Vita Nigra – Eine Dokumentation über das Leben in Schwarz

Es gibt unzählige Dokumentationen und Reportagen über die Gothic-Szene und ganze Bücher beschreiben das, was einst als Jugendkultur begann. Manche Macher versuchen sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen, andere versuchen eine Erklärung zu finden und wieder andere malen ein möglichst sensationslüsterndes Bild um mit uns, den „Gothics“, Einschaltquoten zu generieren. Wie soll man auch etwas in 45 Minuten oder auf 300 Seiten beschreiben, dass seit über 30 Jahren wächst und gedeiht? Zumal jedes neueste Machwerk auf die Szene selbst trifft, die selbstverständlich alles bezweifelt, weil sie fürchtet, sich in eine Schublade stecken zu lassen.

Eine E-Mail brachte mich zum Staunen. Inga Siebert, 23 Jahre alt und seit knapp 9 Jahren Szene-Mitglied, möchte sich mit der Dokumentation „Vita Nigra“ eben dieser Aufgabe stellen und eine Facette der Szene darstellen: „Hallo, ich bin gerade fleißig dabei eine Dokumentation über die schwarzromantische Szene zu erstellen. Diese wird extrem umfangreich sein und mindestens eine Stunde dauern.“ Die Dunkelromantiker, die ihre Wurzeln ebenfalls in den 80er Jahren finden dürften, von jemandem beschrieben, der sich erst seit 2004 zur Szene zählt? Der Alt-Gruft, der unzählige Bücher gewälzt hat und elitär die Nase rümpft spricht aus mir: „Niemals! Wie anmaßend!“, doch der extrem neugierige und leidenschaftliche Szenegänger freut sich: „Endlich eine frische Herangehensweise!“ Ich bin verwirrt, doch die Neugier gewinnt. Eindeutig. Grund genug, einmal nachzuhaken, wer hinter der Dokumentation, die Ende Mai veröffentlicht werden soll, steckt.

Inga Siebert studiert an der FH Mannheim Kommunikationsdesign und während ihres Studium bereits einige Filmprojekte abgeschlossen und möchte sich nun an einer Dokumentation über die Schwarzromantiker versuchen. Für sie sind die Schwarzromantiker die Splittergruppe, die am ehesten ihren Gedanken zum Kern des Ganzen entsprechen. „Da es klar war, dass man unmöglich sämtliche Untergruppen unter einen Hut bekommen könnte, habe ich mir meine eigene Untergruppe heraus gepickt, welche nach Meinung Vieler immer noch am ehesten an das „alte Gothic“ heranreicht. Und zwar die Szene der Schwarzromantiker.“

Inga Siebert
Filmemacherin Inga Siebert, die auf Facebook als Le Petit Brouillard unterwegs ist.

Ein interessanter Ansatz, sind es doch die Schwarzromantiker, die mit ihrer starken DIY (Do-it-Yourself) Attitüde tatsächlich dem „Geist“ der ursprünglichen Szene nahe kommen  Doch reicht das aus? Ich fragte Inga, wie sie auf die Idee gekommen ist, eine Dokumentation zu machen: „Jedes Jahr auf’s neue (natürlich vorzugsweise um Pfingsten rum) laufen im TV ständig irgendwelche schlecht recherchierten Reportagen über die schwarze Szene, welche entweder bloßstellend sein wollen, oder schlichtweg falsch sind. Und jedes Mal dachte ich mir, das müsse doch mal Jemand richtig machen und eine Doku drehen, welche wirklich von den Menschen in der Szene handelt, ohne alle als Freaks, Traumtänzer, oder Wichtigtuer abzustempeln. Zum anderen wollte ich schlichtweg eine Hommage an diese wundervolle Gemeinschaft und dieses Lebensgefühl schaffen, wo wir uns zu Hause fühlen und was uns so verbindet. 

Ich bemerkte, wie ich beim Lesen zustimmend seufzte. Wichtigtuer. Jedes größere Festival ist voll mit dieser Spezies von Szene-Gängern. Besonders die Sorte, die beim WGT vor der Moritzbastei auf- und ab flaniert um möglichst viele Blicke, Kameraklicks und Fotowünsche zu erhaschen. Wer dabei nicht durch aufwendige Gesichtsbemalung und selbstgemachte Kleidung punkten kann, provoziert mit möglichst wenig Kleidung oder wahlweise verschmiertem Kunstblut im Gesicht. Doch was steckt hinter der Fassade? Neugierig fragte ich, wie sich Inga mit der Szene auseinandersetzt und einzelne Menschen integriert um eben hinter die prunkvolle Fassade zu schauen.

„…ich im letzten halben Jahr viele Freunde, Veranstaltungen und Bekannte besucht, welche in meinen Augen verschiedene Sparten der Szene abdecken um ein möglich umfangreiches Bild zu schaffen. Ich war bei einer Fotografin, einer Musikerin, einem Modeschaffenden, einem Pärchen, usw. Wichtig war mir auch, dass die Interviews immer in dem Zuhause der Menschen stattfinden, damit wird es persönlicher und schließlich leben wir uns ja auch bei unserer Einrichtung kreativ aus. Dann ging es mir bei meinen Fragen immer um die persönlichen Ansichten und Erfahrungen der einzelnen Personen. Es ging mir nicht darum, irgendein wissenschaftlich- psychologisches Gutachten zu erstellen, oder ein „Die Szene ist so und so und hat sich in den 80gern aus Punkbewegung entwickelt“. Es ging mir eher um die Jetzt- Zeit und wie die Menschen heutzutage mit der Szene leben und halt schlicht, was uns verbindet und was es so Besonders macht. 

Ich glaube, es geht nicht darum etwas zu erklären, was so vielfältig ist. Vielmehr geht es um das Gemeinsame, das uns zusammenbringt, neugierig aufeinander macht und uns letztendlich in dieser Szene hält. Niemand hat uns vorgelebt, was Gothic ist. Keiner hat definiert, was uns verbindet. Die Schwarzromantiker sind eine der interessantesten Splittergruppen der Szene. Ob sie den eigenen Wurzeln nahe kommen, bleibt jedem selbst überlassen. Die Dokumentation wird sicherlich kein 30 Jahre altes Phänomen erklären, sicherlich gibt es aber Einblicke in die Leidenschaften und Gedanken anderer. Vielleicht erkennt man ja so, dass man vieles gemeinsam hat. Fertigstellung ist für Mitte bis Ende Mai geplant. Wie und wo sie dann ausgestrahlt wird, wird hier bekannt gegeben: http://www.facebook.com/vitanigra

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Lord Corvinus
Lord Corvinus (@guest_46440)
Vor 11 Jahre

Also, ick wäre als „Betroffener“ ja mal sehr gespannt auf diese Doku … Vor allem auf die Retrospektive der 80er, wenn sie denn so stattfindet. Wie auch immer, weiß wer was genaueres über dieses Projekt, bzw. wie weit es denn nun gediegen ist ? Denn nicht alle sind auf FB unterwegs oder haben genügend Zeit, sich in den Tiefen des Inets zu verlieren …

Mr. Niles
Mr. Niles (@guest_46455)
Vor 11 Jahre

Endlich mal ein Kommentar zu diesem Thema!

Meine Freundin schaut mir gerade über die Schultern und fragt:“Wie will die denn über die 80er berichten? Indem sie ihre Großeltern befragt? *g*

Aber Spaß beiseite: Viel Glück! Meiner Meinung nach kann eine komplette Doku nur scheitern, zumindest, wenn man Zeitzeugen befragt. Da ist zum einen die subjektive Wahrnehmung der Befragten, zum anderen kenne ich keine 2 Leute, die die Szene „identisch“ erlebt haben!?

Selbst meine Holde und ich – obwohl wir viele Gemeinsamkeiten feststellen – sind bei gewissen Dingen komplett unterschiedlicher Meinung…

Sing while you may!

Death Disco
Death Disco (@guest_46487)
Vor 11 Jahre

Ich frage mich oft, wie andere Alt-Waver rund um den Globus diesen „LARP-Style“ (’schuldjung, ich find nix Passendes dafür) wahrnehmen. Mir fehlt da irgendwie die lässige, sprich „popkulturelle Note“ – ein optischer Hinweis auf die Wave-/Goth-Verbundenheit im musikalischen Sinne. Es wirkt mir einfach zu steif und aufgesetzt.

Was die Cybers zuviel haben, haben diese Leute zu wenig. Letztlich ist es doch das völlige Gegenteil von Punk. Wie soll gerade jene „Untergruppe“ am ehesten an das „alte Gothic“ heranreichen? Fragen über Fragen…

So, wie es uns im Video präsentiert wird und auf dem WGT zu sehen ist, ist es doch eher ein Phänomen der 90er. Und damit meine ich gar nicht mal so sehr die frühen 90er, als die Waver-Frisuren 30 Zoll hoch zu Berge standen und statt Wunder-Baum noch Patchouli-Duft in Mode war, sondern eher Mitte/Ende der Dekade.

Ian von Nierenstein
Ian von Nierenstein (@guest_46488)
Vor 11 Jahre

Dazu fällt mir das hier ein, Death Disco. Seit den End90ern hat sich scheinbar nicht allzuviel getan…
http://www.youtube.com/watch?v=buXE3EVC1e0

Ian von Nierenstein
Ian von Nierenstein (@guest_46489)
Vor 11 Jahre

Andererseits fallen auf meinem Lieblings-Batcave-Floor die Deathrocker gern mal um, was die Lässigkeit betrifft oder benötigen zum Tanzen auch mal gerne den halben Raum… da ist dann nicht viel mit Totengräbern :)

Death Disco
Death Disco (@guest_46492)
Vor 11 Jahre

Dazu fällt mir das hier ein, Death Disco. Seit den End90ern hat sich scheinbar nicht allzuviel getan…
http://www.youtube.com/watch?v=buXE3EVC1e0

Da gibt es noch so einige andere Dokus dieser Ära. Grässliche Zeit.

Vielen fehlte doch schon jegliches Bewusstsein für eine musikbezogene Jugendkultur. Stattdessen dieses merkwürdige, New-Age-angehauchte Küchentischphilosophiegeblubber. 6 oder 7 Jahre früher hätten diverse Schwarzgewandete ihre kostbaren Pikes nach solchen Leuten geworfen. *g*

Ich glaube, ich war immer mehr Waver als das, was die Leute heute mit Gothic assoziieren. Mir ist das zuviel Schickimicki.

Ian von Nierenstein
Ian von Nierenstein (@guest_46493)
Vor 11 Jahre

Hehe, ja^^ Ich bin auch lieber ein durchgeknallter „Freak“ als so ein Graf Nasehoch :D Vor allem so zu sein, wie man nun mal ist und nicht in irgendwelche Rollen zu schlüpfen. Das ist für mich die Sache der Künstler, ihre Musik auch visuell zu verpacken. Aber das macht einen stinknormalen Gruftie vom Dorf nicht zu einem verkalkten Adligen. Das finde ich genauso unehrlich wie sich einmal im Jahr zu Fasching in Schale zu schmeißen. War das nicht auch immer die Aussage vom Wave: Sei wie du bist, in Anlehnung an den Punk? Wenn man sauer ist, die Sau raus zu lassen und wenn man traurig ist, es nicht zu verstecken. Da ist dieses „Gothic“ irgendwann sehr einseitig in Richtung Pseudo-Esoterik gedriftet…

Axel
Axel (@guest_46522)
Vor 11 Jahre

Huh? Was haben denn „verkalkten Adligen“ mit Pseudo-Esoteriker zu tun, Ian?

Ich habe heute nen Interview mit der Band In Loving Memory (http://www.youtube.com/watch?v=tGJx2pLI1ME) gelesen. Da steht: „Es geht vor allem darum Spaß zu haben, aufgeschlossene Menschen zu treffen und großartige Musik zu hören. Es gibt eine Menge Selbstironie bei den hiesigen Fetisch-Goths, was die Szene weitaus zugänglicher macht als etwa die deutsche. Ihr nehmt das alles viel zu ernst! Es ist einfach Spaß!“

Die Mitglieder der Band wohnen in Italien, London und Paris. Ist sehr interessant sowas mal von außenstehenden zu hören. :D

Ian von Nierenstein
Ian von Nierenstein (@guest_46529)
Vor 11 Jahre

“Es geht vor allem darum Spaß zu haben, aufgeschlossene Menschen zu treffen und großartige Musik zu hören. Es gibt eine Menge Selbstironie bei den hiesigen Fetisch-Goths, was die Szene weitaus zugänglicher macht als etwa die deutsche. Ihr nehmt das alles viel zu ernst! Es ist einfach Spaß!”

Jau!!! Das stimmt :) Mit verkalten Adeligen meinte ich eigentlich solche rostigen Gießkannen, wie man sie kennt ;)

Axel
Axel (@guest_46536)
Vor 11 Jahre

Ach ja, die Gießkannen … die von der verrosteten Sorte. Ja, die kenne ich. :D

Rabenlady
Rabenlady (@guest_46656)
Vor 11 Jahre

Auf YouTube gibt es eine kleine „Doku“, dem Namen und Foto nach ist sie von
Karnstein, aber sicher bin ich nicht…
Ich fand sie echt genial, wusste zwar schon viel, hab aber noch einiges
dazugelernt…Danke an den Schöpfer!
Wen es interessiert:
http://www.youtube.com/watch?v=rXjEgp7-uVI

Ich freue mich auch auf diese Doku. Wird hier auch bekanntgegeben, wann sie fertig und wo sie zu finden ist?

Ian von Nierenstein
Ian von Nierenstein (@guest_46663)
Vor 11 Jahre

Die Karnstein’sche Doku ist für mich bisher die beste Möglichkeit gewesen, Interessierten und Neugierigen zu zeigen, was ich mir unter „Gothic“ vorstelle :) Ich behaupte mal, trotz aller Mühe wird es schwierig sein, sie in irgendeiner Form zu toppen :)

Mr. Niles
Mr. Niles (@guest_46672)
Vor 11 Jahre

In dieser Doku steckt sicher viel Arbeit und noch mehr Herzblut!
Ich hätte jedoch zwei Anmerkungen zu machen:

Die genannten Urmütter und -väter (Joy Division, The Cure, Siouxsie atB) sind allesamt Postpunk – Bands…

Die Gothic-Szene wurde ja nicht nur von anderen Strömungen „unterwandert“, sondern hat auch einige , naja, „vereinnahmt“(?)

Ansonsten eine prima Sache, vor allem nicht um Effekthascherei bemüht, ruhig, fundiert.
Bei vielen sog. Goth-Dokus (speziell deutschen) muss ich des Öfteren die Augen verdrehen! ;)

LG Jörg

Death Disco
Death Disco (@guest_46677)
Vor 11 Jahre

Bei vielen sog. Goth-Dokus (speziell deutschen) muss ich des Öfteren die Augen verdrehen! ;)

Meine haben schon Knoten in den Muskeln.

Den Hinweis auf Post-Punk kann ich allerdings gerade nicht nachvollziehen. War Goth denn kein Post-Punk-Stil? So wie Oi!, Hardcore, Psychobilly oder 2-Tone-Ska eigentlich Post-Punk-Stile sind, weil sie nach dem offiziellen Grabensturz des Punk entstanden sind bzw. sogar Reaktionen auf dessen Kommerzialisierung Ende der 70er waren (The Clash & Co.). Selbst Minimal-Synth-Gruppen wie DAF oder frühe Krupps waren eigentlich Post-Punk-Bands. Krupps sowieso, wo Engler und Malaka doch vorher bei Male waren.

DcD
DcD (@guest_47244)
Vor 11 Jahre

Hach ich bezweifle mal, dass das was wird

Ian von Nierenstein
Ian von Nierenstein (@guest_47248)
Vor 11 Jahre

Lasst uns mal die Doku als Zeitdokument betrachten und nicht als Anhaltspunkt, wie etwas allgemein zu sein hat :)

Inga Siebert
Inga Siebert (@guest_48041)
Vor 11 Jahre

Ich melde mich auch mal wieder zu Wort.

Die Reaktionen sind doch sehr spannend und ich danke euch für eure Kommentare :)

Einen Punkt möchte ich gern ansprechen: Die Doku wird nichts mit den Gruftis oder der Szene der 80ger, 90ger zu tun haben, sondern mit der Kontemporären, aber halt nur die Sparte der Schwarzromantiker. Also mit etwas, mit dem ich mich auskenne und wo ich die Jahre so dabei war ;)

Dann möchte ich noch etwas zum Erscheinungstermin sagen.
Eigentlich war der Termin Ende Mai diesen Jahres und ich hätte diesen auch einhalten können, aber leider ging mir ein wichtiges Interview verloren. Klar, das hätte ich einfach nachholen können, allerdings habe ich zeitgleich erfahren, dass ich im Juni ein Auslandssemester absolvieren kann (wo ich jetzt grade dabei bin).
Verdammt schlechtes Timing für alles und deshalb wird der Termin ein halbes Jahr nach hinten verschoben. Aber sobald ich im Januar wieder in Deutschland bin, wird die Doku fertig gestellt.

Liebe Grüße,
Inga

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