Der „Lord Fer Salas“, wie er sich selbst nennt, ist ein mexikanischer Gothic, der sich äußerlich und musikalisch zweifelsfrei unserer Subkultur zuordnen lässt. Als ständiger DJ des Clubs „The Real Under“ in Mexico City macht er sich bereits seit den frühen 90ern einen Namen in der Szene. Allerdings ist sein betitelter Kampf für die Freiheit nicht bloß eine Worthülse, denn der Lord ist auch Kämpfer und Trainer im MMA-Kampfsport (Mixed Martial Arts) und unterrichtet eine ganze Klasse subkultureller Anhänger.
In den rauen Straßen Mexikos ist das mit Sicherheit keine schlechte Fähigkeit, denn in der riesigen Stadt, in der rund 20 Millionen Menschen leben, steht Verfolgung, Gewalt und Kriminalität auf der Tagesordnung. Anders zu sein ist hier deutlich schwieriger und gefährlicher als in unseren Breitengraden, darüber hinaus wissen wir über die Vorgänge am anderen Ende der Welt relativ wenig. Die Fähigkeit der Selbstverteidigung, so die Schlussfolgerung, ist in Mexiko-Stadt offenbar eine essenzielle Fähigkeit sein Leben als Goth oder Punk zu bewerkstelligen.
Der Lord ist „glücklich in seiner Welt aus Dunkelheit und Gewalt„, weil er für sich und andere einsteht und sein Leben mit Energie und Leidenschaft füllt, wie er sagt. Ich nehme ihm diese Einstellung ab, nicht allein wegen der Tatsache, dass er so böse gucken kann wie kein Zweiter. Als regelmäßiger Besucher des Wave-Gotik-Treffens in Leipzig solltet ihr im nächsten Jahr die Augen offen halten nach dem mexikanischen Kampf-Goth.
Die BBC hat in seiner Serie „Outliers“ (Ausreißer*innen) den Lord in einem kurzen Film vorgestellt und mich beeindruckt und neugierig zurückgelassen. Wie Gothic in Lateinamerika gelebt wird, ist sowieso aktuell sehr faszinierend. Ich hoffe, wir erhalten noch weitere Einblicke vom anderen Ende der Welt. (Danke an Sophie für den Hinweis!)
Da wird man ja schon fast auf die Disco/Location neidisch…. :-)
Clubs sind Schutzräume für Minderheiten und damit eigentlich mehr als Partylocations. Sie zu besuchen stiftet Identität und welche Clubs es gibt, bestimmt auch die Identität einer Stadt mit. Diesen Gedanken habe ich in einem Artikel des Tagesspiegel gefunden und irgendwie passt er hierzu. Ich denke mir, dass das mit den Schutzräumen fürs Anderssein, was hierzulande schon so bedeutsam ist, für Länder wie Mexiko vielleicht noch einmal in besonderer Weise gilt. Danke für den Link zu dem Video und Respekt für den Mut zum Anderssein des „Lord Fer Salas“. Nur mit dem Stichwort Gewalt verbinde ich nichts Gutes, aber es scheint ja eigentlich um die Fähigkeit zur Selbstverteidigung zu gehen…
Prinzipiell: die dürstend düstere Szene in Mexiko und Südamerika und auch was nach LA rüber schwappt ist für meinen Geschmack unglaublich. So viel Indivdiualität, so viel wilde und/oder leidenschaftliche Bands und Künstler, ….wie England anno 1980-1984(?). Beobachte ich sehr genau, das dunkle Treiben da drüben. <3
Allein die Einstellung der Mexikaner*innen zum Tod ist Goth*hoch*3. Liebe und Tod zieht sich durch das südamerikanische Leben. So farbenfroh manches Eck dort ist, so düster-melancholisch ist so manche Sichtweise.
Ein viel zu kurzes Video. Leider.
Lord Fer Salas – der dürfte gerne beim nächsten Spontis Treffen mal vorbei kommen und erzählen.
Ich finde es aber auch erwähnenswert vor welchem Hintergrund die südamerikanische Szene da existiert. Es ist ja leider kein Geheimnis, dass es den südamerikanischen Ländern (so natürlich auch Mexiko) teils ziemlich dreckig geht. Korruption, wirtschaftliche Probleme, etc. Alles keine beneidenswerten Zustände, die jedoch sicher dazu beitragen dass sich sowohl Frust als auch Melancholie unter den Menschen bilden. Daher ist es für mich durchaus eine logische Konsequenz, dass sich hier unter den Anders denkenden auch eine fast schon beneidenswert authentische Szene bilden konnte. Nur damit man mich da nicht falsch versteht: Damit will ich die mexikanische Szene nun nicht kleinreden. Im Gegenteil: In einem solchen Umfeld dann noch weiter gegen den Strom zu schwimmen und sich bewusst für diese düster-melancholische Lebensweise zu entscheiden erzeugt bei mir sogar hohen Respekt.
Graphiel
Versteh meinen Post bitte nicht falsch. Ich hab mich auch schon mit Szeneleuten aus Mexiko unterhalten. Die haben es wirklich schwer, obwohl sie vieles aus ihrer ursprünglichen Kultur beibehalten, trotz der Goth-Kultur. Die Katholische Kirche hat da auch schwer ihre Finger mit drin. Da sind Szeneanhänger einfach Satanisten oder Schwule oder Verbrecher oder oder oder. Mexiko ist sehr konservativ, bis heute. In den 80er gab es mexikanische Kinofilme über Punks. Da waren alle Punks absolut überdreht dargestellt und waren allesamt als Verbrecher zu sehen. Da schmunzelt man vielleicht, aber sowas hat die Menschen dort bis heute geprägt.
Wichtlhexe : Alles gut :)
Ich wollte mit meiner Anmerkung lediglich darauf hindeuten, dass für mich der Zusammenhang zwischen subkultureller Bildung und den äußeren Lebensumständen stets ein wichtiger und interessanter Aspekt darstellt, wie man es auch in diesem Fall beobachten kann. Ich bin dabei aber schon davon ausgegangen, dass du mit deinem Post nicht meintest das sich hier eine düster-melancholische Stimmung aus einer gegensätzlichen Haltung von Jubel Trubel Heiterkeit entsprungen ist. Keine Sorge ;)
Ich ziehe ebenfalls meinen Hut vor dem Mut, den mexikanische Goths mitunter aufbringen, in gewisser Weise so auffällig herumzulaufen, droht ihnen doch weitaus Schlimmeres als ein abfälliger Blick in hiesigen Ortschaften. Für mich hat die Szene dort sogar noch eine noch deutlichere Daseins-Berechtigung, denn dort bekommt Rebellion gegen eingefahrene Geschlechterrolle, kirchliche Einflüsse und das Verhalten der Gesellschaft eine viel authentischere Färbung.
Das deckt sich auch mit Euren Eindrücken, wie ich lese. Vielleicht ist in diesem Zusammenhang ein Artikel aus der Vergangenheit interessant für Euch:
https://www.spontis.de/schwarze-szene/real-gothic-fc-gruftige-fussballmannschaften-aus-england-und-brasilien/
Leider soweit ich weiß nicht „nur“ als Goth/Punk sondern auch als Homosexueller, Transsexueller, Emo (in der Vergangenheit – keine Ahnung ob es in Mexiko aktuell noch nennenswert Emos gibt), und und und … :(
Wobei viele der Faschos (anders kann man diese Subjekte die einem da nur aufgrund von „Andersartigkeit“ auf die Fresse hauen wollen nicht nennen) dort wsl. nicht mal auf die Idee kommen es könnte vielleicht Unterschiede geben zwischen Grufti/Homo/Trans/Emo… Deren intellektuelle „Leistung“ dürfte sich wohl auf sowas wie „geschminkter Mann? -> Schwul! -> Prügel!!“ beschränken. :(
Durante : Da bin ich mir sicher, dass es so schrecklich ist. Mexiko dürfte kein leuchtendes Vorbild für gelebte Toleranz und Andersartigkeit sein. Die Mischung aus Religion, zementierten Geschlechterrollen und latenter Gewalt macht es ganz zum einem gefährlichen Schmelztiegel. In Mexiko-City ist Gewalt doch offenbar so normal wie der Gang zur Toilette. Ich drücke es nochmal anders aus: trotz der Reize, die diese Stadt offenbar hat, gehört sie nicht zum eine Reiseziel, das ich mir auf die Agenda schreiben würde.