Eine Frage, die mich immer noch beschäftigt: Ist es überhaupt möglich, ein erklärendes, allumfassendes Bild der schwarze Szene abzugeben? Ich persönlich halte es für schwierig, wenn nicht unmöglich. Man kann immer nur einen IST-Zustand darstellen, eine Wunschvorstellung äußern oder der Vergangenheit nachtrauern.
Die Sendung „Planetopia“ auf Sat.1 begnügt sich mit dem momentanen Zustand und wirft eine Sicht auf das jüngste WGT, die sicherlich darauf zielt, die Sensationslust der Zuschauer zu befriedigen und genau die Strömungen der schwarzen Szene darzustellen, die kontrovers, exhibitionistisch und medienwirksam sind. Einfach nur schwarz, das wäre langweilig.
Und dennoch: Planetopia hat sich Mühe gegeben, ein umfassendes Bild zu vermitteln, das dem einen oder anderen sicherlich – und ich möchte mich davon nicht freisprechen – sauer aufstoßen wird, aber von der Wahrheit vielleicht nicht ganz so weit entfernt ist, wie man es sich wünschen würde. In der Beschreibung zur gestrigen Sendung, die auf der Internetseite angeschaut werden kann, heißt es:
Planetopia zeigt die Identitätskämpfe einer Gruppe, die aus der Enge der Subkultur herausgewachsen ist. Beklagt werden mitunter das einfache Feierpublikum, zu viel „Schick“ in der Schminke und zu sehr auf Mainstream getrimmter Dark-Pop. Planetopia begleitet eine Horror-Punk-Band, ein Gothic-Model vor einem Showauftritt, einen Szene-Fotografen auf Motivsuche, einen Kulturwissenschaftler beim Studium kollektiver Entrückung und Festivalbesucher, die ihrem Alltag entfliehen. „Schwarz ist bunt! – Das Festival der Dunkelwelt in Leipzig“ erkundet die Faszination, die vom Düsteren ausgeht und eröffnet so seltene Einblicke in eine skurrile Nische des Zeitgeistes.
Zum Inhalt: Gleich zu Beginn das Gefühl: Jein. „Gothic-Girl“ Rebecca zum Fotoshooting bei Martin Black. „Gesehen und gesehen werden„, darauf freut sich Rebecca beim Gedanken an das Wave-Gotik-Treffen „Und wenn das Fotolicht den Lack glänzen lässt, zeigt Rebecca ihre dunkle Seite…“ Konsequente schalten hier bereits ab, denn Lack-Klamotten sind keine dunkle Seite, sondern in erster Linie ein dunkles Outfit.
„Aber ist auch ein schönes Korsett wo du hast.“ – „Könnte nur etwas enger sein.“ – „Ja gut, das machen wir nachträglich enger.“ Worum geht es? Die Darstellung eines Menschen in seinem Outfit oder die Realisierung von visuellen Wunschvorstellungen? Augenwischerei. Höchstwahrscheinlich sind alle Bilder in Hochglanzmagazinen der schwarzen Szene auf diese Art und Weise manipuliert, zeigen ein Bild, das so nicht existiert. Ihr Outfit sei auch eine Botschaft, denn es spiegele die Dominanz der Frau, sagte sie. Für mich persönlich passen Outfit, Einstellung und Botschaft wohl eher in die Fetisch-Szene, denn das hat mit Gothic nach meiner Definition so rein gar nichts zu tun. Auch die beiden Nachfolgenden „Gothic-Girls“ haben mit Ästhetik nicht viel zu tun, sondern erfreuen sich an ihrer Selbstdarstellung und schaffen es somit, bereits nach rund 4 Minuten den Eindruck zu erwecken, beim WGT handle es sich um einen Fetisch-Karneval der Selbstdarstellung. Die Mode-Designerin für Latex Klamotten fügt sich nahtlos ein. Die Designerin kann, so sagt sie, endlich 5 Tage verrückt rumlaufen, ohne negative Folgen fürchten zu müssen. Doch eine Verkleidung sei das Ganze für sie nicht. Sie möchte sich in all ihren Facetten selbst darstellen. Aha.
Ja, da kann man schon mal emotional reagieren: „Ein Gothic-Traum in Blau-Weiß“ So viel Unsinn auf einen Haufen strapaziert die Nerven. Das hat nichts – aber auch rein gar nichts – mit der Szene zu tun. Von mir aus können Männer in glänzenden Uniformen und Frauen in lustigen Matrosen-Outfits im Latex-Ballparadies spielen gehen, dabei lächeln und sich mit Spray besprühen, damit alles so schön glänzt.
Doch es gibt auch Interviewpartner, die Beschäftigung offenbaren, wo man zunächst keine vermutet hat. Peter Steffen, Restaurantbetreiber: „Schwarz, Unheil, Wave, Gotik, Tod, das waren so Dinge, die man nicht so richtig verarbeiten konnte und dann wurde es von Jahr zu Jahr mehr, man kam immer mehr ins Gespräch, kam in Kontakt und stellte fest: Rechtsanwälte, Ärzte und solche Dinge und dann stellte man fest, internationales Publikum von Kanada, Australien, also quer durch diese Welt. Da hat man gemerkt: Oh, dass ich nicht bloß eine Randgruppe von Spinnern, das wirklich ein Lebensstil, eine Lebensart. Mittlerweile ist es auch ein Wirtschaftsfaktor geworden.“ Überhaupt findet man kaum Leipziger, die dem Treffen ablehnend gegenüberstehen.
„Nichts erinnert mehr an Gruftie Tristesse. Die Cyber mögen es schrill, laut und sexy. (…) Man hat den Eindruck, das in der Wave-Gotik-Welt Musikmoden gefeiert werden, die anderswo schon als etwas überholt gelten.“ Dass die Welt unübersichtlich geworden ist, lässt sich nicht abstreiten. Es fällt schwer, die einzelnen Stile zu trennen, vor allem dann, wenn sie immer wieder unter das gleiche Wort gestellt werden: „Gothic“ oder „Schwarze Szene“.
Als man sich den umstrittenen Uniform-Trägern widmet, liegt der Schluss nahe, einer „rechtsextremistischen Unterwanderung“ nachzugehen, zu der ein Kulturwissenschaftler ausführt: „Diese Ästhetisierung des Todes ist natürlich was, das ideologisch anschlussfähig ist für Militaristisches oder weitergehendes rechtes Gedankengut.“ Doch Planetopia stellt fest, dass es innerhalb der Wave-Gotik-Szene nicht mehr Rechtsextreme gibt als in der Gesamtgesellschaft. Kurz, aber richtig, obwohl ich den Schlussfolgerungen des Kulturwissenschaftlers nicht wirklich folgen möchte, denn dass sich von der Ästhetisierung des Todes zum rechtsextremen Gedankengut eine Brücke schlagen lässt, finde ich fraglich.
Das Ende ist erwartungsgemäß so schrecklich wie der Anfang. Lächerliche Frankenstein-Inszenierungen mit Go-Go Tänzerinnen machen den Blick frei auf eine glänzende Zukunft. Kann man den Bericht verurteilen weil er zeigt, was ist? Einschaltquoten liefert das, was den gesellschaftlichen Geist vor der Flimmerkiste fesselt. Da passen tiefsinnige und schlicht in schwarz gekleidete Grufties eben nicht hin. Und wenn doch, würde sich niemand dafür interessieren.
„Lasst uns in Ruhe“. Die Grundhaltung vergangener Zeiten scheint erreicht. Irgendwie jedenfalls. Für den Gruftie, der so aussieht wie damals, sich so verhält wie er ist und das lebt, was er leben möchte, ist kein Platz in den Köpfen des Publikums. Niemand interessiert sich für ihn. Melancholisch, introvertiert, still und nachdenklich schaltet eben niemand ein. Kein Publikum, kein Film? Wo sind die engagierte Filmemacher und Fotografen die sich noch tatsächlich mit dem Phänomen auseinandersetzten und der schrillen Mainstream-Berichterstattung etwas Alternatives gegenüberstellen? Das Schlusswort überlasse ich der Sendungsbeschreibung selbst:
„Doch die Szene, die vor 30 Jahren ihre Anfänge hatte und neuen Zulauf bekam, als die Zeit von Punk und New Wave verblasste, ist heillos zersplittert: Goten, Grufties, Dark Waver, Death Rocker, Horror Punks und Endzeitromantiker sprechen für einen Lifestyle, der für die Pioniere der Szene inzwischen zu viele Facetten kennt.„
mhm… „aggressives schwarz“ O_o
Ich habe es gestern auch gesehen und war sauer.
Doch dann habe ich auch das gedacht, was du geschrieben hast:
Da ist wohl mehr dran, als man wohl möchte.
Jedenfalls habe ich mich schon zu Beginn gefragt, wann denn endlich die Grufties auftauchen.
Zwisschendrin gab es nur wenig Sachen, die irgendwie gut dargestellt wurden.
Im Großen und Ganzen hat man dan Eindruck, dass nicht nur das WGT, sondern auch Gothic einfach nur ein ganzjähriges Faschingsfest ist, bei dem Musik und eine gedankliche Grundhaltung keine Rolle spielt. Ein fest, bei dem jeder mitmachen kann, wenn er 1000€ für „Ein Gothic-Traum in Blau-Weiß“ hat.
Ich habe eh nicht viel erwartet, aber dennoch ist es irgendwie ärgerlich.
Allerdings weiss ich noch nicht was das ärgerliche ist: Die schlechte Doku oder die Tatsache, dass die Dargestellten Dinge nicht zwangsläufig eine Lüge sind.
Das ist ja wirklich eine furchtbare Reportage, auch wenn man sich hätte denken können das wenn Sat1 übers WGT berichtet, dass dabei nix gutes rauskommen kann.
Warum zum Geier verbinden so viele Gothic mit Latex??? Ich kenne keine einzige Person in meinem näheren Umfeld, die sowas trägt. Ich hatte mal für Fotozwecke vor vielen Jahren einen Latex-mini an- für mich das erste und letzte Mal gewesen. Und auch als ich mal 2006 auf der Fetish-Evolution war, da hats überhaupt nicht vor Gruftis gewimmelt, was man ja annehmen könnte, wenn man nach der Logik der Reportage-macher geht -.-
Ich habe selbst früher Gothic nie in Verbindung mit Latex oder Lack gebracht, eher mit Stoffen wie Samt (nein, nicht den blöden Pannesamt), Spitze, Satin usw. aber ich seh schon, ich bin wohl für dir heutige Zeit nicht fetisch genug ;D
Ansonsten sehe ich das genauso wie ASRianerin…man bekommt echt den Eindruck, dass das WGT nur eine fünftägige Faschingsveranstaltung ist, wo vieles rumrennt, was vielleicht irgendwo kreativ sein mag- für mich aber rein gar nichts mit Gothic zu tun hat. Und ja, ich weiß auch nicht, über was ich mich mehr ärgern soll: die Doku oder darüber, dass vieles was in der Reportage angesprochen wurde leider schon Realität ist…
Hab das gestern mit meiner Mutter gesehen und dachte mir nur dauernd: „Schwachsinn – Schwachsinn – Schwachsinn – Schwachsinn….“
Was mir ja aufgefallen ist: Während der Fetisch sachen hab ich im Hintergrund Fields und ähnliche rausgehört, als aber dann später auch mal Batcaver (oder auch Horrorpunks *g*)gezeigt wurden, kam im Hintergrund Technogewummere xD
Was mir schon seit dem Amphi-Artikel aufstößt ist die abfällige Verwendung der Bezeichnung „Karneval/Fasching“. Ihr benutzt diese Begriffe, als stünden sie für Saufgelage und „Ballermannathmosphäre“, dabei kennt offensichtlich keiner von euch die Geschichte dieses Brauchs.
Zu dem Bericht kann ich nur sagen, dass er – von wenigen klaren Momenten abgesehen – einfach nur dem Massenpublikum dient. Ohne jeden Anspruch auf realitätsgetreue Darstellung.
@nrsss
Welcher Brauch hängt heutzutage schon noch mit seinen Wurzeln zu sammen?
Halloween hat auch längst nichts mehr damit zu tun, die zwischen diesseits und Jenseits wandelnden Seelen zu ersschrecken ;D
@Schatten: Wenn man z.B. die Geisterzüge in Köln betrachtet: Der Karneval hängt noch damit zusammen ;)
Ansonsten würde deine Argumentation auch bedeuten, dass die gesamte Gothicsache von Anfang an nichts anderes war als z.B. Karneval… Ursprünglich mit Sinn und nun von der Spaßgesellschaft vereinnahmt.
Wieso soll eine Reportage Rosinen aus nem Haufen Mist sammeln, wenn der Mist repräsentativ ist ? Ich habs mir angeschaut und konnte im Grunde nichts entdecken, dass ich nie so erlebt hätte in den letzten etwa 10 Jahren.
Die normalo-bunte Welt ist so mies geworden, da wirkt seit ein paar Jahren die Schwarze Szene schon attraktiv bis schillernd. Das lockt viele Menschen mit ihren Vorliebe und Stilrichtungen an. Von mir aus dürfen alle dazukommen, solange uns die Kekse nicht ausgehen.
Ganz ehrlich: Die Reportage ist so schlecht nicht, weil sie zeigt, wie die Szene heute nun mal aussieht. Kann doch das Planetopia-Team nix dafür, dass Festivals wie das WGT inzwischen von neonleuchtenden Selbstdarstellern und peinlichen Wochenendgruftis bevölkert werden. Und wenn in dem Bericht von Karneval und Verkleidung die Rede ist, so ist das doch in weiten Teilen eine zutreffende Beobachtung.
Davon mal ab: Jeder halbwegs pfiffige Grufti wird um ein Sat.1-Team einen weiten Bogen machen. Die Gefahr ist einfach zu groß, dass man vor einem Millionenpublikum zum Deppen gemacht wird.
Die Außenwirkung so einer Berichterstattung finde ich allerdings für die Szene vernichtend: Früher sorgten die Tod-und-Teufel-Klischees zumindest dafür, dass nicht jeder Heini in Schwarz macht. Heute wird Goth in den Medien als Teil der Spaßgesellschaft verkauft. Und Heini will dabei sein – fürn Wochenende zumindest mal.
Dein Review zu dem Beitrag ist prima – ich habe es ganz genauso empfunden. Am meisten gestört hat mich, dass alles nur noch auf Mode, Styling und Outfits hinauslief. Andere Facetten der schwarzen Szene wurden gar nicht beleuchtet bzw. waren die portraitierten Mitwirkenden vermutlich auch nicht in der Lage einzubringen (oder es wurde herausgeschnitten?).
@Katrin: Du hast recht, es ist (leider) ein repräsentatives Portrait der heutigen Szene und so Leute sind (zu) zahlreich vertreten. Die „Rosinen“ geben eben keine Interviews oder Einblicke für Sat1, verdienen ihr Geld nicht auf der Reeperbahn, denen geht bei einem ‚Matrosen-Dirndl‘ (O-Ton) keiner ab und sie sind nicht das, was ‚medientauglich vermarktbar‘ ist und Quote bringt.
@Pitje: Das mit der Außenwirkung sehe ich ganz genauso. Es ist verheerend…
Eine Reportage, die – meiner Ansicht nach – an Belanglosigkeit kaum zu übertreffen ist.
@Karin: Harte Worte, denen ich so nicht beipflichten möchte. Ich hatte niemals Probleme, die „Rosinen“ zu finden, was für mich den Schluss zulässt, dass es hier doch deutlich mehr gibt und eine große Suche gar nicht nötig ist. Man nehme einfach einmal die Musikauswahl. In diesem Jahr waren wirklich viele Künstler vor Ort, die tief in der Szene verwurzelt sind oder sie zumindest nachhaltig geprägt haben. Gezeigt wurde davon keine einzige. Auch hat sich mein Auge in diesem Jahr über viele „Old-School-Gruftis“ und „Batcaver“ etc. erfreut. Aber in diesem Beitrag? Fehlanzeige.
Sicherlich: Es wurde ein Teil der momentanen Szene gezeigt. Ein anderer (ursprünglicher) Teil, der im krassen Gegensatz steht, wurde hingegen ausgelassen. Warum? Vielleicht weil dieser Teil keine Lust hat, sich die Worte von einem Privatsender im Munde verdrehen zu lassen. Weil dieser Teil eventuell gar keine Notwendigkeit darin sieht, sich der bunten Spaßgesellschaft, deren Ablehnung ja ein Merkmal der ursprünglichen Szene ist, zu erklären.
@Marcus: Richtig, das Line-Up war überwältigend großartig. Ich fürchte nur, die Masse Mensch, die sich dort tümmelte, hat dies gar nicht zu würdigen gewusst. Aus verschiedensten Gründen sicher, aber nicht unwesentlich sicher auch, weil sie die meisten der Bands gar nicht kennen und viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Wie kann es zum Beispiel sein, dass ein Brendan Perry ewig kein Label fand, dass „Ark“ veröffentlichen wollte… wie kann es sein, dass eine Monica Richards aktuell ihre Gemälde, ihren Schmuck und diversen Kram verkaufen muss, um ihr Solo-Album veröffentlichen zu können? Ich weiß nicht, mich macht das alles mürbe… Investieren jene, die hunderte von EUR in ihre eigene Klamotte stecken, soviel auch in die Künstler? Ich fürchte nein… Und was bleibt, ist genau der Eindruck, den Planetopia vermittelt hat. Mit Subkultur hat das alles nix mehr zu tun.
Es interessiert das „Massenpublikum“ nicht die Bohne was die Hintergründe der schwarzen Szene sind, denn das wäre zu „anstrengend“ … man wäre ja gezwungen sein Hirn einzuschalten. Auch die „Spassgesellschaft“ innerhalb der Szene interessiert es nicht. Daher ist der oben gezeigte Beitrag eben das was die anderen Beiträge von anderen Sender auch sind: „Hartz-4 TV ohne Sinn und Verstand“.
Läuft so was eigentlich jede Woche im TV? Ich habe schon so lange keinen Fernseher mehr und diesen Beitrag nur „by accident“ beim gelangweilten Zappen im Hotelzimmer entdeckt. Warum habe ich jetzt das Gefühl, ich könnte doch etwas verpassen ohne TV? Mist.
Das ist die Szene, die übriggeblieben ist.
Mal ehrlich, wer hat was anderes erwartet?
Mitte/Ende der 80er Jahre, spätestens Mitte der 90er Jahre fiel einer handvoll Geschäftsleute auf, daß man mit Schwarz ordentlich Geld verdienen kann. (Neue Ideen sind immer gefragt!)
Da in der Wirtschaft die Devise nun mal lautet: Je mehr Geld desto besser, mussten demzufolge auch möglichst viele junge Leute in die Szene gebracht werden. Also wurden attraktive Zerrbilder entworfen, welche anlocken sollten (Sex, Provokation, Realitätsflucht etc.). Und siehe da, es hat funktioniert. Und es wird auch mit dieser Sendung gelingen.
Tod? … Finde ich gut!
Tobikult
Ich habe auch schon lange keinen Fernseher mehr. Die meisten Reportagen kann man sich nachher auch online anschauen, wenn wirklich mal was Interessantes dabei ist. Entsprechende Hinweise bekommt man ja oft über Freunde oder – im Bereich Gothic/Konzerte/Festivals – über Spontis.
Allerdings bin ich nicht scharf drauf, den 12 Trillionsten Film über angebliche Gothics zu sehen. Vom oben genannten Beitrag habe ich 5 Minuten geschafft, dann hatte ich keine Lust mehr. Mag sein, dass das ein wahrer Teil der aktuellen Szene ist, aber mit mir hat das absolut nix zu tun. Der ganze Blödsinn interessiert mich nicht.
Möglicherweise eine fatalistische Einstellung, aber ich sehe keine Möglichkeiten, das Ruder wieder rumzureißen und (im übertragenen Sinne) die blauen Lack-Domina-Dingsbums-Outfits und die hohle Musik wieder zu verbannen. Dann ist es wohl so. Schade!!
Besonders cool fanden wir „die Horrorpunks sind an ihrer Maske zu erkennen“. Schön, dass es in Deutschland noch guten Journalismus gibt^^
Ansonsten typisches Privatsender Niveau. Ich weiß noch immer nicht, ob es mir wieder lieber wäre wenn überall nur das ganze Satans-Nazi-Friedhofsschänder-Peitschen Klischee gesendet werden würde.
Dann würden jedenfalls nicht so viele oberflächliche Party-Menschen reingespült werden.
Ich stimme einigen Kommentatoren uneingeschränkt zu, es fällt mir auch schwer einen Bericht zu verfolgen, der von seinem Grundgedanken bereits zu scheitern verurteilt ist und noch schwerer fällt es mir, dem etwas abzugewinnen. Und dennoch, zurückzublicken, den Kopf zu schütteln und einen Schlussstrich zu ziehen, ist keine Option. Unter all denen, die in die Szene strömen und das verkörpern was dieser Bericht darstellt, gibt es einige wenige die nach wie vor daran interessiert sind, mehr zu erfahren, weiterzumachen und einen anderen Zustand zu etablieren. Ich habe schon einige davon hier auf diesem Blog kennengelernt.
Und jedes mal, wenn ich geneigt bin, auszuschalten, zu resignieren und nicht darüber zu berichten, erinnere ich mich an die die immer noch da sind und an mich selbst, als ich zum Ende meiner Jugend einfach nur dazugehören wollte. Für jeden einzelnen lohnt es sich immer wieder zu sagen: „Ja, es stimmt was du siehst, doch das ist nicht alles. Da ist noch so viel mehr!“ Die Szene hat nicht nur das hervorgebracht, was in dem Film zu sehen ist, sondern auch eine ganz eigene Kultur, ein Lebensgefühl, Kunst und Literatur. Darauf will ich nicht verzichten, dafür will ich kämpfen.
@tobikult& eztaKezrawhcs: Seid mir nicht böse, aber den Fernseher abzuschaffen und trotzdem weiterhin im Netz Sendungen zu schauen, hat für mich so etwas von Doppelmoral. Ich für meinen Teil habe einen Fernseher, ein Gerät mit dem ich DVDs, Nachrichten und auch Sendungen gucken kann, die mich interessieren. Wenn ich nicht will, schalte ich ihn einfach aus.
@Robert: Wie sollte ich Dir da böse sein. Ich bin nur nicht so willensstark wie Du. Und ich empfinde es als absoluten Luxus nur Nachrichten zu schauen (wir nutzen nur die Mediatheken von ARD und ZDF) und die auch noch dann, wenn ich Zeit habe. Werbung bleibt mir so völlig erspart. Mein TV-Konsum hat sich minimalisiert. Und da ich jede Sendung willentlich aufrufen muss, gibt es auch kein „hängenbleiben“ und kein „zappen“.
@Robert
Mit Moral oder gar Doppelmoral hat der Verzicht aufs Fernsehgerät absolut nichts zu tun. Ich interessiere mich nicht für Spielfilme und mich persönlich sprechen auch kaum mal Sendungen an – bis auf wenige Reportagen, die ich – wie erwähnt – auch im Netz anschauen kann.
Ich mag Radio viel lieber (WDR5, Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur…) Hier gibt es Hintergrundberichte, ohne dass ich in einen Bildschirm starren muss. Nachrichten höre ich auch im Radio. Die wenigen Filme, die ich mag, schaue ich mir auf Video oder DVD an. Wozu also einen Fernseher haben?
Ein prima Nebeneffekt ist das, was tobikult erwähnte: Kein Hängenbleiben, kein Zappen, keine Kopfschmerzen durch Werbung und Blödsinn. Fernseher sind Zeitfresser, denn wenn man einen hat, schaut man auch rein.
Orphi: Da hast du sicherlich Recht, mit Moral hat das nicht unbedingt etwas zu tun. Doch gelegentlich helfen provokante Aussagen dabei, das Verständnis für alle zu fördern. Entschuldigt, wenn ich euch dazu missbraucht habe, aber ihr könnt das sicherlich verkraften :-)
Letztendlich muss jeder für sich entscheiden, wie er Medien benutzt. Ich glaube wir sollte hier auch zwischen Fernseher und dem täglichen TV-Wahnsinn unterscheiden. „wenn man einen hat, schaut man auch rein“ Auch das liegt an jedem selbst und lässt sich nicht pauschalisieren. Wenn ich nicht will, schaue ich auch nicht rein, vielleicht bin ich da willensstärker, wir Tobikult schon erwähnt.
„Die wenigen Filme, die ich mag, schaue ich mir auf Video oder DVD an. Wozu also einen Fernseher haben?“ Um genau das zu tun, ohne Fernseher kein Video oder DVD, es sei denn, der Computer steht im Wohnzimmer. Wie oben erwähnt liegt die Unterscheidung zwischen TV-Programm und Fernseher. Eine Begrifflichkeit. Sonst sprechen wir sicherlich die gleiche Sprache.
Ich hab mich gestern abend mit einem Gläschen Wein durch die „Doku“ gekämpft, hab auch vor mich hin gemosert *g* – ich würde aber trotzdem nicht sagen daß das Bild das die tollen Privatsender über die Szene zeigen die Realität in vollem Umfang zeigen. Nur das Bild das am präsentesten ist und demnach gebührend flach wieder präsentiert werden kann.
Nicht nur die Bandauswahl beim heurigen WGT war grandios, beim Publikum hatte ich das Gefühl daß Neon und Fetisch wieder abgenommen haben – was ich zu Roberts WGT-Pressespiegel ja auch schon geschrieben hatte. Vielleicht ist es auch nur eine subjektive Wahrnehmung, aber ich habe auch das Gefühl daß es mehr Stimmen gibt die sich musikalisch, optisch sowie natürlich inhaltlich für wieder mehr schwarz aussprechen.
Problem ist eben daß diejenigen die Selbstdarstellung als einzigen Szene-Daseinsgrund sehen genauso bereitwillig den Privatsendern vor die Linse hüpfen. Pitje hat bereits gesagt was auch mir in den Sinn gekommen ist: je oberflächlicher und Party-orientierter die Szene in den Medien gezeigt wird, umso mehr sinkt die Hemmschwelle für Ottonormalbürger, mal mitzumischen. Einerseits will ich Ottonormalbürger nicht absprechen, mal den Mut zu haben quasi „auszuflippen“, nur wenn dazu die eigenen Refugien hergenommen werden, weil Ottonormalbürger denkt, die sind da ja auch alle so, dann stört mich das natürlich auch. Soll auch schon vorgekommen sein daß Ottonormalbürger, im Gespräch mit Grufties entsetzt feststellen musste daß denen an der Farbe „schwarz“ weit mehr liegt als am Wochenende mal schön schrill die Sau rauszulassen.
Mein bester Kumpel und ich hatten deswegen die Idee mal was eigenes aufzuziehen. Mehr eine Grillparty unter Freunden, kein Club, keine perfekte Organisation sondern unter sich mit guter Musik, Eingeladen werden nur Leute die dem auch was abgewinnen können. Auch als Gegenpol zu den teilweise doch arg blitzblank polierten Discoabenden.
Zum Thema Fernsehen: ich habe 7 Jahre in zwei Wohnungen ohne ganz gut ausgehalten. Ich schaue zwar gern mal einen guten Film an, aber dafür hatte ich dann den Rechner.
Während des letzten dreiviertel Jahres habe ich aber relativ viel geschaut, in „meinem“ Haus steht ein Fernseher und da es da schon extrem einsam ist (wobei ich ansonsten wirklich gern alleine bin – da hat es meine Schmerzgrenze ab und an durchbrochen) und ein wenig Lärm im Haus war dann angenehm. Aber wie Robert sagte – ich kann mir aussuchen was ich ansehe. DVD reinschieben oder gewisse Sender meiden. Ich zappe da eher zwischen 3Sat, NTV und Arte rum, die haben geniale Dokus die um Längen spannender sind als das Flachnasen-TV der Privaten.
Ja, es wäre schön, wenn die Neon-Kultur abnehmen würde, das muss ich ganz offen zugeben. Im Prinzip würde sie damit den Regeln der „Modeerscheinung“ folgen, ein paar Jahre fanden es alle toll, dann ist das BonBon gelutscht. Die Szene schrumpft sich gesund. Private Partys in kleinem Rahmen sind wieder schwer im Kommen, weil man durch die massentaugliche Mischung in schwarzen Discotheken eher abgeschreckt als dauerhaft angelockt wird. Das gilt im übrigen auch für die „Nachwuchskräfte“, wie ich immer wieder beobachten konnte. Nachdem man einen Fuß in der Szene gefasst hat, beginnt man sich musikalisch auszudifferenzieren, seine Nische zu finden. Daher ist es nach wie vor wichtig, dass „gemischte“ Abende stattfinden, denn sonst scheint mir der Weg für potentielle Jung-Gothics steinig.
Meine Fragen oben waren keine rhetorischen … dass niemand den Versuch einer Antwort unternimmt bestärkt mein Gefühl, dass man sich hier (vielleicht unbewusst) vermehrt nur noch um sich selbst dreht… Deshalb ein anderer Versuch, dass tote Pferd („Szene“) von hinten aufzurollen… Wodurch lebt eine Kultur? Und wodurch stirbt sie?
Ich bin mutig gewesen und hab mir den Beitrag doch nochmal angesehen. Manche Details die angesprochen wurden waren wirklich nichtmal so schlecht, aber im Ganzen waren es eben nur Details. Ich glaub ich hab die letzten beiden Minuten beim ersten Ansehen aus Selbstschutz gleichmal verdrängt – „Gothic Gogos“ ist für mich per se ein Widerspruch, aber naja.
Was die Neon-Sache angeht bin ich Deiner Meinung, Robert, ich könnte aber auch mit einer deutlicheren Abgrenzung leben. Im Grunde sollte jeder so rumspinnen dürfen wie er mag und lustig ist, nur auf alles den Gothic-Stempel so krampfhaft aufdrücken zu wollen – das ist das Problem. Nur wird man in der Realität die Bilder der großen Festivals nicht maßgeblich ändern können, wer nur da hin fährt um den Tag lang auf der Agra rumzustiefeln um sich zu präsentieren, der wird sich wenig um Bandauswahl und den Treffen-Gedanken scheren.
Im Grunde bin ich auch für gemischte Abende in den Clubs, nur muss die Mischung halt stimmen. Und es hat sich musikmässig auch viel artfremdes reingeschlichen daß man nicht als logische Weiterentwicklung des Ganzen sehen kann – grundsätzlich finde auch ich daß Weiterentwicklung was gutes ist, nur die Herabreduzierung auf schwarz angezogen Party machen ist ärgerlich und zieht dem Ganzen einfach den Boden unter den Pikes weg.
@Katrin: auf die (von mir versehentlich übersehene) Frage nach den Künstlern der Szene: ja, ich kaufe Original-CDs, eben weil mir Musik wichtig ist. Ich grabe jedes WGT die Bandliste durch und suche mir gerne auch unbekanntere Gruppen aus, egal ob ich die Konzerte dann auch unterbekomme oder nicht, bisher waren jedes Jahr tolle Neuentdeckungen für mich dabei. Bei der Beantwortung dieser Frage kann ich freilich aber nur für mich sprechen, nicht für die „Masse“.
Für mich spricht aber eindeutig die Existenz von guten, neuen Bands sowie mittendrin vielversprechende Szeneneulinge die sich nicht auf Party und teure Klamotten reduzieren lassen, sondern denen schwarz mehr bedeutet als das schon dafür daß die Szene nicht tot ist, nur von besagter Masse regelrecht überschwemmt ist.
Anmerkung am Rande: das von hinten aufgerollte tote Pferd hat bei mir grade zu sehr merkwürdigem Kopfkino geführt *kicher*
@Katrin: Die Subkultur lebt dadurch, dass in ihr und aus ihr immer wieder neue Dinge entstehen, sie stirbt dann, wenn das Gegenteil davon eintritt. Stillstand ist der Tod, auch für Subkulturen.
Kreativität, Phantasie und gestalterische Freiheit in Sachen wie Kunst, Musik, Literatur sind für die Gothic-Szene unerlässlich um ihr weiterhin die Beständigkeit zu geben, die sie seit 30 Jahren am Leben erhält. Alles das, um deiner Frage vorzubeugen, gibt es auch heute noch in der Szene.
Unter der schwarz glitzernden Oberfläche, die von außen als Gothic empfunden wird, schlummert immer noch ein Geist, den manche schon verloren geglaubt haben. Man muss sich die Mühe machen, genauer hinzuschauen. Wer resigniert, oder einfach nur für sich feststellt, dass etwas tot ist, möchte nicht weiter Energie darauf verwenden, selbst etwas zu tun. Sei es als kreativer Geist oder als Multiplikator der den Geist der anderen unter das Volk bringt. Etwas für tot zu erklären hat meiner Meinung nach mit Aufgeben zu tun, weil man zu lange keine Erfolge gesehen hat oder den Kampf gegen Stumpfsinn und Oberflächlichkeit einfach leid geworden ist.
Das muss letztendlich jeder einzelne für sich selbst entscheiden.
Du sprichst die Künstler an, die für dich eine Subkultur auf der Bühne präsentieren. Du hast sicherlich recht, wenn du beklagst, dass zuviel Geld in die eigene Klamotte gesteckt wird und zu wenig in die Künstler, die sich noch einbringen.
Doch auch hier gilt es die Spreu vom Weizen zu trennen, denn Gothic ist nicht nur ein kreative und schwarze Ader, sondern auch ein riesier Markt für alles das, was man von außen in die Szene trägt. Ich behaupte (!) dass ein Großteil von dem, was in großen Zeitschriften als „Gothic“ präsentiert wird nur produziert wird und wurde, um den fordernden Markt zu bedienen. Ich glaube, hier sprechen wir die selbe Sprache und ich kann es mir sparen, Bands zu nennen.
Doch die Szene findet schon lange nicht mehr nur AUF der Bühne statt, sondern auch davor. Eine lebendige Subkultur, eine pulsierende Szene bringt selbst die Inhalte hervor, die sie konsumieren möchte und gerade bei vielen kleinen Bands aus der Szene oder Künstlern und Autoren die den Sprung vom Szenemitglied zur schöpfenden Kraft geschafft haben, bin ich jedesmal froh „dabei“ gewesen zu sein.
Dieser ganze Blog ist genau das Gegenteil von dem „um sich selbst drehen“, sondern verfolgt das Ziel ein Netzwerk zu spinnen, aus dem die Szene selbst wächst. Als Einzelkämpfer sind wir schwach, gemeinsam sind wir stärker. So theatralisch das jetzt klingt, aber genau so ist es. Die meisten, die sich hier beteiligen, sind bereits ein Teil von dieser Entwicklung, früher traf man sich zum Glas Rotwein bei Kerzenschein um zu diskutieren, heute macht man das im Internet. Nicht ganz das wahre, aber ein Schritt Menschen zusammenzubringen, die sich sonst nie getroffen hätten.
Ein Kultur lebt auch, um deine Frage abzuschließen, davon, sich selbst zu hinterfragen und das was man kreativ Produziert oder als Multiplikator in die Szene trägt zu analysieren, Kritik zu üben, Lob auszusprechen, Diskussionen anzuregen. Dazu zählt auch die (ständige) Auseinandersetzung mit dem, was man über die Szene berichtet. Denn ja, alles was man oben gezeigt bekommt ist ein Teil der Szene geworden, doch ich muss es nicht tolerieren. Ich versuche zu zeigen was ich als schlecht und was ich als gut empfinde.
Eine einfache Behauptung, wie du sie aufstellst („das tote Pferd“, „um sich selbst drehen“) hilft niemandem, sondern ist, wenn sie nicht weitergedacht wird, nur ein Teil der Meckerbewegung, die ich ablehne.
Sagen was einen stört, sich aufregen und streiten ist nur dann sinnvoll, wenn man bereit ist, etwas besser zu machen oder seinen Teil dazu beizutragen.
@Katrin und @Robert
Ich bin mal wieder anderer Meinung als Robert, der die Szene gerne mal (zu?) optimistisch sieht. Mag sein, dass Stillstand einer Szene nicht gut tut. Noch schlimmer ist aber der rasante Weg zur Kommerzialisierung, den die Schwarze Szene gerade geht oder schon gegangen ist. Das hat damals die Punkbewegung zerstört oder – um noch weiter in die Vergangenheit zu gehen – die Hippie-Bewegung. Möglicherweise ist es ein natürlicher Prozess, dass eine Entwicklung/Szene den Zenit irgendwann überschreitet und in den Abgrund kippt. Dann lieber Stillstand.
Ich gbe dir – Katrin – Recht, wenn du sagst, dass der Independent-Gedanke in den Hintergrund rückt und die Szene momentan hauptsächlich damit beschäftigt ist, coole Klamotten anzuziehen. Das war zumindest mein Eindruck auf dem WGT und auf dem Amphi. Selbstverständlich gibt es noch immer einen Szenekern und einige Ausnahmen, aber der Gesamteindruck ist ernüchternd.
Independent heißt, dass man nicht von einem Mainstream-Szene-Magazin die richtigen Künstler vorgestellt bekommt, die die Kohle für entsprechende Werbeanzeigen hatten. Independent heißt, dass man aktiv auf die Suche nach Künstlern geht, hinter denen kein Manager, keine große Plattenfirma und kein großer Verlag steht. Independent heißt, dass man seinem Geschmack folgt und kleine Schätze im Underground ausgräbt, die einem persönlich gefallen – unabhängig von Bekanntheitsgrad und Werbebudget. Dieser Gedanke geht mehr und mehr verloren.
Dass Independent Künstler es sehr schwer haben, ihre Kunst zu finanzieren und/oder zu vertreiben liegt jedoch in der Natur der Sache. Da kann die Szene – selbst ohne Kommerzialisierung und Hang zur Oberflächlichkeit – nichts dran ändern. Auf dem Markt (Verlage, Plattenfirmen usw.) herrscht das Gesetz des Geldes. Was sich nicht lohnt, wird nicht produziert.
Um Robert wegen der Meckerei den Wind aus den Segeln zu nehmen: Das Internet bietet hier ganz neue Möglichkeiten. Wenn die Szene-Künstler beispielsweise das Crowdfunding entdecken und die Szenemitglider mitziehen würden, wären Independent-Produktionen wesentlich einfacher möglich als noch vor 10 Jahren. Hintergrundinfo:
https://de.wikipedia.org/wiki/Crowdfunding
Grundsätzlich bin ich da eher auf Roberts Seite – toller Text dazu, find ich großartig!
Kann aber auch Orphi’s Bedenken nachvollziehen. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen.
Grund dazu gibt mir meine eigene Grübelei der letzten Zeit. Das WGT wie meine Zukunftspläne haben mich schon lange zum Rumsinnieren gezwungen. Es mag immer etwas egozentrisch klingen aus dem eigenen Nähkästchen zu plaudern, doch ich bin der meinung, die verlässlichsten Gedanken sind die die aus eigenen Erfahrungen heraus gemacht werden – ich kann nicht in die Köpfe der Anderen sehen, weiß nicht was andere verleitet bei Flachzangen-TV-Sendungen mitzumachen, nur spekulieren. Davon nehme ich mich nicht aus, aber unter dem Strich bleiben es nur Spekulationen die vielleicht den Protagonisten nicht gerecht werden. Herr von Karnstein ist da ein gutes Beispiel mit seinem Auftritt – den will ich nicht plattwalzen hier, nur ist man bisweilen in einem vorschnellen Urteil leicht dabei ohne die Person zu kennen, die Produktionsfirmen verbiegen viel zu viel. Trotzdem sind die die sich für einschlägige Dokus bereit erklären oft vom selben Schlag – ja das ist wieder pauschalisierend, aber da ich heute einen Thread im MK-Forum fand wo nach Protagonisten für eine „Doku“ über die Szene gesucht wurde, war in den Antworten dazu leicht zu erkennen: junges Gemüse das im Nicknamen irgendwelchen Bezug zu Cyber leicht erkennbar hatte war interessiert, 2-3 Antworten dieser Art, daneben viele Stimmen die wenig begeistert von dem Aufruf waren. Im WGT-Forum kommen auch regelmässig vor dem Treffen Anfragen, die zum größten Teil von den Leuten die sich da rumtreiben abgelehnt werden.
Was die Kommerzialisierung angeht – auch da verbiege ich mir heute das Hirn noch mehr als sonst. Grund sind meine eigenen Zukunftspläne. Ich habe das Nähen angefangen um unabhängig zu sein, um mich zu verwirklichen,Klamotten zu haben die keiner hat. Ich bin älter geworden und habe so viel Freude dran gefunden daß ich das Hobby zum Beruf mache. Keine einfache Sache, ich zweifle dran wenn ich daran denke daß vielleicht die Kostümfraktion Hauptabnehmer sein könnte. Die die in der Szene nur die Möglichkeit zur Verkleidung wahrnehmen wollen – trotzdem will ich meine Semmeln von dem Job verdienen können, weil ich denen die mit der Nadel nicht umgehen können oder wollen auch individuelle Klamotten anbieten mag. Gleichzeitig biete ich damit den Verkleidungsleuten meine Dienste an. Ich kann nicht aussieben, weil Schneider heute einen schweren Stand haben, ich tue es mir dennoch an weil ich an die glaube die von mir etwas persönliches, individuelles wollen. Der Rest ist einfach Job – auch wenn ich damit die Oberflächlichkeit auch zwangsweise unterstützen muss. Ansonsten müsste ich mich auf nen Berg setzen und den kontakt zu Menschen völlig abbrechen und Tau von der Wiese schlürfen.
Was ich damit sagen will: die Szene hat als Jugendbewegung angefangen. Da konnte man noch Protesthaltung einnehmen ohne sich um die Semmeln zu kümmern. Die Protagonisten die von Anfang an dabei waren sind älter geworden, haben den Kern in sich behalten und freilich versucht den Lebensstil in ihrer Arbeit wiederzuspiegeln. Weil es ein Teil von ihnen ist. Seinen Unterhalt mit dem zu verdienen was einem entspricht ist eine tolle Sache, birgt aber auch die Gefahr des Konsumdenkens. Angebot regelt die Nachfrage, kann ich heute mit einem Trend ein bissl mehr verdienen und mein Leben etwas angenehmer gestalten, dann springe ich auf. Dazu muss man nicht geldgierig sein, sondern einfach nur arg knapp bei Kasse. Und da spreche ich auch aus eigener Erfahrung. Ich müsste schon ein gutes Finanzpolster haben um zu sagen – für nen Cyber würd ich im Leben nie was entwerfen und anfertigen. Ich sehe das deswegen nicht als Gothic an, ich mag auch die Ausflüge in Stile die ich nie tragen würde, andernweitig hätte ich in dem Job und in der Sparte ein Problem.
So hat sich meiner Meinung nach die Kunst der Szene auch weiterentwickelt. Viele sind froh die Möglichkeit zu haben, im eigenen dunklen Ausdrucksmittel ein paar Kröten zu verdienen die das Leben auf diesem Planeten zu erleichtern. Seien es Musiker oder andere Künstler. Von Licht und Liebe kann keiner leben. Lieber lebe ich von etwas das ich gerne mag und irgendwo szenekompatibel ist, muss aber in Kauf nehmen daß ich auch rein klamottenfixierte Kundschaft habe.
Szene- Bands die von dem „Job“ leben können sind arg rar, deswegen bin auch ich dafür diese zu unterstützen.Heutzutage grassiert die „geiz ist geil“-Mentalität die auczh vor der Szene nicht halt macht – im positiven wi eim negativen Sinn.
Ja, Künstler aus der Szene stehen (meistens wie ich hoffe) für die Szene ein, sobald das aber der Haupt-Lebensinhalt wird und der dröge Bürojob für den man sich in rosa Blüschen (übertrieben gesagt) verkleiden muss als falscher Lebensweg empfunden wird – da hofft man auf Fans oder Kundschaft die zu schätzen wissen was man tut.
Guter und berühmter Punk(t) ist Vivienne Westwood. Was kaum ein Nachwuchsgrufti weiß: die 08/15 Bondage-Hose mit dekorativen Reißverschlüßen war Ende der 70er ihr Design. Auch hat sie für die Sex Pistols den Fetish-Look kreiert. Mit ihrem damaligen Mann – Malcolm MacLaren – brachte sie den Punk in die Haute Couture. Viel Kohle hatte sie damals auch nicht und sie hat sich sicher auch gefreut über die Chance. Zumal ist sie auch heute, obwohl sie ihre Punk-Wurzeln nicht mehr so gern hat, eine tolle Persöhnlichkeit.
Was soll man als Künstler aus der Szene also machen? Langweiligen Bürojob und nebenbei bissi rumspinnen, oder sich dem Spinner-Tum ergeben und dafür etwas Komerz in Kauf nehmen damit man sich wenigstens ab und an mal ein Brot kaufen kann …
Zu Robert:
[…] Die Subkultur lebt dadurch, dass in ihr und aus ihr immer wieder neue Dinge entstehen, sie stirbt dann, wenn das Gegenteil davon eintritt. Stillstand ist der Tod, auch für Subkulturen […]
Im Großen und Ganzen ist diese Szene ein einziges Paradoxem. Stagnation ist der Untergang, bei dieser Klage sind sich die meisten einig. Doch wird dann einmal der Weg einer Auffrischung gegangen und beispielsweise ein Cyber oder ein Halbnackt-Girlie betreten das Feld, dann klagen ebenso viele, dass eine derartige Modernisierung zu wider sei und man lieber bei den guten alten Zeiten bleiben sollte.
Ja was denn nun. Modernisierung unter Rahmbedingungen?
Die Szene wurde oder ist seit jeher elitär und pingelig, sonst würde es viele Streitpunkte einfach nicht geben und sich ein Band wohlwollender Gleichgültigkeit über so manche »Rufmorde« legen. Da das nicht geschied, kommt die Prognose bezüglich eines Drangs nach Selbstgefallen nicht von ungefähr.
Doch dieser Wesenszug ist menschlich. Zudem soll das nun auch nicht als Anklage verstanden werden, sondern lediglich als persönliche Beobachtung.
Ob Stillstand wirklich den Tod bedeutet…ich bin mir da nicht so sicher. Dieser Zustand führt definitiv zu gelegentlicher Lustlosigkeit. Doch bis zum Tod ist es noch ein weiter Weg.
Denn wenn ich mich gegenüber dem Elektromarkt jener Szene sehe, befinde ich mich in recht lebendiger Ruhelage.
Der Fortschritt ist mir einerlei. Gelegentlich bin zwar für Hinweise offen, doch die Zeiten der aktiven Suche sind längst Geschichte. Da ich im letzten Jahrzehnt zu 90 Prozent nur musikalischen Einheitsklimperbrei erlebte. Und von den 10 Prozenten überstand die Hälfte nicht einmal zwei Alben. Danach versanken auch sie in der Dekadenz moderner Keyboardführung.
Faderhead beim WGT darf dabei gerne als jüngstes Beispiel angesehen werden. Wenn das »die neuen Dinge die entstehen« darstellt -und das tut es- dann bleibe ich mit Leidenschaft Reaktionär.
Somit höre ich die ewig gleichen Stücke von vor 30 bis 15 Jahren. Stellenweise hängen sie mir zum Hals raus, natürlich, doch immer noch besser, als mir die Modernisierung jener Sparte anzutun. Eine Stagnation, die mich jedoch noch mit den Szeneinterpreten verbindet. Somit wäre ich ohne dieses Stillstehen schon längst aus dem Rennen.
Zu Katrin:
[…]Investieren jene, die hunderte von EUR in ihre eigene Klamotte stecken, soviel auch in die Künstler? Ich fürchte nein […]
Ich für meinen Teil verstand dieses als rhetorische Frage.
Die heutige Einfachheit der Schwarzbrennerei gab gerade den Independentlabeln einen üblen Rippenstoß. Und die meisten japsen noch immer nach Luft.
Weswegen man vielen auch keine Vorhaltungen machen sollte, wenn diese einfach nur überleben wollen und somit ausschließlich Interpreten aufnehmen, die definitiv die breite Masse ansprechen.
Natürlich lebt man nicht nur vom CD-Verkauf alleine, doch diese Verkaufszahlen werden auch keine Nebensächlichkeit darstellen.
Früher war alles anders. Früher reiste ich auf Festivals und lernte dort erst neue Interpreten kennen. Bestellte auf Verdacht halbe Diskografien, um zu schauen, ob es mir wirklich gefällt. Doch das funktioniert heute nicht mehr. Kosten verlagerten sich und somit ist diese Kaufkraft einfach nicht mehr vorhanden. Ich bin zurückhaltender geworden. Gekauft werden lediglich noch Genialitäten und die »Möchte-gern-haben«-Liste wird immer länger. Wenn auch fast nur noch in der Sparte des Neofolk bzw. Militäry Pop.
Was die Klamotten angeht. Ich mache mir nichts aus teurer Ware, vorallem wenn diese nicht einmal alltagstauglich ist. Somit gebe ich allein beim »Merchandising« noch die größte Summe pro Stückzahl aus. Und das auch gerne. Mir ist die Verbundenheit wichtig. Sowie die damit gezeigt Anerkennung gegenüber deren Schaffen.
Und ich bekomme sehr schlechte Laune, wenn ich Typen sehe, die einen nur grinsend den USB-Stick reichen, obwohl die sich das eine oder andere Album locker leisten könnten. Aber eben nicht zu leisten brauchen.
Wirklich gute Musik ist für mich keine ehrenamtliche Dienstleistung. Da steht hohe Kunst dahinter, Arbeit, Entbehrung, Leidenschaft und dieses sollte man auch honorieren. Gerade in dieser Szene, die nun nicht auf schlagartig eine Million Käufer bauen kann.
Ähnlich der Schriftstellerei. Es macht schon einen Unterschied, ob 1.000 das Buch lasen und nur 10 dafür Geld ausgaben oder eben 800 das Ding im Regal stehen haben.
Dieses Ideal der Zugehörigkeit sackt immer mehr ein. Und wenn es schon einen Weg gäbe, um Klamotten zum Nulltarif in den Besitz zu bringen, dann hätte das auch schon so manches Modehaus in arge Bedrängnis gebracht.
Man will möglichst viel darstellen, alles besitzen was man will und zumeist möglicht wenig dafür ausgeben.
Oder sich eben nur völlig auf seine Darstellung konzentrieren. Diese Erfahrung machte ich auch. Nicht pauschal, aber doch recht häufig innerhalb der neuen Generation.
Orphi: Kommerzialisierung ist unausweichlich und durch das Wachstum einer Subkultur bedingt. Selbst der Punk – wie du schon selbst richtig anmerkst – konnte sich dieser Tatsache nicht entziehen. „Gothic“ lehnte die Kommerzialisierung sowie nie kategorisch ab, so wie es der Punk in seinen Wurzeln gemacht hat. Nicht auf und nicht vor der Bühne. Eine dauerhafte Befreiung vom Kommerz halte ich persönlich für nahezu unmöglich, jede noch so absurde Jugendkultur der letzten Jahre wurde früher oder später instrumentalisiert. Das gilt auch für Rand- und Extremsportarten. Wir sollten uns mit der Kommerzialisierung arrangieren und diese nicht nur verteufeln, sondern unerfahrenen Szene-Neulingen Werkzeuge an die Hand geben, zu hinterfragen, sich selbst ein Bild zu machen, zu partizipieren oder eben abzulehnen, je nach dem eigenen Geschmack. Stillstand ist keine Option, dann lieber alle die in den Abgrund stoßen, die Szene als Modeerscheinung sehen.
Independent ist als Begriff selbst zur Modeerscheinung geworden, wie kann es sonst sein, dass man eine Musikrichtung „Independent“ nennt? Der Gedanke geht nicht verloren, sondern nur unter. Mit Hilfe deines Vorschlags kann man „Independent“ zu neuen Ehren verhelfen.
@Rosa: Richtig. Du interpretierst die Kommerzialisierung (unbewusst?) auch als nützliches Element und nimmst damit der Vereinnahmung durch außen die Grundlage. Kommerzialisierung als Werkzeug für die Kreativität aus der Szene? Warum nicht? Ich denke da greift auch Orphis Vorschlag, denn Independent ist eben keine Musikrichtung sondern gilt auch für Kleidung. Klamotten aus der Szene für die Szene ist ein ehrbares Ziel, doch du hast genug Realismus um zu erkennen, dass man davon nicht leben kann, daher bist du schon förmlich „gezwungen“ selbst für Kommerzialisierung zu Sorgen in dem du selbst den Verkleidungsgedanken weiterdenkst und so in Zukunft eine breitere Kundschaft ansprichst. Ich finde daran nichts verwerflich. Deine eigene Formulierung trifft den Punkt.
Darüber hinaus halte ich die Fahne für die Kunst in Form von selbstgestalteter oder abgewandelter Kleidung. Gothic besteht eben nicht nur aus Musik, das war einmal und wird hoffentlich nie wieder so sein.
Guldhan: Ich kann Dir nicht so ganz zustimmen. Cyber oder Halbnackte sind eine schleichende Entwicklung, für die die Szene der 90er mitverantwortlich ist. Nehmen wir als Speerspitze die Band „Die Form“, die eindeutig aus der Fetish-Ecke kommt und „plötzlich“ auch in der Gothic-Szene Fuß fasste und so das Publikum der BDSM-Szene und der Gothic-Szene vor der Bühne vereinte. Es bleibt uns selbst vorzuwerfen, eine Vermischung angestrebt und toleriert zu haben, letztendlich ist es fatal, jetzt das Ergebnis zu verteufeln.
Stillstand ist der Tod. Entwicklung heißt für mich nicht unbedingt Wachstum oder musikalische Bandbreitenvergrößerung sondern eben auch „verkleinerung“ oder „schrumpfung“, durch den unbedingten Willen und dem Streben nach Inhalt und Hintergrund die auszusortieren, die nur eine Mode tragen. Durch konstante Wiederholung der selben Phrasen „Cyber ist nicht Gothic“ die zu überzeugen, die nachrücken, denen die Augen zu öffenen, die mehr wollen.
2000 hätten wir diese Diskussion genauso geführt. Es bleibt die an den Pranger zu stellen die seit 11 Jahren sagen „es ist nicht mehr so wie früher“, aber weder Diskutieren noch handeln oder gar aussteigen und die Szene wechseln. Ich möchte ein Teil der Szene sein und bin bereit, dafür zu kämpfen. Die, die seit Jahren nichts anderes tun als zu sagen, die Szene sei tot, haben nur sich selbst, oder besser ihren schwarze Geist, getötet. Die können, mit Verlaub gesagt, die Klappe halten und verschwinden.
Glücklicherweise hat das Internet nicht nur schlechte Seiten, schließlich ist es mit dafür verantwortlich, dass sich Trends noch schneller herumsprechen und noch schneller vom Kommerz aufgegriffen werden. Es sorgt aber auch dafür die die, die immer noch an den Kern glauben sich finden können um gemeinsam nicht etwa den Stillstand zu propagieren, sondern in einer nächsten Entwicklung auch für eine Bereinigung, eine Alternative, eine neue/alte Szene zu sorgen. Lasst die Lemminge über den Abgrund laufen. Schlaue Grufties bleiben stehen und wandeln am Rand entlang um sich auf einem Plateau zu treffen um sich dort bei einem Glas Rotwein Musik vorzuspielen.
Unbewusst sind meine Überlegungen nicht – ich oller Grübler hirne schon lange um Sinn und Sinnlosigkeit der schwarzen Mode – ich weiß, das Thema wird von vielen als der Inbegriff der Oberflächlichkeit betrachtet, aber als Schneider bin ich in dem Metier eben mehr verwurzelt als in der Musik. Wie ich sagte – ich liebe Musik, ich bin offen für qualitativ gute Neulinge und bereit meine paar Öcken mit denen zu teilen – vor ein paar Tagen bin ich beispielsweise auf ein Projekt gestoßen daß ich richtig gut finde: – da mache ich auch gern schamlos Werbung für ;) – aber ich mache eben Klamotten und keine Musik :)
Und die sind für die Szene genauso wichtig wie die Musik. Klar, es werden heute wie damals fast nur die Aufgerüschtesten Exemplare wahrgenommen, aber auch schwarzes Shirt und Hosen sind ein modisches Statement. Schwarz ist ein Symbol das eine Botschaft trägt – wer das aus reinen Modegründen trägt ist genauso glaubhaft wie wer der sich beispielsweise ein Pentagramm als Modeschmuck um den Hals hängt.
Wäre die Optik nicht so relevant für die Szene, könnte man auch im Hawaiihemd daherkommen. Ich behaupte aber mal daß auch die die mit Überzeugung schwarz tragen erstmal sehr skeptisch wären sowas im Stammclub zu sehen. Auch wenn es über die Person nichts aussagt bis man sich mit ihr mal beschäftigt hat – solche Signale gehören irgendwo dazu. Werden wahrgenommen und unterstreichen wie man selbst wahrgenommen werden will. Auch eine Art von Sehen und Gesehen werden, aber nicht auf dem Niveau vor möglichst viele Linsen zu kommen, sondern um mit der Umwelt nonverbal zu kommunizieren.Wie weit man dieses Signal treibt ist individuell verschieden.
Alles das macht die Szene so unübersichtlich, die vielen eingespülten Einflüsse, die Szenegänger die sich zwischen reiner Show und Tiefgang in allen stilistischen Richtungen bewegen. Ist da der Ruf nach den alten Zeiten nicht irgendwo auch der Ruf nach mehr Übersichtlichkeit? Wo man den Leuten vertraulicher ansehen konnte woran man ist – auch wenns damals sicher auch die Mode-Schwarzen gab, die Vielfalt war nicht so erdrückend, da war das Sortieren nach Mode und echter schwarzer Seele doch einfacher. Freilich nichts gegen den Ur-Wave-Stil – alltags renne ich genauso rum und bin ganz froh daß ich das als Strassenklamotte auch hemmungslos ausreizen darf :D
Nein, nur meckern daß die Szene tot sei hilft nichts. Dabei bleiben, zeigen und leben daß nicht alles nur Fasching und Party ist!
[…] Es bleibt uns selbst vorzuwerfen, eine Vermischung angestrebt und toleriert zu haben, letztendlich ist es fatal, jetzt das Ergebnis zu verteufeln. […]
Das ist der Grund, weshalb ich für mich persönlich das Gothic nur als eine Sparte von vielen innerhalb der sogenannten »Schwarzen Szene« sehe. Und nicht als den Oberbegriff des ganzen Treibens schlechthin.
Denn es wurden mittlerweile so viele Strömungen assimiliert, die zwar noch immer mit dem klassischen Gothgedanken kollidieren, aber mittlerweile doch ganz gut Platz gefunden haben.
Zumal die Frage nach Zugehörigkeit und Abspaltung ohnehin im Auge des Betrachters liegt. Bei einigen meiner Zugehörigkeitsbeispiele sträuben sich die toupierten Haare des Gothic-Altveteranen, während sich mir wiederum bei dem Zugehörigkeitsanspruch des Funkelcybers die Nackenhaare aufstellen.
Nun, ich mag womöglich »goth« sein, doch ein Gothic bin ich definitiv nicht. Somit ein Hoch auf eure Toleranz hinsichtlich Die Form und stilvolle Halbnackte.
[…] Entwicklung heißt für mich nicht unbedingt Wachstum […]
Zugegeben. Meine Definition war zu sehr auf den Begriff der Quantität geeicht. Denn selbst wenn man zurück geht, so muss man dafür die Schritte nach vorn setzen. Ansonsten läuft man Gefahr zu stolpern.
[…] 2000 hätten wir diese Diskussion genauso geführt […]
Dahingehend mache ich mir ohnehin nichts vor. Denn so wie ich hinsichtlich der Teletubbies wettere, wird die erste Garde Anfang 90 auch über meinen Schlag hergezogen haben.
[…] Es bleibt die an den Pranger zu stellen die seit 11 Jahren sagen »es ist nicht mehr so wie früher«, aber weder Diskutieren noch handeln oder gar aussteigen und die Szene wechseln […]
Über das Aussteigen dachte ich allzu oft nach. Zumindest was das aktive Dabeisein darstellt. Denn wirklich aussteigen, mitsamt der Mentalität und im Geiste wird man nie können. Es sei denn, persönlichkeitsverändernden Drogen werden bezahlbar und vom Rezeptzwang befreit.
Die Sache ist nur eben die, dass es an Alternativen fehlt. Wo soll man hin. Von den meisten anderen Subkulturen bekomme ich entweder Kopfschmerzen oder Magenkrämpfe. Gut, hier zwar auch ab und zu, aber hier ist die Hoffnung auf gute Musik wenigstens nicht ganz so unbegründet…
Kommerz ist eine Sache. Jeder muß Geld verdienen. Die Frage ist nur, auf welche Weise man das tut.
Außerdem: Wer weiß schon, wen oder was man mit seinem Geld finanziell unterstützt.
Nachtrag:
Braucht man unbedingt eine „Szene“? Muß man sich selbst in eine Schublade stecken? Ist es nicht genug, wenn andere das ständig versuchen?
Braucht man eine Szene? Ja, eigentlich schon. „Szene“ ist für mich keine Schublade die mir vorschreibt wie ich zu denken habe, wie ich auszusehen habe und was ich mögen muss um „dazu“ zu gehören. Für mich ist „Szene“ der umgekehrte Weg. Eine Ansammlung von Menschen die von sich aus, ohne sich im Zwang eines vermeintlichen „Szene-Kodexes“ zusammenfinden, weil die Wellenlänge stimmt, weil man was gemeinsam hat. Nicht primär im Aussehen oder klischeebehafteter Vorlieben. Das sind eher sekundäre Merkmale. Ich gehe optisch gerne den extremen Weg, aber das betrifft nur mich. Wen ich als „meinesgleichen“ ansehe, das findet sich auf zwischenmenschlicher Ebene zusammen.
„Szene“ macht für mich das aus was Robert beschrieben hat – sich im Kerzenschein beim Rotwein zusammenzusetzen und zu philososchwafeln. Seine Zeichen setzen gegen das was einem an der Mainstream-Gesellschaft missfällt. Sowas folgt für meine Auffassung keinen Szeneschubladen-Auferlegten Normen, man ist so von Geburt an oder nicht – die Letzeren schieben das als „peinliche Phase“ mit dem Älter werden von sich weg. Wäre es ein reines Jugend-Phänomen, dann müsste auch ich schon längst im Kostümchen irgendwo in nem Büro sitzen und mich meiner Jugendtage schämen. Ist aber nicht so. Szene-„Richtlinien“ sind für die die nicht wissen wo sie hingehören und sich krampfhaft an irgendwas orientieren müssen. Das kann für einen Lebensabschnitt auch durchaus gut sein, aber die vielen Alt-Grufties sind doch Beweis dafür daß die Szene der rotzigen Jugendrebellion längst entwachsen ist. Und damit meine ich nicht die Randgebiete die sich stilistisch an die Szene geheftet haben, sondern die Menschen die sich jenseit der reinen Mode wohl fühlen in der Szene, weil das Gedankengut auf fruchtbaren Boden bei ihnen stößt. Optik ist ein starkes Mittel, und auch ich bin sehr optisch veranlagt, sehe das aber nur als Ausdrucksmittel, nicht aber als Daseinszweck der Szene. Denn das ist eindeutig das falsche Gleis. Freilich, viele die über die Mode nicht raus gekommen sind steigen auf den Zug auf, aber der führt ins Nichts. Die Szene braucht keine „Gothic-Models“ und keine „GoGos“. Das sind nur hohle Ausläufer, daß man drüber motzt ist verständlich, aber es sind nur Randerscheinungen die freilich arg aufgebläht sind, gerade durch die Flachzangen-Medien. Wir motzen vielleicht zu sehr über diese medienwirksame Farce, vergessen aber wohl daß die Szene das nicht ist. Nur ein Anhängsel das lustlos am Gothic-Block rumbaumelt. Es ist auffällig und drängt sich gern in die Kamera, aber es kann nicht das wiedergeben was die wahre Szene zum konsequent schwarz einst bewegt hat.
„Szene“ ist für mich eine Basis auf der ich mich ausleben kann, auf der ich meine Meinung offen sagen kann, auf der ich meine Kunst für Gleichgesinnte zeigen kann. Kunst muss freilich nicht immer gefälligem Publikum gezeigt werden um Beifall zu haschen, Kunst muss auch polarisierend sein. Kunst muss nicht gefallen. Und im Schwarzen Bereich finde ich weit mehr Leute die damit umzugehen wissen. Wir brauchen eine Szene als Sprachrohr, als gemeinsame Basis, als Familie. Nicht als Denk- und Stilvorschrif. Ihgitt, nein …aber es tut gut eine gemeinsame Grundlage zu haben, die sich durch den Charakter der Partizipienten ergibt, und nicht durch hohles Klischee-erfüllen- müssen unfreier Geister. Wir sind erwachsen geworden und machen unsere Kunst für unseresgleichen. Wo sonst soll das funktionieren als in einer „Szene“? Die gibt doch erst die Plattform für Sub-Kunst.
Da capo!
Wobei, GoGos… ;)
Wenn man Begriffe wie „Szene“, „schwarz“ oder „Gothic“ in Gänsefüsschen setzt, passt es für mich schon.
Ich habe meine Probleme damit, in Kategorien zu denken. Muß man für alles und jedes einen Namen haben?
Der Anfang vom Ende war die Erfindung/Übernahme des Begriffes „Gothic“. Meine Meinung.
Man muss sich sicherlich nicht in Kategorien quetschen, wenn man sich dort eingeengt fühlt.
Allerdings sollte man den Leuten, denen es nicht so geht und die sich deswegen dort sehr wohlfühlen, ihre Kategorien lassen.
Ich fühle mich in der Gothicschublade jedenfalls freier als zuvor.
Ich möchte vielem hier geschriebenen zustimmen, ohne Einzelnes herauszupicken. Eine Subkultur lebt letztlich immer vom Künstler/ Kreativen und dem Konsumenten. Insofern verteufle auch ich Kommerz nicht, solang eben die Künstler/ Kreativen davon profitieren, die die Kultur zu eben dieser machen. Dass die Szene verwässert und Gothic zu einer Marke verkommen ist, die Hüllen ohne Inhalte und Werte verkauft, lässt die Kultur vielleicht nicht sterben, aber sie lähmt sie massiv und es braucht mehr als Stehvermögen und langen Atem, um die ganze Misere mit einem blauen Auge zu überstehen… Vor allem aber braucht es einen klaren Blick, der eben nicht an der Fassade hängt, sondern die Seele betrachtet. In Zeiten der medialen Überflutung und der damit verbundenen „Entpersonalisierung“ muss man sich zur Langsamkeit zwingen… wieder lernen hinzuschauen und zuzuhören. Sich Zeit nehmen, wo keine ist.
Ein paar, nur wenige (in meinen Augen) verpasste oder beachtenswerte Gelegenheiten (klickt bitte auf die Links)…
The Eden House
http://www.theedenhouse.com) … alle Deutschland Termine im letzten Jahr gecancelt, schleppender Kartenvorverkauf
Peter Hook http://www.nachtwelten.de/vB/showthread.php?s=7043c049c403c6f7dd629c6b96bca4c7&threadid=80023 … Deutschland Tour gecancelt… untergegangen in der deutschen, schwarzen Hohlwelt *seufz
Blue Funeral
https://bluefuneralweb.wordpress.com/ (Zeit nehmen… )
The Cure
Sydney, 2011… https://thegurr.bboard.de/board/ftopic-44127603nx11882-603.html
Merciful Nuns
Mein Fazit: Subkultur lebt durch Tradition, die nicht altbacken, aber sentimental und leidenschaftlich ist. Und den Blick zurück als Quelle der Inspiration empfindet und lebt.