Fernsehen ist nicht nur sinnentleert, vor allem dann, wenn die privaten Sender konsequent meidet. Die öffentlich-rechtlichen kommen gelegentlich ihrem Bildungsauftrag nach und einige Spartenkanäle bieten durchaus ein interessantes Programm. So zeigt ARTE zum Beispiel am Samstag, den 3. November 2012 ab 22.55 die „Gothic Night“ und hat dazu drei sehr interessanten Dokumentationen eine Plattform eingeräumt und feiert damit das dreißig-jährigen Jubiläum dieser Subkultur. Beginnend mit einer Dokumentation über Joy Division, die als einer der wichtigsten Bands der Post-Punk-Szene gelten, geht man zu den Wurzeln der Gothic-Bewegung. In ihrer Form der der Musik manifestiert sich vermutlich das, was später als inhaltliche Grundlage für eine ganze Szene gelten sollte.
Besonderes Highlight ist die Web-Dokumentation I Goth my World, die „die Geschichte der Gothic-Bewegung anhand der Porträts von drei Generationen“ darstellt. Zu guter letzt beschäftigt man sich mit der Phänomen Horror und fragt: „Wie konnten Grauen und Horror von einer Randerscheinung zur Massenattraktion avancieren?„, das zwar nur am Rande mit der Szene zu tun hat, aber sicherlich auch interessant werden dürfte und vielleicht die Frage klärt, warum in aller Welt immer mehr blutverschmierte Gestalten auf einschlägigen Festivals herumlaufen.
Die Dokumentation „I goth my World“ ist für mich der Höhepunkt, auch wenn – oder gerade weil – sie offenbar einen Blick in die französische Szene wagt. Auf webdoku.de findet man ein Interview mit Brice Lambert, einem der Macher dieser Dokumentation, das einen thematischen Überblick verschafft und über die Beweggründe aufklärt:
Wir wollten eine versteckte Kultur zeigen, eine Lebensrealität, die sonst im Verborgenen liegt. Zufälligerweise fand Ende 2010 ein Gothic-Festival in Straßburg statt, wo wir studieren. Wir sind da einfach mal hin und haben uns umgeschaut. Uns war bei der Themensuche wichtig, dass es starke Bilder gibt und in der Gothic-Szene ist ja fast alles visuell interessant. Angefangen bei den Leuten und ihren Klamotten die teilweise ziemlich abgefahren sind. Wir haben uns dann recht schnell auf ein Porträt der Gothic-Bewegung geeinigt. Dass die gerade ihr 30-jähriges feiert passte dann natürlich.
Natürlich werde ich mich vor der Fernseher einfinden und die Aufnahmengeräte vorsichtshalber programmieren um nicht Gefahr zu laufen, wieder etwas von dem zu verpassen, was sonst im Müll des sonstigen Fernsehprogramms untergehen könnte. Glückerlicherweise machte mich Pixella Panik frühzeitig in einer E-Mail darauf aufmerksam. Und da die zweite Generation der Bewegung, zu der ich mich zähle, mittlerweile weit davon entfernt ist jedes Wochenende durchzutanzen, werde ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Stilecht werden Grablichter entzündet, der Raum mit Patchouli-Duft geschwängert und der Tisch wird mit gruftigen Leckereien bestückt. Was das sein könnte, überlasse ich dem Klischeedenken oder dem gesunden Menschenverstand, je nach dem.
Für den Fall, das ARTE es versäumt die Dokumentation mit Untertiteln zu versehen, hoffe ich doch, dass sich ein paar engagierte Leser mit Kenntnissen der französischen Sprache finden, die bei einer Übersetzung hilfreich sein könnten. Wer mehr über „I Goth my World“ erfahren möchte, sei das Facebook-Profil ans Herz gelegt.
Neuigkeiten:
Mittlerweile hat ARTE auch eine eigene Seite für die Doku eingerichtet, ideal um sich für den 3. November einen kleinen Vorgeschmack zu holen.
ARTE wird es natürlich nicht versäumen Untertitel einzublenden. Das wäre wirklich das erste Mal. :D
Online TV Recorder ist schon programmiert, da ich zwar noch nen TV habe, aber keinen Fernsehanschluss an sich.
Das hab ich mir direkt mal ins Handy gespeichert, ich vergesse sowas ganz gerne. Klingt wirklich interessant und gute Dokus liebe ich. Kommen aber nunmal nicht mehr wirklich.
Ich bin schon sehr sehr gespannt. Interessant, dass gerade im November ein „Jubiläum“ der Szene ist. Dabei sind doch dreißig Jahre schwarze Geschichte schon längst rum, wenn man die Endsiebziger mit Joy Division und den frühen Siouxsie & The Banshees mit einbezieht… mir kommen es dagegen fast wie 40 Jahre vor, dass es dieses Konstrukt gibt, das sich da schwarz schimpft :-)
Ich hoffe, das wird nochmal in einer online Mediathek nachzuschauen sein! Wir besitzen derzeit aus gegebenem Anlass keinen Fernsehanschluss und werden uns auch in näherer Zukunft keinen zulegen. Abgesehen hiervon läuft nichts, was interessiert.
Die Fotos sagen mir eher „Nee, lass mal. Das wird sicher wieder ’ne Sendung über Kinderfasching“. Vielleicht wird der erste Teil ganz nett, aber dem Rest stehe ich deutlich skeptisch gegenüber, vor allem weil’s von Leuten mit Außensicht gedreht wurde. Der Clip lässt auch nichts Positives erahnen.
Ich erwarte erst mal Ähnliches wie Death Disco – der Ausschnitt des Interviews deutet meiner Meinung nach schon in die falsche Richtung. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. Es ist immerhin arte, die halte ich zumindest prinzipiell für fähig, was Vernünftigeres auf die Beine zu stellen als ein „Guckt mal, Karneval in Schwarz und das ganze Jahr!“
Hi !
Das klingt äußerst interessant !
Ich hoffe, daß ich den Termin nicht vergesse,
das möchte ich mir anschauen. :)
Danke für den Tipp !
Dunkle Grüße !
Melle
Ian Luther:
Hierbei wird sich auf die Eröffnung des Clubs „Batcave“ bezogen. Dass es Gruftis auch schon vorher gab und eine Geburtsstunde für die Szene kaum festgelegt werden kann, dürfte allerdings unbestritten sein.
Ich muss zugeben, dass ich anhand der Trailer, der relativen Kürze der Dokumentation (26 Minuten) und der besuchten Orte (Amphi Festival) doch etwas skeptisch bin, was deren Qualität betrifft. Aber natürlich werde ich mir „I Goth My World“ anschauen und mich eventuell positiv überraschen lassen.
Auf DailyMotion hab ich nen „deutschen“ Trailer von Arte gefunden. Es sind zwar dort auch noch keine Untertitel zu sehen, aber noch ist ja genügend Zeit für Arte Deutschland eine seiner wichtigsten Aufgaben zu erledigen. ;)
Da ich noch nicht auf dem Amphi war, kann ich nicht beurteilen, ob es der Dokumentation schadet. Auffällig war mir jedoch Timecode 01:09 des Arte-Trailers. Erinnerte mich hierdran…
Wie dem auch sei: Arte wird eingeschaltet :)
Es würde mich wahnsinnig interessen, ob es Szenegänger gibt, die bereit wären, selbst eine Art Dokumentation zu machen. Aus Erfahrungsberichten und selbst aufgenommenen Interviews so wie alten Fotos aus der Zeit könnte man ja durchaus auch eine kleine Doku basteln. Ich würde mich sofort für den Schnitt und das Abmischen bereit erklären. Eine kleine Doku von der Szene für die Szene, die nicht allein wissenschaftlich bestätigt aber nahe am dunklen Menschen ist :-) Oh, was mir auch einfällt, ist, sollten wir dann am besten wohl unterscheiden zwischen „schwarze Szene“ an sich, die überall gemeint ist und Gothic als eigenständige Subkultur, als die die schwarze Szene immer bezeichnet wird, da sich viele schwarze Goths nennen, aber zu den eigentlichen Goths keinen Bezug haben. Kann ich das so stehen lassen?
Hihi, ich hab gerade den Text bei arte gelesen: „Mainstream-Bands wie Depeche Mode, The Cure oder Marylin Manson wurden nachhaltig von der Bewegung geprägt, die längst in verschiedene Subszenen wie Dark Wave, Neofolk oder Cybergoth aufgesplittert ist.“
Viele würden wohl eher sagen, dass mindestens eine davon ganz sicher keine Sub-, sondern eine ganz eigene Szene ist :> Das ist aber auch alles schwierig…
Und ich weiß nicht, ob es Goths gibt, die auch Probleme damit haben, wenn ihnen der Neofolk zugerechnet wird. Andersherum kenne ich aber selbst ein paar Leute, die das weniger gern hören – wenn auch deren Beschwerden wohl nicht ganz ernst gemeint sind ;-)
Wieso? Neoolk ist ja an sich erstmal nix schlimmes, außer man ist Indymedia-Soldat. :D
Wird gemerkt… hoffe bin dann zu Hause.
Danke für den
Tipp!
Also erstmal wurden diese Bands nicht von der Szene beeinflusst sondern die Szene von den Bands. Wieso liefen die Cure-Fans sonst alle rum wie Robert Smith und wieso standen die Fields-Fans sonst in mehligen Mänteln in der Ecke? Früher „biederte“ man sich bei seinen Idolen an oder empfand ihr „Outfit“ als Inspiration, heute scheint es gerade umgekehrt zu sein. Stellt euch vor, wenn alle Grufties Hawaii-Hemden trügen und in beigen Shorts und Sandalen rumlaufen würden – wie bescheuert sähe dann Chris Pohl heute aus? :-) Abgesehen davon gibt es durchaus auch einige Neofolk-Bands, die man sich als Gruftie legal anhören darf…
Das war auch in den 90ern so. Wenn ich benke wieviele damals mit Undercut, blonder Strähne und Rüschenhemd rumgelaufen sind… :D
Falls Du damit auf einen gewissen Wahlschweizer anspielst: das Styling gab es schon mindestens eine Dekade früher. Da waren’s noch Dave-Vanian-Fans oder Gruselliebhaber mit einer Vorliebe für 60s-Ikonen à la Lily Munster.
Edit: Noch eins von Dave, ca. 1985 zu Phantasmagoria-Zeiten.
Ich spielte eigtl. mehr au die Fans des Wahlschweizers an. :D
Aaaaah ja, The Damned, stimmt! Kann man die eigentlich schon als Proto-Grufti-Band bezeichnen, die ist ja mal sau alt und gibt es glaub ich immer noch… klingen teilweise nach 60er Jahre-Musik, z.B. mein Lieblingsstück von denen: Grimly Fiendish… da hat sich der Herr Wulff sicher auch dran bedient, als er seine Doktorarbeit für geschmackvolle Vampirgewandung gefälscht hat :-)
Hmm… jetzt habe ich mir endlich auch mal den Trailer angeschaut, und meine Vorfreude auf den Bericht ist im ersten Moment arg gen Null gesunken. Bischen Friedhof, paar Kerzen, kurz Big-Hair und der Rest zappelende
TechnospackosCyber“gothics“. Sieht doch wirklich wieder arg nach Klischee aus.Aber so ist eben die Aussendarstellung heute. Daran gibt es nichts zu rütteln, da können wir jammern wie wir wollen. Ärgerlich.
Ich habe Hoffnung daß es nicht ganz so übel wird, habe nämlich gerade einen Ausschnitt gesehen in dem Olivier Tarabo von Rosa Crux <3 interviewt wurde – es war auf französisch – alles hab ich nicht verstanden, bin in der Richtung doch etwas eingerostet – aber mit den Cybers kann er auch nix anfangen. Von daher, wenn es noch weitere Leute gibt die beteiligt wraen und doch eher vom alten Eisen sind kann man auf gute Passagen hoffen.
Jahaaa, die gibt es noch. Vor ein paar Wochen erst live gesehen. :-)
Rosa:
Dieses Interview gibt es auch mit deutschen Untertiteln. Daneben sind auf der deutschen I-Goth-My-World-Seite von ARTE auch weitere Interviews und diverse „Kuriositäten“ zu finden. Beispielsweise ein Gothic-ABC (wer braucht so etwas?). Außerdem erfährt der Besucher, einzelne Untergruppierungen anhand ihrer Äußerlichkeiten einzuordnen. Mir war bisher nicht bewusst, dass man „Victorian Goths“ an einer Rose erkennt. Oder dass „Goth Punks“ Militärhosen tragen. Aber man lernt eben nie aus ;-)
Vielen Dank für den Hinweis!
Da ich meinen Fernsehkonsum inzwischen fast ausschließlich über Online-Mediatheken abdecke, bleibt mir der alltägliche TV-Wahnsinn für gewöhnlich erspart.
Ich freue mich darüber, auch einen Themenabend zur Szene dargeboten zu bekommen. Und wie Marcus schon erwähnte, ist das Online-Angebot zur Doku bereits sehr unterhaltsam.
Probiert es mal aus. Spontan hat mir gerade das Video „Underground – Im verborgenen blühen“ sehr zugesagt.
Es sind auch einige Szenen vom Amphi Festival dazwischen, die einen spannenden Kontrast zum Interviewten abgeben, der sich lieber zurückzieht und während der Doku auch unerkannt bleiben will.
[Quote]Stellt euch vor, wenn alle Grufties Hawaii-Hemden trügen und in beigen Shorts und Sandalen rumlaufen würden — wie bescheuert sähe dann Chris Pohl heute aus? :-) [/Quote]
–> Du hast mir gerade den Oberlacher des Tages beschert ! :D Wenn ich mir das so vor meinem inneren Auge vorstelle… *gggg*… Zu gut… ;) :D
@Marcus: Danke für den Link. Zum Zeitpunkt der Erstellung war es mir nicht möglich den herauszufinden, ich werde ihn in den Artikel einpflegen.
Die Erfahrungen hinsichtlich solcher Berichte sollte euch Recht geben, das Werk anhand seiner Trailer zu verurteilen. Dennoch bleibe ich neugierig, da ARTE auch schon in der Vergangenheit interessante (wenn auch sicherlich nicht allumfassende) Dokumentationen zum Thema geliefert hat. Ich finde die Idee der hier vorgestellten Doku, die drei Generationen der Szene ins Bild zu setzten, super. Für mich ist das genau der richtige Ansatz einer Beschreibung der „Szene“, die aufgrund ihrer Altersstruktur niemals allumfassend definiert und dargestellt werden kann.
Jede Generation hat ihre eigene Vorstellung von „Gothic“, jede ihre eigenen Werte und Inhalt. Und nicht zuletzt das Styling unterscheidet sich. Für mich wäre interessant: Was hält „ältere“ Grufties in der Szene und was bewegt „Späteinsteiger“ sich auch nach abgeschlossener Jugend einer Szene anzuschließen?
Das ist tatsächlich eine interessante Frage. Vor allem, was verbindet eventuell alle „drei“ Generationen miteinander, abgesehen vom Tragen schwarzer Kleidung und der Vorliebe für (für so manch anderen seltsam klingende) Musik?
Ich habe alle Kommentare zur Sendung zu meinem aktuellen Artikel: https://www.spontis.de/schwarze-szene/medien/kommentar-i-goth-my-world-30-jahre-gothic-szene/ verschoben, ich hoffe, das ist in eurem Sinne.