Zu Pfingsten 2020 beendete der MDR eine Serie von Dokumentationen über die schwarze Szene mit der Folge „Darkness Forever – Wie Goth unsterblich wurde“, über die wir berichtet haben. Unsere Meinung und die Reaktionen der Leser waren weitesgehend positiv, auch wenn sich alle darüber einig waren, dass sie das Phänomen „Schwarze Szene“ nicht vollumfänglich darstellen konnte. Tim Hofmann von der Freien Presse aus Chemnitz hat sich die Dokus auch angesehen, hatte jedoch eine völlig andere Meinung. „Schwarzes durch die rosa Brille“ titelte er seinen Artikel über die MDR-Produktion und warf dem Sender vor, einen „ärgerlichen Rohrkrepierer“ abgeliefert zu haben. Sein Artikel ist so gut, dass meine positive Meinung über die Doku noch vor Ende seines Artikels spürbar bröckelte. Auch andere Leser waren in der jüngsten Wochenschau der Meinung, den Artikel einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.
Hofmann startet furios und erntet volle Zustimmung, als er das „herzlich schiefes Bild von der weltweiten Gothic-Gemeinde“ beschreibt, das man sich jährlich zu Pfingsten in Leipzig abholen kann. Allerdings schätze ich genau dieses schiefe Bild, das sich den Namen „Wave-Gotik-Treffen“ gegeben hat, sehr. Denn alles, was sich selbst unter den schwarzen Schirm einer solch heterogen Szene stellt, findet sich auf diesem Treffen. Richtig angewandt ist ein WGT eine schwarz-bunte Blätterstunde durch einen Stapel aktueller Szene-Magazine von Fetisch bis Metal über Steampunk und Mittelalter. Doch auch auf dem WGT gibt es weniger schiefe Szene-Kerne, die abseits von Kameralinsen und Berichterstattung nach wie vor eine spürbare Relevanz für die Gesamtheit der schwarzen Szene haben.
Am MDR, der sich mit den Dokumentationen als Hofberichterstatter dem WGT verschrieben hat, lässt Hofmann kein gutes Haar und macht klar, was ihn an daran stört. Zunächst gehen unsere Meinungen etwas auseinander, zumal er behauptet, der Wandel des MDR zum WGT-Sender würde der Szene im Allgemeinen schmecken.
Wie schnell aus diesem „gut gemeint“ dabei aber das berühmt-berüchtigte „Gegenteil von gut“ wird, demonstrieren nun anschaulich die Filmdokumentationen […]
Ich gebe zu, ich habe mit dem MDR meinen Frieden gemacht und sehe das „zugänglich und informative“ wohlmöglich etwas gelassener als in der Vergangenheit. Vielleicht hat mich der jahrelange Konsum dieser Ware auch zahnloser gemacht, als ich eigentlich sein wollte. So hat er völlig recht, wenn er vorschlägt, dass es sich „journalistisch wirklich gelohnt [hätte], genauer hinzusehen„. Möglicherweise bin ich zu unkritisch geworden, was Szene-Berichterstattung angeht, da ich sie nur in begrenztem Maße beeinflussen und schon gar nicht verhindern kann. Aber er hat recht, wenn er zu dem Schluss kommt, dass das unserm Geschmack entspricht, zumal wir an keiner Stelle unserer Reaktion das Gegenteil behaupten.
Die Legende von Tiefe und Kreativität
Jetzt schöpft Tim Hofmann allerdings aus dem vollen und schreibt, die Szene würde seit Jahren schrumpfen. Mir stellen sich die Nackenhaare hoch, weil ich wieder vermute, es wäre die gebetsmühlenartige Tot-Sagung der Gothic-Szene, von der ich immer noch das Gefühl habe, sie würde wachsen statt zu schrumpfen.
Los geht das mit der Mär eines globalen Phänomens: Ja, es gibt im Internet-Zeitalter Anhänger der Subkultur weltweit. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schwarze Szene selbst in der Hochburg Deutschland sehr klein ist und zudem seit Jahren schrumpft
Dem kann ich nicht zustimmen, jedenfalls nicht aus meiner Wahrnehmung. Denn mangels Zahlen, Belegen und Fakten können sich weder Hofmann noch meine Wenigkeit vom Eindruck des Anderen überzeugen.
Es ist nicht nur der Globalisierung geschuldet, dass ich den Eindruck habe, die Szene wächst. Vielleicht könnte ich mich am ehesten darauf einlassen, dass sie stagniert aber von einem Schrumpfungsprozess kann meiner Ansicht nach keine Rede sein. Ich denke vielmehr, dass sich vor allem die deutsche Szene verlagert. Konzerte, Discotheken und Festivals sind als Treffpunkte der Gruftis längst überholt und das steigende Szene-Durchschnittsalter blendet viele ältere Gothics aus, da die sich aus der Wahrnehmung streichen, indem sie weniger ausgehen und das „soziale“ Internet nicht im selben Umfang nutzen wie der Szene-Nachwuchs. Allerdings gibt es auch viele „Quereinsteiger“, die Grufti als Subkultur und nicht als Jugendkultur verstehen und sich selbst im hohen Alter noch dazu entscheiden, die dunkle Seite des Lebens einzuschlagen. Ich glaube das kompensiert den fehlenden Nachwuchs, da Gothic als Jugendkultur oftmals als „überholt“ erscheint.
Vor allem in Ländern wie Südamerika verzeichnet die Gothic-Szene auch in den letzten Jahren einen enormen Zulauf. Das äußert sich zum einen durch zahllose Events und Veranstaltungen die durch meine Wahrnehmung poltern, als auch durch Bands wie „The Knutz„, die sich anschicken dem tot geglaubten Gothic-Rock zu neuem Leben zu verhelfen.
die Legende von Tiefe und Kreativität, deren Behauptung zwar zu den Gründungsmythen des hiesigen Gothic gehören, die aber im eklatanten Widerspruch zu dem dürren Eigen-Output der Szene stehen.
Jetzt weiß ich nicht recht, ob ich die rosa Brille aufhabe, aber das sehe ich anders. Bedingt durch meine Leidenschaft, die sich in Form dieses Blogs äußert, habe ich Kontakt zu unheimlich vielen „tiefen“ und kreativen Menschen aus der Szene, die nicht nur versuchen einen Teil zur vermeintlichen „Legende“ beizutragen, sondern auch den Horizont szenetypischen „Outputs“ ständig erweitern. Recht hat Hofmann allerdings mit dem „Gründungsmythos“, denn „Tiefe“ und „Kreativität“ abseits des eigenen Outfits entwickelte sich meiner Ansicht nach erst in den 90ern. In den Anfängen fanden es die Kids hauptsächlich rebellisch, in Schwarz herumzulaufen und fanden die Musik geil, die man später Gothic nannte.
Das Phänomen, dass die Schwarze Szene viele ihrer liebsten Bands passender Inhalte wegen „von außen“ adaptierte und diese dann auf das dunkle Publikum einschwenkten, wird völlig vernachlässigt.
Allerdings. Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Jede Strömung, die sich in den letzten Jahren in die Szene geschlichen hat, beruhte auf genau diesem Prinzip. Gehört wird, was gefällt. Musik die wohlig düster klingt oder Texte, die Träume und Sehnsüchte kitzeln, wurden immer schon völlig unabhängig vom Genre konsumiert. In ihren musikalischen Gästen, die genau das belegen könnten, ist die Dokumentation dann wirklich extrem schwach aufgestellt. Gerade im letzten Teil der Doku wirken beispielsweise „Corvus Corax“ etwas deplatziert, wissen sie ja gar nicht so recht, warum man sie in der schwarzen Szene gerne hört.
Auszuleuchten, warum im Vergleich zu anderen Subkulturen so wenig aus der Szene selbst kommt, etwa auch am Beispiel der sagenhaft unterirdischen schwarzen Musikmagazine, wäre spannend gewesen.
Auch hier stimme ich zu. Überhaupt gewinne ich mehr und mehr den Eindruck, dass der MDR hier mit seiner Doku-Reihe viele Chancen verpasst hat und sich anstatt dessen mit einer seichten und weichgezeichneten Sichtweise auf die Szene begnügt. Es leitet mich zu der Frage weiter, ob man die Szene wirklich vollumfänglich darstellen kann, aber dazu später mehr. Markus Kavka, seines Zeichens Moderator mit Grufti-Vergangenheit, wirkt dann tatsächlich wie Beckenbauer bei einem Federballspiel. Ich muss schmunzeln. Schöner Vergleich.
Schade ist auch, dass es komplett versäumt wird, kritische Aspekte aufzugreifen und einzuordnen: Dass etwa die rechtsextreme Identitäre Bewegung nicht wenige Wurzeln im schwarzen Neofolk der 90er- und Nullerjahre hat, wo einige ihrer Ideen weitgehend unbehelligt gedeihen konnten, wäre durchaus eine fundierte Betrachtung wert gewesen.
Interessant wäre es gewesen, keine Frage. In der Tat steht die schwarze Szene im Laufe ihrer Geschichte immer wieder in der Kritik. Satanismus, Grabschändung, rechte Vereinnahmung, Neofolk und andere Phänomene geben reichlich Anlass für eine kritische Beleuchtung. Vielleicht wäre journalistische Objektivität tatsächlich ein gutes Werkzeug, Fakten von Meinungen zu trennen.
Allerdings kann ich „fehlende Kritikkultur“ nur wahrlich nicht unterschreiben, finden zahlreiche Diskussionen zu dem Thema ja schon seit Jahren hier im Blog statt. Leider haben es diese nie auf eine größere Bühne geschafft und sind in der kritiklosen Konsumfreudigkeit vieler Szene-Mitglieder untergegangen.
Vielleicht stehen ja hier zwei Dinge im Widerspruch. Das Adaptieren von „äußeren“ Inhalten und die notwendige Kritikkultur. „Darf ich das hören? Musik im Kreuzfeuer der Ideologien“ titelte ich 2015. Es ist für den Hörer schwer, Dinge zu trennen oder voneinander auszuschließen. So kenne ich durchaus Liebhaber von Neofolk, die ideologisch in einer völlig anderen Ecke zu finden sind, als das Klischee, das diese Musik automatisch eine Anziehungskraft für antidemokratische Sichtweisen bieten würde.
Kampf der Sichtweisen – Alles nur Ansichtssache?
Trotz einzelner unterschiedlicher Sichtweisen bleibt unter dem Strich ein deutliches Plus auf Tim Hofmanns Seite. Er hat starke Argumente, warum diese Doku-Reihe dann doch ein Rohrkrepierer zu sein scheint. Allerdings möchte ich dagegenhalten, denn die Szene ist, was sie ist, ein schwarz-bunter Karneval, der sich seit Jahrzehnten aus den unmöglichsten Einflüssen bedient hat, um genau das Universum zu kreieren, das uns in seiner Spannweite einmal im Jahr auf dem WGT begegnet.
Steampunk, Cybergoth, Mittelalter, Neofolk. Auch wenn sie manchmal als unerwünscht gelten stellt sich die Frage, ob letztlich Kritiklosigkeit dazu geführt hat, als seichter Karneval wahrgenommen zu werden oder eben die auch von Hofmann beschriebene Weise, sich die musikalische und inhaltliche Landschaft durch äußere Einflüssen zusammenzubauen. Würde eine harte Abgrenzung von ebendiesen Einflüssen nicht genau dem widersprechen?
Fazit
In Tim Hofmanns Artikel fehlen mir auch ein wenig die positiven Aspekte dieser Doku und die guten Szene-Protagonisten, die gezeigt werden. Thomas Thyssen zum Beispiel liefert viele völlig richtige Sichtweisen und auch, wenn die jüngsten Auswüchse der Szene nicht jedermanns Sache sind, so bleiben sie ein Bestandteil des Wave-Gotik-Treffens und damit auch der Szene.
Ist die Szene damit einfach nur nicht mehr Tim Hofmanns Szene? Es mag Ansichtssache sein, wie weit man seinen Ausführungen zustimmt. Mit vielen Dingen hat er mich allerdings zum Nachdenken gebracht, sodass ich die Doku dann tatsächlich doch etwas von ihrem vermeintlichen Thron stoßen muss. Ausschlaggebend dafür war allerdings letztendlich eine Antwort bei Twitter, nachdem ich ihm ein „gut gebrüllt, Löwe“ attestierte: „Was mich wirklich ärgert, ist das eine gut ausgestattete Redaktion journalistisch so wenig bringt.“
So fühle ich mich am Ende tatsächlich ein wenig hinter der rosa Brille, nachdem ich mir die Dokumentation jetzt ein weiteres Mal angeschaut habe. Tatsächlich darf von aus der Hauptstadt des MDR mehr erwarten, als die mitunter zu „gut gewollte“ und oberflächliche Betrachtungsweise, die dann letztendlich doch wieder eine Einladung an Karnevalisten und Hobby-Schrauber zu sein scheint.
Zurück bleibt auch ein Bauchgefühl, das mich seit einer Szene-Ausstellung zum 25-jährigen Jubiläum des WGT im stadtgeschichtlichen Museum der Stadt Leipzig plagt: Möchte die Szene überhaupt erfasst und erklärt werden? Zerstört das nicht die Abgrenzung vom abgelehnten Mainstream, wenn am Ende alles irgendwie simpel, erklärbar und nachvollziehbar wird? Mitunter erwische ich mich dabei, wie ich mich über Klischees und eine völlig falsche Darstellung der Szene freue, scheint dadurch doch wieder der Graben zum Rest der Gesellschaft tiefer geschaufelt zu werden.
Anmerkung: Schade, dass die Freie Presse die Kommentare hinter einer Registrierung verbirgt und nun auch vollständig geschlossen hat. Das wird dem Wunsch des Autors nach Kritikkultur leider nicht gerecht. Allerdings finde ich gut, das man solche Perlen nicht hinter einer Paywall verbirgt. Würde ich im Einzugsbereich der Zeitung wohnen, wäre ein Abo sicher eine gute Wahl.
Ich würde da weder der einen noch die andere Seite in vollem Umfang zustimmen. Die Szene entwickelt sich gefühlt oft in eine Karnevals und Schwarze-Disco Richtung (ob das jemals anders war kann ich nicht beurteilen und die Sichtweise dazu hängt vermutlich stark von den Begegnungen die man innerhalb der Szene hat ab). Natürlich genieße ich vor allem die Musik und die Atmosphäre der Szene, die sich eben teilweise auch genau durch diese Aspekte (die andere als Karneval abtun und die „Schwarzen-Discos“) ausdrücken. Dennoch habe ich stark das Gefühl das es mir als gefühltes Teil dieser Subkultur eben um mehr geht als Karneval und Party in Schwarz. Hier muss ich dann eben der Kritik zustimmen, dass man oft lange sucht bis man auf tiefere Gedanken (abseits der Liedtexte) innerhalb der Szene trifft. Durch diese lange Suche und die dahinter stehenden Szene-Events (die sich vermutlich auch in ihrer versteckten Art gefallen) geraten diese Events und Richtungen vermutlich oft auch aus dem Fokus und stagnieren im besten Fall, wohingegen der kommerziell propagierte Teil der Party- und Karneval-Kultur sich zunehmend durchsetzt.
Auch eine gut ausgestattete Redaktion muss sich auf die Zielgruppe konzentrieren. Eine tiefgehende Analyse der Schwarzen Szene ist für Szenegänger interessant und für Insider müsste man sich in der Tat viel kritischer und differenzierter mit der Materie befassen. Der MDR bedient aber in erster Linie eine breite Masse, die nicht daran interessiert ist, sich über einen netten Popcorn-Abend hinaus mit diesen „komischen Goffiks“ zu beschäftigen. In diesem Fall war also wahrscheinlich eher seichte, informative Unterhaltung die Zielrichtung und nicht investigativer Journalismus bzw. Dokus mit kritischem Ansatz. Es ist meiner Meinung nach sowieso ungewöhnlich, dass das Thema so viel Sendezeit bekommen hat.
Die allermeisten öffentlichen Darstellungen der Szene(n), die mir untergekommen sind, sind Fehlschläge. Und zwar weil sie an dem prinzipiellen Fehler scheitern, Gothic und schwarze Szene nicht unterscheiden zu können. Wo diese Differenzierung ausbleibt, kann man alles gesagte eigentlich schon in die Tonne treten. Das ist bei fast allen medialen Berichterstattungen der Fall, so auch hier. Teil 5 der Doku-Reihe „Welcome to the 80s“ bildet eine löbliche Ausnahme, welche aber als solche die Regel bestätigt.
Bei Sendebeiträgen, die auf ein Massenpublikum geeicht sind, mag das erwart- und/oder entschuldbar sein. Wirklich stinkig werde ich allerdings, wenn mir dieselbe Ignoranz auch aus der Wissenschaft entgegenschlägt. Da ich selbst einen Background in Kulturwissenschaften habe, mag es sein, dass ich mit dem Feld arg hart ins Gericht gehe. Aber jetzt mal ehrlich. Wir haben es hier mit Kulturwissenschaftlern zu tun, den gleichen Leuten also, die einem heutzutage an allen Ecken und Enden was von vermeintlich „strukturellen“ bzw. „systemischen“ Sachverhalten vorsülzen, und diese Leute sind durch die Bank zu blöd, um die STRUKTUR einer KULTUR richtig darzustellen. Sorry, aber hierfür fehlt mir wirklich jedwedes Verständnis.
„Möchte die Szene überhaupt erfasst und erklärt werden?“ Eine gute Frage! Gothic oder „nur“ Gothic Fan? Wen bekommt man heutzutage noch vor die Kamera? Welcher echte Gothic fährt überhaupt zu solchen Großveranstaltungen? Ich kenne jede Menge aus der alten Garde die solche Festivals wie das WGT meiden und nur noch in ihrer Welt leben. Und es gibt genug kleine Festivals wo man dann wirklich die Szene trifft, ohne Karneval und Zahnrad am Hut. Minicave oder das Owls and Bats Festival sind da nur zwei Beispiele.
Wie ich schon in der Wochenschau sagte, gebe ich Tim Hofmann an manchen Punkten durchaus recht, allerdings zieht er für mich auch ähnlich oft andere Schlüsse aus seinen Beobachtungen als ich.
Beispielsweise bei der musikalischen Adaption durch die Szene: Hier zeigen doch gerade Corvus Corax, wie mittelalterlich inspirierte Musik adaptiert wurde. Anhand ihrer Erlebnisse auf Mittelaltermärkten wird in der Dokumentation doch sehr deutlich gemacht, dass sie sich gar nicht als Teil dieser Szene sahen/sehen und mit diesem Umstand, dass sich plötzlich schwarz gekleidete Leute auf ihren Konzerten einfanden und ihre Musik für sich entdeckten auch erst mal gar nichts anzufangen wussten. Hier wäre wohl noch Luft nach oben gewesen, aber was hätte sich Hofmann denn gewünscht? Chris Pohl, wie er sagt dass er schwarze Musik nur macht, weil man damit Geld verdienen kann? Welcher Interpret macht denn solche Aussagen freiwillig? Na gut… außer der Graf… wobei der im nachhinein versucht hat zurück zu rudern.
Auch bei dem Vorwurf es fehle an kritischen Aspekten kann ich nicht vollständig nachvollziehen. Zustimmen kann ich hier wohl, wenn es darum geht das die Szene mit ihrer „totalen Toleranz“ es stellenweise soweit übertrieb, dass inzwischen selbst die Intoleranz toleriert wird. Hier beziehe ich mich nicht nur auf politisch fragwürdige Ansichten, sondern auch auf Verhaltensweisen, die ich eher einer Ballermannkultur zugeschrieben hätte als einer Szene, die sich von mal vom Mainstream abgrenzen wollte. Doch wird zumindest dieser Punkt in der Dokureihe immer mal ein wenig hinterfragt und am Ende die Frage in den Raum geworfen in wieweit hier noch von Subkultur oder doch schon von Karneval gesprochen werden kann. Selbst wenn Bruno Kramm versucht diese Kritik ein wenig zu relativieren. Ein etwas tieferer Blick in die Nischen hätte jedoch sicherlich noch einige kritische Stimmen mehr hervorbringen können.
Ich gebe aber auch Orphi recht. Der MDR hat als Hauptzielgruppe sicherlich nicht die Schwarze Szene auf dem Klemmbrett, sondern fertigt seine Inhalte für eine breite und durchmischte Zuschauerschaft aller Altersklassen an. Eine tiefenanalytische Dokumentation mit besonders kritischer Betrachtungsweise wäre für interessierte Szenegänger sicherlich spannend gewesen, für den Otto-Normal-Zuschauer hingegen auch sehr anstrengend. Daher kann und will ich dem MDR da einfach keine Vorwürfe machen, wenn er mit dieser Reihe nur ein recht oberflächliches Bild abliefert und nicht all zu sehr in die Tiefe geht..
Nur noch kurz hierzu:
Da sage ich jetzt mal ganz provokant: Zu einem großen Teil offensichtlich schon und das nicht erst seit ein paar Jahren. Schließlich gaben sich viele ja nicht damit zufrieden irgendwann nicht mehr beschimpft, verprügelt und bespuckt zu werden. Nein, viele Leute mussten ja auch noch bei jeder Gelegenheit erklären, dass man auch kein Satanist ist, nicht psychisch krank und auch sonst eigentlich nur ein total lieber Mensch mit einigen andersartigen Ansichten ist. Man lud Außenstehende doch förmlich dazu ein sich selbst ein Bild von den Gothics zu machen, als Gäste an der Subkultur teilzunehmen und schaufelte damit immer mehr den Graben zwischen sich und dem Mainstream zu, sodass Gruftis die lediglich ihre Ruhe haben wollten in den tieferen Ebenen der verschiedenen Nischen Zuflucht suchen mussten. Von daher teile ich sogar ein wenig deine Freude. Vielleicht sollten wir uns tatsächlich mehr über die Oberfläche freuen, die uns in unseren Nischen den Mainstream weitestgehend vom Hals hält. ;)
Graphiel, Deinen Beitrag finde ich sehr gut!
Es gab schon Beiträge vom M’era Luna, wo Gruftis Saufspiele gespielt haben und betonten, dass sie das Festival nur zum Party machen und Komasaufen nutzen würden. Sowas ist echt peinlich und erreicht das von Dir angesprochene Ballermann-Niveau.
Dass der MDR einen Spagat zwischen echter Doku und einfacher Berichterstattung für Otto Normalverbraucher versucht, ist deutlich, und dass die Komplexität und Vielfalt sowie alle Hintergründe der Szene nicht so einfach darzustellen sind auch. Immerhin wurde hier mal versucht, nicht nur Klischees zu bedienen und Sensationsgier zu befriedigen. Dieser Ansatz allein verdient meine Anerkennung.
Ich gehöre zu denen, die froh darüber sind, nicht mehr permanent in die Schublade „Satanist/Psycho“ gesteckt zu werden, nur weil ich ausschließlich schwarz trage und einen anderen Look/Kleidungsstil habe. Von mir aus müssen keine Gräben in dem Sinne bestehen, dass sie von der Normalo-Seite aus geschaffen werden. Man muss sich ja auch nicht generell bewusst von allem abgrenzen, was nicht grufti-like ist, aber natürlich gibt es genug im Mainstream, was einer Abgrenzung bedarf (Siehe Ballermann-Beispiel).
Hmmm…. zuerst wollte ich etwas furchtbar ernstes schreiben…. so das man sich innerlich richtig einen abbricht…. aber dann bin ich persönlich zu einem kurzen Schluss gekommen. Der MDR kann noch soviel filmen, Tim Hofmann noch soviel schreiben, das kommt nicht Mal ansatzweise an persönliche Erfahrung über Jahre und Jahrzehnte ran, und kann, nein muss, immer nur Stückwerk bleiben. Und den Guß einer Glocke aus aller Erfahrung, aller Menschen, die sich länger mit „der Szene“ beschäftigt haben, nur um sie hoch zu heben, und einen für alle wiedererkennbaren Klang zu erzeugen, halte dich persönlich für unmöglich. Aber der Konsum der Filme und Texte zeigt eines auf, und daran kommt keiner vorbei. Nichts ist momentan wie gewohnt oder ungewohnt, ob man selber das nun mag oder nicht. Es gibt keine Cybers auf der Elektro Tanzfläche, kein Saufen auf dem Mera Luna, kein kleines feines OWLs n Bats, kein optisches Vergnügen beim aufbrezln und in die Discoteque fahren, zu tanzen, um Menschen zu sehen die sich auch nur aufgebezelt haben, um in die Discoteque zu fahren um zu tanzen…. Selbst wenn man auf den Mittelalterevent gehen wollte, um Saltatio Mortis und die Massen davor zu belächeln… man ist ja „Kritiker“, man könnte es nicht. Man kann auch niemanden zu (fast) nichts befragen oder filmen, es findet ja (fast) nichts statt. Und keiner weiß wie es weiter geht. Was gibt es noch zu beurteilen und zu kritisieren, wenn fast nichts übrig ist? Es ist Ebbe, und wie es nach der Flut weiter geht, wann immer sie eintreffen mag, sehen wir dann. Mal schaun was die Flut zurück spült, und was auf See bleibt. ….Toll, jetzt ist es doch total ernst geworden… welch eine Überraschung ;) .
Lieber Robert,
bei dem Punkt, ob die Szene überhaupt erklärt werden möchte, hast Du mich natürlich: Ich für mich, mein Erleben – ganz klar: nein. Dafür ist die persönliche Verwurzelung dann doch zu intim. Da sind wir aber auch schon wieder an dem Punkt, wo „Szene“ aufhört und eben eine persönliche Bindung anfängt. „Die Szene“ dagegen ist ein kulturelles Konstrukt, dass man schon betrachten und auch erklären kann, wobei es ja immer wichtig war, zu diesem Konstrukt auch die richtige Distanz aufzubauen, um nicht in Klischees oder Schablonen hängen zu bleiben, um auch für sich selbst offen zu bleiben. Die Szenenmenschen, die ich kennen, haben immer auch andere Sachen neben Gothic gelten lassen und Nektar von außerhalb gesaugt.
Das Argument, dass der MDR sich an eine „Mainstream“-Zielgruppe richtet, stimmt nur bedingt. Sicher ist das kein „Szenesender“ – andererseits gibt es aber auch diesen „Mainstream“ doch längst nicht mehr. Stattdessen ist die gesamte Kulturlandschaft immer mehr zersplittert, weil man eben in Nischen heute viel besser klarkommt, auch ohne Nerd zu sein. Insofern ist dieses „Wir gegen Die“ von einst gar nicht mehr so gegeben. Ich interessiere mich ja auch dafür, warum ein Hip-Hopper oder Barockmusiker oder Technohead oder Irishfolker treibt, was er treibt – ohne dass ich seine Kultur direkt nachlebe oder sie mich anspricht. Ich finde aber die gewachsenen Zusammenhänge spannend. Und da finde ich eben in der Gothic-Szene viele spannende Fragen.
Zum Beispiel, mal ganz simpel, der Ursprung des „Fotokults“, den es in den 90ern gab. Das war spannend und wichtig, hatte viele gut Gründe und Abgründen (ob für alle jungen Menschen gewisse Entblößungen vor der Amateur-Fotografenmeute, die sich ja auch schnell sammelte, immer so gesund waren, sei am Rande dahingestellt) – und ist aber spätestens mit Instagram unnütz und ab absurdum. In „der Szene“ hat es daher auch keine kulturelle Funktion mehr, wird aber von dpa-Fotografen in einer Art hohlem Resonanzraum nachgeäfft und künstlich abgefüttert. Da könnte eine Redaktion erklären statt stumpf mitzumachen weil man es im Vorjahr auch getan hat.
Oder zum Beispiel die fehlende Kreativität (mal abseits der „kreativen Menschen“, so im persönlich lobenden Sinn, sondern die aus der Szene gewachsene Kreativität): Verglichen mit anderen Genres von Rap bis Metal entsteht hier einfach sehr wenig gute, spannende Musik. Nimm z.b. die Screamo-Szene (wer es nicht kennt, das Indie-rockiger Emo-Core mit Geschrei am Rand zum Blackmetal): die ist richtig winzig, trotzdem gibt es etliche kleine Labels und viele Bands mit richtig gutem Output. (Dass das immer eine Pyramide ist und auf eine gute Platte drei nicht so gute kommen ist ja immer so.) Wie viele Bands aus der Szene heraus haben wir? Harte gesagt: Blutengel auf der einen Seite – geschenkt, sowas passiert halt, sowas wird auch gebraucht, diesen „Schlagerisierungseffekt“ hat jede Szene, höre erfolgreiche Metalbands wie Sabaton. Nur – wo ist als Gegengewicht der brodelnde Untergrund? Explizit Einsam? Man schaue sich nur mal an, wieviel „Klassiker“ Bruno Kramms Label „Danke Macabre“ veröffentlicht hat. Nichts für ungut, aber das ist ein Ramschladen. (Die ersten beiden Das-Ich-Alben sind heilige Klassiker, keine Frage!)
Das meine ich dann eben: „Wir“ haben zu sehr von „Bluttransfusionen“ gelebt, von Bands wie HIM oder von mir aus Corvus Corax und und und. Nicht falsch verstehen: Es ist wunderbar, dass es das gibt – vor allem, weil der einzelne Szenemensch ja gesunderweise über den Tellerrand schaut. Nur: Wo ist das Herz der Szene, wenn das über Jahre bereits alles ist? (Zugegeben, ich bin stark musikzentriert und damit im Gothic vlt. nicht das Maß der Dinge. Musik ist aber schon auch wichtig.) Persönlich kann ich damit gut leben, weil es nach wie vor viele, viele gute Musik gibt und die persönlichen Netzwerke auch mit dem Alter so gut sind, dass man von reichlich spannenden, interessanten und lieben Menschen umgeben ist, sodass man sein, ich nennen es mal „mitgewachsenes inneres Schwarzsein“ auch ohne „die Szene“ leben kann. Das beobachte ich bei vielen …
Dass der Neofolk zu lang zu unwidersprochen Nazi-Ideen mit durchtolieriert hat, ist ja nicht zuerst Vorwurf, sondern spannende Tatsache. Nur, weil das Problem alt ist, ist es ja nicht nicht gelöst. „Wir“ sind in die Falle eventuell ja nur etwas früher und anders getappt als das heutige (auch intellektuelle) Bürgertum, das einem „Martin Lichtmesz“ lauscht. Ich selbst habe stundenlang angeregt mit menschlich sympathischen Gestalten wie Herrn Klump debattiert – einfach aus der Überzeugung, dass eine möglichst große Perspektivenvielfalt immer einen besseren Blick erlaubt. Und unsere verbreitete Menschenabgewandheit nicht in Menschenfeindlichkeit kippen zu lassen ist auch nicht so simpel, das erfordert schon etwas Haltung und Denkvermögen…
Abschließend: Das Positive stand doch zuerst in meinem Text – man gibt sich Mühe und spürt, dass der MDR durchaus möchte. Dass er dann nicht kann und/oder will, trotz Gebührenfinanzierung, da möchte ich dann doch bei meiner Kritik bleiben ;-)
dg
{{tim}}
So. Jetzt mal Senf von mir:
Als allererstes muss ich eine Lanze brechen für Markus Kavka. Zu einem, aus lokalpatriotischen Gründen, denn der Mann stammt aus meinem Landkreis. Zum anderen, habe ich Markus Kavka immer sehr geschätzt, auch zu MTV Zeiten. Er hat viel Ahnung von Musik, einen guten Blick für das was abseits des Mainstreams ist (was man meist nur am Rande mitbekommt, wenn man ihm aufmerksam zuhört). Der Mann hat definitiv Ahnung von Musik, Musikszenen und dem ganzen Business. Herr Hofmann kritisiert ihn völlig überzogen. Markus Kavka hat auch eine Szene-Vergangenheit, und vielleicht ist das alles im privaten aktuell (und er hängt das nicht an die große Glocke)? Wer weiß. Herr Thyssen hat auch abseits der Szene für die Musikbranche gearbeitet … für Mainstream-Musik.
Das nächste was ich an Herrn Hofmanns Mecker-Artikel kritisieren kann, ist die Relation des Ganzen. Es handelt sich um jeweils 30-minütige Fernsehbeiträge. Was kann man bitteschön in 30 Minuten reinpacken? Vor allem, was kann ein „Lokal“-Sender, wie der MDR, in 30 Minuten reinpacken? Es ist halt ein kleiner Fernsehbeitrag für die Stinobevölkerung von einem Lokalsender. Es ist KEINE 2-stündige BBC-Doku, oder ein aufwendiges kreatives-studentisches Filmprojekt von der Szene für die Szene.
Das führt mich zum nächsten Punkt, und da muss ich dir Recht geben Robert : Möchte die Szene überhaupt erfasst werden? Kann sie überhaupt erfasst werden? Sehen sich die „Pioniere“ des Goth, als das was sie sind für die Szene? Schwierig. Die Szene ist einfach zu vielschichtig und komplex geworden. Vielleicht ist sie durch die Kommerzialisierung wieder ein Stück weit von der Subkultur zur Jugendkultur geworden.
Es ist übrigens fast schon ein eigenes Thema für eine eigene Dokumentation, wenn es um z.B. rechtsextremistische Tendenzen, Sexismus, etc. innerhalb der Szene geht. Quasi die dunkle Seite der Schwarzen Szene. (Da wären wir bei dem Artikeln „Darf ich das hören? Musik im Kreuzfeuer der Ideologien“ und die Diskussion zum Tagebuchbeitrag über die Provokation.)
Zu Herrn Hofmanns Kritikpunkt über die mangelnde Diversität der Interviewpartner (Ost-West-Deutschland-Gefälle) im Beitrag, kann man locker dagegen halten. Das fällt ihm auf? Nur das? Ihm fällt nicht auf, wie wenig Frauen interviewt worden sind? Oder das kein Afrogoth zu Wort kommt? Na, Bravo.
Die Doku-Reihe und Herr Hofmanns Kritikartikel sind wie das WGT selbst. Man fährt hin, in totaler Vorfreude mit rosa Briller auf der Nase. Danach zu Hause stellt man fest, wie oberflächlich doch so viele sind, wie kommerziell alles ist, wie viel Karneval-Disco doch nun alles geworden ist, usw. usw. Ergo, man fährt halt doch wieder hin, um danach zu meckern.
Also alles wie immer.
Wer die Szene sucht, der findet sie nicht auf dem Viktorianischen Picknick, nicht bei Instagram oder bei der Doku. Wer die Szene sucht, der findet sie hier bei den Spontis.
Wichtlhexe : Ich fahre gerne zum WGT, sogar aus Überzeugung und nicht um zu meckern. Denn nur dort bekommst du tatsächlich die volle Dröhnung Szene. Over- und Underground. Musikalisch, menschlich und inhaltlich. Natürlich wird auch hier und da gemeckert und bewertet, aber das gehört natürlich dazu. Ich würde aber nie schimpfen, wie schlecht ich das WGT fand und dann womöglich auch noch ankündigen „nie wieder“ hinzufahren. Dafür ist es mir zu wichtig, zu wertvoll, zu lehrreich und bildend.
Die Szene tut sich schwer damit, eine Erklärung über sich zu hören. Hier sind die Synapsen darauf geschult zu widersprechen, denn man möchte keinem „Außenseiter“ zugestehen, seine kleine Welt, seine Weltanschauung und Leidenschaft zu verstehen. Denn, das habe ich nach 10 Jahren Erklärbär verstanden, ist der Ursprung der Abgrenzung. Man möchte nicht verstanden werden, sondern kritisch begutachtet, abfällig angeschaut und angsterfüllt wahrgenommen werden. Wir möchten kein Freizeitspaß für jedermann sein, kein Hobby wie Modellbauen oder Segelfliegen, sondern eine Subkultur, die sich Dingen beschäftigt, die der 08/15 Mensch lieber nicht erwähnt.
Dadurch werden wir zu etwas, was man sich wie im Baukasten zusammenbauen kann. Klamotten aus dem Szenekatalog, Musikgeschmack einfach abgucken und Inhalte aus den vielen Erklärungsansätzen im Internet. Für ein Wochenende im Jahr zum Gothic werden? Gar kein Problem.
Und ja, den letzten Satz deines Kommentars lasse ich dann mal auf der Zunge zergehen, dankeschön :)
@[[tim]] : Du darfst natürlich bei Deine Meinung bleiben. Es wäre ja langweilig, wenn Dir keiner Widerspricht.
Du darfst allerdings keine Wunder von öffentlich-rechtlichen erwarten, wie zum Beispiel die Erklärung von Phänomenen, die zwar existieren, die aber sonst kaum einer auf dem Schirm hat. Die Fotokult-Frage finde ich, nebenbei gesagt, auch sehr spannend.
Welches Herz suchst du? Ich finde, rein musikalisch, gab es immer schon ein Herz, das unter der Oberfläche schlug, abseits von HIM und Konsorten. Für mich sich das die Einstiegsdrogen in einer Szene, die immer schon mehr zu bieten hatte, als diese schillernde Oberfläche. Mir fällt ständig Musik vor die Füße, die ich von 10 oder 20 Jahren überhaupt nicht auf dem Schirm hatte, weil ich lieber an der glänzenden Oberfläche schwamm. Aber das Herz war da, davon bin fest überzeugt. Oder verstehe ich dich falsch?
Robert Ich gebe dir recht. Bestes Komplimente daher sind solche wie „Aus dir soll mal einer schlau werden.“ „Wie läufstn du rum?“ „Normal geht ja anders.“ usw.
Ich fand die Doku-Beiträge unterhaltsam und hab sie mir gerne angesehen. Und ja, sie waren wie ein schlecht geklebtes Trostpflaster. Mir kommt Herr Hofmanns Artikel eben so rüber, wie diejenigen die sich eben aufs WGT freuen, einen riesen Brimborium darum machen, hinfahren und anschließend auf Social-Media darüber meckern, wie doof doch alles war. Und dann nächstes Jahr wieder hinfahren. Ist wie mit Leuten, die dir auf einem netten Konzertabend großspurig erklären, das früher zu Zeiten von Album XYwasweißich die Band noch viel besser und cooler waren. Warum sind sie dann wieder hier. Keine Ahnung.
In Tim Hofmanns Artikel fehlen mir auch ein wenig die positiven Aspekte dieser Doku und die guten Szene-Protagonisten, die gezeigt werden. Thomas Thyssen zum Beispiel liefert viele völlig richtige Sichtweisen und auch, wenn die jüngsten Auswüchse der Szene nicht jedermanns Sache sind, so bleiben sie ein Bestandteil des Wave-Gotik-Treffens und damit auch der Szene.
Ist die Szene damit einfach nur nicht mehr Tim Hofmanns Szene? Es mag Ansichtssache sein, wie weit man seinen Ausführungen zustimmt.
Mir hat eben auch gefallen, das es eben nicht so ein Beitrag ist, wo das klassische „Verkleiden“ alá „Jetzt ziehen wir dich mal ein bisschen gothic-mäßig an“ war. Da bekomm ich immer Brechreiz.
Ich hatte in einem anderen Beitrag ja schon meine immense Kritik an diesem filmischen Meisterwerk welches durch meine/unsere Zwangsgebühren finanziert wurde ausgelassen. Ich bin mit Gothic Musik aufgewachsen, meine Freundin nicht. Daher sahen wir uns diese Doku an. Von ihr kamen seltsame Blicke, ich selbst schämte mich. Ich schämte mich!!!!!
Von einem Beitrag der mit meinen/unseren Gebühren finanziert wird, darf man doch ein bisschen was erwarten? Der Sender Arte schafft es ja auch gehaltvolle Dokus zu machen. Dem Filmemacher werfe ich ganz klar vor, das er dieses Projekt nur halbherzig erledigt hat. Dem Sender rate ich Arte aufmerksam zu verfolgen. Da scheint wohl noch Lehrbedarf zu bestehen. Dann gebe ich noch eine weitere Stimme hinzu, über die man gerne Nachdenken darf. Ich kenne sehr viele düstere Gesellen und Hexchen etc , die hier selten bis nie lesen und nie kommentieren. Einfach ALLE egal ob jung oder alt, fanden diese Doku mehr als schrecklich. Mehr als schrecklich.
Nossi : Wir könnten Berichterstattung über die Szene immer in der Luft zerreißen, über die Verschwendung von Gebühren schimpfen oder auch über Qualitätsjournalismus. Verhindern können wir sie natürlich nicht, dafür ist das Interesse immer noch zu groß. Ich habe mich dagegen entschieden, Berichterstattung pauschal abzulehnen, sondern habe ein Art von „Frieden“ geschlossen und versuche von Zeit zu Zeit sogar Einfluss zu nehmen oder durch sachliche Kritik etwas zu bewegen. Ob das nicht vergebens ist? Keine Ahnung. Ich fühle mich damit besser. Vielleicht müsste mehr Hexchen und düstere Gesellen kommentieren, um mich umzustimmen? :) Denn ich gebe zu, manchmal wäre es mir auch lieber, die diplomatische Flinte ins Korn zu werfen und einfach alles und jeden dilettantisch zu finden, der über die Szene berichtet. Aber nur manchmal :)
Wichtlhexe : Ich finde die Richtung des Beitrages gut, auch wenn man hier und da noch intensiver hätte arbeiten können. Ideal fänd ich Beiträge, die uns tatsächlich als Subkultur darstellen mit alle unseren Inhalten, unserer Musik, unseren Interessen und Vorlieben. Berichte die zeigen, dass zeigen, was wir noch sind, außer Verkleidungskünstler. Denn möglicherweise könnte man den Freizeitgoten zeigen: Hey, schwarze Klamotten reichen nicht um sich auf dem WGT zugehörig zu fühlen. Möglicherweise würde sich dadurch dieser ätzende Karneval langfristig entspannen.
Robert Lesen und Kommentieren : Einige sind schlicht zu faul zum kommentieren, einige trauen sich nicht, andere wissen nicht wie es geht (ja wirklich^^) und einige sehen keinen Sinn darin, manche haben auch keine Lust mehr. Die jüngeren lesen und kommentieren ja ohnehin nicht gern, ihrer mediale Präsenz beschränkt sich ja, dies ist nicht wertend gemeint, eher auf das teilen von Bildern und Selfies etc, Lesen ist nicht mehr so sehr „in“.
Einige Bekannte von mir haben auch sehr wilde und kritische Gedanken und würden diese ungern öffentlich schreiben. Warum zeigt der Kommentar des Armin R. Die Rekationen auf seinen Kommentar, finde ich dann doch bedenklicher, als sein Gemecker. Du hast hier sehr gut gezeigt, wie man auch mit Meckerern sachlich umgehen kann. Seine Kritik ist ziemlich heftig formuliert, aber nochmal, kann es sein es gibt Gründe dafür?
Ich selbst könnte Geschichten über manche beliebte Bands und Künstler erzählen, da würden einigen hier die Haare zu Berge stehen, ganz ohne Spray und Gel, und sicher könnte man dann eine sehr strenge Kritik dazu verstehen.
So etwas gleich als niveaulos zu bezeichnen…. da werd ich sehr nachdenklich, eine sportliche Diskussion ist mir persönlich IMMER lieber.
Mit ein Grund warum weder ich noch besonders viele die ich kenne in Fakebook Gruppen für Gothic sind, wenn man von der Norm abweicht, eine andere Meinung als die meisten anderen hat, wird man gleich als nievaulos (oder schlimmeres) bezeichnet… und ja.. ich werde bei so etwas immer nachdenklich und sage offen und ehrlich, find ich nicht gut, ich denke über alle Ansichten nach, nicht nur über die, welche ich mag oder nicht mag.
Kritik :
Ich selbst lese sehr gerne Kritik, egal um welches Thema, lese – höre sehr gerne verschiedene Stimmen zu Themen. Die ein oder andere Kritik, hat mich auch schon zum Nachdenken oder Überdenken angeregt. Ein Freund von mir hat in letzter Zeit einige sehr kritische Dinge geschrieben, die ich auf den ersten Blick, seltsam fand. Bei näherer Betrachtung, waren da aber einige anregende Gedankengänge dabei.
Keine Kritik geschieht grundlos.
Zu oft werden kritische Worte vorschnell verurteilt.
Mein Weg ist dies nicht, ich bin wie erwähnt, lieber für sportliche Diskussionen.
Nun, ein alter Spruch sagt, „der Ton macht die Musik“. Man kann meckern, schimpfen und kritisieren wie man möchte, wenn allerdings das zu „offensiv“ vorgetragen wird, reagiert man darauf immer auf den Angriff, weniger auf den Inhalt der Kritik. Das endet meist in einem Ohrfeigenwettbewerb, der weder Erleuchtung bringt noch die Meinung des jeweils anderen ändert. Huhn oder Henne? War es der Tonfall im Kommentar von Armin R. der die Reaktion in den Kommentaren erzeugte oder waren es die, die Armin R. Kritik auf den Ton reduzierten?
Ich finde, es liegt an jedem Einzelnen, damit umzugehen und einen Wind nicht zum Sturm werden zu lassen. Allerdings ist es je nachdem, wie leidenschaftlich man das Thema gerade findet, sehr schwer, den „Ton der Musik anzupassen“. Nossi, sowas gestehe ich jedem einfach mal zu.
Dem muss ich leider widersprechen. Kritisieren, um zu provozieren ist zwar ein Grund, aber ein dämlicher. Diese Erfahrung mache ich seit Jahren. Die Leute wollen provozieren und kritisieren, fragt man nach, geht sachlich darauf ein, setzt sich damit auseinander, kommt häufig NICHTS mehr. Lässt man sich provozieren, geht es weiter, weil der Provokateur sein Ziel erreicht hat. Aufmerksame Nossis können das hier im Blog häufig genug beobachten. Also: Keine Kritik ist Grundlos, aber es gibt Gründe, die sind einfach Scheiße.
Die Tatsache dass in gewissen südamerikanischen Ländern Gothic bei div. jungen Leuten durchaus noch „in“ ist wird wirklich gerne übersehen. Ich glaube das spielt aber auch die Situation eines Teils der Jugend dort eine Rolle, Straßenkriminalität, Arbeitslosigkeit oder Perspektivlosigkeit können durchaus dazu beitragen sich einer dunklen, vielleicht „nihilistischen“(?) Subkultur zuzuwenden (man bedenke wie die Wurzeln des Goth, die 80er in Europa aussahen: Kalter Krieg der (ein letztes mal) heiß zu werden drohte, Umweltzerstörung zum ersten mal wirklich breit thematisiert, … nicht umsonst entstanden damals neben Gothic auch noch Endzeit-Filme, dystopischer Cyberpunk & Co.)).
Robert Es hab vor, ich glaube 3 Jahren, eine FB Diskussion es müsste in der Gruppe Temple of Goth gewesen sein. Es ging um eine Kritik, die nicht Personen als Menschen galt von diesen aber so hingedreht wurde und nicht sachlich diskutiert wurde, sondern in einem sehr herablassenden Tonfall geschah. Seit diesem Vorfall, bin ich dem Label, auch nicht den Personen die damals aus eigenem Antrieb herablassend und unsachlich auf eine sachliche Kritik reagierten, auch nicht mehr wohlgesonnen.
Das meinte ich mit, keine Kritik, geschieht grundlos. Diverse berühmte Künstler werden auch oft kritisiert und ich kann dazu nur sagen, dafür gibt es oft Gründe. Ich finde halt, eine Kritik kann man ruhig auch mal stehen lassen oder dieser, wie du das tust, den Wind aus den Segeln nehmen und dem Sachlichkeit entgegen setzen. Einem Feuer mit Feuer zu begegnen, ist nicht der schwarze Weg, finde ich einfach. Einer Kritik über deren Motivation man nichts weiß und dies dann auch nicht wissen will, mit dem Totschlagargument niveaulos zu begegnen, ist aus meiner Sicht nicht unbedingt diplomatisch. So bin ich halt, da ich selbst nur Ausgrenzung erfahren habe, setze ich mich gerne für jene ein, die ausgegrenzt werden, warum auch immer ^^