Knicklichtgruftis im Galileo-Szene Check

Wie oft würde sich der Mann im Grabe umdrehen, wenn man einen Fernseher auf seine Überreste stellen würde. Galileo Galilei war nämlich nicht nur ein italienischer Mathematiker, Physiker und Astronom sondern auch Namensgeber für die Pseudo-Populär-Wissenschaftliche Unterhaltungs-Sendung Galileo, die jedes mal anstrebt, uns die Welt zu erklären. Und weil die Welt der Wissenschaft offenbar schon erschöpft ist, widmet man sich seit einiger Zeit auch eher Fragen die uns wirklich alle beschäftigen. „Wieviele Leute pinkeln eigentlich in so ein Freibadbecken?“  oder auch „Wieviel Gewicht kann man an einem Tag zunehmen?“  Mich schüttelt es immer noch bei dem Gedanken, was ich ohne dieses so erworbene Wissen gemacht hätte. Wohl möglich, dass mich der schiefe Turm von Pisa erschlagen hätte.

Doch jetzt wagt sich das TV-Magazin auch an die Jugendszenen heran und stellt die bekanntesten davon im Szene-Check vor. Dieses mal müssen die Cybernauten dran glauben, die im folgenden auch Cybergothic genannt werden. „Sie sehen aus wie von einem anderen Planeten, wie Manga-Männchen die in einen Farbtopf gefallen sind…“ so die Einleitung des Moderators. Kann ja heiter werden. Ich verweise an dieser Stelle an meinen Artikel: Subkultur! – Cybergothic, in dem ich mich neutraler und sachlicher mit dem Thema auseinandersetze, denn ein ironischer und vielleicht leicht spöttischer Eindruck im folgenden Artikel ist beabsichtigt und schwingt nicht nur subjektiv mit.

Die ersten Protagonisten überraschen mich also nicht wenn sie Cyber mit „Party, Party, Party!“ definieren oder von ihren „romantischen langen Haaren“ schwärmen. Immerhin versucht sich der Bericht halbwegs seriös zu geben und zieht Schlüsse, wo sich sonst noch niemand hin gewagt hätte. Eine Splittergruppe der schwarzen Szene mit düsterer Grundstimmung? Das einzige was bei den Cybernauten düster ist, sind die Räumlichkeiten in denen sie ihre Extremitäten schwingen. Vielleicht hat man auch jemand gefragt, der eine Schweißerbrille auf der Nase gehabt hat, denn die hat mit richtigen Gläsern tatsächlich einen düsteren Eindruck.

Die Video’s sind bei YouTube nicht mehr verfügbar. Können aber in der Pro Sieben mediathek abgerufen werden.

Jetzt bekommt die 6 Jahre alte Szene auch noch ein Hauptdarsteller, der mit seiner 1jährigen Erfahrungen sicherlich zu den alten Hasen zählt. Immerhin redet der junge Mann nicht allzu dummes Zeug sondern erweist sich als durchaus eloquent. Aber dann dieser Ausrutscher: „Die Cyberszene orientiert sich grobgesagt an einem technologischen Endzeitszenario, Nuklear, Holocaust, ect…“ Die Szene orientiert sich am Holocaust? Obwohl es im griechischen für „vollständig Verbranntes“ steht, bezeichnet man damit seit geraumer Zeit den Völkermord an etwa 6 Millionen Menschen, die das nationalsozialistische Regime als Juden definierte. Na, wenn das mal kein historischer Background für eine Szeneorientierung ist. . Kommentator Philippe merkt völlig richtig an: „Der Interviewte wurde vom Schreiber dieses Artikels falsch zitiert; und zwar sagt er nicht „Endzeitszenario, Nuklear, Holocaust, ect.“ sondern ganz klar und eigentlich gut zu verstehen „.. orientiert sich am nuklearen Holocaust etc.„.

Natürlich, ich habe den Protagonisten falsch zitiert und die Worte aus dem Zusammenhang gerissen. Bei erneuten ansehen des Interview heißt es wirklich „Nuklearer Holocaust„, was in diesem Zusammenhang natürlich vollkommen legitim ist und mit oben genannter Assoziation nichts zu tun hat, ich bitte um Entschuldigung.

Man steht auf apokalyptische Accessoires und will damit die Folgen unsere Seelenlosen Technikgesellschaft verkörpern. Hurra! Wenn ich also auf der Arbeit brennschneide oder Löte (denn zu etwas anderem taugen diesen Brillen nicht, schon gar nicht zu schweißen) bin ich Apokalyptisch! Ja, und überteuertes Geschenkband in den Haaren steht für die Zukunft in einer Post-Nuklearen Welt! Warum ich das erst durch diesen Bericht erfahren muss.

Die Wurzeln sollen im Gothic liegen? Im vermute die liegen im Techno, aber darüber lässt sich streiten. Das man optisch Filme wie Matrix anstrebt wage ich zu bezweifeln, denn wäre dort so ein Cyber rumgelaufen, hätten sich wohl höchstens die Maschinen erschreckt. Immerhin stellt unser Hauptdarsteller Raedone Mohamed fest, das ein Ideologie fehlt und stellt fest, das es auch keine Verbundenheit mit Friedhöfen gibt, die natürlich bei allen anderen Gothics angeboren ist.

Die musikalische Definition… Ich lasse es lieber bleiben, ich rege mich sonst nur wieder auf. Immerhin geht man mit dem Beispiel „Party’s für Cybers“, dem EOD in der Essigfabrik in Köln mit gutem Beispiel voran und formt den tanzwilligen ein spezielles Refugium ein. Am Tanzstil übrigens soll man erkennen woher ein Cyber kommt. Aha. Gibt es dazu eine Landkarte?

Freunde und Feinde, richtig, wir mögen die Cyber’s nicht und ja, wir bezeichnen sie als Knicklichtgrufti’s. Im Prinzip ist das wie im Fußballverein, ein Dortmunder Fan kann einen aus Schalke einfach nicht mögen, was mit dem Menschen nicht wirklich was zu tun hat. Ich kann eben auch nicht alle mögen und wenn mich alle mögen würde, wäre mein Name Knut.“Das ist eben Menschlich…1 Ja, das ist es.

Einzelnachweise

  1. Moonica von Fly me to the Moon in den Kommentaren zum Artikel Subkultur! Cybergothics.[]
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Kommentare

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von Karnstein
von Karnstein(@karnstein)
Vor 15 Jahre

Das mit dem Holocaust war mir garnicht aufgefallen… ^^
Ein ausgesprochen ungünstiger „Versprecher“ (oder was auch immer da schief gegangen ist), zugegeben ^^

Im Großen und Ganzen habe ich den Bericht aber relativ positiv aufgenommen, da doch die meisten Powerranger eben relativ deutlich machen, dass es Partykultur ist und mit Gothic nichts zu tun hat.

Tears
Tears (@guest_4240)
Vor 15 Jahre

Das mit der „schwarzen Sonne“ kann man jetzt aber auch falsch verstehen, zumindest wenn man vorher auch noch „Holocaust“ liest. Ich hoffe einfach mal, das war Absicht. :D

Der Bericht ist wirklich gut, erst recht für Galileo-Niveau und sollte uns eigentlich allen sagen: Nächstes mal in der Disco schreien wir alle „BEATDOWN“ und werfen nicht die Emos durch den Raum sondern die Knicklicht-Fetischisten. >:)

Philippe
Philippe (@guest_5245)
Vor 15 Jahre

Weil das hier wohl Keiner richtig aufgefasst hat, die Erklärung zur Holocaust-Thematik:

Der Interviewte wurde vom Schreiber dieses Artikels falsch zitiert; undzwar sagt er nicht „Endzeitszenario, Nuklear, Holocaust, ect…“ sondern ganz klar und eigentlich gut zu verstehen „.. orientiert sich am nuklearen Holocaust etc.“.

Er meint damit natürlich den Weltuntergang durch einen Atomkrieg (passend zur Endzeitszenario-Thematik der Cybers), wie in der Zeit des Kalten Krieges häufiger benutzt und obv nicht die Vernichtung von 6 Millionen Menschen.

Der Gute hat sich also nicht versprochen sondern wurde einfach nur falsch verstanden.

Nur als Korrektur,

Philippe

shan_dark
shan_dark (@guest_9807)
Vor 14 Jahre

Prima, vor Ironie und Zynismus tropfender Beitrag. Gerne mehr davon.

Leider kann ich mir den Bericht nicht mehr ansehen, da schon entfernt von SevenOne. Aber dank des Artikels kann ich mir ein gutes Bild machen – hab wohl nicht viel verpasst. Die (musikalischen) Ursprünge von Cyber im Gothic zu sehen ist ja Schwachsinn, aber mehr „Tiefe“ kann man vom reißerischen Gallileo auch nicht erwarten.

Ich mag die Cyber“goths“ als Teil der Szene auch nicht und blende sie bei Begegnungen einfach aus. Nicht persönlich bezogen auf den Einzelnen, aber ich kann das nicht mit Gothic in Verbindung bringen, es hat keinen Anspruch, den ich respektieren kann. Eigentlich tun sie mir leid, weil sie so schon kaum noch aber nun nach der diesjährigen Loveparade gar keinen Spielplatz zum Partymachen mehr haben. Bleiben ja nur noch die Electro-/Futurepop-Events der schwarzen Szene. Schauen wir mal, wie sich das entwickelt – ob es mehr oder weniger werden.

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