In der kommenden Folge der Kriminalserie „SOKO Leipzig“, die am Freitag, dem 14.03.2025 ausgestrahlt wird, hat man sich der schwarzen Szene und dem Wave-Gotik-Treffen angenommen, denn während des Leipziger Gothic-Festivals – so die Geschichte – findet man die „zur Szene gehörende Miriam Batista“ tot in einer Fabrikruine. Wir unterziehen die Folge einem ausführlichen Szene-Check!
SOKO Leipzig: Erst erklären, dann ermorden
Die Folge beginnt, wie könnte es anders sein, mit einem erklärenden Intro. Ein Bericht über das WGT in Leipzig, der auf einem Tablet abgespielt wird, geht mit einem gekonnten Schwenk zu zwei jungen Leuten, die sich aufbrezeln, um selbst zum Festival zu gehen. Der Vater und Kommissar, der in der SOKO-Folge mitspielt, platzt ins Zimmer. Jojo möchte zusammen mit Lotte, der Tochter des Kommissars, auf einem „Science-Slam“ (gibt es wirklich), der im Rahmen des WGT stattfinden soll, unbedingt von Rechtsmedizinerin „Tamara Hansen“ sein Buch signieren lassen. Gewisse Parallelen mit Kriminalpsychologin Lydia Benecke dürften offensichtlich sein, obwohl Forensik ja eher das Fachgebiet ihres Ex-Ehemanns Mark Benecke sein dürfte. So weit, so Goth.
In der folgenden, vagen Eröffnungssequenz tanzen zwei Gruftis in privatem Ambiente zum Song „Dance for me“ von Madrugada. Dass die Wahl auf die norwegischen Indie-Rocker gefallen ist, kann durchaus als erfrischend gesehen werden, obwohl er ein bisschen so klingt wie Leonard Cohen in Grufti-Klamotten. Man sieht ein Skalpell blitzen und ein paar Tropfen Blut tropfen. Einige Sequenzen später ist eine der Beiden tot und wird von den Ermittlern der Soko in besagter Ruine gefunden.
Achtung, ab jetzt könnte gespoilert werden. Wer sich also die Spannung aufsparen möchte, guckt die Folge jetzt schon mal in der Mediathek oder wartet bis Freitag.
Bei der Obduktion der Leiche findet man zahlreiche frische und alte Schnittwunden, die für die Ermittler den zunächst vermuteten Selbstmord ausschließen. Also geht es ab zu Miriams Partner, der sichtlich geschockt von der Nachricht vom Tod der „Liebe seines Lebens“ ist. Es kommt allerdings heraus, dass Miriam mal wegen Depressionen in Behandlung war und obendrein auch noch schwanger gewesen ist. Bei Depressionen klingelt gleich der Klischeealarm, aber es sind erst 7 Minuten rum, halten wir uns also zurück.
Die Schnittwunden auf ihrem Rücken hat sie sich freiwillig zufügen lassen, gibt Leo, der Partner, zu Protokoll. Er hat allerdings keine Ahnung warum, „Miriam wollte nicht danach gefragt werden„. Eine solide Partnerschaft, wie ich finde.
Die Kommissare ermitteln jedenfalls fleißig, was es mit freiwilligem Blutabzapfen auf sich hat und kommen auf Umwegen zu einer Internetseite von Real Life Vampiren, die „Sippe des Blutes“ genannt werden. Okay, massiver Klischeealarm! Die Möchtegern-Vampire, über die ich an anderer Stelle schon berichtet habe, sind kein Szenestandard. Mir schwant Böses! Wenn das so weitergeht, endet diese Folge in einem Klischee-Desaster.
„Real Life Vampires sind eine kleine abgeschottete Untergruppe der Gothic-Szene und definieren sich darüber, dass sie Menschenblut trinken.“
Ich muss brechen. Genau dasselbe passiert übrigens auch vielen Menschen, die Blut trinken. Leute, die das Bedürfnis haben, Blut zu trinken, sind Leute, die eben Bock auf Blut haben. Mit Gothic hat das erstmal überhaupt nichts zu tun. Allerdings lässt sich nicht abstreiten, dass eine thematische Nähe (von wegen Vampire und so), durchaus vorhanden ist. Selbst vor über 100 Jahren, war Blutrinken bereits Teil von Penny Dreadfuls, alten Schauercomics aus dem viktorianischen London.
Weiter im Text. Nach einiger Recherche nach Ex-Partnern und Leuten, mit denen die Ermordete Kontakt hatte, geht es auf eine anständige Gothic-Party in einer Scheune! Die ist dann eher traurig in Szene gesetzt. So strömt doch tatsächlich Tageslicht in die Bude, in der ein paar Leute eher gelangweilt herumsitzen.
Als jedoch DJ „BaTista“ (LOL), der Ex-Partner von Miriam, der auf der Party den heißen Scheiß auflegt, ein Video von Miriam zeigt, wendet sich das Blatt. Im Video regt sich Miriam über den Auftritt einer rechtsradikalen Neofolk Band auf einem ihrer Lieblingsfestivals in Gera auf, ruft zum Boykott der Tickets auf und forderte auf, die Veranstalter des Festivals mit DM’s zu bombardieren. Wow! Das sollte mal für das WGT Schule machen, wenn schon wieder der sinnlose Verkaufsstand von diesem rechtsradikalen Verlag seinen Schund anbietet. Auf jeden Fall wird es jetzt spannend.
Tamara Hansen, die Buchautorin, von der sich JoJo ein Autogramm holen wollte, wird jedenfalls verhört, weil sie sich als Leiterin der „Sippe des Blutes“ entpuppt und aussagt, das Blut von Miriam abgezapft zu haben. Das haben wir bereits am Anfang der Folge ja andeutungsweise gesehen. Mit dem Mord will sie allerdings nichts zu tun gehabt haben.
Als der von Grusel-Storys aus der Gothic-Szene aufgeladene Kommissar nach Hause kommt, und mit Lotte, seiner Tochter (die vom Anfang) über den Tag spricht, fällt der Satz des Tages:
„Die sind alle lieb und so schon schön, alle total unterschiedlich schön. Mal dünn, mal super-curvy, mal im Rollstuhl, manche sind autistisch oder bipolar oder depressiv.“
Und bevor ihr jetzt aufschreit, damit möchte der Dialog nur die gelebte Inklusion der Szene aufzeigen. Ich weiß allerdings nicht, welche Wirkung das auf den Zuschauer oder die Betroffenen hat. Ich bin also unsicher, ob ich das gut finden soll, oder eher gefährlich, wenn alles so in einen Topf geworfen wird. Ich tendiere aber zum „gut finden“.
Als Lotte aber offenbart, dass sie zu einer „exklusiven Party“ mit eben verdächtigter Buchautorin eingeladen wurde, kommt aber der Papa durch. Schließlich ist der ein bisschen aufgeladen von der Tatsache, dass die Rechtsmedizinerin, die auch Bücher schreibt, Blut trinkt. Fast schon irgendwie verständlich für einen Papa, aber Lotte dribbelt den Papa gekonnt aus. In der folgenden Szene kriegt dann der Kommissar auch noch seine Packung, als ihm seine Kollegin, der er die Geschichte erzählt, mal kurz den Kopf wäscht.
„Es gibt da einfach viele Menschen, die wissen, was Ausgrenzung bedeutet, weil sie es selber erlebt haben. Und deswegen gucken sie einfach ein bisschen sensibler und liebevoller auf Andere.“
Toller Satz.
Das Drehbuch von Luci van Org hilft SOKO Leipzig zu mehr Tiefe
Wir überspringen den Teil ohne Szene-Bezug und landen wieder auf der Gothic Party von Tamara Hansen, zu der Lotte eingeladen wurde. Wieder in der alten Scheune, diesmal deutlich besser gefüllt und mit „Dark Allies“ von Light Asylum auch anständig musikalisch untermalt. Es passiert aber nichts Aufregendes, Papa kann beruhigt sein. Vielleicht noch ein Hinweis an die SOKO-Macher, die bestimmt nochmal irgendwann die Szene zum Thema machen: Grufti-Partys auf dem WGT finden zu 99% NICHT bei Tageslicht statt!
Jetzt geht es aber Leo Jung, dem Partner von Miriam, an den Ermittlungskragen. Denn in einem Social-Media-Beitrag von Luci van Org, die zu einem Konzert im Rahmen des WGT einlädt, taucht Leo zusammen mit Miriam im Hintergrund auf. Kurz vor dem Mord! Aha! Funfact: Luci van Org hat auch das Drehbuch zu dieser SOKO-Leipzig Folge geschrieben, daher wundert es nicht, wenn einige Dinge aus der Folge gar nicht so doof erscheinen.
Allerdings wird jetzt ordentlich recherchiert und alle Spuren verlaufen scheinbar im Sande. Toll. Jetzt kommt das einsame-Ermittlerin-vor-der-Tafel-Ding, die sich die Nacht um die Ohren schlägt, während im Hintergrund „Sacrifice“ von London After Midnight reinplätschert. Die findet dann auch eine Spur, die sich als goldrichtig, Entschuldigung, silberrichtig, erweist. Ob man dafür die ganze Nacht braucht, bleibt aber fraglich.
Den Rest könnt ihr allerdings selber herausfinden.

Auf jeden Fall endet die Folge hier. Gar nicht so schlecht, wie ich zunächst vermutete. Ich bin zwar unsicher, ob der Zuschauer die Differenzierung der einzelnen Szene-Themen, die dort zusammengepfercht werden, hinbekommt, oder ob nicht einfach wieder zurückbleibt, dass es sich bei Gothics um latente Bluttrinker handelt. Ich finde, ein bisschen weniger thematische Vielfalt hätten dem Durcheinander ein wenig mehr Substanz verliehen.
In der Kürze der Folge bleibt für den oberflächlichen Zuschauer zurück: „Die Gruftis auf dem WGT saufen Blut.“
Dennoch merkt man, dass eine Szenekennerin wie Luci van Org ihre Finger im Spiel hatte. Gerade einige Dialoge und Zusammenhänge sind sehr treffend formuliert und so hat diese Folge dann doch mehr Tiefe, als es auf den ersten Blick erscheint. Letztendlich passt dann auch der abschließende Satz von Lotte, die sich wieder in bunter Kleidung ihrem Vater präsentiert, gut ins Bild und könnte wohl als Stempel der Drehbuchautorin gedeutet werden.
„Ich hatte einfach mal wieder Lust auf was Buntes […] Aber freu dich nicht zur früh, im Herzen bleibe ich Goth„.
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Sollten sie aber vielleicht, schließlich werden wir alle nicht jünger. >_<
Diese Geschichte, dass irgendeine Untergruppe der Szene irgendwelchen Quatsch mit Blut macht, ist aber nicht gerade neu, und ich hätte gedacht, dass Lucy van Org da vielleicht was besseres eingefallen wäre.
Vielleicht wäre es ja mal eine Idee gewesen, dass der Kult eben gerade NICHT zur Szene gehört, auch wenn es erst einmal danach aussieht. Es ist halt immer noch die alte Leier: „Wenn Leute komisch aussehen, machen sie immer auch komische Dinge. Morden zum Beipiel.“ *seufz*
Ja, ich befürchte, der Eindruck bleibt zurück. Obwohl die Folge ja im Ansatz ganz nett ist, erscheint mir diese Schlussfolgerung, die du anführst, zu offensichtlich. Warum nicht mal ein ganz anständiger Mord aus Eifersucht? Ein Twist, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, wäre auch eine spannende Entwicklung gewesen.
Allerdings ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass es im Umfeld der Szene ein stärkeres Interesse an diesem Quatsch gibt, oder?
Mag sein, aber bisher habe ich nichts von Bluttrinker-Kulten, die Menschen ermorden und aus der Szene kommen, gehört.
Das Problem ist ja, dass immer vieles der Szene zugeschrieben wird, wenn man aber genauer hinschaut, ist die Realität eine ganz andere.
Das beste Beispiel ist ja Satanismus: die Anhänger haben in 99% der Fälle nichts mit irgendeiner Szene zu tun, bzw. ihr Satanismus hat nichts mit der jeweiligen Szene zu tun.
Und dass sich ausgerechnet LvO auf dieses Niveau begibt, macht die Sache auch nochmal ärgerlicher.
Lieber Victor, wusste nicht, wie ich Dich hier markiere, habe aber etwas weiter oben was zu Deinen Gedanken geschrieben und würde mich sehr freuen, wenn Du den Kommentar liest. Ganz lieben Dank, Luci van Org
Das WGT war ja schon mal Thema in irgend einer Krimi-Serie, weiß nur nicht mehr in welcher. Dass sie auch bei SoKo Leipzig mal Thema wird, darauf habe gewartet, weil Leipzig und so, da muss es doch was geben. Auch das Thema Möchtegern-Vampire war in einer anderen Krimi-Serie schon Thema, aber ohne Goth. Wenn jetzt also gleich der Beißreflex anspricht, es ist nicht immer der Goth den man zu solchen Themen hernimmt. Aber nett, dass auch mal wieder Goth in einer Serie Thema sind.
Yeah, back to the 90s & 2000er. Wir sind wieder die depressiven Blutsäufer, nur treiben wir uns wohl nicht mehr Nachts auf Friedhöfen rum, sondern auf Partys bei Tageslicht 🤪
Na wenigstens stimmt an einigen Stellen die Musik und die Sätze von der Protagonistin Lotte treffen inhaltlich zumindest den ein oder anderen Punkt. Ich möchte mir später ja nicht vorwerfen lassen, dass ich die positiven Aspekte komplett ignoriert habe.
Ansonsten würde ich aber eher mal eine Folge begrüßen, die weniger Kitsch als eher eine punkig/wavig/gruftige Weltanschauung der Szene beinhaltet. Anlässe gäbe es in der heutigen Zeit schließlich genug dafür. Aber naja… in Anbetracht dass das WGT in den Augen Außenstehender inzwischen vermutlich eh nur als eine Art Halloween/Mittelalterfantreffen im Frühling wahrgenommen wird, wäre der oberflächliche Zuschauer von traditionell gruftigen Themen vermutlich eh nur irritiert und überfordert.
Das wurde letztendlich ja nicht für die Leute gedreht, die mit der Szene vertraut sind, sondern eher für ein Klientel, das genau mit diesen Klischees bedient werden will.
Das wäre doch dann echt enttäuschend, wenn dabei heraus käme, daß das irgendwie doch ganz nette und „normale“ Menschen sind… 😄
Ganz ehrlich? Das macht es in meinen Augen nicht besser.
Ich begebe mich jetzt mal bewusst auf etwas dünnes Eis und beziehe dabei einen Punkt mit ein, den
Victor von Void angekratzt hat, aber ich finde das ist an der Stelle auch mal angebracht. Es gibt eine breite (teils zurecht, teils überzogen) gesellschaftliche Debatte darüber, wie die Darstellungen und Reproduktion von Stereotypen zur reinen Unterhaltung und „Klischees die das Klientel sehen will“ sein kann. Wäre der gleiche Plot innerhalb einer kleineren Religionsgemeinschaft angesiedelt und mit ähnlich typischen Klischees besetzt worden, so wäre die Empörung wohl vorprogrammiert gewesen. Bei der Gothicszene scheint das aber völlig in Ordnung zu sein.
Und auch wenn ich hier keineswegs die Klischees und Anfeindungen der Gothicszene mit jahrhundertelangen Diskriminierungen von Religionsgemeinschaften gleichsetzen will, so komme ich nicht umhin hier gewisse doppelte Standards zu sehen, denn die grundlegenden Mechanismen die dahinter stecken sind im Grunde genommen die gleichen. Und auch hier verstehe man mich nicht falsch: Meinetwegen kann man solche überzeichneten Klischees gern machen. Dann sollte man gesellschaftlich aber auch an anderer Stelle die Zähne zusammen beißen wenn es darum geht Überzeichnungen und Klischees von selbstgewählten! Subkulturen (und dazu zähle ich auch Religionen) bemängeln zu wollen.
Das sich eine LvO offenbar völlig unüberlegt dazu entscheidet diese Doppelstandards fortzuführen, obwohl sie genug Erfahrung im Umgang mit der Szene hat ist dabei eigentlich sogar doppelt enttäuschend.
Da könnte ich sogar jedes Wort von dir unterschreiben, es ist wohl so! Aber ganz ehrlich?
Mit jedem Lebensjahr, das ich einsammele, stellt sich eine immer größer werdende Gelassenheit ein. (Ausnahmen bestätigen die Regel 😄)
Auf manche Dinge habe ich schlicht keinen Einfluss, die Ignoranz vieler Mitmenschen gehört da definitiv dazu. Warum also sich darüber ärgern und sich den Tag vermiesen lassen? Realistisch gesehen hätte ich kein anderes Ergebnis erwartet…
Eine völlig legitime und nachvollziehbare Sichtweise 😉
Lieber John – würde mich sehr freuen, wenn Du meinen Kommentar dazu etwas weiter oben liest. Ganz lieben Dank, Luci van Org ✨
Lieber Graphiel, weiß leider nicht, wie ich Dich hier markiere, habe aber etwas weiter oben was zu Deiner Kritik geschrieben und würde mich sehr freuen, wenn Du es liest. Ganz lieben Dank, Luci van Org
Hallo, liebe Lucy 😊
Auch ich möchte zunächst einmal die Gelegenheit nutzen um mich bei Dir für deine Antwort auf meine Kritik und deine Ausführungen als Autorin der Folge zu bedanken. Das ist definitiv keine Selbstverständlichkeit.
Im Groben und Ganzen kann ich mich der Antwort seitens Victor anschließen und möchte sie daher lediglich um ein paar eigene Gedanken ergänzen.
Ich bin mir schlicht nicht sicher, ob das Klischee des Bluttrinkers überhaupt noch zeitgemäß genug ist um es sinnvoll zu benennen und dann zu dekonstruieren, oder ob dadurch nicht eher längst im sterben liegende Klischees aus der wohlverdienten Versenkung hervorgeholt werden.
Ich bewege mich nun schon seit vielen Jahren in der Szene und habe nie auch nur ansatzweise eine wirklich relevante Größe an real life Vampiren in der Szene erlebt, noch kann ich mich darüber beklagen seit den 2000ern besonders oft dieses Klischee übergestülpt bekommen zu haben. Vielmehr hatte ich in den letzten 15-20 Jahren den zunehmenden Eindruck gewonnen, dass unsere Szene inzwischen eher als eine Art nonstop-Halloweenfangemeinde wahrgenommen wird, bei der sich jeder Außenstehende herzlich dazu eingeladen fühlen darf teilzunehmen und wie im Zoo Fotos zu knipsen. Oder es werden gleich die schwarzen Partys gestürmt um dort den eigenen Partygeist im Suff zu hinterlassen. Mit allen Begleiterscheinungen. – Und das bringt ganz neue Klischees mit sich. Deshalb habe ich in meinem ersten Post auch etwas sarkastisch von „Yeah, back to the 90s“ geschrieben, als ich plötzlich wieder mit diesem alten Klischee konfrontiert wurde, welches meinen Erfahrungen nach schon längst in der Jauchegrube vor sich hin rottete. Denn auch ich habe die Befürchtung, dass es genau dieses Bild sein wird, welches bei vielen Zuschauern letzten Endes kleben bleiben wird: „Ok, Gothics sehen halt komisch aus und trinken ab und zu auch mal etwas Blut. Zumindest scheinen sie keine Mörder zu sein.“ – Wie ich finde ein denkbar niedriger Maßstab für eine differenzierte Darstellung. Zu dem Punkt mit der daraus resultierenden Fortsetzung von Doppelstandards (wenn auch unbeabsichtigt) habe ich mich ja schon ausführlicher geäußert.
Nichtsdestotrotz möchte ich den Teil zurücknehmen, wo ich die Vermutung äußerte, dass du dir gar keine Gedanken gemacht hast, als du diese Handlung schriebst. Die Ausführungen deiner Gedankengänge erscheinen mir ehrlich und plausibel, sodass ich zumindest die Intention hinter deinen Ideen trotz meiner bestehenden Kritik verstehen und für gut befinden kann.
Irgendwie hinterlässt mich die Folge zwiegespalten. Bei einigen Gedankengängen und Dialogen, da stimme ich zu, erkennt man, dass da wohl jemand Ahnung hatte, und wenn man weiß, dass Luci van Org dahintersteckt, dann klingt es für mein Empfinden auch tatsächlich nach ihr . Die Anspielung auf Menschen mit Ticks und schlimmen Familienhintergründen von Lotte geäußert hat mich aufhorchen lassen. Das klingt für mich sogar nach ihren realen Erfahrungen und macht das ganze ziemlich authentisch. Ich durfte ja, da mich
graveyardqueen mit ihrem großartigen Artikel über „Ein Kessel Schwarzes“ dazu motiviert hatte, selber miterleben, wie Luci van Org am Tisch der Wahrheit über ihre eigenen schrecklichen Erlebnisse in dieser Hinsicht sehr offen sprach und wie sie aus ihrem Roman „Wir fünf und ich und die Toten“ vorlas, der ebenfalls autobiographische Züge enthält. Sowohl die schon zitierten Äußerungen von Lotte als auch von Hauptkommissarin Ina trugen für mich ganz klar die Handschrift von Frau von Org. Genauso verhält es sich auch mit Miriams Aufruf zum Ticketboykott der rechtsradikalen Neofolk Band. Luci van Org hat sich immer wieder gegen solche Tendenzen in unserer Gesellschaft positioniert.
Warum dann aber der Erkläreinstieg mit dem Schwarzen Fasching auf dem Tablet? Und warum ausgerechnet dieser Real Life Vampire Unfug? Da muss ich
Victor von Void Recht geben: Jemandem wie ihr hätte da eigentlich etwas Besseres einfallen können. Da drängt sich tatsächlich der Verdacht auf, dass das Absicht war, um den oberflächlichen Zuschauer der Serie zu erreichen, der sich eben in der Überzahl befindet und ausschlaggebend für die Einschaltquoten ist. Auch wenn ich jetzt nicht darüber beunruhigt bin, am Montag am Arbeitsplatz oder sonst in meinem Umfeld als Bluttrinkerin beargwöhnt zu werden, finde ich es schade, dass diese Verbreitung von Klischees ausgerechnet von Lucy von Org kommt, deren Auftritt für auf Burg Ranis Anerkennung verdient hat.
Liebe Maren, ich habe etwas weiter unten einen Kommentar zu dem geschrieben, was Du ansprichst. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du ihn liest.
Viele liebe Grüße,
Luci
Liebe Luci,
graveyardqueen anschließen mit ihrem Dank an Dich für „Ein Kessel Schwarzes“. Ich habe Dich auf Burg Ranis gesehen und kann mich allem was sie sagt nur anschließen. Was für ein wundervoller Abend mit einer krassen emotionalen Achterbahnfahrt!
zunächst einmal finde ich es großartig, dass Du uns hier antwortest, um aus Deiner Sicht zu der Folge von SOKO Leipzig Stellung zu nehmen. Bevor ich jedoch darauf noch einmal eingehe, möchte ich mich einfach
Genau mit diesem Erlebnis im Kopf habe ich mir auch direkt am Montag die Folge angeschaut. Wie gesagt, konnte ich auch Deine Handschrift darin durchaus wahrnehmen und das hat mir gut gefallen! Dennoch hat mich der Real-Life_Vampire- Handlungsstrang irritiert, genau wegen der hier mehrfach geäußerten Vermutung:
Aus diesem Grunde habe ich mir gestern Abend die Folge noch einmal angeschaut, bewusst mit in einer nicht-gruftigen Person. Ergebnis: Derjenige meinte, dass diese Vermutung wahrscheinlich auch auf ihn zutreffen würde, wenn er mich nicht kennen würde.
Gut, dass Du Deine Intention und die des Drehteams hier hervorgehoben hast, Vorurteilen etwas entgegenzusetzen. . Die von mir geäußerte Vermutung, es könne bei der Vampirstory um Einschaltquoten gehen, möchte ich zurücknehmen und mich dafür entschuldigen. Und ja, eure Absicht kommt das auch in der Szene am Ende mit Tamara Hansen, Heiner Bassman und Leo zum Ausdruck, die ich mehrfach geschaut habe. Jan Maybach sagt dann: „Dann wollen wir mal hoffen, dass er bei den beiden gut aufgehoben ist.“ Dennoch lässt die Szene meiner Meinung nach auch Interpretationen in die andere Richtung zu. Ich frage mich eben doch, ob nicht der oberflächliche Zuschauer überfordert ist.
Gut gefallen hat mir übrigens Jan Maybach, der sich bemüht hat, die Anpassungsleistung als Vater zu erbringen, welche die gruftige Existenz von seiner Tochter von ihm gefordert hat. Somit sehe ich ihn auch als positive Kontrastfigur zu Leos Vater.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich wie
Victor von Void Deine Leistung auf keinen Fall herabsetzen möchte, auch wenn ich hier meinen subjektiven Eindruck wiedergebe.
So…. nach mehreren Jahrzehnten Gothic Veranstaltungen und Freunden in verschiedenen Bereichen der Kultur, ist mir weder Bluttrinken, noch Skalpell, noch irgendwas kriminelles begegnet. So langsam wird’s Zeit, sonst nehm ich die Szene nicht mehr ernst! Was wir jetzt schon länger regelmäßig machen ist beim Asiaten sitzen. Das aufregendste ist dann, wenn ein Kind mal dabei ist, drüber ist, und unheimlich nöckelig wird im Laden. Das isn Drama… aber niedlich im Fledermaus Pulli. Und aufregend: Bekommt man das Kind in die Jacke… und wann?! Und wo ist überhaupt das letzte bestelle Bier von meinem Kumpel? Ist das schon angekommen? Darüber möchte ich eine Folge Fernsehserie! Mit Musik von… Noctulus… unterlegt!
Ihr Lieben, jetzt muss ich mich als Autorin der Folge hier doch mal kurz melden. Vielleicht solltet Ihr die Folge erstmal gucken, bevor Ihr urteilt. Denn nicht nur mir, sondern dem ganzen Team ging es genau darum, den Klischee- Vorstellungen, die
Graphiel und
Victor von Void ansprechen und die ja in unzähligen Köpfen außerhalb der Szene leider auch immer noch bestehen, mit dieser Folge etwas entgegenzusetzen.
Denn – so viel spoilere ich jetzt mal – es geht letzten Endes eben tatsächlich um den hier „geforderten“, ganz normalen Mord. Darum, dass sich „die sehen anders aus und einige von denen machen vielleicht sogar manchmal miteinander Sachen, die wir nicht verstehen“, eben gerade NICHT als Mordursache erweist. Sondern als (leider fehlgeschlagene) ZUFLUCHT vor der wahren Mordursache.
Aber um Vorurteile abzubauen, müssen diese Vorurteile eben auch erstmal benannt werden. Dies nicht zu tun, nur damit bei Leuten, die nicht bis zum Ende gucken , nix Falsches hängen bleibt, halte ich für falsch.
Das nur meine Fünf Cent,
liebe Grüße in die Runde,
Luci van Org
Und sei mal ehrlich: Bluttrinker-Kulte im Umfeld der Szene anzusiedeln ist einfach ein krasses Klischee.
Ich bestreite nicht, dass die Szene eine Affinität zu Vampiren hat, oder genauer: zur Ästhetik das Vampirs, wie er in Gothic Novels beschrieben ist. Das gibt es aber auch außerhalb der Szene, vor allem auch in der Ausprägung, dass tatsächlich Blut getrunken wird, wie Robert ja auch schon angemerkt hat.
Dass wir da so gereizt reagieren, liegt einfach daran, dass jedes Mal, wenn die Szene eine Rolle spielt, es einfach nur eine Suppe aus grauenvollen Klischees wird. Mir erscheint der Bezug zur Szene hier einfach ein Vehikel zu sein, um dem Ganzen einen Rahmen zu geben, in dem der Zuschauer sich nicht anstrengen muss, „in Stimmung zu kommen“ und in dem der Zuschauer sagen kann: „ja klar, in der Umgebung ist das ja keine Überraschung“.
Dabei könnte man diese ganzen kruden Vorstellungen, die Nicht-Szene-Angehörige von der Szene haben, geschickt unterlaufen, und dadurch vielleicht letztendlich sogar für mehr Spannung und auch Verständnis (im Sinne von Erkenntnissen über die Szene) sorgen.
Vielleicht werde ich mir den Film auch noch selbst anschauen (auch wenn ich aus diversen Gründen kein Freund deutscher Produktionen bin). Ich fürchte aber, dass ich da auch nicht zu einem anderen Urteil als
Robert kommen werde.
P.S. Trotz Allem: Ich möchte deine Leistung dabei auf keinen Fall schmälern, ich weiß ja, dass du nicht allein für alles verantworlich bist. Und ich bin mir sicher, dass da viel Herzblut von dir drin steckt, insofern: Hut ab!
Es geht lediglich um meinen subjektiven Eindruck, kreative Differenzen sozusagen :D
Lieber Victor, hab vielen lieben Dank für Deine schnelle Antwort. Und ich glaube, letzten Endes liegen wir, was den Frust über die vielen hässlichen Klischees angeht, gar nicht auseinander.
Genau deshalb würde ich mich freuen, wenn Du Dir die Folge vielleicht doch mal ansehen würdest. Gerade weil es eben genau darum geht, die irrige Vorstellung von einem „Bluttrinker-Kult“ (ähnlich wie die Mär vom den „Friedhofs-schändenden Satanisten“, aber dieses Klischee wurde für meinen Geschmack einfach schon zu oft bedienst) zu entkräften und zu zeigen, was zumindest mir an der Szene so wichtig ist. Nämlich, dass Menschen hier in ihren Eigenheiten gesehen, geschätzt und geliebt werden, für die sie sonst oft Ausgrenzung erfahren.
Dass hier mit einer solchen Tiefe diskutiert wird, führt mir übrigens einmal mehr genau diese Szene – Stärke von Augen. Danke dafür!✨ Sehr!
Nunja, nun MUSS ich ihn mir ja anschauen, vor Allem, da ich meinen Ruf als unerträglicher Klugscheißer im Auge behalten muss, ich mich aber trotzdem immer gern eines Besseren belehren lasse.
Und vielen Dank für deine Erläuterungen, mit dem Hintergund werde ich es nun mit anderen Augen (an-)sehen. <3
Auch wenn ich ungern Offtopic gehen möchte, aber ich muss es einfach tun, weil die Gelegenheit wird nicht wiederkommen!
Ich war in Leipzig (Oktober 2024) bei „Ein Kessel Schwarzes“ und ich fand es so toll! Vorallem Deine Vielseitigkeit. Wie Du beim lesen in die einzelnen Rollen geschlüpft bist…diese Energiegewalt in Deiner Stimme und auch Dein offener Umgang mit Deiner Vergangenheit. Du hast mich sehr beeindruckt gehabt! Danke für diesen tollen Abend, den Du und die beiden Herren uns allen geschenkt habt. Macht weiter so!!! 🖤
Liebe Graveyardqueen! Ganz dollen Dank für Deine lieben Zeilen, die mich sehr berührt und gefreut haben. Das nächste „Ein Kessel Schwarzes“- Programm ist schon in Planung. Wäre superschön, Dich dort wieder begrüßen zu dürfen.🖤
Das freut mich zu lesen und ich bin gespannt! Meine Augen und Ohren werde ich offen halten! 😊
Guckt euch wirklich gern die Folge an.
Als der/die Täter*in herauskommt werden zumindest ein zwei geäußerte Bedenken komplett rausgenommen.
Ich muss auch sagen ich werde meiner Mutter sagen sie soll ein zwei punkte eher als die Klischees, die sie sind sehen.
(Es hat immerhin dank Boulevardpresse einige Monate und Ines Irrelefant gebraucht, dass sie sich keine Sorgen mehr gemacht hat, wenn ich mit euch unterwegs war).
Aber, alles in Allem hatte ich mehr Bauchgrummeln bei der Folgenbeschreibung, als notwendig.
Was mich an der Diskussion stört ist, dass man sich mal wieder als Opfer eines Klischee sieht. Als Teil eines Veranstalter-Teams stecke ich in einigen Szenen drin und ich erlebe diese Diskussion in allen Szenen immer wieder, egal ob Punker, Metaller, Rocker, Indies oder sonst jemand. Auch Berufsgruppen regen sich immer wieder auf. Immer wieder regen sich Leute auf, dass ihre Szene nicht richtig dargestellt wird. Ich kann mich noch erinnern, als der erste Schimansky-Tatort ausgestrahlt wurde, da haben sich Bürger der Stadt Duisburg in allen möglichen Medien aufgeregt, dass die Bürger der Stadt nicht so sind wie dort dargestellt. Aaaarrrggghhh…
Unsere Nachbarschaft wurde für einen James Bond zur Kulisse. Da wurden Leute umgebracht. Es hat sich übrigens keiner aufgeregt. Nein, wir sind keine Mörder und Spione, wir sind hier alle verdammt nochmal seriöse Leute und keiner hat sich darüber beschwert man würde uns nun so sehen.
Leute, das ist ein Film, das ist Fiktion. Ein Film muss Dramatik haben und diese hat seltenst mit dem realen Leben zu tun. Wenn die Bluttrinker normale Leipziger wären würden sich Leipziger Bürger aufregen, sie seien keine Vampire. Lasst doch einen Film ein Film sein. Lehnt euch doch einfach mal zurück und fiebert mit wer der Mörder ist. Lasst doch diesen Beißreflex mal bei Seite.
Du unterschätzt, wie Filme auf Menschen wirken, vor allem, wenn sie nicht völlig von der Realität abweichen.
Natürlich wissen die Zuschauer, dass die Filme nicht real sind und dass die Morde etc. so nicht passiert sind, ABER wenn Szenen auf eine bestimmte Weise dargestellt werden, und ganz Besonders, wenn die Zuschauer diese nicht näher kennen, bleibt davon immer etwas zurück.
Beispiel Motorrad-Gangs: Jeder von uns hat dabei sofort ein bestimmtes Bild im Kopf, das fast ausschließlich von Filmen und Serien geprägt ist. Dass die überwiegende Mehrzahl der Motorrad-Clubs völlig harmlos ist und sie in der Regel nicht annähernd die Strukturen und Vorgehensweise aufweisen, wie man sich das aufgrund der Medien vorstellt, mag einigen klar sein, bei vielen Leuten gibt es trotzdem entsprechende Vorurteile, da wird nicht zwischen schwarzen Schafen und der Mehrheit unterschieden.
Filme und Serien sind eine Form der Parallel-Realität, der wir uns täglich aussetzen, und die dadurch zwangsweise auch Einfluß auf unser Denken hat (was übrigens in Film- und Medienwissenschaften durchaus gut untersucht und bestätigt ist).
Ich habe mir den Film angeschaut. Die Episode war so kurz, dass man nach einiger Zeit schon wieder vergessen hat, dass die Blutsauferei was mit Goth zu tun hatte. Aber allgemein interessiert es doch eh niemanden mehr, weil Goth so viele Vorurteile hat. Die werden heute eh nicht mehr so ernst genommen, sondern meist nur scherzhaft erwähnt. Vieles davon sind running gags, die aber nicht ernst genommen werden. Etwas Lockerheit stünde einigen Teilen der Szene gut und vor allem etwas Humor. Ich kann die Aufregung echt nicht verstehen.
Das sehe ich nicht so, denn ich bin heilfroh, dass im großen und ganzen die Zeiten vorbei sind, wo man als Satanist, Psycho usw. betitelt wurde, nur weil man eine bestimmte Art hat, sich zu kleiden und andere Musik zu hören als der Durchschnitt. Ich möchte nicht, dass andere in mir eine Art Horror-Freak sehen. Das hat früher Gothics im gesellschaftlichen und Berufsleben massiv beeinträchtigt, man musste sich verkleiden, um Arbeit zu bekommen oder durfte auf Familienfeiern nicht so gekleidet erscheinen, wie man sich wohlgefühlt hätte – weil die Medien ein komplett verzerrtes Bild der Szene geliefert haben, was viele unreflektiert glaubten. Ich denke nicht, dass völlig szenefremde Leute automatisch in der Lage sind, da zu differezieren zwischen Film und Wahrheit. Und wenn schon im Film rezitiert wird, dass Real Life Vampires eine Gruppe innerhalb der Gothic Szene wären (was definitiv nicht so ist, weil solche Leute unanbhängig von unserer Szene existieren), wird das leider viel zu häufig geglaubt.
Ist genauso wie mit den Satanisten, die ja gerne mit den Gothics in Verbindung gebracht wurden,obwohl sie eigentlich einem absoluten Querschnitt der Gesellschaft entstammen.
Und das bekommt man dann wieder an seltsamen Blicken und Kommentaren zu spüren. In der Stadt vielleicht weniger als auf dem Land.
Aber ich möchte nicht den Stempel „irrer Freak“ aufgedrückt bekommen, egal von wem, nur weil in einem Film die künstlerische Freiheit ein verzerrtes Bild aufruft und viele Menschen zu bequem/einfach gestrickt sind, das als reine Fiktion zu erkennen. Eher wollen sich manche in ihren Vorurteilen bestätigt sehen. Man sieht es doch an den vielen absurden Verschwörungstheorien und Fake News, die von erstaunlich vielen Menschen geglaubt werden, obwohl man meinen sollte, sie hätten ein Gehirn, das sie in die Lage versetzt, fähig zu denken.
Sorry, Luci, aber ich denke nicht, dass es geschafft wurde, durch diesen Kniff die Szene harmlos erscheinen zu lassen – bei den meisten Zuschauern dürfte das Bild der Bluttrinker und Psychos trotzdem hängen bleiben, selbst wenn es „harmlose“ Bluttrinker sein sollten.
Und an Luna Rabenherz: Nein, die Szene soll nicht verneinen, wenn es in ihr psychisch erkrankte Menschen gibt, aber es soll auch bitte kein falsches Bild entstehen, dass dies so verbreitet wäre, dass man von einer Typologie sprechen könnte. Lottes (Filmtochters) Kommentar, dass so viele bipolar oder anders freakig wären, hilft leider auch so gar nicht zum Außenverständnis der Szene bei. Wir sind keine „Selbsthilfegruppe von Freaks“, um es überspitzt darzustellen, wir tolerieren es nur eher, wenn jemand seine Probleme dieser Art nach außen trägt. Aber so ein Bild zeichnen die Medien gerne ab und es wird leider viel zu oft unreflektiert übernommen.
Ich finde es komisch, dass man sich heute als Goth als ganz normaler Mitbürgersehen will. Dann frage ich mich warum man optisch anders aussehen will wenn man als normaler Bürger angesehen werden will? Man entscheidet sich für diesen Aufzug nicht weil man normal sein will, sondern anders. Wir wussten damals als es los ging, dass wir schockten und uns die Normalos dafür verdammten. Natürlich haben die alles Mögliche über uns gedacht. Das war ja auch gewollt. Und was ist heute los? Nix mehr schocken? Was soll also diese schwarztümmelei noch, wenn man nicht anders sein will, sondern normal? Nein, ich bin nicht normal, ich bin anders und, dass andere über mich denken ich habe einen an der Klatsche ist mir schlicht egal. Und wenn andere glauben ich würde Blut trinken und im Keller Jungfrauen auffressen, dann sollen sie doch. Ziel erreicht.
Dummerweise ist die Welt heute so irre, dass es keinen mehr wirklich interessiert oder schockt. „Was Du bist Goth? Nice. Du frisst kleine Kinder? Oh wie süß…“ Was soll mich da ein Krimi noch aufregen?
Ich kenn die ganze Diskussion jetzt zwar nicht, aber da das gerade als aktueller Kommentar angezeigt wird, nur Mal hierzu meine Meinung!
„Ich finde es komisch, dass man sich heute als Goth als ganz normaler Mitbürgersehen will.“
In meinen Augen IST man (in Normalfall) sogar normaler Mitbürger! Wir gehen wie jeder andere auch, einer beruflichen Tätigkeit nach. Gründen womöglich eine Familie. Halten uns an Recht und Ordnung…das Gesetz. Nehmen am sozialen Leben Teil. Gehen wie jeder andere auch zu Firmen mit 4 Buchstaben unsere Lebensmittel einkaufen. Wo sind Schwarze / Goth(ic)s / whatever also keine normalen Mitbürger?!?
Ich wollte auch schon vor 35 Jahren niemanden schocken und übrigens auch niemand sonst, den ich im Laufe dieser langen Szenejahre kennen gelernt habe. Da waren auch etliche Altgruftis aus den Szeneanfängen dabei und einige Goths aus verschiedenen Regionen und Ländern. Das mit dem Schocken war vielleicht vor allem in Deiner Clique so? Für diejenigen, die direkt aus dem Punk kamen, wo es ja bekanntlich um Provokation und Schocken ging?
Sich über das Äußere ausdrücken, zusammenfinden und darin wohl und cool fühlen war eher das Thema bei denen, die meinen Weg kreuzten. Keiner wollte für seine Klamotten und Musik Vorlieben verurteilt, abgestempelt oder in unschöne Schuladen gepackt werden, sondern einfach in Ruhe gelassen und akzeptiert werden. Übrigens kann man sehr wohl auch „anders“ sein wollen, ohne bewusst provozieren bzw. schocken zu wollen.
Die meisten Goths sind doch eher in sich gekehrt als provokant. Und wer sich provokant gibt, tut das meist nur in jungen Jahren während der Pubertät, wo es um Abgrenzung geht. Später, wenn man seinen Stil gefunden hat und gefestigter ist, möchte man sich nicht ständig erklären müssen und missverstanden werden. Das nervt dann einfach nur, wenn immer wieder dumme Klischees ausgegraben werden.
Wozu noch als Goth rumlaufen? Weil es einfach meinem Sinn für Ästhetik entspricht, ich die Musik heiß und innig liebe und weil ich mich im Kreise derer, denen es auch so geht, wohl und verstanden fühle. Menschen mit Tiefgang, denen vieles egal ist, was heutzutage zählt (Macht, Geld, Konsum, Trends, Statussymbole) und mit denen ich über Gott und die Welt reden kann, auch mal über Themen, die Otto Normalbürger eher verdrängt oder vermeidet. Die einen nicht schief anschauen, wenn man Friedhöfe und Ruinen toll findet und seine Wohnung dunkel einrichtet.
Rate mal, warum das WGT immer noch so beliebt ist, dass da Leute aus aller Welt hinreisen, im Gegensatz zu sonstigen großen Szene-Festvals hierzulande? Weil man da mal ein paar Tage unter Gleichgesinnten sein kann, sich so stylen kann wie man mag (durchaus auch mal mit ner Schippe Deko mehr), ohne von den Stinos ringsherum angefeindet zu werden, und einfach mal den Alltag wegschieben kann.
Viele haben dieses Bedürfnis nach Selbstausdruck, aber erleben auch im Alltag Vorurteile und Anfeindungen, daher tut es so gut, das mal für ein paar Tage völlig anders zu erfahren: das zumeist freundliche Interesse und der entspannte, höfliche Umgang der Leipziger mit den dunklen Besuchern trägt enorm zum angenehmen Flair dieses Festivals bei.
Beide Deiner Beiträge bringen viel von dem zum Ausdruck, was ich auch denke. Aus meiner Erfahrung möchte ich noch ergänzen: Die Zeiten wo man sich verkleiden musste, wenn man zur Familie fuhr, hat eine Freundin von mir noch ganz bitter erlebt in einer ziemlich schwierigen Situation, die es ihr auch nicht erlaubte, einfach den Mittelfinger zu zeigen. Sie war nämlich auf deren Unterstützung angewiesen.
Mit dem Job ist es auch heute noch unterschiedlich. Ich habe da großes Glück, dass ich dort (an meiner Schule) mit meinem Aussehen, meiner Musik, mit meinem ästhetischen Empfinden und auch mit meinen Gedanken akzeptiert werde, ohne Verstellung. Manchmal habe ich schon zu hören bekommen, dass ich „crazy“ bin, aber das ist ja okay. Ich erfahre auch gerade Wertschätzung, weil ich in manchen Dingen einfach anders ticke. Deswegen, und da komme ich wieder zum Film zurück: Ich bin in meinem Job auf Vertrauen angewiesen und da hilft es mir nicht, wenn ich mit Satanisten, Real Life vampires oder anderen Extremfreaks in einen Topf geworfen werde. Wie ich vorher schon erwähnt habe, mache ich mir da bezüglich meines Arbeitsumfeldes keine Sorgen.
Ich habe aber bevor ich dort Dank freundlicher schwarzer Schicksalsmächte gelandet bin, auch schon anderes erlebt.
Die Grufti-Szene war nun mal ursprünglich eine Jugendszene und Jugendliche wollten damals nun mal meist irgend wie provozieren, anders sein als die Eltern. Jede Szene auf ihre Art. Man wollte sich von den Spießern abgrenzen, darum hat auch jeder seine äußeren Merkmale, bei uns eben das schwarz. Ja, nun ist das zu einer Altherren/Alt-Damen Veranstaltung geworden, wo jeder einfach nur seine Ruhe haben will, scheint es mir. Schade, dass Du die Anfänge nicht erlebt hast, aber vielleicht hättest Du damals nicht den Zugang gefunden, weil es Dir vielleicht zu schräg gewesen war (im damaligen Kontext). Schade, dass die Szene ihre Wurzeln vergessen hat. Schade, dass man sich ständig angepisst fühlt, wenn mal in irgend einem Film ein Goth nicht zu 100% den eigenen Erwartungen entspricht. Schade, wenn man immer einen Beißreflex hat, wenn Goth überhaupt irgend wo erwähnt werden. Das war nicht der Weg den wir uns damals vorgestellt haben.
Alice, in vielem was Du hier schon geschrieben hast, schätze ich Deine Lockerheit und in vielem auch Deinen Hang zur Rebellion. In vielen Beiträgen kann ich sehr gut nachvollziehen was Du meinst und vieles hat auch mit der Gegend zu tun, aus der man in Deutschland kommt, weil die Gegebenheiten überall anders sind. Ja natürlich will man sich als junger Mensch von den Spießern abgrenzen. Aber wer sind denn die Spießer wirklich? Für mich sind das Menschen, die andere einfach nicht so leben lassen, wie sie sind, wie sie fühlen. Die Trennungslinie Jugendliche/ Erwachsene zieht da nicht immer. Viele Erwachsene als ich jung war, waren Alt 68er. Die hatten absolut Verständnis für Anders sein wollen. Und fast alle Jugendliche in meinem Kaff empfand ich als Spießer. Sorry, aber wenn man im Hand- Fußball- Club, bei den Ministranten ist, Malle Hits hört und sich ständig besäuft, ist man in meinen Augen weder Rebell noch irgendwie cool. Und so waren fast alle Jugendlichen in meinem Kaff./ Umfeld. Wenn Du Doors/ Cure/ Depeche Mode gehört hast, wenn Du statt wie die anderen Pubertätspickel irgendwelche Softpornos zu sehen, Dir lieber „Wenn der Wind Wind weht“ und „The Wall“ angeschaut hast, wenn Du auf Seite der Ureinwohner Amerikas warst, wenn Du gesagt hast, dass Spinnen und Mehlmotten ein Recht auf Leben haben so wie Menschen auch, dann warst Du Außenseiter und zwar bei den Jugendlichen Deiner Umgebung noch mehr als bei den Erwachsenen. Und provozieren? War ganz einfach: Setz Dich irgendwo mit ’ner Tasche hin, wo Du „Lieber Rot als Tot “ drauf gekritzelt hast! (Ich finde es auch keinen Fehler, wenn man da etwas reflektierter mit über 50 geworden ist!). Ich habe es hier ja schon erzählt: Ich habe damals meine Clique gefunden. Unser Feindbild waren oberflächliche und gleichgültige Menschen. Vielleicht hättest Du ja den Zugang zu uns nicht gefunden, weil wir Dir zu grüblerisch und zu langweilig gewesen wären: Lieber Schlosspark, Rittersaal in einer Burg mit Rotwein und langweilige Nachtwanderungen? Lieber Gespräche über die schwefelgelbe Wolke aus Tschernobyl, die uns hier alle sehr erschreckt hat, bevor irgendeiner wusste was los war als Party, Party… Was ich damit sagen will, ist dass einfach alle Jugendlichen andere Bedingungen in ihrem Umfeld hatten und ihre Nicht-Mainstreamigkeit daher anders zum Ausdruck kam. Und die jeweilige Erfahrung setzt sich eben auch bis in unser Alter durch: Die einen waren punkiger und schriller, die anderen eben introvertierter und nachdenklicher. Muss man das gegeneinander ausspielen und werten? Eins meiner superschönen WGT Erlebnisse letztes Jahr war übrigens auch eine Mittagspause mit zwei Punks: Das gleiche Gefühl für das, was auf der Welt nicht in Ordnung ist. Erst eine Verständigung über Blicke und dann ein Gespräch und eine herzliche Verabschiedung.
Was die Folge der Soko Leipzig angeht, die ja Kernpunkt des Artikels und aller hierzu geschriebenen Kommentare ist, so kann ich sagen, dass ich davon nicht „angepisst“ bin. Dazu braucht es bei mir deutlich mehr: Ich bin davon angepisst, wenn Menschen, besonders Kinder und Jugendliche, einfach funktionieren sollen, ich bin angepisst, wenn Menschen über andere urteilen, ohne auch nur einen einzigen Tag in deren Schuhen gegangen zu sein, ich bin angepisst, wenn Kids in der Schule keine Regenjacke und kein Essen haben, weil sich niemand zuständig fühlt… und und und… Da finde ich so eine Krimifolge Soko Leipzig harmlos, Dennoch denke ich, dass es erlaubt sein muss, Kritik daran zu äußern , wenn mir etwas nicht gefällt. Genau das habe ich getan, ohne die Folge komplett zu verreißen, und ohne die Drehbuchautorin herabzusetzen , die ich für andere Dinge, die sie gesagt und geschrieben hat sehr wohl schätze. Genauso empfand ich auch die anderen kritischen Kommentare. Es wurde gut begründet, was dem ein oder anderen eben nicht gefallen hat. Das hat nichts mit Beißreflex zu tun, sondern mit persönlicher Meinung. Andere dürfen meinetwegen die Folge auch toll finden. Ich erwarte hier auch nicht, dass jeder die Tödin liebt und kann verstehen, das sie eben nicht jeden begeistert. (Bin so froh, heute erfahren zu haben, dass sie wieder live auftritt! ;) ).
Naja, einmal Rebellin, immer Rebellin. ;-)
Ich kenne noch die Zeiten wo man sich für die Familie verstellen musste. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern sehr locker waren, aber die Tanten und Onkels nicht immer. Natürlich hängt das auch von der Gegend ab wo man aufwächst. Ich war als junger Mensch auch ziemlich verkopft. Die Gelassenheit kommt dann mit dem Alter. Ja, die Szene gibt es jetzt sehr lange und sie hat sich extrem verändert. Allein schon deswegen wäre Gelassenheit auch ganz gut, weil man hier alles vorfindet, von den alten Ur-Goth die zum abfeiern in die Szene kamen bis zu den Neo-Goth, die Verständnis für ihren Knicks suchen.
Der Film war nicht gerade die höchste künstlerische Vorstellung. Aber wegen dem Goth-Thema keine Katastrophe. Von daher plädiere ich für Gelassenheit. Ich freue mich immer wenn ich Goth in Filmen sehe, egal ob sie die blutrünstigen Monster sind (auch das hat was), oder die empfindsamen Opfer der Gesellschaft. Es ist Unterhaltung und jeder schaut aus einer unterschiedlichen Perspektive darauf.
„Man entscheidet sich für diesen Aufzug nicht weil man normal sein will, sondern anders.“
Diese Aussage hatte ich heut Früh ganz übersehen. Und ich kann nur sagen „FALSCH!!!“ ganz falsch!!!. Man entscheidet sich nicht dafür weil man anders sein will, sondern man ist anders. In meinen Augen ist ein Schwarzer die Summe seiner Werte und Interessen. Sein Innenleben und was ihn fasziniert. Im Prinzip sucht man sich die Szene entsprechend seiner Persönlichkeit…seines Wesens und nicht anders herum.
Und man will auch nicht schocken! Was soll ich denn als Frau mit Ende 30 schocken wollen?! Ich mag mich vll. bei weiten noch nicht so alt fühlen, aber schocken wollen ist Kindergartenkram. Nix für ungut…
Ansonsten hat die Tanzfledermaus eigentlich schon alles gesagt. Und ich kann ihre Worte nachvollziehen und so unterschreiben.
Wer sich nur aus den fadenscheinigen Gründen der Musik und der Klamotte der Gruftiszene zuwendet, den würde ich unter Modegrufti verbuchen. Davon hatte ich in der Vergangenheit genug um mich herum. Die Zeit war dann auch recht schnell wieder vorbei und man hat sich anderen völlig banalen Dingen wieder zugewendet. Manchmal sage ich dann eben doch: „Große Klappe, aber nichts dahinter.“, wenn man es im übertragenen Sinne meint.
Bist du das nicht sonst, die ganz schnell dem Beißreflex unterliegt, wenn deine ideologischen Richtlinien, über- oder unterschritten werden? Aha!
Ich plädiere für mehr Lockerheit und nicht für Beißreflexe. Schon immer.
Habe mir anfänglich vorgenommen, keinen Kommentar zu schreiben, habe es mir dann doch letztendlich anders überlegt. Auch wenn das womöglich niemand mehr lesen wird, ich lasse es einfach raus, damit mir diese Gedanken nicht mehr im Kopf herumspuken.
Also, erst einmal, lieben Dank
Robert für den netten Tipp! Ohne diesen Artikel hätte ich diese Folge höchstwahrscheinlich nie gesehen. Da ich solchen Typ Serie und sein Niveau ein bisschen kenne, war ich nicht enttäuscht. Ja, kurz, ja, schematisch, gewiss kein Arthouse-Meisterwerk. Sollte ja es auch nicht sein, da ein anderes Genre. Manche Dialoge fand ich komisch, bei manchen Themen fehlten mir Details… Aber dafür schienen mir die „Goth“ Charaktere ganz schön „echt“, ziemlich organisch. Eigentlich etwas ganz Nettes, um sich nach der Arbeit zu entspannen. MMn.
Aber die Kritik, die hier erläutert wurde… Die hat mich etwas traurig gemacht und mehrere Fragen auftauchen lassen.
– Sollte man sich wirklich so viele Gedanken darüber machen, wie etwas bei dem oberflächlichsten Ottonormalverbraucher rüberkommt? Also bei jemandem, der keine Ahnung hat und vor allem haben möchte? Soll seine (wenn überhaupt vorhandene) Meinung so wichtig sein?
– Wenn die Szene ausschließlich Musik&Klamotten ausmachen, was dürfen denn die Anhänger [nicht] im Schlafzimmer machen und warum? Warum dürfen Menschen mit Bluttrinken-Kink nicht die Goth Musik, Stil und Partys mögen?
– Muss man jetzt, wenn man Goth werden möchte, ein psychiatrisches Gutachten mitbringen, dass man keine Depressionen oder sonst was hat?…
Wobei nichts Neues, eigentlich. Dass die Gothic Szene mittlerweile möchte, als „ganz normal“ wahrgenommen werden, als reine Musik- und Modesubkultur, die sich von anderen gutbürgerlichen Mitmenschen nur durch die Namen der zu besuchenden Onlineshops, Klubs und Bands in der Playlist unterscheidet… Das habe ich schon längst mitbekommen. Ist ja auch okay. Eine Subkultur ist ein soziologischer Begriff, ein sozialer Konstrukt, und da herrschen eigene Dynamiken. Die Mehrheit entscheidet, wo es lang geht; wer nicht mitmachen möchte, geht baden. Dura lex, sed lex.
Ich habe einst die Menschen nicht verstehen können, die an sich „kein Label kleben“ möchten. Die sich nicht als Goth bezeichnen wollten, obwohl sie (mMn) das eigentlich dürften.
Mittlerweile habe ich selbst aufgehört, mich szenetechnisch wie auch immer zu bezeichnen. Ich überlasse das jedem, wer das möchte. Und ich verkrieche mich lieber in meiner dunkelschönen Klicheeecke, um, umhüllt von Räucherstäbchenrauch und geliebten NDT- und Neoclassical-Klängen, meine düsteren Bilder zu malen oder ein Buch über Kommunikation mit Jenseits zu lesen (unironisch, lese gerade eins darüber). Dabei kein Blut trinken, aber schwarzen Kaffee oder Rotwein. Oder ziehe ich mir meine „90er-inspirierten“ Klamotten an, mitsamt „nicht richtigen“ Schuhen, und mache einen Spaziergang auf dem Ehrenfriedhof. Alleine. Weil alleine man so sein kann wie man möchte.
Der Uroboros hat sich in seinen Schwanz gebissen, wir sind an dem Punkt angekommen, wo wir einst angefangen. Die „Komischen“, die „Anderen“, die, die nicht „reinpassen“ und vom Leben mehr wollen als die schnöde „konsensuale Realität“ und „man macht das halt so“; die damals in der Schwarzen Szene einen Zufluchtsort gesucht – und gefunden haben… Jetzt sind sie wieder „über Bord“.
Meinetwegen… bin eh längst kein Teenager mehr und brauche keine Herde mehr.
„Wir sind nicht hier, um jemandem zu gefallen oder um irgendwelche Erwartungen zu erfüllen“ (c) Stillste Stund.
Sie veröffentlichen morgen 2 neue Songs, übrigens.
Mit besten Grüßen. Möge Harmonie und Frieden in Euren Seelen herrschen.
Was Leute konsumieren, formt ihre Realität. Falschdarstellungen haben Auswirkungen auf reale Menschen, insofern spielt das schon ein Rolle, ob man nun Wert darauf legt oder nicht. Stell dir vor, man hätte nicht Goths als Bluttrinker dargestellt, sondern bestimmte größere religöse Gruppen. Zuschreibungen dieser Art können langfristig ein Problem sein.
Das hat niemand gefordert, keine Ahnung wie du darauf kommst. Die Diskussion dreht sich ausschließlich um die Darstellung der Szene in dem Tatort-Film, niemand hat daraus Vorgaben für die Szene selbst abgeleitet. Aber das illustriert gut, was ich eben schrieb: du leitest aus der filmischen Darstellung und der Diskussion darum Denkweisen für deine Realität ab.
Also, ich lese hier Folgendes heraus: Die Szene möchte in den Medien anders dargestellt werden, als sie tatsächlich ist. Verstehe ich das richtig? Menschen mit psychischen Problemen oder ungewöhnlichen Vorlieben dürfen „mitspielen“, aber lieber so, dass es niemand „von außen“ mitbekommt. Irgendwie so?
P. S. Irgendwie habe ich ganz ganz wenige Probleme mit dem einvernehmlichen Bluttrinken. Was ist daran so schlimm, wenn alle Beteiligten daran Freude haben? [Hust… In einem Glas Milch dürfte viel mehr Leid drin stecken… Hust…]
Ich dachte Melancholie (eine andere Bezeichnung für Depression) sei die Initiation für den Einstieg, zumindest für einige?
Zwischen Melancholie/Weltschmerz und Depressionen besteht ja wohl ein himmelweiter Unterschied! Unter ersterem leidet man nicht wirklich (manche schwelgen sogar darin), unter zweiterem schon, so dass es therapeutischer Hilfe bedarf.
Ich würde auch Weltschmerz und Melancholie unterscheiden. Das Erste kann man wirklich genießen. Ein schönes trauriges Lied hören, auf einem Friedhof oder Lost Place spazieren gehen, über Vergangenheit und Vergänglichkeit nachdenken… Das kann wirklich harmonisierend wirken und sich sehr schön anfühlen.
Der Weltschmerz empfinde ich als ein quälendes Gefühl ohnmächtiger Wut angesichts alldessen, was in der Welt geschieht. Von Kriegen bis hin zur Massentierhaltung. Dieses Gefühl tut weh. Das kann ich persönlich nicht genießen.
Ja, und eine Depression ist eine Krankheit. So wie man Gastritis, Diabetes, Migräne oder ein kaputtes Knie hat, haben Menschen Depressionen und leiden darunter. Aber nichts davon sollte ein Grund sein, Betroffene auszugrenzen, sich für sie zu schämen oder sonst was in der Art.
Man kann sogar alle drei Begriffe unabhängig voneinander verwenden 😉
Eine Melancholie beschreibt eine tiefere, nachdenkliche Traurigkeit, die mit einem Gefühl der Sehnsucht oder einer gewissen Nostalgie verbunden ist. Das kann sich auch auf ganz individuelle Sehnsüchte beziehen.
Weltschmerz ist weniger auf eine spezifische Person oder Situation bezogen und mehr auf eine allgemeine philosophische oder emotionale Haltung. Quasi eine tiefe, allgemeine Traurigkeit über die Unvollkommenheit der Welt oder das menschliche Dasein.
Hingegen ist die Depression (da hast du völlig Recht) eine ernst zu nehmende psychische Störung, die durch anhaltende Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und ein Verlust an Interesse an Aktivitäten gekennzeichnet ist. Leider wird letzte gesellschaftlich etwas inflationär verwendet. Da sprechen manche Leute schon von einer Depression wenn sie mal einen Tag lang schlecht gelaunt im Bett liegen bleiben. Sehr zum Schaden tatsächlicher Betroffener wie ich finde, da diese dadurch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung weniger ernst genommen werden.
Hm, daran sieht man, dass du mit sehr wenig Grundwissen um die Ecke kommst. Melancholie mit Depressionen gleich zu setzen ist so hanebüchen, wie es nur sein kann. Sorry, aber besser manchmal auf die Fingerchen setzen, als Unsinn zu tippen.
In meinen Augen argumentierst du hier gerade gegen einen Strohmann. Die Kritik bezog sich an keiner Stelle darauf, dass die Szene anders dargestellt werden will als sie ist, oder das Menschen mit psychischen Problemen und/oder ungewöhnlichen Vorlieben versteckt werden sollen.
Der Kern der Kritik besteht darin, dass wir (die Kritiker) ein Problem damit haben, dass die Szene in den Medien fast immer nur auf bestimmte Extreme reduziert wird. Wir möchten aber weder als ein reiner Halloween-Fanclub dargestellt werden, noch als eine Art Sammelbecken für ungewöhnliche Vorlieben und auch nicht primär als Selbsthilfegruppe. Alle drei Teile sind sicherlich in einem gewissen Maß innerhalb der Szene zu finden, aber keines davon beschreibt den Ken des Ganzen. Innerhalb der Szene finden sich Leute, die aus ganz unterschiedlichen Gründen die Welt nicht durch eine bunte Glasscheibe sehen und sich deshalb in der Musik und der Ästhetik verstanden fühlen.
Es geht also nicht darum, jemanden auszuschließen oder bestimmte Aspekte zu leugnen, sondern darum, dass die mediale Darstellung nicht einseitig auf Randerscheinungen fokussiert sein sollte – denn das führt letztlich zu Verzerrungen, die Außenstehenden ein falsches Bild vermitteln. Wenn eine Subkultur immer nur über ihre Extreme definiert wird, wird sie zwangsläufig auf diese reduziert. Und genau das ist der Punkt, der hier kritisiert wurde.
Danke, das hast du sehr gut in Worte gefasst!
Uff… soeben frisch angeschaut…
Nunja, man kann ja davon halten, was man will, aber herausragende deutsche Schauspielkunst und wirkliche realistische Themenabhandlung ist das nicht. Vielleicht soll das einfach nur Werbung fürs WGT sein, mit eine Brise moralisch/ideologischer Würze, wovon die öffentlich rechtlichen Medien gern mal nicht wenig einfließen lassen in ihre Machwerke. Plakativ und klischeebehaftet. Und wer ist überhaupt Luci van Org? Hab nur mal damals von dem One-Hit-Wonder „Mädchen“ gehört und danach war Ebbe. Da nehme ich mal an, dass da fundiertes Wissen über die Gothic-Szene dahinter steckt…
Sicher hat das Mordmotiv nichts mit der Szene zu tun. Warum also braucht es dann dieses, gemeinhin auch an den Haaren herbeigezogene Gothic-Thema, welches auch nur eine ganz ganz kleine Randgruppe ziemlich mäßig beleuchtet? Ist mir irgendwie schleierhaft! Klar kann man in Leipzig mal sowas auch in einem Drehbuch verwursten, weil ohnehin schon ziemlich viel aus der Szene verwurstet wird (natürlich gänzlich ohne Kommerz-Gedanken), aber alles was ich gesehen hab, waren Leute die sich total gekünstelt und aufgesetzt hinter Kostümen versteckt haben, so wie im Einspieler auch der Zusammenschnitt der viktorianischen Schausteller, die Leipzig im Frühjahr anheim fallen. Es hat aber m.M.n. nichts mit der realen und im Sterben befindlichen Gothic-Szene zu tun.
Was mir aber noch gefehlt hat, wäre eine rassistische Äußerung des Vaters zum Schluß, als der Tathergang der Protagonisten gezeigt wurde. Erst dann wäre der moralisch/ideologische Kompass wieder richtig eingestellt. Von daher gibts nur 1 von 5 Punkten für diese eher schlechte Inszenierung, für eine Folge dieser einen von tausenden deutschen Krimiserien.
Ich verzichte ausdrücklich auf Kennzeichnung mit Smileys. Kann sich jeder selbst Gedanken dazu machen, wie ich was meine. ;)
Das einzige, was man daran aus meiner Sicht bemängeln kann, ist, dass die Vampiristen als „Untergruppe der Gothic-Szene“ bezeichnet werden anstatt als Subkultur für sich. Auf dem WGT findet schließlich längst nicht nur die Gothic-Szene statt.
Fun Fact! Wir wurden damals auch gefragt ob wir nicht darauf lust gehabt hätten?