstredend in einer shopping bag, die auf den persönlichen Lieblingsband-Geschmack voll und ganz maßgeschneidert ist. Macht ja auch was her, Nudeln, Käse, Bierchen, Zwiebeln oder Klopapier fesch postpunkartig nach Hause zu tragen – wobei das letztgenannte Produkt ja doch eher unter den Arm geklemmt werden muß, aber bald gibt es ja ganz bestimmt auch hierbei 4-lagig die Pulsar-Wellen aufgedruckt.
Ja, wie schön, daß dieses Motiv nun aus der großen Welt der vielfältigen Produktpaletten aller Art nicht mehr wegzudenken ist, immerhin ist es bald schon beinahe so berühmt wie z.B. die Stones-Zunge, das Ramones-Logo, der Motörhead-Schädel, die Depeche Mode-Rose oder der bierbäuchige AC/DC-Schriftzug (diese Feistheit allerdings, muß in diesem speziellen Falle aber am Hörer- und Trägerkreis liegen, habe ich so vage den Eindruck…). Aber, man höre, sehe und staune, es soll sogar schon Leute geben, die im „Unknown Pleasures“-T-Shirt herumrennen, und Joy Division wahlweise für einen top-event Freizeitpark oder ein legendäres Rotlicht-Etablissement halten – Hauptsache der Fummel sieht cool aus…
Je nun, aber ich jetzt, so als ewiger, treuer jahrzehntewährender Fan, da bleibt mir gar nichts anderes übrig, als leichten Herzens die 160 EUR zu investieren, bevor das nerdige Mode-Hipster tun, und ich mich von aller Welt fragen lassen muß, weshalb nicht gerade ich mit diesen Latschen ausgestattet bin. Also, her damit, Adel und J.D.-Fanatismus verpflichten ja bekanntermaßen…
Und: immerhin besser, in diese Schuhe einer wohl legendären Marke von ausgesuchter Qualität (in der Tat in beiderlei Hinsicht…) seriös zu investieren, als sein im Schweisse des Angesichts sauer verdientes Geld in einer dubiosen Pikes-Manufaktur zu versenken. Tja, man liest auf diesen Seiten hier ja so manches… – aber Pikes waren ja eh nie mein Ding (dann lieber sogar Moonboots – aber wenn, dann im zünftigen Unknown Pleasures-Design, bitteschön…).
Ich werde Dich dann wohl eines Tages an den Schuhen identifizieren. Möglicherweise. Wenn mein Blick dann soweit herunterreicht. Vorbei an den einrasierten Wellen in der Schläfe, den zahlreichen Tätowierungen im aufregenden Design. Vorbei an Tasche, T-Shirt, Hose um spätestens bei den Socken vor Reizüberflutung in Ohnmacht zu fallen.
Aber du hast schon recht. Immerhin gibt es die „Docs“ schon seit gefühlten Ewigkeiten und mit absehbaren Lieferzeiten. Nicht so, wie besagte Pikes Manufaktur vom gleichen Inselstaat. Ich werde Dich dann über weitere modische Trends in Design der Legenden auf dem Laufenden halten. An mir soll es schließlich nicht scheitern, dass du einen Streetfashion-Preis gewinnst.
@T.S.: Und immerhin konsumierst du mit der Musik von Joy Division eine „Kulturleistung“ , wie ich gestern Abend diversen Aufklebern auf J.D.-CDs im „Independent“-Regal des Dussmann-Kulturkaufshauses (!) entnehmen durfte.
In der Nähe wurde übrigens der druckfrisch aus der Presse kommende Romanneuling des Ex-Grufti und „Ärzte“-Schlagzeugers Bela B. Felsenheimer präsentiert. Auch eine Kulturleistung !
P.S. : Meine Autokorrektur des Smartphones wollte ich dem Herrn Bela eine „Belastung “ machen. Vieleicht ist das sein Buch sogar für den hiesigen Buchmarkt…. ? ;)
Robert, die roten haben auch gut zu meiner Domestos Hose und Harrington Jacke ausgesehen.