Wer in den 80er-Jahren in die Szene der Gothics und Waver einstieg, brauchte entsprechende Klamotten von Bogeys. Als äußeres Erkennungsmerkmal der Szenezugehörigkeit musste es ausgefallen, extravagant und natürlich schwarz sein. Wer nicht in der Lage war selbst kreativ zu werden, musste sich in den europäischen Hauptstädten mit Szene-Kleidung versorgen oder auf einen der Mailorder-Versender zurückgreifen. Ein 18 Seiten starker Katalog von „Bogeys Underground Fashion from London“, der mich durch eine freundliche Leserin per E-Mail erreichte, inspirierte mich zu einem Beitrag über die schwarze Mode der 80er.
Hatte alles in dem Katalog wirklich mit der Szene zu tun? Wird hier nicht etwas schon in seinen Wurzeln vermischt, was nie zusammengehören wird?
Ich darf vorwegnehmen, dass nicht alle Bilder mit dem Inhalt übereinstimmen, was aber aufgrund der wirklich „bunten“ Mischung des Katalogs von Kleidung aus den unterschiedlichsten Szenen und Randbereichen vieler Subkulturen einfach nicht möglich ist. Es geht also um Mode, nicht unbedingt um Hintergründe und Inhalte.
Bogeys: Der Ursprung von Allem
Punk
Der schwarze Stil wurde in Großbritannien geboren. Mitte der 70er entpuppte sich die Punk-Bewegung als Motor der Andersartigkeit. Der „Müll-Look“ war Ausdruck ihres Lebensgefühls: „Es hat sowieso alles keinen Zweck“ (No Future). Mit ihrer Kleidung symbolisierten sie ihre Haltung zu Überflussgesellschaft und schockierten die Öffentlichkeit. Die Punks machten aus dem Hässlichen eine Bekleidungsstrategie der Aufmerksamkeitserregung.
Zentrales Element ihrer Bekleidung war die schwarze Lederjacke, die bereits mit erstmaligen Tragen schon Gebrauchsspuren aufweisen musste. Schriftzüge, Aufnäher und eine ganze Armada aus Nieten in allen Formen und Ausführungen waren ein muss. (419)
Die Jugendlichen begannen damit, den Schockeffekt zu konzentrieren, indem sie sich Sicherheitsnadel in die Ohren, Mundwinkel oder Wangen steckten und diese mit Ketten verbanden. Symbole setzten dem Ganzen die Krone auf. Vorbilder wie Johnny Rotten und Siouxsie Sioux machten aus dem Hakenkreuz Aufreger und modisches Accessoire zugleich und legten den Grundstein für diese Art der symbolischen Provokation. Durch das bewusste Zerstören des Zusammenhangs zwischen dem Symbol und dem Symbolisierten leisteten die Punks eine Art ästhetische Pionierarbeit für viele darauf folgende Szenen, die insbesondere die Gothics noch einmal aufgriffen.
Mit den Punks erlangten die Haare eine ganz besondere Wichtigkeit. Rot, grün, gelb oder pechschwarz gefärbte, durch Zuckerwasser standfest gemachte Frisuren, die man an den Seiten oder dem Nacken ausrasierte, wurden zum nicht mehr auszuziehenden Merkmal dieser Jugendkultur. (427 & 428) Die Vorläufer des modernen Gothics übernahmen diesen Stil und setzten ihn fort.
Der New Waver
Ende der 70er tauchte diese Spezies vornehmlich in den europäischen Hauptstädten auf. Sie trugen Anzüge der 50er Jahre, die mit breiten Schulterpartien und schmalen Revers unverwechselbar waren. (441) Dazu trugen sie weite Hosen, die zu den Knöcheln eng zusammen liefen und ihre Vollendung in den spitzen Schuhen, den sogenannten Pikes oder Winklepickern, fanden.
Als Accessoire verwendete man gerne Brillen, während im Schminkstil harte Konturen und Linien vorherrschten. Mit der ironischen Nachahmung des „Normalen“, mit dem peniblen Einhalten spießbürgerlicher Kleidernormen der 50er hielten die New Waver zum einen der Gesellschaft einen kritischen Spiegel vor die Nase und zum anderen verwirrten sie durch diese vollendete Imitation. (451/454)
Weibliche New Waver bestachen durch figurbetonte Schnitte (443) und unterbrachen stilistische Genauigkeit durch hochtoupierte und ausrasierte Frisuren. Großflächiger Schmuck betonte das Dekolletee und breite Gürtel verhalfen zu einer schmalen Taille. Wahlweise trug man zum engen Rock auch ausladende Oberteile (433) oder hochgeschlossene Blusen mit weiten, puffigen Ärmeln (453).
Der New Waver ist eine Randerscheinung auf dem Weg zum modernen Gothic und entwickelte sich auch in anderen Lebensbereichen in eine ganz andere Richtung. Der Katalog von Bogeys zeigt diesen Stil leider auf Augenhöhe mit anderen Jugendkulturen dieser Zeit, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Entwicklung der Gothics zu nehmen. Die Vermischung von Jugendkulturen zu einer großen schwarzen Masse beginnt vermutlich mit der Kommerzialisierung der Kleidung.
Die New Romantics
Vielen waren die Punks hässlich und die New Waver zu trist, sie entwickelten sich in eine ganz andere Richtung. Die New Romantics orientierten sich am Kleidungsstil längst vergangener Epochen. Rüschenhemden, weite wallenden Hosen und Röcke, die aus Stoffen mit phantasiereiche Ornamentik gefertigt wurden, bestachen in ihrem Stil (447). Sie trugen reichlich Schmuck und schminkten sich stark mit auffallenden, knalligen Farben.
Die New Romantics zauberten lebender Bilder des Weichen, sie zeugten von Eleganz und Glanz. Sie gaben sich dem Glamourösen hin und entwickelten sich zu „Edel-Punks“, ihre Frisuren ähneln denen der Punks, ihre spitzen Schuhe den New Wavern. Indem sie das Elegante an die Stelle des Schlampigen und das Edle an die Stelle des Vulgären, das Herausputzen an die Stelle des Verlotterns setzten, wurden sie zu Anti-Punks.
Nachdem auch Punk mittlerweile von Vivienne Westwood und Malcom McLaren erfolgreich vermarktet wurde, griffen auch andere Modeschöpfer den Stil auf und machten aus der Szene-Mode Einflüsse für die breite Masse. Auf der Bühne standen Adam & The Ants, Steve Strange, Boy George und viele andere den Jugendlichen als modisches Vorbild zur Verfügung, denen sie Dank der beginnenden Herstellung von Szeneklamotten auch spielend folgen konnten. Bogeys profitierte Mitte der 80er vom leeren deutschen Markt und erreichte durch geschickte Werbung in Jugendmagazinen einen hohen Bekanntheitsgrad.
Gothic – Die Geburt einer Mode
Anfang der 80er Jahre erhoben sich die Gothics aus ihren Grüften. Niemand wusste die blass geschminkten und ganz in schwarz gekleideten Gestalten einzusortieren und so ordnete man sie dem musikalischen Umfeld zu, dem sie sich zugehörig schienen. Der führende Szeneclub war das Batcave in der britischen Hauptstadt London, der allein schon durch das Logo seiner Mitgliederkarte (die Kontur eine Fledermaus) Rückschlüsse auf Ausrichtung seines Ambientes zuließ. Die Einrichtung war überwiegend in den Farben Schwarz, Blutrot und Lila gehalten, während bei der Dekoration Samt, Pailletten, Spinnweben und metallische Elemente dominierten. Ein ideales Bühnenbild für jeden Horrorfilm. Ganz so wie die Inneneinrichtung erschienen auch die Besucher, die zu Hochzeiten in meterlangen Schlangen vor dem Club auf Einlass warteten. Die Gesichter bleich und die Augen schwarz geschminkt, während ihre Körper mit schwarzer Gewandung behangen waren.
Sie unterschieden sich von allen ihnen vorangegangenen Szenen durch wichtige äußerliche Merkmale. Die Punks erschienen als Ästhetisierung des Hässlichen, die New Waver ironisierten das Normale und die New Romantics zeigten sich als Revival-Kultur des Glamourösen vergangener Zeiten. Die Gothics waren anders, sie inszenierten den Horror. „Black clothing (with a hint of purple), often with fetishistic, historical, religious or occult refrences, deathly pale complexions, black and red cosmetics, heavy silver jewellery and black, spiky hait characterise this style.“ 1 Die Gothics bauten in ihrem Bekleidungsstil auf die Ursprünge der schwarzen Mode und übernahmen wichtige Elemente, um sich im Zuge der Individualisierung weiter zu differenzieren.
Der „Gothic-Gothic“
Der Gothic-Gothic ist der klassische Gothic, der damals ebenso selten war, wie heute. Erst Mitte der 80er Jahre spannte der Begriff „Gothic“ einen modischen Schirm über alle weiteren Bekleidungsstile der Subkultur. Weite wallenden, den Körper verhüllende Kleidung war stilprägend für den klassischen Gothic. Man trug Kutten, Talare, Umhänge und weite Mäntel mit breitem Ärmelabschluss. Man vermutete, der Träger geht damit auf eine distanzierte Haltung zum eigenen Körper 2 und hebelt ganz nebenbei auch noch die gesellschaftlichen Merkmale der sexuellen Identität aus.
Der Talar ist ein langärmliges und knöchellanges Amtskleid, das man bereits von Juristen, Akademikern und Geistlichen her kannte. Die Umhänge (Capes) sind mantelartige Kleidungsstücke ohne Ärmel, die ursprünglich mit Kapuze getragen wurden. Die Spanier des 16. Jahrhunderts verwendeten dies übrigens als typisches Bekleidungsstück für den Herren. Den Mönchen klaute man ganz schamlos ihre Kutte, ein meist gerade geschnittenes oder der Tunika ähnelndes Hemdgewand. Der typische lange Ledermantel mit breiten Ärmeln oftmals auch als Kutte bezeichnet.
Umhänge findet man auch heute noch in einschlägigen Szene-Katalogen wieder, wenngleich sie in ihren heutigen Ausführungen deutlich an Qualität gewonnen haben und oftmals aus hochwertigem Samt, dass mit rotem Innenfutter ausgekleidet ist, hergestellt sind. Die Talare, Priesterroben und Mönchskutten hingegen sind nahezu verschwunden, da ihre Einfachheit im Zuge der Individualisierung nicht mehr ausreichte.
Der Waver
Der in Szenekreisen weit verbreitete Stereotyp trug sehr weite Hosen, Oberteile mit Fledermausärmeln, weite Mäntel und Jacken. Die Pumphosen war ein zentrales Merkmal des Wavers (463), die an den Füßen ihren würdigen Abschluss in Form der spitzen Schuhe der New Waver fand (458).
Sie ist eine lange, an den Knöcheln enger werdende, weite, sackförmig geschnittene Hose ohne Taschen. Sie geht wohl auf die Heerpauke zurück, die im Spanien des 16. Jahrhunderts getragen wurde und an der Hüfte oftmals mit Rosshaar gefüllt war, um die gewünschte Form zu verschärfen. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte die Frauenrechtlerin Amelia Bloomer eine ähnliche Hose, die „Türkische Hose“ oder „Bloomers“ genannt wurden. Die Pikes vollendeten die schlanker werdenden Enden der Hose mit ihren oftmals beeindruckenden Spitzen.
Die Schnabelschuhe, die von Kreuzfahrern aus dem Orient nach Europa gebracht wurden 3, sind ein immer wiederkehrendes Element der 80er. Zu Zeiten des Rokoko und Barock schuf man die Schnallen und Verzierungen für Schuhe 4, die an den Pikes ihre Reinkarnation finden. Die Waver übernahmen die Schuhe jedoch aus den frühen Subkulturen der 60er und 70er Jahre, wo die Mods für ein Revival der spitzen Schuhe sorgten und später vom New Waver wieder zur Mode erhoben wurden.
Die Romantiker
Sie überführten die New Romantics in die schwarze Modewelt der Gothics. Die Romantiker zeigten sich meisterlich im Umgang mit historischen Elementen der Bekleidung und sampelten sich durch alle Jahrhunderte um sie zu einem neuen Stil zusammenzuführen. Weibliche Romantiker kennzeichneten sich durch weite Rock- und Kleiderformen, die zusätzliche noch mit Umhängen und Kopfbedeckungen geschmückt wurden. Auch enge und tief ausgeschnittene Oberteile und Mieder waren schon in den 80ern zu finden. Sie spielen mit Elementen der Burgundischen Mode des 15. Jahrhunderts und vor allem mit den Barock- und Rokokoelementen des 17. und 18. Jahrhunderts ohne dabei Rücksicht auf geschichtliche Zusammenhänge zu nehmen.
Männliche Romantiker bevorzugten weite Hemdformen und enge, körperbetonte Hosen. Das romantisch verspielte Rüschenhemd (479), an Ärmeln und im Brustbereich mit zahlreichen Rüschen versehen, ist in allen Variationen ist zentrales Element des männlichen Stils.
Häufig verwendete Stoffe sind Samt, Spitzen und Rüschen, die für Luxus und Eleganz stehen und eine romantische Vergangenheit erinnern sollen. Rüschen haben ihre Wurzeln im Rokoko, Spitze gehört zu den Errungenschaften der italienischen Hochrenaissance. Samt hat seiner Ursprünge im Mittelalter, in dem es noch kostbarer und begehrter war als Seide.
Latex, Lack und Leder
In den späten 80ern tauchte das Korsett und Mieder in der Oberbekleidung der Gothics auf (490). Kleidungsstücke aus Lack und Leder werden zunächst in Elementen, später ganz in die Mode übernommen. Zunächst aus stilistischen Merkmalen der Romantiker übernommen, entdeckt man das Mieder mit Überschneidungen aus der SM-Szene als erotisches Stilmittel. Offenbar reizen eine verschnürte und zwanghaft geschmälerte Taille Betrachter und Träger gleichermaßen. Elemente aus Lack schließen an den weiblichen Stil der New Waver an. (494 & 497)
Die Rückkehr auf körperbetonte Merkmale des eigenen Körpers ist ein Phänomen der späten 80er. Während man noch zu Beginn der Mode versuchte, den eigenen Körper zu verhüllen und in Geschlecht und Ausprägung unkenntlich zu machen, so ging man zum Ende der Dekade wieder in eine deutlich Geschlechterorientierte Wege des Kleidungsstils. Pikes und spitze Pumps mit kleinen Absätzen wurden von immer höheren Plateau-Schuhen und klobigen Stiefel verdrängt, bodenlange Gewänder wichen Netzstrümpfen und Mini-Röcken.
Während Latex, Lack und Leder in der SM-Szene als Materialfetische fungieren, geht es den meisten Gothics bei Verwendung dieser Elemente eher um den äußerlichen Reiz und um das Spiel mit dem Verbotenen und Verruchten. Nur wenige fühlen sich tatsächlich zu einer Sado-Masochistischen Sexualität hingezogen.
Alltagskleidung
„Schwarz, schwarz, schwarz sind alle meine Kleider; Schwarz, schwarz, schwarz ist alles , was ich hab. Darum lieb ich alles, was so schwarz ist…“
Trotz der äußerlichen Rebellion, gegen die bunten und neongrellen 80er fügten sich viele Gothics ins Leben der Gesellschaft. Auch wenn man der Farbe treu bleibt, versuchte man die optische Rebellion auf ein gesellschaftlich akzeptierteres Maß zu reduzieren. Kleiderformen in Normalweite kennzeichneten viele Szene-Gänger im Alltag. Man griff auf bequeme Jeans- und Lederhosen, T-Shirts und Sweatshirts zurück, die lediglich durch Nietengürtel oder Bandlogos verziert sind.
Die heutige Alltagskleidung der Gothics ist extremer geworden. Erst mit zunehmender gesellschaftlicher Akzeptanz im Laufe der Jahrzehnte wird mehr und mehr vom Stil der Szene in das Alltagsleben getragen. Dadurch werden auch zwangsläufig die für „Szene-Abende“ vorgehaltenen Outfits immer extremer, um sich innerhalb der Szene vom Alltagsleben ausgrenzen zu können. Ich behaupte, Fetisch-Kleidung, Cyber-Mode und immer extremerer Körperschmuck sind Folgen einer breiteren Akzeptanz. Waren in den frühen 80ern schon schwarze Haare, die an den Seiten ausrasiert wurden, ein deutliches Signal der Ausgrenzung, sind es heute High Heels, Lack & Leder, Gasmasken, Hundeleinen und viel Haut nötig, um ein ähnliches Signal zu setzen.
„Die Haare sind das wichtigste!“
Frisuren
Warum spreche ich über Haare, wenn es um Bekleidung geht? Nun, eine Untersuchung unter Jugendliche zeigte, dass 68% 5 aller Befragten der Meinung waren, dass die Frisur das wichtigsten am gesamten Outfit war. Unter Gothics dürften diese Werte in den 80ern erheblich höher gelegen haben.
Die Haare waren ähnlich den Punks hochtoupiert und teilweise aufwendig in Szene gesetzt. In stundenlangen Sitzungen vor dem Spiegel unter der Verwendung von reichlich Haarspray entstanden die aufwendigsten Kreationen. Das Deckhaar zu einem Turm aufzustellen, während die Seiten und der Nacken ausrasiert waren, zählt zu den ursprünglichsten Szenefrisuren. Beim Teller (auch Tellermine oder Tellerschädel genannt) werden die Deckhaare zu einem flachen, tellerförmigen Gebilde aufgestellt, das von den Nacken und den Seiten ausgehend nach oben hin breiter wird.
Während diese Frisuren eher von Männern getragen wurden, folgten die Frauen anderen Stilen. Die „Hexenhaar“ oder „Wuschelkopf“ genannte Frisur war eine explosionsförmig und möglichst in alle Richtungen abstehende Frisur. Die mit viel Haarspray entstandene weibliche Frisur erinnert an Robert Smith (The Cure), der wohl als Ikone des Wuschelkopfes angesehen werden dürfte.
Im Alltag folgte man der Praxistauglichkeit und brachte die Haargebilde zum Einsturz, um sie als Pferdeschwanz nach hinten zu binden, ausrasierte Nacken und Seiten blieben natürlich erhalten. Schwarz gefärbte Haare wurden Pflicht, immer seltener sah man die blonde Haarpracht der New Waver und Waver.
Make-up, Schmuck & Accessoires
Fast schon typisch für das Make-up der Gothics, war das bleich geschminkte Gesicht, dass im 18. Jahrhundert als Statussymbol angesehen wurde. Die Gothics brachten es aber eher in Verbindung mit Tod und Vergänglichkeit oder auch einfach nur als deutlicher Kontrast zum schwarzen Outfit. An den Augen fand sich das Schwarze wieder. Sie wurden mit einem Kajalstift schwarz umrandet und oftmals über die Augenpartie hinaus bis zu den Schläfen gezogen. Eyeliner zauberte fraktal-mystische Gebilde um die Augen, die an die Schminkkunst des alten Ägypten erinnerte. Roter Lippenstift sorgte für den letztendlichen Schliff und spielt damit auf ältere filmischen Horror-Inszenierungen an. „Die Schminkweise der Gothics nimmt das Schicksal des zukünftigen Todes vorweg und soll die Solidarität zu den Toten ausdrücken“ 2 „Sich tot malen.“ war Szenejargon.
Mit silbernem Schmuck in allen Variationen vollendete der Gothic sein Outfit, die Pikes waren oft durch weitere Ketten, Ringe und Schnallen verziert. Unzählige schmale Armreife aus Silber und Schmuck mit bevorzugt mystischen Symbolen bildeten den Kontrast zum sonst einheitlich schwarzen Outfit. Dabei griff man gerne zu provokativen Stilmittel, wie sie schon von den Punks etabliert wurden. Im späteren Verlauf der Entwicklung übernahm man auch Nietenhalshänder und reichhaltig bestückte Armbänder, die ebenfalls auf die Punks zurückzuführen sind. Mit dem Schmuck begann auch die Diskussion um die Beweggründe und Absichten der Gothics, schließlich musste das Ganze ja etwas über die Gesinnung des Trägers aussagen. Doch in vielen Fällen folgten die Jugendlichen nur ihren Vorbildern, Madonna etablierte beispielsweise Ketten mit christlichen Kreuzen als Modeschmuck. Gothics berufen sich dabei auf Siouxsie Sioux oder auch Billy Idol. Schwarz lackierte Fingernägel standen im Kontrast zu zahlreichen Ringen, oftmals hatte man den Eindruck, zehn Finger wären nicht genug.
Die Vielfalt an Accessoires war erschlagend und eine Goldgrube für jeden Szene-Händler. Handschuhe, Sonnenbrillen, Gürtel, Strumpfhosen, Taschen, Kopfbedeckungen und Tücher. Alles wurde vereinnahmt und für die Szene relevant. Mit jedem Teil wurde der Einzelne zum Kunstwerk. Symbolgeladener Schmuck und auffällige, vom Mainstream abweichende Accessoires nahmen eine herausragend Rolle ein. Körperschmuck war seit dem Punk auf dem Vormarsch.
Und dann?
Mit den 80ern endet auch die Überschaubarkeit der Kleidungsstile. Immer neue Einflüsse treffen auf eine expandierende Subkultur. Im Prinzip sind heute auch noch alle Stile der 80er zu finden, seltener in Reinform, häufiger als Element einer Remix-Kultur. Vielleicht verschafft dieser Artikel einen kleinen Einblick in die schwarze Mode der 80ern, auch wenn ich mir nicht anmaßen möchte, die Gesamtheit aller Einzelheiten zu kennen und zu beschreiben.
Fakt ist, dass das persönliche Identifizierungspotential jedes einzelnen mit zunehmender Vielfalt sinkt. Zu verwaschen sind die ursprünglichen Stile, zu absurd die immer weiter einströmenden Entwicklungen. Dies ist der Versuch eines Überblicks über die Ursprünge, ich freue mich auf eure Ergänzungen und Korrekturen, eure Erinnerungen und Eindrücke.
Einzelnachweise
- De la Haye/McGrath/Dingwall: „Surfers Soulies Skinheads and Skaters – Subcultural Style from the Forties to the Nineties“, Overlook Press 1996 – [↩]
- Birgit Richard: „Schwarze Netze. Die Gruftie- und Gothic Punk-Szene“, Kursbuch Jugendkultur, Mannheim 1997[↩][↩]
- Harry Kühnel: Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung. Vom alten Orient bis zum ausgehenden Mittelalter, Stuttgart 1992[↩]
- Erika Thiel: Geschichte des Kostüms. Die europäische Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart – 5. Auflage 1980[↩]
- Doris Schmidt/Heinz Janalik: Grufties – Jugendkultur in Schwarz, Schneider Verlag Hohengehren, 2000[↩]
Wow, ich bin noch regelrecht erschlagen von all den Details und Bildern.
Ein wirklich wundervoller Artikel!
Weißt du denn genauer von wann der Katalog ist? Die romantischeren Outfits (476-480), die ich übrigens ganz grandios finde, sprechen ja deutlich für die späten 80er (ich denke da etwa an Sean Cronin von den Marionettes), aber da noch so viel New Romantic zu finden überrascht mich etwas.
Zwar habe ich den Eindruck dass du vielleicht etwas zu viele konkrete Kategorien präsentierst, aber eine Kritik kann das von meiner Seite niemals sein, allein schon weil ich eben nicht aktiv dabei war und mich daher nur auf Berichte wie den vorliegenden stützen kann.
Meinen persönlichen Status Quo finde ich übrigens erstaunlich genau in Abbildung 427 wieder, wobei der breite Gürtel gerade schon eine „neue“ Inspiration für mich ist ;)
Gerade diese Fotos gesehen. Kann mich noch ganz genau an diesen Katalog erinnern. Dürfte so 86-88 gewesen sein.
War eine geile Zeit und dann noch in meiner zweiten Heimat von Freitag bis Sonntags im „Sound Saarland“
Und? Hast du Dir damals was bestellt, um es im „Sound Saarland“ auszuführen? Guck mal, das hier habe ich gefunden: https://sound-party.saarland/eswareinmal :-)
Haaaach… mir ergeht es jetzt gerade so ähnlich wie Herrn Karnstein :D
Die Klamotten kommen mir doch sowas von bekannt vor! An dieser Stelle muss ich zugegeben, dass ich deinen Text dazu noch gar nicht durchgelesen habe, denn ich schwebe gerade auf der Nostalgiewolke ;-)
Es müsste 1988 gewesen sein, als wir aus diesem Katalog eine Art Sammelbestellung aufgegeben haben (ich hatte 520 + 521). Die Sachen sahen wir als Ergänzung zur selbstgemachten Garderobe an.
Leider gibt es von mir überhaupt keine Fotos aus dieser Ära! Da könnte ich mir heute noch in den … beissen.
Waren das alle Seiten? Ich habe das Gefühl, da fehlt noch was – zumindest meine damaligen ersten Pikes sind nicht dabei.
Welch großartiges Fundstück!
Viel tolles Augenfutter – ich bin begeistert! :)
Nur zwei – oder drei – Richtigstellungen von meiner Seite: weder im Barock noch im Rokoko gab es diese spitz zulaufende Schuhform, alles an erhaltenen Originalen was ich aus der Zeit kenne ist mehr kastenförmig oder mit eher gerundeter Spitze. Der Schnabelschuh, der es aus der Orientalischen Kultur in die europäische Mode geschafft hat, tauchte im späten 15. Jahrhundert – der gotischen und auch burgundischen Mode auf. Von späteren Epochen ist mir eine vergleichbare Schuhform nicht bekannt.
In der späten Renaissance wurden Pluderhosen nicht nur in Spanien getragen, typisch für dieses Land war aber eine sehr kurze und stark ausgestopfte Variante, in Deutschland und skandinavischen Ländern war die Form unter-knie- bis wadenlang, lockerer und wesentlich stoffreicher. Ob dieses Beinkleid von der orientalischen Mode übernommen wurde weiß ich aber nicht – ich werd dem mal nachgehen.
Und was die Aussage angeht „Samt wurde Seide vorgezogen) – das ist jetzt technisch nicht ganz korrekt. Bei Samt handelt es sich um eine Webart, bei Seide um einen Rohstoff. Samt wurde früher eigentlich fast ausschließlich aus Seide gewebt, von daher ist die Behauptung halt nicht wirklich korrekt ;) *klugschiß*
Zu der Klamottensituation der 80er-Szene kann ich aber natürlich auch nichts beitragen, bei mir sind die bewussten Erinnerungen an Schwarzvolk auch „erst“ aus den 90ern. Das mit Abstand grusligste aus der Zeit waren auf jeden Fall schlabbrige Pannesamtfummel mit schlecht gearbeiteten Nähten :D
Letztenendes finde ich aber daß dieser Katalog ja schon zeigt wie vielfältig in den Anfängen die „Szene“ bereits war – vieleicht sind nicht nur deswegen so viele Subkategorien in dem Katalog zu finden weil für eine Sparte allein ein Katalog an sich nicht lohnenswert gewesen wäre, sondern weil es vielleicht damals schon sehr fließende Übergänge gegeben hat?
Sicher, heute ist die Sachlage unübersichtlicher, aber wenn man sich moderne Schwarzklamottenkataloge ansieht, so hat man da eigentlich auch wieder ein Nebeneinander verschiedener Spielarten die – heute vielleicht noch mehr – widersprüchlich anmuten können …
Jedenfalls finde auch ich einige Anregungen aus dem Katalog ziemlich genial, allen voran hat es mir die Mega-Pluderhose von 463 angetan (im Hirn rattert es schon bezüglich der Schnittkonstruktion :D ) und einige Details sind ausgesprochen raffiniert und keineswegs trivial beim verarbeiten *ratterratter* :D – ausserdem hatte ich mal nen selbstgestrickten Pullover wie ihn 461 anhat *g* – macht grade Lust drauf sich wieder so ein „Zelt“ zu basteln, ich find die Silhouette zu dem schmalen Rock auch echt sehr hübsch …
@Rosa
Spitze Schuhe in späteren Epochen? Wie wäre es hiermit:
https://musicalics.com/
Wobei ich glaube, dass das hier etwas überspitzt dargestellt wird :D
Karnstein: Vielen Dank für dein Lob! Zu deiner Frage: Nein, leider hat die Absenderin darüber auch keine Informationen, ich schätze aber 1986/1987. Bei der Kategorieanzahl habe ich mich schon auf das wesentliche beschränkt und schöpfe dabei aus zahlreichen Quellen. Punks, New Waver und New Romantics waren Phänomene der späten 70er und frühen 80er, wobei sie alle im Punk ihren Ursprung haben. Gothics tauchten als modische Erscheinung erst in den frühen 80ern auf. Eine strikte Unterscheidung der Stile ist so eigentlich auch gar nicht möglich, weil sich jede einzelne Kategorie schon in der Übernahme anderer Einflüsse übte. So wurde aus dem „Gothic-Gothic“ schnell Halb-Romantiker, da sich sich von dort Elemente liehen und ebenfalls Halb-Waver, da sie die Pikes ebenfalls mochten.
@Rosa Chalybeia: Toller Kommentar! Danke für die vielen Ergänzung und Korrekturen, eine davon habe ich bereits übernommen, zu den anderen müssen wir noch ein bisschen diskutieren:
„…weder im Barock noch im Rokoko gab es diese spitz zulaufende Schuhform, alles an erhaltenen Originalen was ich aus der Zeit kenne ist mehr kastenförmig oder mit eher gerundeter Spitze.“
Völlig richtig, da habe ich zwei Dinge zusammengewürfelt. Nach meinen Quellen wurden die Schnallenverzierungen der Schuhe im Barock und Rokoko entwickelt. (Vgl.: Erika Thiel: Geschichte des Kostüms. Die europäische Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart -5. Auflage 1980 oder auch Colin McDowell: Schuhe. Schönheit, Mode, Phantasie – aus dem engl. von Ulrike Seeberger 1997)
„Der Schnabelschuh, der es aus der Orientalischen Kultur in die europäische Mode geschafft hat, tauchte im späten 15. Jahrhundert — der gotischen und auch burgundischen Mode auf. Von späteren Epochen ist mir eine vergleichbare Schuhform nicht bekannt.“
Davon weiß ich jetzt nichts, ich beziehe mich dabei nur auf das erste auftauchen der Schuhe im 12./13. Jahrhundert, wo der Schnabelschuh als Statussymbol angesehen wurde, bevor er vom mittelalterlichen Klerus verdammt wurden. (Vgl.: wie oben McDowell oder auch Harry Kühnel: Bildwörterbuch der Kleidung uns Rüstung – 1992)
„Ob dieses Beinkleid von der orientalischen Mode übernommen wurde weiß ich aber nicht — ich werd dem mal nachgehen.“
Das habe ich auch nicht behauptet :-) Sie wurde lediglich „Türkische Hose“ genannt, warum weiß ich nicht, wäre interessant was bei deiner Recherche herauskommt.
„Und was die Aussage angeht »Samt wurde Seide vorgezogen) — das ist jetzt technisch nicht ganz korrekt. Bei Samt handelt es sich um eine Webart, bei Seide um einen Rohstoff. Samt wurde früher eigentlich fast ausschließlich aus Seide gewebt, von daher ist die Behauptung halt nicht wirklich korrekt ;)“
Auch hier eine Ergänzung. Ich habe geschrieben, dass Samt kostbarer und begehrter war als Seide, nicht dass das eine dem anderen vorgezogen wurden und wenn, dann nur aus Gründen des Statussymbols. Man nahm es lieber, weil es wertvoller war als Seide. (Vgl.: Chiara Buss: Stoff als Statussymbol, in Anziehungskräfte, Variété de la mode 1786-1986 – erschienen 1986)
@Madame Mel: Du solltest unbedingt den Text lesen ;) Zu deiner Frage: Ich bin mir nicht sicher ob das alle Seiten des Katalog gewesen sind, leider bin ich auch nur Empfänger der E-Mail und bin an der Suche nach einem originalen Katalog bislang gescheitert.
Na ja, der Einteilung würde ich auch nicht unbedingt zustimmen. Waver waren sie doch alle, auch die New Romantics. Halb-Waver? Halb-Romantiker? Gothic-Gothic? Ohne Worte. ;)
Dem ist nichts hinzuzufügen. :-) Bei uns gab es in der schwarzen Szene nur Waver und Gruftis (die nannten sich damals tatsächlich selbst so in unserer Stadt). Ich gehörte damals zu den Wavern und hörte von Romantic, Postpunk, Dark Wave bis hin zu EBM (Front 242, Skinny Puppy etc.) alles quer Beet. Man konnte uns auch von den Gruftis nur an einem Element unterscheiden. Unser Kreuz war richtig herum, bei den Gruftis war es auf dem Kopf gestellt. That’s it. Kann aber sein, dass es in den Großstädten anders war, bei uns in der Provinz (76.000 Einwohner) war es halt so.
@Death Disco: Es geht mir in diesem Artikel lediglich um das Outfit, nicht um die Musik. Und da sehe ich in der Tat eine solche Kategorisierung, denn sie wurde so von außen herangetragen und von innen gelebt. Nur „Gothic-Gothic“ ist eine Kreation meiner Phantasie und sicher nicht einer knallharten Analyse gewachsen :-)
Nachdem ich einen langen Tag habe gehe ich erstmal auf einen Teil der Nachharker ein :)
Was die Schnallen an den Schuhen angeht – ja, die gab es erst ab ca 1660, also modegeschichtlich im Barock. Danach ziehen sie sich durch die Rokoko-Mode hindurch, in früheren Epochen wurden Schuhe eher mit Schleifen (oft sehr üppigen) geschlossen. Nur eben die spitz zulaufende Schuhform ist in diesen Epochen nicht vorhanden.
Um auf Schatten’s Bilderlink einzugehen: es gab seit der Renaissance (soweit ist das mir bekannt) immer wieder überspitzte, karikative Zeichnungen. Deswegen sind Gemälde als Referenz für „authentische“ Klamotten immer sehr problematisch.
Sollte es ein erhaltenes Originalexemplar geben daß Paganinis Schuhwerk gleich kommt, so nehme ich alles zurück ;) – so aber bleibt die Quelle fragwürdig …
@Samt und Seide: mir ging es darum den Unterschied zwischen Webtechnik und Rohstoff anzusprechen. Samt war definitiv mit die kostbarste, weil aufwendigste Art Seide zu verarbeiten und deswegen beliebt. Aber Samt wurde eben aus Seidengarn gewebt :) – deswegen kann man die Technik, ein Garn zu Stoff zu verweben nicht mit dem Rohstoff an sich aus dem das verwendete Garn besteht, verglichen werden. Das ist wie mit den sprichwörtlichen Birnen und Äpfeln.
Sollte die Autorin des Buches aus dem Deine Information stammt, das so geschrieben haben, so benötigt sie leider eine Nachhilfestunde in textiler Materialkunde ;)
Leider muss man aber sagen daß gerade im bereich Modegeschichte viel Literatur unterwegs ist die Halbwahrheiten verbreitet. Wir haben das Fach an der Modeschule auch, und obwohl ich nicht so der redegewandte Mensch bin – teilweise quassel ich mir in der Stunde echt den Mund fusslig weil Tertiärliteratur ohne Hand und Fuß als Unterrichtsmaterial dient -,-
Hah! Den hab ich auch noch in der Schublade liegen… Schoen beschrieben, aber: wie soll ein Katalog von DAMALS die zukuenftige Entwicklung beachten? Konnten die ja gar nicht wissen ;-)
Es gab damals wenig „Abgrenzung“ der unterschiedlichen Stile – es hiess einfach „NEW WAVE“ und „PUNK“… Schliesslich sollte man beachten: schon alleine das „schwarz“ war ein Novum und eine Provokation, denn schwarze Kleidung war damals kaeuflich kaum zu erwerben, ausser in der Trauerabteilung fuer Aeltere Damen… Man wurde aus der Strassenbahn geworfen, nur weil man eine zerissene Jeans anhatte… Was heute selbstverstaendlich ist und kaum beachtet wird, war Anfang/Mitte der 80ger absolute Ausnahme!
Ach wie schoen ist so eine Zeit im Rueckblick – geblieben ist die Vorliebe fuer schwarz und violett…
PS: Der Katalog muesste von 86 sein, da ich ziemlich genau weiss, dass ich an meinem 16. Geburtstag dort bestellt habe…
Die Vermutung, dass die bevorzugte wallende Kleidung der Waver auf eine bestehende Distanz zum eigenen Körper hinweist, geisterte immer mal wieder durch Diplomarbeiten o.ä., die sich mit Jugendkultur und „Gruftologie“ befassten.
Das hört sich in der Abhandlung schön bedeutungsschwer an, aber in der Rückschau möchte ich behaupten: ganz so dramatisch war es nicht. Jedenfalls nicht im Sinne von Körperfeindlichkeit, schon eher in der Weigerung „die Haut zu Markte zu tragen“. Dass 5 Schichten Klamotten, davon mindestens 3 mit separaten Schulterpolstern ausgestattet, die Körperkonturen einebnen, liegt auf der Hand.
Das Tragen dieser Art Kleidung bewirkte, zumindest ich habe es so erlebt, beinahe automatisch eine bestimmte Veränderung in Ausdruck und Haltung. Man bemerkte es bei sich selbst und beobachtete es bei den anderen: die Bewegungen wurden gemessener, der Rücken wurde gerade, die Schultern strafften sich, das Kinn ging in die Höhe. Ein Effekt, der durch die Gruppe eindeutig noch verstärkt wurde. Heute mag das seltsam klingen, damals war das ein positives, verbindendes Gefühl.
Jedenfalls stellt es wirklich den grösstmöglich denkbaren Gegensatz zum heutigen, spärlich bekleidet auf Plateaus daherstolpernden „Gossik Girl“ dar.
Ich finde „Gothic Gothic“ ist ein schön schräges Konstrukt, zeigt es doch, wie schwierig es ist den schwarzen Laden zu sortieren. (Lass mich raten, die ausgeschriebene Fassung wäre in etwa: der gereifte, sicher im Postpunk verwurzelte Waver, im Schulterschluß mit dem „nachrückenden“ Grufti, der seinerseites in Bezug auf Bemalung und Friedhof noch ein paar Briketts nachlegte…??)
Von mir vielen Dank für diese Klamottage-Historie.
Leute, mottet die Kutten aus!
Schulterpolster und Walle-Look waren damals schlichtweg IN! Da muss man nur mal alte Modezeitschriften durchblaettern oder Videos von „Normalos“, wie zb. Brian Ferry ansehen…
Die Auswahl war auch nicht so gross… Es gab das was IN war und daran orientierte sich auch die jugendliche Szene – meistens hat man halt das Zeug in rosa oder so gekauft und schwarz eingefaerbt…
@Rosa
Das das eine KArikatur ist war mir schon klar ;)
Wäre doch irgendwie passend wenn gerade Paganini spitze Schuhe getragen hätte :D
Wow
*Worte suchen geht*
Erstmal viiiielen Dank Robert, dass du aus meiner Anfrage so einen interessanten Artikel gemacht hast.
Jeden Falls ist es momentan so viel Input, dass du von mir näheres zu hören bekommst wenn ich die Infos verarbeitet habe.
Jau, dass mit den „Wallenden Gewändern“ ist mir auch aufgefallen: Früher mummelten sich alle in `zig Kleidungsschichten ein – selbst im heftigsten Sommer.
Seit der Körperkult durch die SM- / Fetischszene Einzug gehalten hat, laufen eigentlich nur noch die Altgrufties so rum…
Wie lustig, ich habe damals diese Fotos gemacht. Das waren quasi meine ersten Aufnahmemen während des Studiums.
Zeitreise!
Schön das mal wieder zu sehen.
Hallo Frank, ich habe aus dieser Zeit noch eine Bogey’s/Underground College- bzw. Baseballjacke. Die hatte ich mir damals von meinem Lehrlingslohn abgespart. Du hast nicht zufällig noch Fotos oder digitalisierte Katalogbilder? Man findet heute viele dieser Katalogseiten – aber keine, bei der diese Original Bogey’s Baseballjacke mit einem Totenkopf auf dem Rücken abgebildet ist.
So wie es aussieht, kenne ich jemanden, der den Martin kennt. Sie fragt nur noch mal nach, aber wenn sich die Vermutung meiner Bekannten bestätigt, dann ist Martin immer noch in der Szene dabei ;-)
@Rosa Chalybeia:
Ich würde dir gerne einführende Literatur zur Mediävistik und frühen Neuzeit ans Herz legen, denn dir sind da historische Schnitzer unterlaufen:
Punkt 1: der spitze Schuh ist etwas, dass wir im Früh- und Hochmittelalter des Abendlandes wiederfinden und ausschließlich dem Adel vorbehalten war. Dabei gibt es eine einfache Faustregel: je spitzer der Schuh, desto höher der Stand (Goetz, H.-W.: Leben im Mittelalter. 2002).
Punkt 2: Zeichnungen, insbesondere aus dieser Epoche, waren bei solchen Dingen höchst präzise. Man bedenke, dass die wenigen, die ein solches Bild zu sehen bekamen, sich auch einen Codex leisten konnten. Aus heutiger Sicht entspräche das einem Fuhrpark von einem Dutzend Luxuswagen; immerhin erforderte die Herstellung des Pergament das Opfer vieler Schafherden (Makellosigkeit außer Acht gelassen).
Der Punkt ist, das bis ins Spätmittelalter kaum ein Adliger lesen konnte; somit wurde alles über Bildlichkeit transportiert. Würde man nun so ein Zeichen des Standes auslassen, würde es dem Leser etwas völlig anderes implizieren.
Und Bildlichkeit in späteren Epochen ist noch viel symbolträchtiger; beginnend mit der Renaissance.
Punkt 3: Es gab nie eine „gotische Mode“ in der Geschichte, denn ‚Gotik‘ ist ein posthumer Begriff, der sich lediglich auf Architektur und Kunst bezieht; alles andere ist historisch inkorrekt. Und es ist auch nicht das 15. Jhd. – drei Jahrhunderte zu spät – das wäre nämlich die frühe Neuzeit, die man gut und gerne mit der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus 1492 beginnen lassen kann (Wahlweise auch mit der Reformation; epochale Grenzen sind fließend).
Nichts für ungut, doch so etwas darf nicht so stehenbleiben. :)
@Narziß: lies nochmal in Ruhe was ich schrieb, ich bezog mich nicht im Schwerpunkt aufs Mittelalter, daß es da den Schnabelschuh gab ist mir sehr wohl bewusst, es ging um Barock und Rokoko, da gab es mehr als definitiv keine spitz zulaufenden Schuhe, und wenn waren die sicher nicht allgemeingebräuchliche Mode. Und bei den unzuverlässigen Darstellungen bezog ich mich auf Karikaturen, die es nachweislich gab – weil Schatten eine solche verlinkt hat und kein naturalistisches Gemälde.
Daß Epochenbegriffe fließend sind und mit den Grenzen anderer Genres oftmals nicht konform gehen, ist mir sehr gut bewusst, ich beschäftige mich mit dem Kram auch nicht erst seid gestern. Mittelalter ist zugegeben nicht mein Spezialgebiet, aber so wirklich was Neues hast Du mir jetzt ehrlichgesagt aiuch nicht erzählt (nix für ungut) ;)
Ich denke das Thema „Mittelalter“ muss man nicht unbedingt historisch korrekt annehmen. Die Romantik im 19. Jahrhundert bezog sich ja auch nur auf die Ästhetik genauso wie der Historismus in der Architektur. Diese Stimmung wurde in der New Romantic in den 80ern übernommen und wird heute eben auch in der schwarzen Szene genutzt. Man nehme nur Bands wie Faun. Das ist für mich eher „New Romantic“ und bewusst kein authentisches Mittelalterszenario.
Die einzige Stimmung in der New-Romantic-Szene der 80er brachten Duran Duran und Spandau Ballet. ;P
@Rosa Chalybeia
Ja, historische Grenzen sind fließend, um Jahre / auch Jahrzehnte, nicht Jahrhunderte. Und im späten 15. Jahrhundert befand sich Europa schon im Barock. Und Karikatur als Kunstform kam erst zweihundert Jahre später auf. Vorher waren es Holzstiche. Was Schatten verlinkt hat, ist etwas, dass weitaus später entstand, solch ein Stil ist vielmehr in das 18. Jhd. einzuordnen; Quellen wären nett.
Sicher, ich mag dir nichts neues vermittelt haben, aber dein Wissen scheint sehr Lückenhaft zu sein, oder du hast dich einfach nicht adäquat ausgedrückt.
Death Disco, du weißt doch, wie ich das meinte :D
Genau deshalb. Man sollte retrospektiv nicht Dinge hineininterpretieren, die nicht vorhanden waren. ;-)
New Romantic war ein SchickiMicki-Mode-Spektakel. Die Kleidung war nicht einmal wirklich historisch begründet, sondern oft rein fiktiv bis futuristisch orientiert.
Teile der heutigen Szene erinnern hingegen eher an LARPer als an Goths. Die versuchen etwas historisch genau und detailgetreu nachzuempfinden, siehe viktorianisches Picknick etc.
Danke Robert, für diese neue Zeitreise direkt in die 80er. Ich erinnere mich noch gut an den Bogey’s-Katalog, sparte monatelang, um mir die Pikes Nr. 502 bei Bogey’s zu bestellen, die ich dann nach Riesentheater zuhause wieder zurück schicken und gegen ein paar entschärfte halbspitze Wildleder-Halbschuhe umtauschen mußte, damit die Nachbarn in unserer spießigen Kleinstadt nicht denken, ich wäre schwul – es kann ja nicht sein, was um Himmels Willen nicht sein darf. *grins* Anmerken zu deinem wirklich bemerkenswerten Artikel möchte ich noch, das der im Abschnitt „Gothic“ erwähnte Club „Batcave“ sogar eine Resident-Band hatte, die Alien Sex Fiend hieß und dort regelmäßig spielte. Stammgast war unter anderem Robert Smith von The Cure.
Ich war ganz dankbar für den Versandhandel Bogey’s , weil gerade Pikes Mitte der 80er Jahre eigentlich nur in Großstädten zu bekommen und zudem nicht gerade taschengeldfreundlich waren. Andererseits zeichnete sich gerade durch große Händler wie Bogey’s schon ab, daß Wave und Edelpunk gesellschaftlich stark als Mode und weniger als Sub- und Jugendkultur verstanden wurden, was sich für mich in den abgebildeten Outfits spiegelt.
Wer sich für die Kultur der New Romantics und deren Mode interessiert, sollte nach dem Oberbegriff „Blitzkids“ googeln, so wurden die Besucher der Londoner Edeldisco „Blitz“ genannt – u.a. Steve Strange (Visage) und Boy George – die Anfang der 80er in dieser Disco den passenden Laufsteg für ihre kaum einzuordnenden Outfits fanden und sich dort regelrechte „Klamottenbattles“ lieferten – was mir persönlich zu modeorientiert war, den expressiven Charakteren der New Romantics aber wohl gelegen kam.
@ Mr. Niles:
Das erinnere ich genau wie du: Die Waver aus meinem damaligen Freundes- und Bekanntenkreis waren in den 80ern irgendwie „angezogener“, selbst im Hochsommer trugen wir lange Hosen und lange Oberteile, Hemden. Ich war selbst noch nie auf einem WGT in Leipzig, schaue aber oft und lange bei YouTube rein und wenn ich dort Videos und Mitschnitte von TV-Reprtagen der aktuellen WGT’s sehe, staune ich immer wieder über die fortgeschrittene Sexualisierung in der Szene und Outfits, die ohne Probleme auch auf jede Erotikmesse passen, diese Entwicklung muß wohl wirklich mit Öffnung in Richtung der S/M-Bondage-Fetish-Szene Einzug gehalten haben. Für mich lag der Hintergrund der „langen, wallenden Gewänder“, wie wir sie in den 80ern trugen eher immer darin, daß diese den Körper eher in den Hintergrund stellten, geheimnisvoller machten. Denn daran, das zur Schau getragene Sexualität in den Anfangsphasen von (New) Wave und später Gothic eine Rolle spielte, kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Vielleicht ist die schwarze Szene nicht zuletzt am Ende deshalb so gewandelt und auch kommerzialisert? Sex sells bekanntlich…
Tipp: Auf YouTube sind inzwischen Videos aus dem Kult-Grufttempel „Zwischenfall“ in Bochum aufgetaucht…wer echte 80er Outfits sehen will, die sichtbar nichts mit Körperkult zu haben schaut da mal rein.
Zitat: Teile der heutigen Szene erinnern hingegen eher an LARPer als an Goths. Die versuchen etwas historisch genau und detailgetreu nachzuempfinden, siehe viktorianisches Picknick etc. Zitatende
Genau das ist, was ich an dieser Generation der Szene so bedauere – die schwarze Szene ist zu einem Theater geworden, in dem Authentizität des Outfits, gekrönt mit etwas dunkler Schminke und Totenköpfen die Hauptrolle spielen. Ich denke, wir haben global exzessive Probleme, die ganze Welt spielt momentan verrückt und gerade heranwachsende Generationen hätten allen Grund, sich Irokesenschnitte zu verpassen, bestachelte Lederjacken anzuziehen und Steine gegen unsere repressiven, kapitalorientierten Gesellschaftssysteme zu schmeißen oder sich – wie wir damals, in ähnlicher Lage und Zeiten ständiger Kriegsangst zwischen Ost und West und permanenter atomarer Bedrohung – in Trauerklamotten zu stecken und der Gesellschaft so unsere Mißbilligung ihres Verhaltens zu zeigen. Statt dessen bastelt man im neuen Jahrtausend monatelang an Barock, Rokoko und Steampunk-Kostümen, um beim schicken Picknick im Garten sein Butterbrot zu essen und möglichst fotogen und repräsentativ in die Kamera zu lächeln. Irgendwie absurd. Das so wenige original Fotodokumente von Schwarzen aus den 80ern zu sehen sind, führe ich nicht zuletzt darauf zurück, daß wir damals einfach nicht als schick, trendy und modisch abgelichtet werden wollten.
Öööhm, Markus, Einspruch. :-)
Ich weiß jetzt nicht in welchen Portalen Du Dich so aufhälst, aber es gibt im Internet Millionen von 80-er-Grufti-Bildern :-).
Und darauf, dass es noch keine Digitalkameras und kein Internet gab. Da musste man Bilder aufwendig zum entwickeln bringen und Geld bezahlen um Abzüge davon in den Händen zu halten. Im Verhältnis zum Heute stimme ich Dir aber zu, es gibt weniger Aufnahmen aus den 80ern als aus der Neuzeit.
Absolut richtig. Selten so gut auf den Punkt gebracht wie in diesem Abschnitt. Ganz ausgezeichnet. Neulich habe ich rund 30 Fragebögen ausgewertet, in denen ich die Frage stellte, was die Farbe für den Träger bedeutet. Es ist ein Spiegel der Zeit, dass nahezu niemand das von Dir so passend geschriebene damit verbindet. Ich stelle mir die Frage, ob wir unsere Form der Gesellschaftskritik (passiv und rein visuell) „verlernt“ haben? Ich stelle mir dann die Frage, ob Schwarz für die meisten nicht einfach austauschbar wäre?
Markus, gelegentlich kam ich mir mit meiner Ansicht ziemlich einsam vor, es ist gut zu lesen, dass es noch andere gibt. Gothic als Leistungspräsentation eigener Fähigkeiten oder modischer Innovation? Ich denke, es ist immer schon so gewesen. Seit die Bravo Mitte der 80er Jahre die Farbe Schwarz, Gruftie und Totenköpfe unter die Jugendlichen streute, gibt es die, die diesem „Trend“ folgen. Ist es ihnen vorzuwerfen? Nein. Im Gegenteil, viele wussten es nicht besser. Ich war zunächst ja auch nicht anders. Ich bin ja nicht zur Szene gestoßen um meiner Gesellschaftskritik eine Farbe zu geben, sondern weil ich es „cool“ fand, dazuzugehören. Erst mit der Zeit sind Inhalte und die Beschäftigung damit dazugekommen. Ich verstand, warum man „Schwarz“ trug und tragen sollte.
Und das gilt – und wieder gebe ich Dir Recht – auch heute noch.
Mone vom Rabenhorst:
Ich halte mich – außer ab und zu auf Spontis – gar nicht in (schwarzen) Portalen auf. Einerseits fehlt mir die Zeit, andererseits sind mir im Internet allgemein der Umgangston zu rüde und die Rechtschreibfehlerquote bei Jüngeren zu hoch geworden. Nur heute Nacht nehme ich mir die Zeit hier zu lesen, nebenbei auf Arte das Berliner The Cure-Konzert „Trilogy“ von 2002 zu verfolgen und – ich gestehe – im schwarzen Waver-Outfit hier zwischen PC und TV zu sitzen und die Nacht zu zelebrieren.
Markus: Schön geschriebener Kommentar :)
Lustig aus meiner Heimat ich hab noch die Punks und so gesehen bevor dies aufkam
Also ich habe noch so einen Katalog. Den ersten habe ich glaube ich schon 1985. Damals kam das aus Wiesbaden… konnte ich schwer nachvollziehen, ich meine,wer schon mal da war.
Bestellt habe ich da nix, eventuell eine Inspiration gezogen. Wir haben fast alles, bis auf die Schuhe, selbstgemacht. Felljacken angenäht und gekürzt, Lederhosen mit Conchos bestückt, etc.
etc. Schuhe gab es in Düsseldorf und später auch in Wuppertal. Da war ein Großteil schon vermarktet.
Habe ich noch welche von den alten Jacken? Nö, die sind irgendwann “ verschwunden“ sprich, haben einen neuen Liebhaber/in gefunden. So finde ich das okay.
Mark, Jahrgang 1969
Hallo Mark: Ist in dem Katalog vielleicht eine Baseball- bzw. College-Jacke, mit einem Totenkopf auf dem Rücken? Und mit großen Lettern UNDERGROUND über der Schulterpartie?
Solch eine Jacke habe ich nämlich noch! Ich bräuchte davon einen digitalen Abzug als Beweis, dass es eine Original Bogey’s Jacke ist.
Guten Morgen, Rtta. Was genau brauchst Du?
Einen Tip für gutes Haarspray oder ist „New Wave“ eine Marke (ggfs. von früher)?
(Eine Bekannte von mir hat noch eine Sammlung mit über 25 Jahre alten Haarsprayflaschen. Vielleicht wäre die dann dabei.)
Naja, wie immer wird auch hier eher wieder heroisiert und Mythen aufgebaut: klar ist das Gothic, New Romantic, Psychobilly, New Wave, Hardcorepunk, Oi, usw, alles vom Punk stammt. Die Gothic Bands, die davor Positive Punk genannt wurden und davor nicht einmal einen Szenenamen besaßen, waren eben auch nur Punks. Bei Punk gab es von anfang an eben auch düstere langsame Sachen zu hören, das war keine erfindung von The Cure oder Gothics. Einige waren völlig normal in der anarchistischen Szene um Crass „integriert“.Klamotten wurden selber gefertigt (konnte man sogar anfang/mitte der 80iger in der Bravo begutachten, alles wurde selbergestaltet). Steve Strange (später gern als Vater der New Romantic gesehen) war ebenso fester bestandteil der Punkszene, bekannt mit seinen Ketten an Munswinkeln und am Ohr. Dann bleibt noch die Sache mit dem „Zuckerwasser“: wer an dieses Märchen glaubte und sich Zuckerwasser in die Haare schmierte, hat das sicherlich nur ein einziges mal gemacht und dann nie wieder(probierts aus und ihr wisst warum). Richtigerweise war es immer: Seife. Die Idee dazu kam dann wiederum nicht von Punks, sondern von den alten Rock n Rollern. Und Seife, etablierte sich dann, neben, natürlich Haarspray.
Oh, was für ein lustiger Zufall.
Nichts ahnend im Internet mit meiner Mama für ein Schulprojekt über Waver geschnuppert und auf diese Seite gestoßen.
Meine Mama kann es immer noch nicht glauben!
Meine Mama selbst ist auf den Bildern zu sehen (512)!
Sie hat damals die Kataloge für Bogeys designed…
@Maria Agresti: Na das ist nun wirklich ein Zufall! Nicht nur, dass Deine Mama selbst Teil Deines Schulprojektes wird, sondern vor allem, weil sie das ganze auch noch Designed hat. Du musst mir Deine Mama unbedingt mal vorstellen :) Ich bitte Dich (im Idealfall Deine Mama) höflichst, mit mir Kontakt über das Kontakt-Formular aufzunehmen und mir die Möglichkeit zu geben, sie anzuschreiben. Ich hätte da ein paar Fragen zu früher, zu Bogeys und zu überhaupt. :-) Das wäre toll. Und natürlich würde mich auch interessieren, wie so ein Schulprojekt zu den 80ern aussieht. Mittlerweile ist das ja schon Neon-Farbene Vergangenheit für die Meisten.
Hier kann man wunderbar sehen, wie unglaublich langweilig und spießig die Goths damals gekleidet waren. Manch Outfit kann man ohne weiteres in einen 80er „Tatort“ copypasten, es würde null auffallen. Daß die Frisur wahnsinnig wichtig war, glaube ich bei den öden Klamotten gern. Heute sind sie oft detailreicher, wirken nicht mehr wie aus dem Kaufhaus, und sind bei den Damen auch hübscher geschnitten. Weg von der urzeitlichen Goth Burka, hin zu mehr Schärfe. Da mag man unterschiedlicher Meinung sein, jedoch wird man auch vom Zeitgeist getrieben. Den Coolness Faktor hat die Szene schon vor etlichen Jahren verloren, aber wenigstens sind die Klamotten noch einigermaßen zeitgemäß, aktuelleren Hollywoodproduktionen (JA, die Szene war schon immer filmaffin), und den damit mitgelieferten Ideen sei Dank.
Leider steckt die „aktuelle“ Mode trotzdem mittlerweile in einer Schleife fest und ist nicht mehr Trendsetter. Ich für meinen Teil würde mir dringend eine Auffrischung wünschen. Ich befürchte aber, daß das aufgrund der Überalterung der Szene nicht mehr stattfinden wird, und sie in den nächsten Jahren eh komplett verschwindet. Es gibt einfach nichts mehr, was für potentielle junge Szeneeinsteiger interessant sein könnte. Da winkt kein Alleinstellungsmerkmal mehr.
Vielen Dank für die Aufklärung und das Aufzeigen der hoffnungslos überbewerteten Vergangenheit.
Zitat: „Es gibt einfach nichts mehr, was für potentielle junge Szeneeinsteiger interessant sein könnte. “
Hmm, na ja, also, weiß nicht, vielleicht… die Musik?? Ist schließlich eine musikbasierte Subkultur? Aber ich vergaß, heutzutage macht die Kleidung schon den Grufti 🙄
In der Tat, Kira . Da ist was dran. Heute ist es problemlos möglich sich einer Subkultur – auch wenn sie musikalisch orientiert ist – anzuschließen, indem man des Dresscodes bemächtigt. War es damals noch verhältnismäßig aufwendig oder teuer, sich Szenekleidung zu besorgen, ist heute nahezu alles käuflich. Weltweit. Außerdem erklärt das Internet mit Leichtigkeit, was dazugehört um ein „Gothic“ zu sein, den Rest erledigen TV- und Medienformate, die zeigen, wie man sich zu kleiden hat.
Heute ist es schlichtweg nicht mehr möglich, einen Grufti nach dem Äußeren zu erkennen, sondern eben am Musikgeschmack oder auch den persönlichen Interessen.
Allerdings finde ich die Frage schwierig, in wie weit „damals“ eine Identifikation mit der Musik stattfand, bevor der Kleiderschrank ausgetauscht wurde. Okay, bei mir war das genauso, aber auch schon damals gab es Leute, die einfach nur cool aussehen wollten.
Ja, so’n Mist aber auch, da waren wir doch damals so bocklangweilig und unoriginell treudoof drauf, daß uns solche Wunderwerke des overthetop-stylens a la „Viktorianisches Picknick“-Dresscode mit allem pipapopo, Pferdekostüm, Mittelalterkult, Wehrmachtsuniformen, Engelsflügelchen, Elfengewese, EMP-Bauerntreter und Lüftlmalerei in der Visage nicht eingefallen ist. Klar, damals war ja Hollywood noch weiter weg als heutzutags und noch unerreichbar schicker (ach, was hätte ich nur dafür gegeben, wie die coolen Kids in „Breakfast Club“ oder „Pretty in Pink“ zu posen – wenn nicht gar wie Marty McFly herumzuturnen…).
Ja und die Goth/Wave-Bands damals waren ja auch eher 08/15-Kram und nicht so voll krass provokant wie später dann mal. Pah, Bauhaus, Christian Death, Alien Sex Fiend und Virgin Prunes. Alles nix gegen solche totalen Düsterlinge und true-evil-Gothschocker wie ASP, Rammstein, Nachtmahr und Arise-X
Ach ja, die Ungnade der Frühgeb…, äh, frühen Geburt – oder: wer zu früh kommt, den bestraft die Szene. Was muß ich jetzt aber mal greinen…
@Kramladen Soll hoffentlich Sarkasmus sein, gell? ;)
Ernsthaft… jemand, der sich darüber echauffiert, dass Szene Klamotten „zu langweilig“, „altmodisch“ und „doof“ aussehen und sich im gleichen Atemzug damit abheben zu versucht und zur Szene Koryphäe kürt, weil er/sie jeden letzten kurzlebigen Trend wie ein kleines Schoßhündchen folgt, braucht hier nichts von Alleinstellungserkmal und Überleben der Szene zu reden. Genau die Art von Person ist es, warum die Subkultur überhaupt zum reinen Trend-Contest und Witz verkommen ist, wo es mehr um Oberflächlichkeiten á la „du bist nicht trve wenn du nicht das letzte Scheiß Teil um überteuerte 80€ trägst von marke XY“ geht. Dass alles auf die pöhsen, elitären und total uncoolen Alt-Gruftis zu schieben zeugt von Projektion höchsten Maßes.
Persönlich sind mir die altmodischen Alt-Gruftis, Waver und selbsternannten Trad Goths tausendmal lieber als die Holywood Cosplay Fraktion oder die ganze Schar an Hipstern, die meint super Goff zu sein, weil sie ein paar fiese Internet Slang Sprüche auf dem ultragruftigen schwarzen T-Shirt tragen.
Und was ich über Leute generell denke, die Individualität an „Coolness“ bemessen, erspare ich mir jetzt.
Leider steckt die „aktuelle“ Mode trotzdem mittlerweile in einer Schleife fest und ist nicht mehr Trendsetter.[….. ] Ich befürchte aber, daß das aufgrund der Überalterung der Szene nicht mehr stattfinden wird, und sie in den nächsten Jahren eh komplett verschwindet. Es gibt einfach nichts mehr, was für potentielle junge Szeneeinsteiger interessant sein könnte.
Ich hoffe ganz stark, dass es nie soweit kommt, dass die Mode der Grund dafür ist, sich der Szene anzuschließen. Und allen, denen der modische Hipsteraspekt so verdammt wichtig ist, rate ich doch dringend, sich einem anderen Umfeld zuzuordnen.
Seit wann ist Gothic trendweisend? Hab ich was verpasst? Ist es nicht genau das Gegenteil, was die Goths ausmacht? Niemand ist gezwungen, den 80’s Look zu tragen. Es gibt doch genügend Möglichkeiten, sich schwarz zu kleiden. Ich verstehe das Problem nicht. Wem die Outfits der ersten Stunde nicht zusagen, der stellt sich halt andere Kombinationen zusammen, die der eigenen Persönlichkeit besser entsprechen. Der eine ist eher schlicht unterwegs, der andere fällt lieber auf – ist eigentlich ganz einfach.
Manch Outfit kann man ohne weiteres in einen 80er „Tatort“ copypasten, es würde null auffallen.
Das glaube ich nun nicht. Zumindest nicht aus der damaligen Sicht. Dass die Klamotten von damals heute nicht mehr provozieren, liegt aber einfach am gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte. Heute muss man sich schon mit Tierkadavern kleiden, um den Leuten entsetzte Blicke zu entlocken.
Ansonsten Stimme ich meinen beiden Vorschreibern uneingeschränkt zu.
Nun, Kramladen hat völlig recht. Aus heutiger Sicht ist die 80er Mode der oben gezeigten Katalog-Gruftis langweilig, uninspiriert uns bieder. Woraus sollte sie diese auch beziehen? Jugendkulturen, die stylistisch und Mode-Technisch vorlebten, was man heute als kulturelles Erbe in immer neuen Kreationen wiederfindet, waren damals noch nicht als Vorlagen für Kataloge entdeckt. Daher schöpfte man das vorhandene Potential aus, veränderte es und legte mehr Wert auf die Individualisierung der Körpereigenen Merkmale. Haare, Schminke, Schmuck, Zusammenstellung und eigene Veränderungen.
Heute schöpfen wir aus vielen Dingen. Aus unzähligen Jugendkulturen die es seit damals gab. Aus eine Mode-Industrie, die schnell un flexibel reagiert. Aus dem Internet, was kleinen Händler die Möglichkeit schenkt, weltweit zu verkaufen.
Ja, aus heutiger Sicht erscheint die Mode, die hier im Katalog gezeigt wird, langweilig. Kein Wunder. In unseren Reizüberfluteten Zeiten, in der im Jahreswechsel Retrowellen durch die Mode-Branche schwappen und wo die Messlatte, seine Umwelt mit dem Outfit zu schocken, so unfassbar hoch liegt, das sie kaum noch durch das Outfit zu erreichen ist. Das coole liegt in der Beschränkheit der Klamotten. In der Herausforderung, trotzdem individuell zu sein. Das coole liegt in dem Charakter der gleichen Basis, die sich eben aus dieser Beschränktheit ergibt.
Die Szene ist heute auch noch cool, wenn man sich mit ihr beschäftigt und erkennt, das es eben nicht reicht, sein Outfit anzupassen. Das Alleinstellungsmerkmal der Szene ist nicht mehr der Schockfaktor oder allein die schwarzen Klamotten, sondern das, was daraus geworden ist. Eine SubKultur voller interessanter und neuer „dunkler“ Pfade und voller Möglichkeiten, diese Geist zu verbreiten. Auffrischendes findet du, lieber Kramladen, von Zeit zu Zeit auch hier im Blog.
Wir würden uns aber freuen, wenn du uns zeigen würdest, was du cool und „frisch“ findest und uns vielleicht zeigst, was du meinst. Vielleicht fühlen wir uns dann nicht mehr ganz so alt wie wir sind ;)
Nein, Robert, Kramladen hat nicht recht. Und den Wind hast Du persönlich ihm/ihr (?) aus den Segeln genommen. Das ist nämlich der springende Punkt: während Du richtigerweise „aus heutiger Sicht“ relativierst, watscht Kramladen undifferenziert die 80er-„Szene“ kategorisch als trübe Tassen ab. Irgendwie ermüdend, diesem mittlerweile erbärmlich gewordenen zwick-zwack-Spielchen der Replik der „nachfolgenden Generation“ auf, bzw. vs. der „früherwarallesbesser“-Fraktion noch weiter zuschauen zu müssen. Das ist ja fast schon wie früher zuhause am elterlichen Abendbrot-Tisch: Borniertheit trifft auf Starrköpfigkeit. Genug davon! Wer’s halt nicht besser weiß, der bleibe von mir aus frei und ungezwungen, äh…, unbedarft – aber posaune bitteschön keinen subjektiven Hirnriß als ultimative Weisheit kaschiert in die Welt hinaus…
Es ist nämlich auch wirklich so, ganz wie Mandy in #42 darlegte, daß Trendigkeit für gewisse Subkulturen eher keine oder – von mir aus – untergeordnete Rolle spielt. Nein, als ich seinerzeit „schwarz“ in die Welt hinaus zog, da verschwendete ich an den „Coolness Faktor“, Hipness, etc. keinen Gedanken. Und „hübsch“ aussehen wollte man ja auch nicht wirklich. „Hübsch“ (-> auch u.U. ein Synonym für Niedlichkeit, Angepasstheit) verband man damals mit Poppern und Yuppiebräuten, etc. Und so wollte man ja gar nicht sein, ganz im Gegenteil. Das mag mittlerweile wohl anders geworden sein, aber aus gewissen Gründen reagierte man damals auf neugierige Fotoapparate noch allergisch… (und wer hier die Essenz des Ganzen nicht erkennt, sollte sich über seine Beweggründe, sich einer Subkultur anzuschliessen, die NICHT nur von Mode geprägt ist, bzw. war…, mal seine Gedanken machen…)
Wo wir auch so btw. beim angesprochenen Reizwort „Schärfe“ wären. Was soll das denn heißen? Das wohlfeile Gothicluder? Die (Szene-)Frau als williges Sexobjekt für jeden Gaffer? Oder wie, oder was? Hierzu würde ich mir wirklich nochmal ein klärendes Wort von Kramladen wünschen (aber ich glaube kaum, das wir dieses noch erhalten werden…).
Und: Nonkonformität und (optisches) Szeneauftreten muß man nicht zwangsläufig mit trendy Coolness, Zeitgeist-Hinterhergehechle, etc. verwechseln und/oder vermischen.
Letztendlich, wer jedoch sowas wie den „Bogey’s“-Katalog für szenischen Bestandteil hält, bzw. hielt, der sollte mal schnell wieder zur Realität zurück kommen. Ganz so, wie auch später der „x-tra-Fashion“-Träger, bzw. -Trägerin doch desöfteren (und in gewissen Szene-Kreisen sowieso) als Katalog- oder „Otto-Versand“-Grufti belächelt wurde…
Vielen Dank für diesem tollen Beitrag der 80 Jahre Szenen. Ich bin in diese Zeit selbst jugendlicher gewesen und als new Waver und new Romantiker unterwegsgewsen danach als Popper. Es war eine wunderbare Zeit, diese brschäfftugt mich heute wieder, Musik, Mode und das Lebensgefühl. Etwas was nie wieder kommt und doch in vielen Bereichen des Lebens heut angekommen , übernommen und sich etabliert hat, fast selbstverständlich. Wenn Sie mir schreiben möchten meine Mail: jeb. Baumeister@freenet. de Danke für dies Aufarbeitung einer Kunstkultur die so nie wieder kommt in und doch alle irgendwo geprägt hat. Viele Grüße J. E. Böhm
Als ich 1982 ein Skinhead wurde gab es nur 2 Läden in Deutschland wo man Dr Martens bekam.bogeys und Blue moon in berlin.mein allererstes paar Martens waren 10 Loch Highlander ohne gelbe Naht für 99 DM.man könnte sagen das bogeys tausende Jugendliche den Weg in die jugendsubcultur geebnet hat.danke dafür!👍🏻
Christoph Waldecker : Auch der BRAVO muss man an dieser Stelle danken. Die war damals tatsächlich die erste Zeitschrift mit Reichweite, die die Subkulturen unter den Jugendlichen bekannt machte. Je „gefährlicher“ dargestellt, umso attraktiver für die Kids :) Ich wollte jedenfalls genau wie Ratte im Sarg schlafen. Jahre später, nachdem ich mal probeliegen durfte, habe ich mich dagegen entschieden. Sauunbequem so ein Ding!
OMG den Katalog habe ich noch :)
Bogey`s war Möglichkeit endlich an coole Klamotten ranzukommen. In Hannover hatten wir bei Cash&Carry Möglichkeit gehabt in den 80s da ranzukommen.
Noch mehr Bilder vom Mode-Versandhandel Bogey’s hat die Seite Retroport zusammengetragen: https://retroport.de/retro-kult-bogeys-boy/
Ich liebe die 80iger und hab das alles voll ausgelebt! Selbst meine Ausbilder fanden es super. Bis mein erster Freund kam und er das nicht mehr wollte. Hab mich leider leiten lassen……die beste Zeit ever 🙏
Warum hast Du Dich denn für einen Mann verbogen…? Würde ich nie machen, schließlich hat derjenige einen ja so kennen- und lieben gelernt wie man ist.
Sich wegen einem anderen Mernschen selbst zu verbiegen und zu verleugnen, ist doch traurig. Man sollte so sein dürfen, wie man ist (außer es handelt sich um soziale „Macken“, an denen man arbeiten sollte, aber das hat ja mit dem Musikgeschmack und Outfit herzlich wenig zu tun).
Volle Zustimmung.