SOKO Leipzig: Real Life Vampire und ein Mord auf dem WGT

In der kommenden Folge der Kriminalserie „SOKO Leipzig“, die am Freitag, dem 14.03.2025 ausgestrahlt wird, hat man sich der schwarzen Szene und dem Wave-Gotik-Treffen angenommen, denn während des Leipziger Gothic-Festivals – so die Geschichte –  findet man die „zur Szene gehörende Miriam Batista“ tot in einer Fabrikruine. Wir unterziehen die Folge einem ausführlichen Szene-Check!

SOKO Leipzig: Erst erklären, dann ermorden

Die Folge beginnt, wie könnte es anders sein, mit einem erklärenden Intro. Ein Bericht über das WGT in Leipzig, der auf einem Tablet abgespielt wird, geht mit einem gekonnten Schwenk zu zwei jungen Leuten, die sich aufbrezeln, um selbst zum Festival zu gehen. Der Vater und Kommissar, der in der SOKO-Folge mitspielt, platzt ins Zimmer. Jojo möchte zusammen mit Lotte, der Tochter des Kommissars, auf einem „Science-Slam“ (gibt es wirklich), der im Rahmen des WGT stattfinden soll, unbedingt von Rechtsmedizinerin „Tamara Hansen“ sein Buch signieren lassen. Gewisse Parallelen mit Kriminalpsychologin Lydia Benecke dürften offensichtlich sein, obwohl Forensik ja eher das Fachgebiet ihres Ex-Ehemanns Mark Benecke sein dürfte. So weit, so Goth.

In der folgenden, vagen Eröffnungssequenz tanzen zwei Gruftis in privatem Ambiente zum Song „Dance for me“ von Madrugada. Dass die Wahl auf die norwegischen Indie-Rocker gefallen ist, kann durchaus als erfrischend gesehen werden, obwohl er ein bisschen so klingt wie Leonard Cohen in Grufti-Klamotten. Man sieht ein Skalpell blitzen und ein paar Tropfen Blut tropfen. Einige Sequenzen später ist eine der Beiden tot und wird von den Ermittlern der Soko in besagter Ruine gefunden.

Achtung, ab jetzt könnte gespoilert werden. Wer sich also die Spannung aufsparen möchte, guckt die Folge jetzt schon mal in der Mediathek oder wartet bis Freitag.

Bei der Obduktion der Leiche findet man zahlreiche frische und alte Schnittwunden, die für die Ermittler den zunächst vermuteten Selbstmord ausschließen. Also geht es ab zu Miriams Partner, der sichtlich geschockt von der Nachricht vom Tod der „Liebe seines Lebens“ ist. Es kommt allerdings heraus, dass Miriam mal wegen Depressionen in Behandlung war und obendrein auch noch schwanger gewesen ist. Bei Depressionen klingelt gleich der Klischeealarm, aber es sind erst 7 Minuten rum, halten wir uns also zurück.

Die Schnittwunden auf ihrem Rücken hat sie sich freiwillig zufügen lassen, gibt Leo, der Partner, zu Protokoll. Er hat allerdings keine Ahnung warum, „Miriam wollte nicht danach gefragt werden„. Eine solide Partnerschaft, wie ich finde.

Die Kommissare ermitteln jedenfalls fleißig, was es mit freiwilligem Blutabzapfen auf sich hat und kommen auf Umwegen zu einer Internetseite von Real Life Vampiren, die „Sippe des Blutes“ genannt werden. Okay, massiver Klischeealarm! Die Möchtegern-Vampire, über die ich an anderer Stelle schon berichtet habe, sind kein Szenestandard. Mir schwant Böses! Wenn das so weitergeht, endet diese Folge in einem Klischee-Desaster.

Real Life Vampires sind eine kleine abgeschottete Untergruppe der Gothic-Szene und definieren sich darüber, dass sie Menschenblut trinken.“

Ich muss brechen. Genau dasselbe passiert übrigens auch vielen Menschen, die Blut trinken. Leute, die das Bedürfnis haben, Blut zu trinken, sind Leute, die eben Bock auf Blut haben. Mit Gothic hat das erstmal überhaupt nichts zu tun. Allerdings lässt sich nicht abstreiten, dass eine thematische Nähe (von wegen Vampire und so), durchaus vorhanden ist. Selbst vor über 100 Jahren, war Blutrinken bereits Teil von Penny Dreadfuls, alten Schauercomics aus dem viktorianischen London.

Weiter im Text. Nach einiger Recherche nach Ex-Partnern und Leuten, mit denen die Ermordete Kontakt hatte, geht es auf eine anständige Gothic-Party in einer Scheune! Die ist dann eher traurig in Szene gesetzt. So strömt doch tatsächlich Tageslicht in die Bude, in der ein paar Leute eher gelangweilt herumsitzen.

Als jedoch DJ „BaTista“ (LOL), der Ex-Partner von Miriam, der auf der Party den heißen Scheiß auflegt, ein Video von Miriam zeigt, wendet sich das Blatt. Im Video regt sich Miriam über den Auftritt einer rechtsradikalen Neofolk Band auf einem ihrer Lieblingsfestivals in Gera auf, ruft zum Boykott der Tickets auf und forderte auf, die Veranstalter des Festivals mit DM’s zu bombardieren. Wow! Das sollte mal für das WGT Schule machen, wenn schon wieder der sinnlose Verkaufsstand von diesem rechtsradikalen Verlag seinen Schund anbietet. Auf jeden Fall wird es jetzt spannend.

Tamara Hansen, die Buchautorin, von der sich JoJo ein Autogramm holen wollte, wird jedenfalls verhört, weil sie sich als Leiterin der „Sippe des Blutes“ entpuppt und aussagt, das Blut von Miriam abgezapft zu haben. Das haben wir bereits am Anfang der Folge ja andeutungsweise gesehen. Mit dem Mord will sie allerdings nichts zu tun gehabt haben.

Als der von Grusel-Storys aus der Gothic-Szene aufgeladene Kommissar nach Hause kommt, und mit Lotte, seiner Tochter (die vom Anfang) über den Tag spricht, fällt der Satz des Tages:

Die sind alle lieb und so schon schön, alle total unterschiedlich schön. Mal dünn, mal super-curvy, mal im Rollstuhl, manche sind autistisch oder bipolar oder depressiv.

Und bevor ihr jetzt aufschreit, damit möchte der Dialog nur die gelebte Inklusion der Szene aufzeigen. Ich weiß allerdings nicht, welche Wirkung das auf den Zuschauer oder die Betroffenen hat. Ich bin also unsicher, ob ich das gut finden soll, oder eher gefährlich, wenn alles so in einen Topf geworfen wird. Ich tendiere aber zum „gut finden“.

Als Lotte aber offenbart, dass sie zu einer „exklusiven Party“ mit eben verdächtigter Buchautorin eingeladen wurde, kommt aber der Papa durch. Schließlich ist der ein bisschen aufgeladen von der Tatsache, dass die Rechtsmedizinerin, die auch Bücher schreibt, Blut trinkt. Fast schon irgendwie verständlich für einen Papa, aber Lotte dribbelt den Papa gekonnt aus. In der folgenden Szene kriegt dann der Kommissar auch noch seine Packung, als ihm seine Kollegin, der er die Geschichte erzählt, mal kurz den Kopf wäscht.

Es gibt da einfach viele Menschen, die wissen, was Ausgrenzung bedeutet, weil sie es selber erlebt haben. Und deswegen gucken sie einfach ein bisschen sensibler und liebevoller auf Andere.

Toller Satz.

Das Drehbuch von Luci van Org hilft SOKO Leipzig zu mehr Tiefe

Wir überspringen den Teil ohne Szene-Bezug und landen wieder auf der Gothic Party von Tamara Hansen, zu der Lotte eingeladen wurde. Wieder in der alten Scheune, diesmal deutlich besser gefüllt und mit „Dark Allies“ von Light Asylum auch anständig musikalisch untermalt. Es passiert aber nichts Aufregendes, Papa kann beruhigt sein. Vielleicht noch ein Hinweis an die SOKO-Macher, die bestimmt nochmal irgendwann die Szene zum Thema machen: Grufti-Partys auf dem WGT finden zu 99% NICHT bei Tageslicht statt!

Jetzt geht es aber Leo Jung, dem Partner von Miriam, an den Ermittlungskragen. Denn in einem Social-Media-Beitrag von Luci van Org, die zu einem Konzert im Rahmen des WGT einlädt, taucht Leo zusammen mit Miriam im Hintergrund auf. Kurz vor dem Mord! Aha! Funfact: Luci van Org hat auch das Drehbuch zu dieser SOKO-Leipzig Folge geschrieben, daher wundert es nicht, wenn einige Dinge aus der Folge gar nicht so doof erscheinen.

Allerdings wird jetzt ordentlich recherchiert und alle Spuren verlaufen scheinbar im Sande. Toll. Jetzt kommt das einsame-Ermittlerin-vor-der-Tafel-Ding, die sich die Nacht um die Ohren schlägt, während im Hintergrund „Sacrifice“ von London After Midnight reinplätschert. Die findet dann auch eine Spur, die sich als goldrichtig, Entschuldigung, silberrichtig, erweist. Ob man dafür die ganze Nacht braucht, bleibt aber fraglich.

Den Rest könnt ihr allerdings selber herausfinden.

"SOKO Leipzig - Schwarz ist alle Farben": Tamara Hansen und Heiner Bassmann haben Leo Jung in ihre Mitte genommen. Sie legen ihm trösten eine Hand auf die Schulter. Alle außer Tamara stehen mit dem Rücken zur Kamera. Tamara blickt mysteriös zurück.
Tamara Hansen (Claudia Mehnert, l.) und Heiner Bassmann (Cornelius Schwalm, r.) umsorgen scheinbar selbstlos den Freund des Mordopfers Leo Jung (Leo Meier, M.). – © ZDF/Steffen Junghans, Honorarfrei – nur für diese Sendung inkl. SocialMedia bei Nennung ZDF und Steffen Junghans.

Auf jeden Fall endet die Folge hier. Gar nicht so schlecht, wie ich zunächst vermutete. Ich bin zwar unsicher, ob der Zuschauer die Differenzierung der einzelnen Szene-Themen, die dort zusammengepfercht werden, hinbekommt, oder ob nicht einfach wieder zurückbleibt, dass es sich bei Gothics um latente Bluttrinker handelt. Ich finde, ein bisschen weniger thematische Vielfalt hätten dem Durcheinander ein wenig mehr Substanz verliehen.

In der Kürze der Folge bleibt für den oberflächlichen Zuschauer zurück: „Die Gruftis auf dem WGT saufen Blut.“

Dennoch merkt man, dass eine Szenekennerin wie Luci van Org ihre Finger im Spiel hatte. Gerade einige Dialoge und Zusammenhänge sind sehr treffend formuliert und so hat diese Folge dann letztendlich doch mehr Tiefe, als es auf den ersten Blick erscheint. Letztendlich passt dann auch der abschließende Satz von Lotte, die sich wieder in bunter Kleidung ihrem Vater präsentiert, gut ins Bild und könnte wohl als Stempel der Drehbuchautorin gedeutet werden.

Ich hatte einfach mal wieder Lust auf was Buntes […] Aber freu dich nicht zur früh, im Herzen bleibe ich Goth„.

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Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.

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Victor von Void
Victor von Void(@vivovo)
Vor 1 Stunde

Grufti-Partys auf dem WGT finden zu 99% NICHT bei Tageslicht statt!

Sollten sie aber vielleicht, schließlich werden wir alle nicht jünger. >_<

Diese Geschichte, dass irgendeine Untergruppe der Szene irgendwelchen Quatsch mit Blut macht, ist aber nicht gerade neu, und ich hätte gedacht, dass Lucy van Org da vielleicht was besseres eingefallen wäre.

Vielleicht wäre es ja mal eine Idee gewesen, dass der Kult eben gerade NICHT zur Szene gehört, auch wenn es erst einmal danach aussieht. Es ist halt immer noch die alte Leier: „Wenn Leute komisch aussehen, machen sie immer auch komische Dinge. Morden zum Beipiel.“ *seufz*

Letzte Bearbeitung Vor 1 Stunde von Victor von Void
Black Alice
Black Alice (@guest_66434)
Vor 1 Stunde

Das WGT war ja schon mal Thema in irgend einer Krimi-Serie, weiß nur nicht mehr in welcher. Dass sie auch bei SoKo Leipzig mal Thema wird, darauf habe gewartet, weil Leipzig und so, da muss es doch was geben. Auch das Thema Möchtegern-Vampire war in einer anderen Krimi-Serie schon Thema, aber ohne Goth. Wenn jetzt also gleich der Beißreflex anspricht, es ist nicht immer der Goth den man zu solchen Themen hernimmt. Aber nett, dass auch mal wieder Goth in einer Serie Thema sind.

Graphiel
Graphiel(@michael)
Vor 23 Minuten

In der Kürze der Folge bleibt für den oberflächlichen Zuschauer zurück: „Die Gruftis auf dem WGT saufen Blut.

Yeah, back to the 90s & 2000er. Wir sind wieder die depressiven Blutsäufer, nur treiben wir uns wohl nicht mehr Nachts auf Friedhöfen rum, sondern auf Partys bei Tageslicht 🤪

Na wenigstens stimmt an einigen Stellen die Musik und die Sätze von der Protagonistin Lotte treffen inhaltlich zumindest den ein oder anderen Punkt. Ich möchte mir später ja nicht vorwerfen lassen, dass ich die positiven Aspekte komplett ignoriert habe.

Ansonsten würde ich aber eher mal eine Folge begrüßen, die weniger Kitsch als eher eine punkig/wavig/gruftige Weltanschauung der Szene beinhaltet. Anlässe gäbe es in der heutigen Zeit schließlich genug dafür. Aber naja… in Anbetracht dass das WGT in den Augen Außenstehender inzwischen vermutlich eh nur als eine Art Halloween/Mittelalterfantreffen im Frühling wahrgenommen wird, wäre der oberflächliche Zuschauer von traditionell gruftigen Themen vermutlich eh nur irritiert und überfordert.

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