„Gammler. Jugendliche die vielfach den Verzicht auf Hygiene zur Weltanschauung erheben wollen.“ Die arme Gesellschaft. Muss sich aber auch ständig an neue Lebensentwürfe und Einflüsse gewöhnen. Es gibt Dinge, die ändern sich einfach nicht.
Die Gammler und Provos: Subkulturen im Widerstand der 1960er Jahre
In den 1960er Jahren, insbesondere ab 1964, prägten die „Gammler“ das Bild urbaner Lebenswelten in Europa. Diese Jugendkultur spaltete die Meinungen: „Die Gammler waren in Haltung und Kleidung lebendiger Protest. Ungepflegt und teilweise heruntergekommen, störten sie das bürgerliche Sauberkeitsempfinden entschieden; ihr langes Haar stellte das Bild des männlichen Versorgers mit Familie und Besitz in Frage.“ (Hollstein 1969, S. 38). Die Gammler lebten öffentlich ihre Abkehr von den Werten der Leistungsgesellschaft aus. Sie genossen die Sonne, lasen, musizierten und verweigerten sich dem gesellschaftlichen Druck, der die Menschen zur ständigen Arbeit und zum Konsum drängte.
Diese Jugendkultur war keine aggressive Antwort auf die gesellschaftlichen Normen, wie sie die Halbstarken der 1950er Jahre repräsentierten, und auch nicht so politisch orientiert wie die späteren Hippies. Die Gammler suchten nicht nach einer programmatischen Veränderung der Welt, sondern wollten in Ruhe gelassen werden. Viele von ihnen stammten aus der Mittelschicht und versuchten, dem aufgezwungenen Kanon gesellschaftlicher „Pflichten“ zu entkommen.
Ein prägnantes Bild zeichnet Jack Kerouac in seinem Werk, als er die Gammler als Rucksackwanderer beschreibt, die sich weigern, den Anforderungen der Konsumgesellschaft nachzugeben: „Das Ganze ist nämlich eine Welt von Rucksackwanderern, die sich weigern zu unterschreiben, was die Konsumgesellschaft fordert: dass man Produziertes verbrauchen soll und daher arbeiten muss, um überhaupt konsumieren zu dürfen.“ Diese Haltung stellt eine Abkehr vom starren System von Arbeit und Konsum dar und propagiert eine Art von Freiheit, die in der Lebensweise der Gammler sichtbar wird.
Der Einfluss der Gammler
Die Gammler inszenierten ihren Ausstieg aus der Leistungsgesellschaft in einer Weise, die nicht nur für sie selbst bedeutend war. Sie wollten keine Macht erobern, sondern sich von deren Einfluss befreien. Diese Haltung genügte jedoch, um das etablierte System zu beunruhigen. Ihre bloße Anwesenheit provozierte die nationalsozialistisch geprägte Wiederaufbaugeneration, die in den Gammlern eine Bedrohung für die gesellschaftlichen Normen sah. So versprach Bundeskanzler Ludwig Erhard im Juni 1966, alles zu tun, um dieses „Unwesen“ zu zerstören, während die NPD in ihrem Parteiblatt forderte, das Problem „radikal und im Sinne des gesunden Volksempfindens“ zu lösen, wie im Spiegel von 1966 zu lesen ist.
Viele Bürger, die sich über die Langhaarigen empörten, hatten diese Subkultur lediglich aus den Medien kennengelernt. Tatsächlich gab es in Deutschland nur eine kleine Anzahl von Gammlern, die sich vorwiegend in wenigen Großstädten versammelten.
Die Provos: Provokation als Strategie
In den Niederlanden entwickelte sich aus der Gammler-Bewegung die Gruppe der „Provos“. Diese setzten den impulsiven Widerstand der Gammler in eine bewusste, politisch motivierte Provokation um. Sie waren nicht nur Aussteiger, sondern versuchten aktiv, die bestehenden Strukturen zu hinterfragen und zu durchbrechen. „Sie wollten keine Subkultur, ihre Aktionen zielten darauf ab, erstarrte Strukturen aufzubrechen“ (bpb, „Swinging Sixties“ von Klaus Farin)
Die Provos waren eine heterogene Gruppe von Jugendlichen, die keine festen Hierarchien oder Führungsstrukturen kannten. Ihre Hauptziele waren die Entlarvung und Demaskierung autoritärer Gesellschaftsstrukturen durch provokante Aktionen. Dies unterschied sie deutlich von den späteren Hippies, die oft nach einer autonomen Lebensweise strebten.
Die Provos bezeichneten sich selbst als eine Jugendbewegung, die agitiert, provoziert und Unruhe stiftet. Sie initiierten kreative und oft kontroverse Aktionen, die darauf abzielten, die passive Akzeptanz gesellschaftlicher Normen in Frage zu stellen. Indem sie das Established provozierten, strebten sie danach, das Bewusstsein der Menschen zu schärfen und die gesellschaftlichen Diskurse zu verändern.
Sowohl die Gammler als auch die Provos repräsentierten eine Rebellion gegen die gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit. Während die Gammler eine informelle und entspannte Abkehr von der Leistungsgesellschaft inszenierten, gingen die Provos einen Schritt weiter, indem sie ihre Provokationen gezielt einsetzten, um das System herauszufordern. Beide Gruppen trugen zur Schaffung eines neuen Bewusstseins für Freiheit und Individualität in der Gesellschaft bei und hinterließen einen bleibenden Einfluss auf die kulturellen Bewegungen der 1960er Jahre.
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Es ist so erschreckend und so aktuell! Die Haltung hinter diesen Hass-Statements ist so zeitlos wie formlos. Wer da gerade verdammt wird, ist austauschbar. Hauptsache jemand, der „aus der Reihe tanzt“, sei es Outfit, Religion, Hautfarbe … denn Hass braucht nicht Lösungen, sondern Schuldige …
Das ist es, was ich meine, wenn ich hier immer wieder behaupte: unsere Szene muss erkennen, muss sich dazu bekennen, politisch zu sein! Nicht für eine Partei oder Richtung, sondern einfach für die Freiheit, anders zu sein. Das ist unsere Existenzbedingung! Und wir dürfen uns auch nicht damit entschuldigen, dass es gerade um „andere“ geht. Sie sind nur die ersten, wir kommen später …
Genau deshalb halte ich eine „unpolitische“ schwarze Szene für eine absurde, verhängnisvolle Illusion!