Ab dem 02. Februar 2022 gibt es in der ARTE-Mediathek die Dokumentation „Christiane F. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo: Lost Generation“ zu sehen, die eine ganze Reihe von Sendungen rund um das Thema Christiane F. vorangeht. Die Doku will einen Blick auf die deutsche Drogenszene der späten 70er werfen, die bis zu einer damaligen Artikel-Serie im Stern völlig unbekannt war. Drogensucht – vor allem die von Kindern und Jugendlichen – wurde mit den Artikeln und dem Buch erstmals thematisiert und zwangen in der Folge die Gesellschaft zum Handeln.
Schon wieder eine Christiane F. – Doku?
Ich habe den Eindruck, dieses Thema hat nichts an seiner Brisanz verloren, gerade im Hinblick auf die jüngste Serie, die auf Amazon ausgestrahlt wurde, ist es wichtig wieder den Blick auf die Wahrheit zu richten, und sich nicht von lackierten und perlweiß gebleichtem Serienspektakel auf eine falsche Fährte locken zu lassen. Auch damals fanden das Thema einige „faszinierend“, während es viele andere allerdings als abschreckend empfanden. Denn die Geschichte von Christiane F. bleibt auch 2022 tragisch.
Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo: Lost Generation
Neben dem Film von 1981, der auch ab dem 02. Februar in der Mediathek und am 09. Februar im analogen TV ausgestrahlt wird, ergänzen die oben genannte Dokumentation und eine Doku über den Kino-Film die Reihe. In „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo: Lost Generation“ nähert man sich anhand Christianes Erzählungen einem Einblick in die Lebenswelten der damaligen Berliner Jugend. Dabei steht nicht nur der „prominenteste Junkie“ im Vordergrund, sondern auch die Umstände, die dann dazu geführt haben dürften, einen Ausweg in Drogen zu suchen.
Christiane F. – Kino im Rausch
Der Spielfilm „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ feiert 1981 seine Premiere in deutschen Kinos. Die radikalen Bilder, die Regisseur Uli Edel auf die Leinwand bringt, spalten die Zuschauer. Noch nie zuvor wurden Dorgenkonsum, Entzug und Prostitution so schonungslos dargestellt. „Nie zuvor veröffentliche Casting-Aufnahmen und Stimmen von einem Großteil der damaligen Crew wie dem Regisseur Uli Edel, dem Drehbuchautor Herman Weigel, dem Produzenten Hans Weth und dem Darsteller Thomas Haustein erzählen von den schwierigen Bedingungen bei den Dreharbeiten, von der Mitwirkung David Bowies und dem Umgang mit dem Erfolg.“
Und täglich grüßt das Murmeltier?
Vermutlich geht es vielen Lesern so: Ist es nicht an der Zeit, die Geschichte von Christiane F., im Äther des Vergessens untergehen zu lassen? Warum wird Deutschlands berühmtester Junkie nicht einfach verdrängt? Möglicherweise, weil sich das Problem noch immer nicht gelöst hat. Im Gegenteil. Jugendliche sehen sich auch 2022 einer gesellschaftlichen Depression gegenüber und kaum jemand ist da, um ihnen die Hand zu reichen.
Streetworker, Jugendclubs und Freizeitangebote schließen vollständig oder sind während der Pandemie nicht nutzbar. Aber danach werden sicher keine neuen Einrichtungen aus dem Boden sprießen, denn es gibt kaum noch öffentliche Träger, die sich einen „Jugend-Luxus“ leisten können oder wollen. Verrückt, denn eigentlich wollen doch alle das Gleiche, oder?
Das Buch ist der Semi-Fiktionale Gruselschocker der Mittelschichten, die an diesem Buch lernten, das dürfen wir bei unseren Kindern nicht zulassen! (Jan Feddersen, Die Tageszeitung)
Wirklich ein gelungener, wenn auch stellenweise zu unkritischer Bericht über die Entwicklungen von damals, wie ich finde. Schade ist beispielsweise, dass wir immer noch bei Einrichtungen, die damals ins Leben gerufen wurden, sparen. An der Anzahl der Suchtkranken, die sich in einer Form von autoaggressivem Verhalten Substanzen in den Metabolismus jagen, hat sich meiner Wahrnehmung nach nicht viel verändert. Schaut unbedingt mal rein in die Doku, wenn ihr euch dafür interessiert.
Ich finde das Thema auch immer noch spannend. Gerade heutzutage denke ich, dass der Film von 1981 insbesondere davon lebt, so ungeschönt zu sein. Das macht ihn unaufgeregt authentisch, auf natürliche Weise dramatisch und in seiner Wirkungsweise vielleicht auch für die Jugend zwischen Instawelt und Co. reizvoll. Ich bin gespannt auf die Doku. Danke für´s Teilen Robert!
Mich hat er damals abgeschreckt. Möglicherweise habe ich nie dazu tendiert, mich „aus dem Leben zu ballern“, von einigen Alkohol-Exzessen in der Jugend mal abgesehen. Orphi Eulenforst zeigt sich damals von Christiane und ihrem Leben fasziniert und fand es cool so zu leben. Allerdings hat auch sie keine Drogenerfahrungen gemacht :-) Hat Dich der Film auch so nachhaltig beeinflusst oder welchen Film fandest du besonders prägend?
Ich finde das Thema ebenfalls spannend. Zumal Christiane F. im Grunde genommen doch auch nur ein sehr prominentes Beispiel für eine ganze Reihe Jugendlicher inmitten einer gesellschaftlichen Depression darstellt. Wie ich ja schon an anderer Stelle mal anmerkte ist mir das Thema Drogensumpf nicht ganz unbekannt, da meine Cousine während ihrer Punkzeit in den 80ern in genau so einem Sumpf steckte. Auch sie war eine Art Christiane F., wenn auch mit dem Unterschied, dass meine Cousine nach dem Drogentod ihrer damals besten Freundin aus dem Sumpf wieder herausfand und heute ein ganz normales Familienleben führt. Damals war ich noch Kind und verstand vieles von dem erlebten einfach nicht. Ich bekam davon nur mit wie kaputt meine Cousine zu dieser Zeit aussah, oder wenn sie mit Suchtdruck mitten in der Nacht bei allen möglichen Leuten aus der Familie (auch bei uns) sturm klingelte und um Geld bettelte. Welch Hintergründe dort verborgen lagen konnte ich als Kind nicht einschätzen. Wie ich ja schon mal schrieb führte das jedoch dazu, dass mir damals von Punk ein sehr einseitiges Bild vermittelt wurde, mit welchem ich über viele, viele Jahre lang nichts zu tun haben wollte. Das muss mich damals stark geprägt haben. Allerdings glaube ich auch, dass diese Erfahrungen dazu beitrugen dass ich bis einschließlich heute nie das Verlangen verspürte mehr auszuprobieren als gewöhnlichen Tabak und das ein oder andere Glas Alkohol. Und nein: Ich habe nicht das Gefühl in der Hinsicht je irgend etwas verpasst zu haben.
Heute finde ich das ganze Thema einfach nur unglaublich spannend. Über die besonders harten Zeiten ihrer Exzesse redet meine Cousine bis heute nicht gerne, auch wenn sie seit vielen Jahren clean ist und außer den Erinnerungen fast nichts mehr von ihrer Zeit als Punk übrig blieb. Daher bohre ich da auch nicht weiter nach und nehme stattdessen lieber Dokumentationen, Filme und Bücher wie eben auch die der Christine F. entgegen. Und ja, den Film von 1981 fand ich sehr bewegend und aufschlussreich. Auch wenn ich ihn erst viele Jahre nach seiner Erstveröffentlichung sah. Daher freue ich mich tatsächlich auch auf diese Doku, welche (so hoffe ich) mir weitere Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt der damaligen Jugendlichen gewähren kann. Denn so wie du am Ende schreibst, finde auch ich es ein wenig erschreckend dass wir in Zeiten der Pandemie und einer neuen gesellschaftlichen Depression aus wirtschaftlichen Gründen erneut wichtige Jugendarbeit wegfallen lassen. Manchmal wirkt es schon fast so als drehten wir uns gesellschaftlich lediglich im Kreis.
Das Original gibt es zurzeit noch in der Mediathek der ARD zu sehen. Was für eine Zeitreise.
Ist leider nur mit Altersbestätigung zu sehen, d.h., mit Anmeldung.
https://www.ardmediathek.de/video/arte/wir-kinder-vom-bahnhof-zoo-oder-drama/arte/Y3JpZDovL2FydGUudHYvdmlkZW9zLzAwMzMxMy0wMDAtQQ
Als ich damals zum ersten mal von Crystal Meth gehört habe war ich entsetzt. Sowohl direkt nach dem Konsum als auch die Langzeitwirkung. Ein ganz schreckliches Zeug. Und obwohl man weiß wozu das Zeug führt gibt es immer wieder Menschen die dazu greifen. Ich frage mich was die dazu bewegt es zu nehmen. Was ist in diesen Mensch passiert das er sich dazu entschließt das Zeug zu nehmen?! Und hier ist wieder einmal die Gesellschaft gefordert !! Statt zu bestrafen und brandmarken muss die Gesellschaft die Hand reichen um zu helfen und die Gründe eliminieren anstatt noch rein zu treten wen man am Boden liegt….
Im Grunde ist das ein Spiegel wie es um unsere Gesellschaft steht und wie man damit umgeht.
Ich könnte noch das eine oder andere dazu sagen, aber das würde den Rahmen evtl sprengen…..
edit: ich hatte ein gerade zufällig entdecktes TV-Interview mit Delef und Frank „Hühnchen“ von 1981 verlinkt, was aber dermaßen mies von der Tonqualität war, dass ich es doch keinem zumuten wollte.
Das Video hier ist zwar auch kein Hit in Sachen Ton, aber zum einen sehr ausführlich und zum anderen kommen auch die anderen Überlebenden von damals zu Wort, ich finde die Doku sehr gelungen:
https://www.youtube.com/watch?v=CKoIghfXMGA